Nach unserem Zuhause

Du erzählst mir, du seist an Silvester in Berlin, und fragst mich, ob ich da auch in Town wäre. Verlockend, denke ich mir, du und Berlin. Ich könnte nicht sagen, wen ich mehr liebe, wer mich mehr an den jeweils anderen erinnert. Gibt es ein Berlin ohne dich? Gibt es dich ohne Berlin? Ich muss mir das Papier nochmal zu Hand nehmen, deine Schnörkelschrift, deine unverwechselbar hochgestochene, unaufdringliche Sprache, um dich mir in Erinnerung zu rufen. „Du […] von Zweifeln über die große Zukunft geplagt […] ich dagegen ebenfalls aufgeregt […], glücklich, weil ich das Gefühl hatte, dass nach langem Zögern mein Plan endlich aufgegangen war.“, schreibst du. Ich sehe dich neben mir, wie wir auf Fahrrädern durch die Münchener Sommernacht schlittern, damals liegt Berlin schon mehrere Monate hinter uns. Du versuchst mich davon zu überzeugen, dass München doch viel mehr ist, als die saubere, hygienische, schicke Spießerstadt, die als Berlinkontrast schon immer in meinem Kopf existiert hat. In den Münchener Nachthimmel rufe ich meine Zukunft, als hätte auch diese schon immer existiert.

Ich sehne mich nach dem Dielenboden. Nach dem penetranten Rauchgeruch im Treppenhaus. Nach  Lichtermeer, das die Gleise beleuchtet und Berlinreisende schon vor Ankunft im Hauptbahnhof empfängt. Nach versteckten, in dunklen Gassen liegenden Jazzkellern. Nach Winter, beißender Berlinerkälte. Nach unserem Zuhause

Memory child

The ocean is wide, endless. What arrives as a wave at the beach, is only some little hill, some peak outside at the open sea. Far out, the water molecules are still on their way to collect themselves, to find pairs, triples, to form groups and bound each other until they are countless, as is the energy they are carrying. The sun is falling. In that particular moment it’s hiding behind some clouds, the rest of the morning fog, some rainy dust. Below the yellowish sun, the ocean’s blue is even more beautiful. I’m sitting at a tongue of land that is extending into the Atlantic Ocean. It’s a Portuguese piece of land, their holy coastline. A small surfer’s village.

Five years have passed. I had passed hours and hours at the beach without taking a foot out of the water. I wrote down “My hair is out of order, my eyes are red, my skin is hispanic. And I won’t stop until my entire body starts hurting.” I recognized the surf teacher from five years ago. He used to provoke me by throwing me in the water. I pretended to be angry, but of course the only thing he could see, was some little girl’s smile. It takes a while until I remember his name. I was laying on a bench reading a book, when I dared to ask, whether we’d go surfing together. One leg was stretched, one bent, so that Alvaro would easily recognize the fat black and blue mark on the inner side of my leg. “What did you do, Pauline?”, he’d ask in a caring manner, but also with a voice of great humor. I explained that the fins had caught me. He would slowly shake his head and tell me that a surfboard had the purpose of laying down, not of fighting with the fins. He’d look at me with his warm and provocative eyes, he’d wait for my laughter. I loved his humor, I loved the warmth in his face. Surprisingly, the answer on my hesitant question was an offer. The offer to join the afternoon’s surf class. I just casually shrugged my shoulders and told told him that I’d think about it. At the spot, he asked me for some wax. I shook my head no. “Oh come on, Pauline, you are a surfer!”, he provoked me again. In order to tease back, I stripped some wax from my board, until my little finger was white. “Here you got some”, I offered him my littler finger. “Funny girl”, he just remarked. 

We paddled out together and he assigned me which wave to take. I didn’t catch any. But heard some ironic shout behind me. Next time, I paddled with commitment. Experienced a whipeout. Probably the strongest I’d ever experienced. I grasped for air, looked how much time I had until the next wave would overrun me. And there he was – surfing a wave of his choice. The wave had partly already broken next to him, he paused and then introduced a strong, powerful bottom turn. It was fascinating to see this strength, the tension and smoothness in his movements, the harmony with the wave. A second later I had to dive to not be entirely caught by the force of mother nature.

