Vai doer no peito, vai

https://www.youtube.com/watch?v=JvsEYlRCCh0 

Auf dem kulturweit.blog werde ich schon als Alumni aufgeführt, die Tage bis zu meinem Abflug kann ich mittlerweile entweder an meiner rechten oder linken Hand abzählen-beide brauche ich nicht mehr. Schon länger kann ich mich nicht mehr wirklich in meinem Zimmer bewegen, überall liegt Zeug und die mehr oder weniger gepackten Koffer. Bald bin ich wieder in meiner Heimat.

Und ich erwische mich immer wieder dabei wie ich-natürlich erfolglos-versuche, die noch verbleibende Zeit in die Länge zu ziehen oder irgendwie festzuhalten.

Ich will Dinge fotografieren, die mir vorher nie aufgefallen sind und, die es meistens auch nicht wert sind fotografiert zu werden.

Ich bin wie besessen davon Dinge kaufen zu wollen, die mich an irgendetwas erinnern. Es braucht einiges an mentaler Kraft um mir selber klar zu machen, dass es nicht die Erinnerungsstücke sein werden, die meine Zeit hier zu etwas Besonderem machen, sondern die Erinnerungen selber.

Auch wenn ich keinen Hunger mehr habe, schleicht sich beim Essen immer das Gefühl ein, dass ich mir einen Nachschlag holen sollte. Dann bleiben alle länger sitzen, wir können uns weiter unterhalten und müssen vielleicht nie wieder aufstehen, denke ich heimlich.
Meine Ernährung ist in letzter Zeit nicht mehr besonders ausgewogen. Schließlich muss ich täglich paes de queijo und ein Açai essen.

Außerdem entwickele ich Zuneigung für Dinge, die mich ein ganzes Jahr lang gestört haben. Jedes Mal freue ich mich über die Hunde meiner Mitbewohnerin, wenn ich nach Hause komme. Die  Beiden bellen wirklich unheimlich laut und springen den Weg vom Tor bis zur Haustür unentwegt an mir hoch. Aber ist doch irgendwie schön, dass sie sich so freuen.

Ich habe mich erst darüber geärgert wie ich die Zeit in meinen letzten Tagen hier aufgeteilt habe. Nur um dann zu merken, dass das Problem eigentlich nicht die falsche Aufteilung ist, sondern die Tatsache, dass meine Zeit hier bald abgelaufen ist.

Nichtsdestotrotz freue ich mich auf die Rückkehr, weiß, dass jetzt der richtige Zeitpunkt dafür ist und versuche die Trauer des Abschieds in Dankbarkeit zu verwandeln.

Eine Ode an das Reisen

Gerade habe ich auf dem Kalender das erste Mal nachgezählt. Mir bleiben noch 22 Tage in diesem Land, das mir so ans Herz gewachsen ist.

Meine letzten Ferien liegen hinter mir. Was mir bleiben sind die Früchte, die ich gestern gekauft habe, meine zahlreichen kleinen Verletzungen vom Surfen, der kleine Stern aus Palmblättern und ein kleiner Stich in der Brust.

In den letzten zwei Wochen habe ich Deutsche, Belgier, Franzosen, Tschechen und Brasilianer im Alter von 24 bis 55 kennengelernt. Marina und Klaus, Rafael, Flavian und Sárka, Amber und Sam, Juliana, Felix, David.
Manchmal Menschen, für die ich mich sonst nie interessiert hätte. Immer Menschen, die mir sonst auf nie über den Weg gelaufen wären.
Und gerade deshalb können diese Begegnungen interessanter nicht sein. Meinungen, von denen ich noch nie etwas gehört habe. Geschichten, Lebensläufe, Ideen, Träume, die mir völlig fremd waren. Und ich bin froh, dass sie das nicht mehr sind.

Jeder Ort, den ich besucht habe und wieder verlassen musste, hat sich wie ein kleines Leben angefühlt.
Im Amazonas habe ich zahlreiche Bootsfahrten unternommen und dabei eine große Faszination für Bäume entwickelt.
Das Grün wurde nur nicht langweilig, weil ich wusste, dass es bald wieder weg ist.

In einer Kirche, auf dem Markt, in einem Aufzug, in einer Kathedrale, in einem Touristengeschäft und in einem Café habe ich mich in Pelourinho vor den kurzen Regenschauern versteckt, die die Sonne durchbrochen haben.

An einem Sonntag habe ich mir Wanderschuhe gekauft. Am Montag bin ich in den Bus gestiegen und am Dienstag losgewandert. Drei Tage bin ich tagsüber im Vale do Paty über Steine geklettert um mir die schönsten Ausblicke zu „erarbeiten“ und nachmittags im kalten Fluss schwimmen gegangen. Geschlafen und gegessen haben wir bei einer der 10 Familien, die in dem Tal wohnen.

