Ideal

Keine Ahnung

an welche Bilder

ich dachte

bevor ich dich aufsuchte

aber was ich fühlte

war warm

und warm

warm und warm und warm und warm und

idealerweise eben

weniger fahl

Die Silhouette

Ein Mädchen stand an einem See, umrundet von einer bunten Blumenwiese. Milliarden von Blüten erstreckten sich zum Himmel. Sehr weit weg, an der anderen Uferseite, erkannte sie eine Silhouette. Aber ihr Gesicht war verschleiert. Jedes Mal, wenn sie versuchte, der Silhouette in die Augen zu blicken, hatte sie das Gefühl, an der Schönheit des Schleiers zu erblinden. Also wendete sie ihren Blick ab. Ein fürchterlicher Sturm stieß in ihre Richtung und ergriff sie. Die Umgebung war haltlos, es gab nichts, um sich festzuhalten. Sie verlor die Orientierung, wurde nach rechts, nach links, nach oben und unten gewirbelt. Zerstörung wütete über den Blüten. Sie wollte rennen, verstand bald, dass das nichts brachte, wurde vom Sturm gejagt, entlang des Sees, ließ sich schließlich vom Wind tragen, vom blinden Zorn. Plötzlich wurde sie vom Sturm umschlungen, sie selbst spürte Sturm. Sie sprang in den See, um sich zu befreien.

Das Leben im Wasser war wunderbar. Wie auf einem anderen Planeten. Ein blauer, purer Planet, unberührt, ausschließlich aus Kristallen, Eiszapfen und Schneeflocken bestehend. Die Kleine erfuhr, dass es sich um den Planeten der Tränen handelte. Gletscher bestanden aus Tränen, Grotten bestanden aus Tränen, alle Materie bestand aus geretteten und verwandelten Tränen. Benötigten die Kristalle neue Tränen, um ihre Glanzkraft zu erhalten, so würde der blaue Planet sie mit weiteren Tränen versorgen. Ein Leichtes. Und da der Ursprung allen Lebens auf dem Planeten Tränen waren, schmeckte es dort sehr salzig. Das Mädchen war fasziniert. Sie begann bald alle Schneeflocken und Kristalle einzufangen. Noch eine, eine Letzte, und eine Allerletzte. Sie bemerkte nicht, wie sie blau anlief, violett. Dann verlor sie das Bewusstsein. Kristalle, Schneeflocken und Eiszapfen verschwanden aus ihrem Sichtfeld. Ihr Körper wurde schwer und verlor seine Spannung. Das Mädchen sank auf den Grund hinab, in die Tiefe, und noch tiefer.

Als sie nach Luft schnappte, war der Sturm vorüber. Plötzlich befand sie sich wieder auf der Blumenwiese, die den See umgab. Von sehr weit her hörte sie eine sanfte Stimme, die der Silhouette. Das Mädchen wurde wach, schnell stand sie auf und versuchte den Schleier der Silhouette auf der anderen Seite des Sees zu sichten. Sie ließ sich von ihrer Stimme leiten. Aber die Stimme schien sich mit jedem Meter, den das Mädchen zurücklegte, weiter zu entfernen. Ihr Lächeln verschwand aus ihrem verbissenen Gesicht. Sie marschierte und marschierte, weigerte sich, anzuhalten, strebte danach, die unerreichbare Silhouette zu erreichen.

Plötzlich näherte sich ihr zwei Fremde. Ihre Beine liefen den Fremden in die Arme. Immer schon waren die Fremden ihr weniger fremd gewesen als die Silhouette. Die Kleine in ihren Armen haltend, erklärten die Fremden, dass die Silhouette nur eine unter vielen anderen sei. Unglücklicherweise könnte sich jedoch genau diese nicht öffnen. Aber es würde andere geben, die dazu fähig wären. Aber welche? fragte die Kleine. Das musst du selbst herausfinden, antworteten die Fremden, und lächelten. Aber du findest es nur heraus, wenn du aufhörst, deinen ewigen Kreis um den See fortzusetzen, bekam die Kleine als Erklärung. Aber warum? fragte sie erschüttert und verwirrt. Weil das ein Teufelskreis ist, der den See umrundet. Um den Planeten der Tränen zieht sich ein Teufelskreis. Die Kleine schien sie nicht zu verstehen. Denn ihr Warum war Unmengen größer als die Fremden vermutet hatten.