Lokaljournalismus

Ein Gespräch mit einem Journalisten. Immer wenige Menschen lesen Lokalzeitungen. Auflagen, die Tag für Tag schwinden. Personal, das entlassen wird. Unterbesetzte Redaktionen. Abnehmende Qualität. Enttäuschte Leser*innen. Ein Teufelskreis. Der Lokaljournalismus ist gefährdet, vielleicht dem Untergang geweiht. Ich scherze: „Wir könnten ja ein Manifest für den Lokaljournalismus schreiben…“.

„Kannst du machen. Das würde nur niemand lesen!“, sagt der Journalist.

Teil 2: Von dem, was ich höre

In meiner Nachhilfestunde saßen mir die altbekannten Gesichter gegenüber. Das Zuckergesicht und der kleine Klugscheißer, wie ich sie insgeheim nannte. Ein Viertklässler und ein Sechstklässler. Spätestens nach einer Stunde fingen die zwei an zu quatschen und ließen sich schwer von mir motivieren. Aus dem Gequatsche rief das Zuckergesicht plötzlich hervor: „Der [er zeigte auf den kleinen Klugscheißer] hat mich beleidigt! Der meint, mein T-Shirt sieht schwul aus!“. „Aber ‚schwul‘ ist doch keine Beleidigung!“, sagte ich. Langsam löste sich die Empörung aus dem Zuckergesicht. Das Gequatsche setzte wieder ein. Warum wachsen Viert- und Sechstklässler mit der Annahme auf, „schwul“ sei eine Beleidigung? Schwul sei etwas Peinliches, Beschämendes, etwas, dass es ermögliche, andere zu ärgern, zu stigmatisieren, sich verärgert zu fühlen?

In einer Fernsehshow wird sich offen über ‚das Schwule‘ und ‚Attribute des Schwulen‘, d.h. ein geschlechtsuntypischer Kleidungsstil, eine nasale Stimme, eine exotische Wortwahl […] lustig gemacht. Gesichter „der Homosexualität“ werden gewohnheitsmäßig gedemütigt und ins Lächerliche gezogen. Homosexualität wird als Mittel zur Skandalisierung, zur reißerischen Erzählung verwendet. Ist Homosexualität reißerisch? Ist sie skandalös?

Teil 1: Von dem, was ich sehe

Ich sehe mich im Gespräch mit Bekannten. Das Hauptgesprächsthema: mein neuer Kurzhaarschnitt. Ich weiß nicht mehr, wie wir darauf kommen, aber plötzlich höre ich eine Frau etwas von „Trans […]“ zu einer anderen sagen, und kurz darauf: meinen Namen. Verwirrt schaue ich die Beiden an, reiße intuitiv erschrocken meine Augen auf, als hätte ich das dringende Bedürfnis, mich von dem Wort zu distanzieren. Meinen Blick wahrnehmend oder nicht, erklärte mir die eine dann nüchtern, dass es um ironische Videos zu Transsexualität ging. „Aso“, nickte ich, ebenfalls nüchtern.

Jetzt frage ich mich: Warum der Blick zuvor? Warum hatte ich das intuitive Bedürfnis, mich mimisch von dem „Trans-Thema“ distanzieren zu müssen? Warum nehme ich „Trans“ als etwas Bedrohliches, Peinliches, Unnormales wahr? Was verursachte meine Sorge, selbst der Gefahr von Demütigung und Diffamierung ausgesetzt zu sein? 

Ich schäme mich für meinen Blick. Für meine Unreife. Und darüber, dass es dieser Reflektion bedarf, um zu realisieren, dass gerade solche Blicke, Gedanken, Gefühle die bestehende Machtstruktur zwischen der Heteronorm und der Homo-, Trans, Queer-Randgruppe aufrechterhalten, stärken. Ich schäme mich auch dafür, dass ich erst jetzt, wo sich mein Blick geweitet hat, das sehe, womit der Mensch, mit dem ich vor einigen Monaten sprach, sein Leben lang zu kämpfen hatte. Ich schäme mich für das, was ich sehe. Ich sehe viele, viele Menschen, denen es wichtiger ist, nicht als homophob zu erscheinen, als nicht homophob zu sein.