Es schmerzt  „Lebe wohl“ zu sagen. Den Backpack zu packen, sich auf einen neuen Ort einzulassen um dort nach vier Tagen dasselbe zu spüren.

Besonders an Itacaré werde ich mich erinnern. Ich habe wenig, im Vergleich zu den anderen Orten gar keine, Fotos dort gemacht. Dafür habe ich diesen Ort umso lebhafter im Gedächtnis.
Stellt euch einen kleinen Surferort vor, in dem es wenig Autos, aber umso mehr Fußgänger auf der Straße gibt. Viele kleine Wohnhäuser, zwischen denen immer mal wieder einen Supermarkt oder ein Obstgeschäft auftaucht. Überall gibt es Flip-Flops zu kaufen, etwas anderes wir auch nur wenig getragen. Die Hauptstraße besteht aus vielen kleinen Häusern, die bunt angemalt sind und Restaurants, Bars, Apotheken und Kleidungsgeschäfte beherbergen.
Dort wo der Fluss das Meer trifft steht ein grünes Haus. Das Hostel war fast leer, sodass alle Bewohner gleichzeitig im Wohnzimmer Platz nehmen konnten und immer eine Hängematte frei war.

Morgens vor der Surfstunde sind wir gemeinsam bei der Padaria frühstücken gegangen.
Café com leite, Pão de queijo, Pão com queijo.

Den (Vor)mittag haben wir mit Surfen und Ausruhen vom Surfen an einem kleinen Strand verbracht, der umgeben vom grünen Wald war.  Jedes Mal haben wir die Surfbretter erst 15 min. einen kleinen Pfad entlang getragen um in dem kleinen Paradies anzukommen, wo ein paar Palmen auf den Sand ragen und das Meer Wellen schlägt.

Nachdem wir unseren Energiehaushalt mit Gebäck aus der Padaria (weil lecker, günstig, schnell) und Caldo de cana (Zuckerrübensaft) wieder aufgefüllt haben sind wir spazieren gegangen und haben ganz nach dem Motto „immer der Nase nach“ den Ort entdeckt.

Pünktlich um 17.30 Uhr ist die Sonne untergegangen und wir waren beim „Espaço Dharma“ anzutreffen. Weil das Granola zum Açai dort am Knusprigsten und der Blick auf den Sonnenuntergang der Beste ist-ach und die Musik, die Musik war auch gut.

Bis bald
Clara

Dreimal dürft ihr raten in welcher Stadt ich war

Seit geraumer Zeit frage ich mich wie ich diesen Blogpost so schnell wie möglich schreiben kann ohne, dass er dabei an Unterhaltung verliert. Die Wahrheit ist: ich bin noch zu keiner Lösung gekommen, aber vielleicht entsteht das ja noch.

Die erste Frage ist ja: ab wann fange ich an zu erzählen?

Wenn ich nach meiner Ankunft am Hostel anfange, dann würde ich zuerst schreiben was mein Zwiespalt beim Alleine-Reisen ist. Ich kann einfach machen was ich will, nur weiß ich manchmal nicht was ich will. Dann fange ich an das zu machen was ich glaube was ich will nur um dann später rauszufinden das es nicht das war, was ich wollte.
Anders an diesem Morgen: ich komme im Hostel an, lasse mein Gepäck da, dusche, ziehe mich um und ziehe mir beim nächsten Fahrradständer ein Rad raus.

In der Morgensonne fahre ich lächelnd den Fahrradweg an der Küstenlinie entlang und weiß, das ist wirklich genau das was ich wollte. Fahre durch hässliche Tunnel und zweifle schon, dass der Fahrradweg wirklich hier weitergeht nur um auf der anderen Seite wieder rauszukommen und Blick auf eine kleine Bucht mit  vielen Segelschiffen zu haben. Diese Stadt ist voller Überraschungen, denke ich. 

Nachdem ich am Straßenrand und damit auch direkt am Strand eine Coco gelado getrunken habe fahre ich bis zum Ende des Radweges. Ich habe es einfach nicht geschafft vorher abzubiegen um ein festes Ziel anzusteuern. Was, wie ich im Nachhinein merke, gar nicht so schlimm war. Denn ich stehe mehr oder weniger plötzlich vor dem „Museu do Amanhã“, das sich mit den folgenden Fragen beschäftigt:

De onde viemos? Quem somos? Onde estamos? Para onde vamos? Como queremos ir?
Woher kommen wir? Wer sind wir? Wo sind wir? Wohin gehen wir? Wie wollen wir gehen? 