Warum bestand der Planet nur aus Tränen? Warum erblinde ich an dem Schleier meiner Silhouette? Das Mädchen verlor sich in Fragen und Gedanken. Die Fremden, ihrerseits, schienen überfordert von den vielen Fragen, die sie sahen, aber nicht hörten. Eine schreckliche Stille breitete sich zwischen den Herzen der drei aus. Das Mädchen öffnete schlagartig die Augen. Als die Fremden die Schwere in den Augen der Kleinen sahen, sagten sie, es sei nicht schlimm. Die Öffnung seiner Silhouette hänge von dem Moment, den Umständen, der Position der Sonne und des Mondes, der Leuchtkraft der Sterne und der Gezeiten ab. Das alles sei weit, sehr weit.

Die Schritte des Mädchens wurden schwer, ihre Beine labil, und ihr blinder Wille, die Silhouette zu erreichen, wurde schwächer. Von Zeit zu Zeit schaffte sie es, sich von dem Teufelskreis zu entfernen, Abstand vom Planeten der Tränen zu gewinnen. Dafür suchte sie umso mehr die Arme der Fremden, die längst in der Ferne verschwunden waren. Wie zuvor von der Silhouette, wurde sie jetzt von den Fremden magnetisch angezogen. Aber auch wenn die Fremden sich öffnen konnten, waren sie keine Silhouetten. Die würde es nicht geben. Damals nicht, wie heute.

nackt

aufgebahrt
unterm Skalpell
öffnet die Ärztin Hirn und Herz
und verspricht mir sichere Führung
ihrer passgenauen Fingerspitzen
im Moment der größten Nacktheit
hört die Fremde mich entblößter
als jeder Nahestehende

Die Suggestion

Manchmal zieht mich die Musik

In einen blendenden Tunnel

Oberkörperfrei

Erfasst mich die Kälte

Und die Haut soll ihr trotzen

Unter schepperndem Bass

Bis die Wände vibrieren

Und nur der Gesang

Den Rausch kontrolliert

Den Kopf

Den Tanz

Die springenden Füße

Und sich der Oberkörper

Zur grellen Deckenwölbung neigt

Let me go blind tonight

Let me just lose lose lose

All bonds to reality

Let me be free

From load

From fuming thee

Singt die Stimme

In die Venen meines Körpers hinein

Volle Dröhnung ohne Schuss

Alles gut, alles bestens

Je länger der Tunnel

Desto größer der Abstand

Leere

Ist der Preis für die Suggestion

Tür zum Schmerz

I. 

Schützen heißt nicht

Mauer aufbauen

Schützen heißt

Rückzug

Still

Und ohne Beschluss

In ein verriegeltes Versteck

 

II. 

Hinter dieser Türe

Gibt’s kein Ego

Kein Lob, kein Schmerz

Nur Taubheit

Die Seele

Weit entfernt, tief verborgen

Unangreifbar

 

III.

Jedes Mal eine Errungenschaft

Wenn das Ich dorthin verschwindet

Doch dieses Mal

Zerbrach der Riegel

Zum ersten Mal

Ohne

Verschluss

Der Fallschirmsprung

I.

Eigentlich fühlt sich das Fallen

Nicht nach Freiheit an

Der Flug nicht nach Rausch

Zu schnell

Trifft man auf den Boden

Erschüttert

Betäubt

 

II.

Das Bodenlose:

Kaum zu erkennen

Schon als der Atem verschwindet

Im Geschwindigkeitswahn

Und das Bewusstsein verfliegt

Kündigt sie sich an

Die Härte des Asphalts

 

III.

Der Fallschirm selbst:

(Sofern er vorhanden)

Zwei einfache Hände

Die sich behutsam

Um die Schultern legen

Tragen

Und dämpfen

 

IV.

Am Boden:

Steht die Zeit still

Das Gehör ist benebelt

Reset.

Und beruhigend ist nur

Dass man einmal am Boden

Nicht noch tiefer fällt