Wenn es sich so anfühlt, das Aufwachen nach einem chirurgischen Eingriff, der einst tatkräftig und kalkuliert versuchte, es zu richten oder gar zu errichten, sodann will ich mich auf die Stelle ins Krankenhaus begeben, mich unter die Klingen werfen, zuvor bis aufs Nötigste enthüllen, ja, vielleicht gerade drum, tragen sie dort bloß weiße, luftige Gewänder, in denen es sich, so glaube ich, ausgezeichnet atmen lässt, und vielleicht gerade drum, sind sie auf der Straße so schichtenweise bunt ummantelt, dass einem gar schwindelig werden kann; nach so einem wundersamen Aufenthalt in der Chirurgie, in der man es wässrig schwenkte, behutsam massierte und Yo-Yo-flugartig in die Höhe schnellen ließ, da verweile es für einige Sekunden, ja, es suhle sich in einem mit Lammfell bedeckten Schaukelstuhl, mit ruhig anhaltendem Puls, wie ein Ausstellungsstück, nackt und transparent, sowie man es sezierte, das geerdete Herz.
Kurztexte
Von deiner unbeirrbaren Zuversicht
Was wärst du ohne deine stille Zuversicht? Ohne deine Augen, die sich zu allem Anderen wenden, vielmehr als zu dir selbst. Ich merk, wie deine Erzählungen langsamer werden. Worte finden ist schwer. Sich die Welt in Erinnerung zu rufen auch. Was Anderen ihr Charisma ist, ist dir deine Weichheit. Aus ihr spricht dein Leben. Deine Lebendigkeit. Das i meines Namens, das du bewundernd in die Länge ziehst. Stärke in deiner gemächlichen Ruhe. In deiner unbeirrbaren Zuversicht. Dass ich das schon schaffe. Ob du weißt, was du da sagst? Fühlen bestimmt. Dein Herz ist mit mir. Zumeist erwartungslos. Wie schön. Wie liebevoll. Ich werd dir Bücher widmen, ja eine ganze Bibliothek. Dass du für immer bei uns bleibst.
Tausendjähriger Hefeteig
Die Zeit, die vergeht ohne etwas von dir zu hören, kommt mir ewig vor. Ewig lange her. Wo hat man das schon, dass das Ticken eines Zeigers sich wundersam über mehrere Zeitzonen erstreckt? Dass die Zeit sich einmal dehnt, statt zu schmelzen; wie ein über Tausend Jahre gedeihender Hefeteig
El memoria
Erinnerst du dich noch? An deinen Blick? Du hast ihn ja nicht gesehen. Wenngleich bei dir wohl ungewiss ist, was du siehst. Wer weiß, wo dir überall Spiegel stehen. Bestimmt vielerorts. Jedenfalls hast du so betont bedächtig, so lauthals nachdenklich geschaut, dass es ja doch kein Nachdenken sein konnte, was in dir stattfand. Vielleicht verriet dich bloß dein Mundwinkel, dein intensiv zuhörender Blick. Er war herrlich, dein Blick. Ich sah Opa in dir. Wie verwunschen. Und dann riefst du mich von weit weg. Und ich antwortete. Welche Farben hörten deine Ohren? Sie hallten nach, deine Frage, meine Antwort. Und als ich schließlich kam, da begrüßtest du mich, obwohl der Tag doch schon seit vielen, vielen Stunden angebrochen war. Du sagtest etwas Verspieltes, Musikalisches. Und ich antwortete. In genau demselben Duktus. Ich hab’s erst überhört, das abermals nachschwingende Echo, die Süße. Du hast sofort gelacht. Ich dann auch, konnte gar nicht mehr zu Ende atmen, prustete die Luft heraus. Vorbei. Flüchtig. Niedlich und sanft. Erinnerst du dich noch?
Was ein Drama, Baby!
Ganz leibhaftig hab ich es vor Augen, das nach Tagen und Nächten ersehnte Gewitter. Und wie es prasselt und prasselt. Und fegt und fegt. Und, oh Hölle, wo bist du, du. Der Teufel? Land unter, das Dorf, die Felder. Dein Grauen. Über mich. Und wer nicht wagt, der nicht gewinnt. So du, Gewitter, brauch ich dich. Und es prasselt und prasselt und schüttet sich nieder.
Erst die plötzlich vor mir auftauchenden Bremslichter holen mich wieder zurück auf die Autobahn. Gehupe. Schweiß. Stau, steht bevor. Noch ist es ruhig, friedlich. Die Sonne erglüht über dem Armaturenbrett. Wind ist da. Meine 150 h/km kommen mir gähnend langsam vor. 60! Stau! blinkt ein automatisches Warnschild auf. Sonne, immer noch. Seelenruhig fließt der Verkehr immer weiter gen Osten, nichtsahnend von einer dunkelblauen Wand geschoben, derer ich mir im Rückspiegel gewahr werde. Oh, du saftig, korpulentes Gewitter, komm hole mich doch ein, lache ich lauter und lauter, übertöne die exotische Radiomusik, afrikanische Klänge. Trompeten, Oboe, ein wilder Haufen Blasinstrumente wirbelt Wind auf. Und dieser die gelben Blätter, die mir über den grauen Asphalt entgegen schießen. Frech und unschuldig das Ende des Sommers einläuten. Herbst? Geschwind. Auf Sommer wieder Wolken blühn. Und Himmel hellblau, vor mir, tiefdunkel hab ich dich in meinem Nacken. Musik, Musik, die ich nicht versteh. „Don’t know where we’re goin“, ist die einzige Zeile, die ich vermag zu entziffern. Ich wipe von einer Pobacke auf die andere. Was ein Drama, Baby! Wie im Theater.