Nur kurz: ich habe das ganz alleine übersetzt.

Am Morgen hatte ich die Zusage für meine dualen Ausbildungsplatz bekommen, sodass ich dachte, da kann ich mich direkt weiter mit meiner Zukunft im zugehörigen Museum beschäftigen.

Leider hat das Museum nicht alle Fragen, die ich bezüglich meiner Zukunft habe geklärt. Schade!

Weil ich danach nicht genau wusste was ich will habe ich mich nach rechts gedreht und bin einen Weg reingegangen, der interessant aussah. War er auch. Auf der rechten Seite standen die alten Hafengebäude, auf der anderen Seite waren Gebäude mit riesigen Graffiti-besprühten Flächen.

Viele meiner Ansichten haben sich während meiner Zeit hier verändert. Eine davon betrifft Graffitis. Ich habe nie verstanden warum manche Leute Graffitis als Kunst bezeichnen. Was genau meine Beweggründe waren das zu denken weiß ich gar nicht mehr so genau. Denn heute weiß ich: das sind gar keine Graffitis sondern Murals. Und die können sehr wohl Kunst sein-warum denn nicht?

Direkt gegenüber vom Museu do Amanhã, von dem ich mich bei meinem Spaziergang nicht wirklich entfernt hatte liegt das Museu de Arte. Der Eintritt war an dem Tag frei, deshalb bin ich reingegangen.

Bei meinen Museumsbesuchen in letzter Zeit habe ich mich immer gefragt warum ich eigentlich ins Museum gehe. Was ich am Reisen so schätze ist die ständige Konfrontation mit dem Neuen. Und so manches Neue, das ich treffe oder finde, entdecke ich für mich und nehme dann mit. , So ist das meiner Meinung nach auch im Museum. Man kommt mit fremden Ideen und Ansichten aus fremden Kulturen und Zeiten in Berührung. Es ist quasi wie (Zeit)reisen, nur einfacher.

In diesem Fall war das Museum besonders interessant, weil es viel um den Ursprung der Diversität ging, die es in dieser Stadt gibt.

Passend zum Sonnenuntergang bin ich oben auf dem Dach des Museums angekommen und habe mich gefragt wie die Zeit so schnell vergehen konnte.

Ich wollte den Namen der Stadt wirklich bis zum Ende des Eintrags nicht benutzen, merke jetzt aber, dass das keinen Sinn mehr ergeben wird. Ihr werdet sehen warum.

Es war während der gesamten vier Tage fast immer sonnig mit klarem blauem Himmel. Nur am Freitag morgen nicht. Normalerweise wäre es mir ja egal, aber ich wollte so hoch hinaus, das die Wolken zu einem Problem werden konnten.

Noch bevor das Frühstück im Hostel begonnen hat bin ich mit dem Bus losgefahren. Pünktlich um kurz vor acht stand ich am Ticketschalter. Und um kurz nach acht war ich oben. Ich stand vor ihm „Christo Redentor“ auf dem Corcovado.
Den Auslick habe ich schon oft auf Postkarten gesehen, allerdings mit blauem Himmel. Und Fotos vom Christo gibt es nun auch wirklich zur Genüge im Internet. Seine Arme, die sich vor dem blauen Himmel ausbreiten. Aber dann wirklich oben zu stehen war etwas anderes. Auch, weil der Himmel nicht blau sondern grau war.
Ich habe zwei Stunden oben verbracht. Zum Einen, weil ich dachte vielleicht kommt die Sonne ja noch. Zum Anderen, weil ich mich nicht von dem Ort lösen konnte.

Aber alle 15 Minuten ist eine neue Bahn angekommen und mit jeder neuen Bahn auch neue Menschen, die alle Fotos mit derselben Komposition gemacht haben. Wenn jemand einen neuen Platz gefunden hatte wo man sich hinstellen konnte oder eine besonders coole Art und Weise die Arme auszubreiten wurde das direkt von allen nachgemacht. Irgendwann habe ich mich dann nicht mehr getraut mich zu bewegen, weil ich ständig in irgendein Bild reingeplatzt wäre und habe deshalb beschlossen, dass es jetzt genug sei.

Zum stillen Abschied bin ich noch in die Kapelle unter dem Christo gegangen und habe dann erst durch die Treppen, dann mit der Bahn den Hügel wieder verlassen. Von unten hat mir der Christo ehrlich gesagt auch besser gefallen. Wenn man vor ihm steht ist es eben einfach nur eine Statue. Seine Magie entwickelt er erst, weil man ihn von fast überall in der Stadt sehen kann und es tatsächlich so wirkt als passe er auf sie auf.

