Silvester-Likör

Ort: am Hörer und in einer Telefonzelle. Personen: junge Frau, am Anfang ihres Lebens; alte Frau, am Ende ihres Lebens.
Alte Frau: Ich war heute bei Käthe. Und da hab ich diesen usseligen Silvester-Likör mitgenommen und wir haben ein Glas getrunken. Käthe und ich. Und haben ein bisschen gequatscht. Die fühlt sich ja so allein sonst. Und dann bin ich wieder hochgegangen.
Junge Frau: Biste denn noch hoch gekommen?
Alte Frau: Ach, von so ein bisschen Likör…
Junge Frau: Und die Käthe hat den auch gut verkraftet?
Alte Frau: Die Käthe erst recht. Die sagt immer, dass sie nicht viel verträgt. Aber in Wahrheit zählt sie gar nicht mehr mit.
Junge Frau: Aber du zählst mit?
Alte Frau: Nein. Ich schau zu. (kichert)
Junge Frau: So kenn ich dich ja gar nicht. Du lachst ja wie beim Pfuschen.
Alte Frau: Es ist nicht wahr! Was ich mir immer anhören muss. Ich spring gleich durch den Hörer!
Junge Frau: Und ich fang dich auf.
Alte Frau: Das will ich auch hoffen.
Junge Frau: Jedenfalls geb ich mir Mühe.
(Schweigen)
Junge Frau: Ich denk an unseren Abschied zurück. Als ich gesagt hab ‚Danke, dass ich bei dir sein durfte.‘ Und du gesagt hast ‚Du Spinner! Du weißt doch, dass du immer bei mir sein darfst‘
Alte Frau: Ja, so ist das auch.
Junge Frau: Und das Gefühl, bei jemandem sein zu dürfen, das beschreibt einfach, wie ich mich fühle. Nämlich, dass ich nicht weiß, wohin mit mir.
(Unterbrochene Verbindung)
Alte Frau: Sina? Ich hab dich nicht mehr gehört. Du warst einfach weg. Also irgendwas war da mit der Verbindung. Du warst ganz verschwommen. Hast du das auch gehört? Da war so ein Rauschen. Bist du wieder da?
Junge Frau: Ich wollt dir bloß sagen, dass ich dich lieb hab.
Alte Frau: Sina. Ich liebe dich auch.

tanzum, freisam

Wenn du wüsstest, was es mir gibt, zu tanzen.

Jene Freiheit auf der Welt, mit der ich etwas anzufangen weiß.

Die meine.

Die ich in vollen Zügen auskosten, in Gänze zu bewegen liebe.

Zwar mag ich mich schämen unter mancherlei Blicken.

Aber bin ich einmal bei mir, ist die Scham einmal fort, ist die Freiheit einmal da,

so tanz ich und tanz,

vermag ganze Gedankenstränge zu vergessen.

Denn es lässt sich nicht in Worten tanzen.

Nur auf sie hören. Und zuweilen auf ihnen atmen.