Nachtrag: Berlin, Berlin

Meine schönsten Berlin Lieder:

  1. schönste Zeit – Bosse: https://www.youtube.com/watch?v=RTlzQEA-4oc
  2. sechs Uhr vierzehn Bahnhof Zoo – Linie 1https://www.youtube.com/watch?v=0_L4NBQnKoM
  3. schwarz zu blau – Peter Foxhttps://www.youtube.com/watch?v=yphwzD1XaBY
  4. Ich will nicht nach Berlin – Kraftklubhttps://www.youtube.com/watch?v=4UdRz3sTqEs
  5. Seid Willkommen in Berlin – Udo Lindenberghttps://www.youtube.com/watch?v=H0LKksgQp-I
  6. Berlin, ich hasse dich – Linie 1https://www.youtube.com/watch?v=7yn7Y0egu44
  7. Sonderzug nach Pankow – Udo Lindenberghttps://www.youtube.com/watch?v=ZbEUjgp9zxM&pbjreload=10
  8. Die Liste – Roger Cicerohttps://www.youtube.com/watch?v=iINFkY4oRtI
  9. Wilmersdorfer Witwen – Linie 1https://www.youtube.com/watch?v=-3DBJId2hl4
  10. Berlin Song – Ludovico Einaudihttps://www.youtube.com/watch?v=JhfwI3gIkzA

Home

I was shown some wet eyes,
some little tears I was passed
to the back Until no one was left
To hug for good bye was I
waved to the trains
Arrival will be
Late was your
Hug made me
Loved was I
was called by my name
When I arrived in the night
I was greeted with much
laughter I was
remained silent with a
smile was talked to quite
a lot was helped with some
leaves and stones was listened to
Whatever story I was sharing
I was missed and asked
For I was speculated
Wherever place I could be
I was hugged very
Tight in the day
I was made a
Home In the time
I was absent
And I was let
through the door
When I was present
Again, In Romania

Himmelblau

Freya schwärmte von dem schönen, blauen rumänischen Himmel und erzählte mir von den Himmel-Fotos, die sie schoss. Hier ihr Gastbeitrag.

Ich erinnere mich an eine Situation mit meinem früheren Mitbewohner Valli in unserer Berliner Altbauwohnung. Wir saßen in der Küche und blödelten wie so oft herum. Ich sorgte für Stille. Wartete kurz ab, bis ich auch wirklich seine volle Aufmerksamkeit hatte. Wartete. Und sagte langsam mit einer theatralischen Armbewegung „Der Himmel ist blau.“ Wir waren erleuchtet.

Ich erinnere mich auch an ein Bewerbungsgespräch. Mir wurde die Frage gestellt, welche deutsche Musik ich den Schüler*innen im Ausland zeigen würde, wenn sie mich danach fragten. Ich zählte wahllos deutsche Lieder auf. Dann fiel mir das Lied „Himmelblau“ von den Ärzten ein. Ich sang eine Zeile

„[…] der Himmel ist blau, und der Rest deines Lebens steht vor dir […]“

Sie lachten.

 

https://www.youtube.com/watch?v=v_KfKRkPWF8

Stadtrandmauer (Street Art Iasi)

Ich laufe durch die Straßen. Kleine Gassen. Rechts und links über mir hängen schwarze Kabel. Die Stromleitungen. Es geht gerade einen der sieben Hügel herunter. Die Stadt wölbt sich. Manche meiner Fotos sind schief. Orientier ich mich an Stadt? Rand? Hügel? Ich gelange auf die Hauptstraße. Hier fährt auch die Straßenbahn. Alte deutsche Wagons. Da, wo die Straße eine Biegung macht, wandert mein Blick nach links. Eine mächtige, grüne Hügelreihe. Vielleicht der Zweite? Oder der Dritte? Die Stelzen der Stadt. Eine lange Treppe führt herunter, aber keine wieder hoch. Ich springe zurück. Und da erblicke ich sie – die mysteriöse Kapuzenfigur auf der Stadtrandmauer. Street Art Jagd.