Weil ich das im Hostel verpasst hatte war es jetzt deutlich Zeit für Frühstück. Mit dem Bus (Fahrradständer war leider leer und kein Fahrrad bedeutet man kann kein Fahrrad fahren) bin ich Richtung Botafogo gefahren, da sollte es eine besonders gute Bäckerei geben.
Die Qualität ließ sich dann auch daran erkennen, dass es vor der Tür schon eine Schlange gab. Aber lasst mich euch vom zweiten Vorteil berichten, den das Alleine-Reisen hat. In Restaurants, Cafés und Bars bekommt man fast immer sofort einen Platz.

Also konnte ich an der Schlange vorbei und mich in die Ecke setzen. Von dort habe ich das geschäftige Treiben beobachtet und mir überlegt was als nächstes ansteht. Der folgende Nachmittag war ein klarer Fall von „Ich weiß nicht genau was ich machen will, aber das was ich gerade mache ist es auf jeden Fall nicht.“ Im Rückblick war es dann doch irgendwie das was ich machen wollte.

Zuerst bin ich mit dem Fahrrad Richtung Wasser gefahren, weil ich das dringende Bedürfnis nach Meer hatte. Dort habe ich mich einfach an den Hafen gesetzt und die Schiffe angeguckt. Ich habe es schon mal auf diesem Blog erwähnt: ich liebe Häfen!

 Ach ja, und Cookies habe ich auch gegessen.

Irgendwann habe ich mich dann, wenn auch ungern, von diesem Blick gelöst. Irgendwas musste an dem Tag ja noch passieren. Der Fahrradständer war diesmal nicht leer und so bin ich zum Treffpunkt der Free-Walking-Tour gefahren. Gut um alle wichtigen Orte im Zentrum der Stadt einmal gesehen zu haben.

  

Den nächsten Morgen bin ich dann etwas ruhiger angegangen und hatte endlich auch mal Zeit um das kostenlose Frühstück im Hostel wahrzunehmen. So viel Zeit dann aber auch nicht, weil ich für den Morgen eine Fahrradtour gebucht habe. Sowieso meine Städtetrip-Tipp Nummer eins: immer eine Fahrradtour buchen. Der Guide war wirklich super-er konnte viel und verständlich über die Geschichte der Stadt und aktuelle brasilianische Politik informieren und hatte auf seinen Beinen ein Tattoo auf dem „Keep Biking“ stand. Zusammen mit drei Amerikanern und einem Mann aus El Salvador sind wir wieder den Fahrradweg entlang der Küste gefahren. Diesmal nur mit kleinen Stopps, die mit Informationen unseres Guides oder Kokosnuss trinken gefüllt wurden. 

„Rio de Janeiro, where the exchange between urban and nature is intense.“

An dieser Stelle bringe ich mal dieses kleine Zitat an und löse das Rätsel auf, das mittlerweile eigentlich alle schon gelöst haben sollten. Rio hat mich vor allem so beeindruckt (Paris muss sich jetzt leider auf der Liste meiner Lieblingsstädte weiter hinten anstellen), weil es eine Großstadt ist, aber die Natur beziehungsweise das Grün nie weit ist. Es gibt sowohl das offene Meer, als auch einen große Lagune um die sich die Stadt schmiegt. Es gibt viele Parks, den botanischen Garten oder den Tijuca Nationalpark, der sich im Stadtgebiet befindet.

Nach vier Stunden Fahrrad fahren in der Sonne waren wir alle relativ hungrig und sind so zum Mittagessen in ein Kilorestaurant gegangen. Habe ich davon schonmal erzählt? Dort gibt es ein großes Büffet, bei dem man sich seinen Teller voll machen kann. Der wird dann am Ende abgewogen und man bezahlt je nach Gewicht. Meist gibt es auch einen Festpreis, wenn man All-you-can-eat machen will.

Nachdem der Morgen so schön war-ich liebe einfach Fahrrad fahren und die Freude wurde dadurch gesteigert, dass ich noch super viel über Brasilien, Rio und die Geschichte lernen konnte und mitgenommen habe-waren meine Erwartungen für den Abend hoch.

In Rio gibt es wohl zwei Sachen, die man machen muss: Christo Redentor und den Pão de Açucar besuchen. Pão de Açucar ist in Deutschland als Zuckerhut bekannt. Die eigentliche Übersetzung wäre aber Zuckerbrot. Ist das nicht viel schöner?