Noch einmal höre ich den ghanaischen Song, sitze mit offenen Türen in der Terassentür und sehe mich satt, an dem Gewitter, das jetzt endlich zuschlägt. Sich dann beruhigt. Das Schauspiel genießt die Ruhe nach dem tosenden Applaus. Was will man mehr, denkt sich das Gewitter. Und zieht von dannen.
Nach unserem Zuhause
Du erzählst mir, du seist an Silvester in Berlin, und fragst mich, ob ich da auch in Town wäre. Verlockend, denke ich mir, du und Berlin. Ich könnte nicht sagen, wen ich mehr liebe, wer mich mehr an den jeweils anderen erinnert. Gibt es ein Berlin ohne dich? Gibt es dich ohne Berlin? Ich muss mir das Papier nochmal zu Hand nehmen, deine Schnörkelschrift, deine unverwechselbar hochgestochene, unaufdringliche Sprache, um dich mir in Erinnerung zu rufen. „Du […] von Zweifeln über die große Zukunft geplagt […] ich dagegen ebenfalls aufgeregt […], glücklich, weil ich das Gefühl hatte, dass nach langem Zögern mein Plan endlich aufgegangen war.“, schreibst du. Ich sehe dich neben mir, wie wir auf Fahrrädern durch die Münchener Sommernacht schlittern, damals liegt Berlin schon mehrere Monate hinter uns. Du versuchst mich davon zu überzeugen, dass München doch viel mehr ist, als die saubere, hygienische, schicke Spießerstadt, die als Berlinkontrast schon immer in meinem Kopf existiert hat. In den Münchener Nachthimmel rufe ich meine Zukunft, als hätte auch diese schon immer existiert.
Ich sehne mich nach dem Dielenboden. Nach dem penetranten Rauchgeruch im Treppenhaus. Nach Lichtermeer, das die Gleise beleuchtet und Berlinreisende schon vor Ankunft im Hauptbahnhof empfängt. Nach versteckten, in dunklen Gassen liegenden Jazzkellern. Nach Winter, beißender Berlinerkälte. Nach unserem Zuhause
Memory child
The ocean is wide, endless. What arrives as a wave at the beach, is only some little hill, some peak outside at the open sea. Far out, the water molecules are still on their way to collect themselves, to find pairs, triples, to form groups and bound each other until they are countless, as is the energy they are carrying. The sun is falling. In that particular moment it’s hiding behind some clouds, the rest of the morning fog, some rainy dust. Below the yellowish sun, the ocean’s blue is even more beautiful. I’m sitting at a tongue of land that is extending into the Atlantic Ocean. It’s a Portuguese piece of land, their holy coastline. A small surfer’s village.
Five years have passed. I had passed hours and hours at the beach without taking a foot out of the water. I wrote down “My hair is out of order, my eyes are red, my skin is hispanic. And I won’t stop until my entire body starts hurting.” I recognized the surf teacher from five years ago. He used to provoke me by throwing me in the water. I pretended to be angry, but of course the only thing he could see, was some little girl’s smile. It takes a while until I remember his name. I was laying on a bench reading a book, when I dared to ask, whether we’d go surfing together. One leg was stretched, one bent, so that Alvaro would easily recognize the fat black and blue mark on the inner side of my leg. “What did you do, Pauline?”, he’d ask in a caring manner, but also with a voice of great humor. I explained that the fins had caught me. He would slowly shake his head and tell me that a surfboard had the purpose of laying down, not of fighting with the fins. He’d look at me with his warm and provocative eyes, he’d wait for my laughter. I loved his humor, I loved the warmth in his face. Surprisingly, the answer on my hesitant question was an offer. The offer to join the afternoon’s surf class. I just casually shrugged my shoulders and told told him that I’d think about it. At the spot, he asked me for some wax. I shook my head no. “Oh come on, Pauline, you are a surfer!”, he provoked me again. In order to tease back, I stripped some wax from my board, until my little finger was white. “Here you got some”, I offered him my littler finger. “Funny girl”, he just remarked.
We paddled out together and he assigned me which wave to take. I didn’t catch any. But heard some ironic shout behind me. Next time, I paddled with commitment. Experienced a whipeout. Probably the strongest I’d ever experienced. I grasped for air, looked how much time I had until the next wave would overrun me. And there he was – surfing a wave of his choice. The wave had partly already broken next to him, he paused and then introduced a strong, powerful bottom turn. It was fascinating to see this strength, the tension and smoothness in his movements, the harmony with the wave. A second later I had to dive to not be entirely caught by the force of mother nature.