Wegen des Mittagessen mit den Amerikanern und, weil auf dem Weg Stau war (ich hätte das Fahrrad nehmen sollen) war ich ein bisschen spät dran. Das hat aber, wie ich nachher gemerkt habe, absolut keinen Unterschied gemacht. Als ich also verspätet ankam gab es zwei Schlangen.  Ich habe mich erstmal in die Längere gestellt, weil man zuerst auf das Ende dieser stößt. Meine Hoffnung auf den Sonnenuntergang sank. Relativ schnell habe ich aber herausgefunden, dass ich mich in die Kürzere stellen darf, weil ich mein Ticket schon online gekauft habe. Spitze, habe ich gedacht! Die Hoffnung auf den schönsten Sonnenuntergang meines Lebens stieg.
Aber irgendwie dauerte das Ganze ziemlich lange.

Die Hoffnung auf den Sonnenuntergang hatte ich nach 1,5 dann abgeschrieben. Dafür hatte ich mich mit der Gruppe von älteren Uruguayern angefreundet, die hinter mir gewartet haben. Während die Sonne ohne uns untergegangen ist haben wir uns durch einen Mix von Spanisch, Portugiesisch und English versucht zu verständigen.
Nach 2,5 h waren wir dann endlich oben. Der Himmel schwarz, die Stadt erleuchtet, nicht von der roten Sonne, sondern durch die Straßenlichter. Ein bisschen schade war es schon, aber geärgert habe ich mich nicht wirklich. Jetzt habe ich 5 neue facebook Freunde aus Uruguay.

Für den letzten Tag hatte ich mir vorgenommen alle Dinge zu machen, die ich unter „Was ich unbedingt sehen will“ in meinem kleinen Heft aufgeschrieben hatte, aber noch nicht geschafft hatte. Also habe ich (schon wieder!) im Hostel frühstücken können und habe mir dann ein Fahrrad geholt um erstmal am Praia de Ipanema entlang zu fahren. In meinen Erinnerungen sieht es aus wie ein Traum. Die Morgensonne scheint mir ins Gesicht, links liegt der Strand, dahinter der Atlantik. Auf dem Bürgersteig davor kommen mir viele leichtgekleidete Leute entgegen. Auf der rechten Seite wird gejubelt und die Läufer der Marathons in Rio, der an diesem Sonntag stattgefunden hat, werden angefeuert. Erst am Ende des Strandes kann ich mich dazu durchringen mich von dem sommerlichen Treiben loszueisen. Ich biege nach rechts ab und muss erstmal ein Stück zurück fahren bevor ich auf den Radweg komme zu dem ich eigentlich wollte. Er führt um die Lagoa Rodrigo de Freitas, einer Lagune um die sich die Stadt schmiegt.

Nach einer kurzen Weile biege ich nach links ab und stoße kurz darauf auf den Jardim Botanic, den Botanische Garten der Stadt. Am Eingang kaufe ich, zusammen mit vielen Familien, die wohl einen Sonntagsausflug machen, eine Eintrittskarte (dank UNESCO-Logo nur halber Preis). Am Drehkreuz bekomme ich eine Karte, die ich aber gleich in meinen Rucksack stecke und beschließe einfach loszulaufen.
Mein Weg führt mich vorbei an Pavillons, an denen schon der portugiesische König zu Mittag gegessen hat, an Gewächshäusern und immer wieder hat man durch das Grün Ausblick auf die Christusstatue. Hier würde ich auch zahlreiche Sonntag verbringen.

Um die Mittagszeit gucke ich das erste Mal auf die Karte und suche mir den Weg zum Ausgang.
Wie ich auf dieses Event gestoßen bin weiß ich gar nicht mehr, aber genau an diesem Sonntag ist auf einem kleinen Platz neben dem Botanischen Garten ein Markt von „Junta Local“.

Uma comunidade pela comida local e justa, ajuntando quem come e quem faz.
Eine Gemeinschaft für regionales und faires Essen, ein Zusammenbringen derer die Essen und derer die produzieren. 

Auch alleine übersetzt-hier spricht der pure Stolz.

Klingt genau nach einem Ort, den ich lieben würde, habe ich gedacht als ich darauf gestoßen bin und es fett in mein Buch eingetragen.
Auf dem Platz stehen verschiedene Essens-Stände, jemand spielt Bossa Nova und Samba (ich empfehle: Canto Chorado-Os Originais do Samba) von Schallplatten. Mein Herz blutet bei dem Anblick des frisch gebackenen Brots und der handgeschöpften Käse, die ich nicht kaufen kann, weil es am Abend schon wieder nach Hause geht.
Ich entscheide mich für einen Burger aus Lammfleisch, mit einer Scheibe Käse und Pesto aus Minze und Basilikum und setze mich auf eine Wiese.

Als ich nicht mehr essen kann stehe ich auf und schaue wo das nächste Fahrrad zu finden ist. Damit will ich den Rest der Lagune umrunden schaffe es aber nicht besonders weit. Auf einem Steg mache ich halt um den frischen Wind zu genießen, der über den See fährt.

Dieser Tag war ein Tag des Los-Eisens und der Märkte. Auch hier muss ich mich regelrecht überreden jetzt aufzustehen um es noch rechtzeitig auf den Markt zu schaffen, der in der Ecke zwischen Ipanema und Copacabana stattfindet. Es ist einer dieser Märkte, der noch gerade so die Balance zwischen touristisch und nett-authentisch schafft. Als Erinnerung kaufe ich mir ein blau-lila-grünes Hemd.

Relativ spontan habe ich mich dazu entschieden noch den Sonnenuntergang auf dem Arpoador (großer Felsen zwischen Copacabana und Ipanema) zu schauen. Auch um den Fail vom vorangegangenen Tag wieder zu beheben. Es sollte das Highlight meiner Rio-Reise werden. Die Steine, auf denen ich saß waren noch warm. Mit einem Bier in der Hand habe ich die Surfer im rötlich gefärbten Wasser vor mir und die untergehende Sonne am Himmel über mir beobachtet und bin erst aufgestanden als es wirklich zu Ende war. Fotos gibts nicht.

Clara

Ich hoffe der Unterhaltungswert des Beitrages ist akzeptabel, lange hat das Schreiben nämlich auf jeden Fall gedauert. Ich wusste einfach nicht was ich weglassen sollte. Nur bei der Kommasetzung habe ich mir noch weniger Mühe gegeben als sonst-aber das kann ich sowieso nicht, wie meine Mutter sagt.

Dilemma, das

Ich erinnere mich noch lebhaft an zwei Dinge aus dem Religionsunterricht in der Grundschule: an das SCHALOM-Buch, das wir gebastelt haben und an die Stunde, in der uns erklärt wurde was ein Dilemma ist. In diesem kurzen Post soll es nicht um das SCHALOM-Buch gehen, auch wenn das cool war!

Für alle, die in der Grundschule nicht aufgepasst haben, keinen Religionsunterricht hatten oder nicht so eine weise Lehrerin wie ich: Ein Dilemma ist, laut Duden eine..

„…Zwangslage, Situation, in der sich jemand befindet, besonders wenn er zwischen zwei in gleicher Weise schwierigen oder unangenehmen Dingen wählen soll oder muss“

Ich muss nicht wählen und die beiden Dinge, die mich entzweien sind auf keinen Fall unangenehm. Aber ich bin mir sicher: ich befinde mich in einem Dilemma.

Ich freue mich unheimlich meine Familie, Freunde, mein Fahrrad, die Radwege, leckeres Paderborner Landbrot etc. etc. etc. etc. wiederzusehen. Aber der Beginn des Einen bedeutet eben auch ein Ende des anderen. Und ich habe auch ein bisschen Angst davor, dass in weniger als zwei Monaten meine Zeit in Brasilien zu Ende ist.

Ich versuche also die Zeit möglichst intensiv zu erleben und darunter muss auch der Blog ein bisschen leiden. Seht es mir also nach, wenn neue Posts nur spärlich kommen (ich will aber auf jeden Fall noch welche schreiben!). Und seht es mir nach wenn Nachrichten nicht, nur kurz oder erst nach ein bisschen Warten beantwortet werden.

In diesem Sinne: SCHALOM, was Frieden auf hebräisch bedeutet, und euch allen eine schöne Woche!

 

Ich und die Wunder dieser Welt

Der Platz neben mir im Bus bleibt auch nach dem Stopp in Curitiba frei. „Meine Reise zu einem der Naturwunder unserer Erde beginnt gut“, denke ich. Nach wenig Schlaf wache ich am nächsten Morgen 11 Busstunden westlich von Joinville auf. Nachdem ich mein Ticket für die Rückfahrt gekauft habe fahre ich zum Hostel, das ich gebucht habe.

In der Vorbereitung habe ich mir relativ lange überlegt wann ich welchen Programmpunkt abarbeite, damit ich auch bloß alles sehen kann, was auf den ganzen Reiseblogs und mir in der Schule so empfohlen wurde.

Freitag: argentinische Seite der Iguaçu-Wasserfälle (dafür braucht man angeblich einen ganzen Tag)
Samstag: am Morgen brasilianische Seite und danach den Parque das Aves
Sonntag: Itaipú, das (zweit-)größte (so genau weiß das ja keiner) Wasserkraftwerk der Welt

Im Hostel angekommen beginne ich also meinen Plan in die Tat umzusetzen. Mit dem Shuttle des Hostels überwinde ich die Landesgrenze Brasilien-Argentinien erfolgreich und stehe nach ca. 1,5h vor den  Toren des Nationalparks. Besonders in der Schule wurde mir immer wieder ans Herz gelegt die angebotene Bootstour zu machen. Alle waren begeistert davon wie viel Spaß es macht mal so richtig nass gemacht zu werden. Am Anfang war ich eher skeptisch, weil ich oft nicht verstehe warum man die Natur so kommerzialisieren muss. Die Wasserfälle sind sicher auch so schön genug, ohne, dass man daraus nur eine weitere freizeitparkartige Attraktivität macht. Natürlich habe ich mich trotzdem dazu hinreißen lassen und soooooo schlecht war es dann auch gar nicht. Eigentlich sogar ganz gut..Da ich auf der argentinischen Seite des Nationalparks war wurde leider nur spanisch gesprochen und so habe ich mich mit dem brasilianischen Paar hinter mir darüber austauschen können, dass wie leider gar nichts verstehen.

Nachdem dann alle (auch ich ↓) ein Foto machen konnten, wurden wir mal so richtig nass gemacht. Mit dem Boot sind wir direkt unter die Wasserfälle gefahren und wurden vom heiligen Wasser der Iguaçu-Wasserfälle getauft. Zitternd vor Kälte und Wind haben wir uns auf den Rückweg gemacht.

Die Hauptattraktion, da der größte Wasserfall, ist der Garganta del Diabolo. Um zu diesem zu kommen kann man entweder einen Pfad entlang der Bahnschienen laufen oder eben die Bahn nehmen, die zu den Schienen gehört. Aufgrund von schon fortgeschrittener Zeit habe ich mich für Letzteres entschieden.
Um zum „Teufelsschlund“ zu kommen muss man nach der Bahnfahrt nochmal 20 min. über den Rio Iguaçu laufen. Der Fluss an sich ist sehr ruhig. Ich bin gemütlich über den Holzsteg geschlendert, habe Schmetterlinge, eine Schildkröte und Vögel beobachtet. Um so beeindruckender war es als ich plötzlich vor dem Schlund stand, wo die Wassermassen des Flusses mit einer enormen Kraft in die Tiefe fallen.  Im ganzen Park konnte man das in die Tiefe stürzende Wasser hören.

 

Man hat schon Meter vorher kleine Wasserspritzer auf der Haut gespürt. Auf der Plattform, die direkt über dem Schlund ist, wurde man dann richtig nass.

Mein Highlight des Tages kam aber noch. Es gibt zwei Hauptwege, die man durch den Park gehen kann. Sehr gut ausgebaut und man hat einen tollen Blick auf die Wasserfälle aus verschiedenen Perspektiven. Erst auf diesen Wegen ist mir klar geworden was für ein Paradies das Ganze eigentlich ist. Wenn es Adam und Eva wirklich gegeben hat, dann muss es hier gewesen sein.

So habe ich mir den Ort, indem der Regenbogen entsteht, immer vorgestellt!

 

Müde von der Busfahrt, vom vielen Laufen und von der Schönheit komme ich am Abend wieder im Hostel an. Ich habe mich nicht für ein Hostel in der Stadt -Foz do Iguaçu- entschieden, sondern eines außerhalb, direkt am Eingang zum Nationalpark auf der brasilianischen Seite. Dementsprechend weit war es zur Innenstadt, weswegen ich im Hostel Abend gegessen habe. Außer mir waren in dem Hostel noch eine Gruppe von Finnen, zu denen ich mich gesetzt habe. Im Leute ansprechen bin ich mittlerweile Profi! Zusammen haben wir nach dem Essen noch einige Runden UNO (Make UNO great again!) gespielt und uns vor dem zu Bett gehen dazu entschieden den nächsten Tag gemeinsam zu verbringen.

Um 9.30 Uhr haben wir uns dann beim Frühstück wieder gesehen. Gemeinsam wollen wir die brasilianische Seite der Wasserfälle erkunden. Das Hostel ist zwar weit weg von jeglichen Restaurants, aber dafür in fußweite des brasilianischen Nationalparkeingangs. Nachdem man die Karten gekauft hat wird man durch den Gift-shop zum Bus geleitet, der einen näher an die Wasserfälle bringt. Wir sitzen oben und ganz hinten, das machen cool Kids so.

Ich muss sagen, dass ich ab dem ersten Blick auf die Wasserfälle etwas enttäuscht war. Auf der brasilianischen Seite der Wasserfälle gibt es nur einen Wanderpfad, der deutlich besser ausgebaut ist als der argentinische. Deshalb fühlt sich alles weniger nach abenteuerlicher Naturerkundung an, sondern mehr nach Freizeitpark. Es sei weniger „Hands on“ sagen meine finnischen Bekannten, und damit haben sie völlig recht. Weil das Gelände kleiner ist, verteilen sich die Leute weniger.

Unsere Enttäuschung machen wir wett mit einem entspannten Mittagessen auf der Terrasse überhalb des Rio Iguaçu und mit Blick auf den Teufelsschlund. Wir tauschen uns aus über Alter (ich bin IMMER (!) die Jüngste), Berufe, Gedanken und Wünsche.

Irgendwann muss man aber eben auch vom schönsten Mittagessen aufstehen, der Nachmittag wartet! Nachdem genügend Magneten für Mamas Kühlschrank (oder in meinem Fall Waschmaschine) gekauft wurden, ging es auf dem coolsten Platz des Busses wieder zurück.

Laut Plan (s.oben) wäre ja jetzt eigentlich der Parque des Aves (für alle, die kein portugiesisch sprechen: Vogelpark) dran. Ich wurde aber in der letzten Nacht von einer Moskito oder etwas ähnlichem am Knöchel gestochen und das sorgt bei mir (seit ich hier in Brasilien bin) dafür, dass  die Stelle stark anschwillt, ganz fest und heiß wird. Absolut kein schöner Anblick. Um meinen Fuß nicht noch mehr zu strapazieren entscheide ich mich also für einen Nachmittag am Pool. Sorry Vogelpark.

Nachdem wir den Nachmittag mit Nichts verbracht haben, wollen wir am Abend nicht wieder UNO spielen (jedenfalls nicht nur). 

Die Wasserfälle sind doch touristischer, als ich es gedacht hatte. Diesem Fakt verdanken wir es wohl, dass wir den Abend am folgenden Ort verbringen. Der „Rafain Churrasceria Show“, ein Ort, der sich schwer beschrieben lässt. Stellt euch eine große Halle vor mit vielen Tischen gedeckt wie für eine Hochzeit. Im Zentrum stehen mehrere runde Tische auf denen ein riesiges Büffet aufgebaut ist. Von Sushi, Hummus, Feijoada, Lasagne bis Tiramisu, Schokokuchen und Eis findet sich dort alles. Dahinter stehen riesige Grills, auf denen das Fleisch frisch gebraten wird. An den Seiten links und rechts befinden sich zwei riesige Bühnen, auf denen ab 10 Uhr die Post abgeht. Dieser Ort wurde vom Guinness Book ausgezeichnet für „the largest number of national dances presented at a dinner show“, also dafür, dass es während des Essens eine Show anbietetet, bei der die Meisten traditionellen Nationaltänze präsentiert werden. Und die haben wir uns alle angeguckt (Mexikanisch, Bolivianisch, Peruanisch, Argentinisch, Brasilianisch…). Ich war während der gesamten Show so perplex, dass ich (leider) kein einziges Foto gemacht habe.
Ein bisschen überrumpelt von dem, was wir gerade gesehen haben bleiben wir noch sitzen und trinken unser Bier aus. Wir alle wären alleine nie zu so einer Show gegangen, freuen uns aber doch, dass es soweit kommen konnte. Dass ich Reisen liebe habe ich sicher schon gesagt, oder?

 

Nachdem wir den Abend mit UNO spielen ausgeklungen haben lassen verabschieden wir uns voneinander. Ich will morgen früh aufstehen um den letzten Teil meines Plans in die Tat umzusetzen, die Finnen fliegen weiter nach Buenos Aires und wollen ausschlafen.

Früh am Morgen checke ich aus dem Hostel aus und wäre eigentlich gerne noch ein bisschen im Bett geblieben. Meine Tasche schließe ich am Busbahnhof ein und mache mich auf den Weg zur menschengemachten Version der Iguaçu-Wasserfälle: dem Itiapú Staudamm, laut T-shirts der Mitarbeiter der größte Staudamm der Welt. Wikipedia betrachtet das Ganze etwas differenzierter.
Mein Motto in letzter Zeit ist: wenn ich schonmal da bin, nehme ich alles mit. Also habe ich mir am Vortag im Internet einen Platz in der Spezialtour gebucht. Dabei besichtigt man den Staudamm nicht nur von außen, sondern man geht auch innerhalb die Staumauer und besichtigt den Kontrollraum.

Es war sehr beeindruckend zu sehen wie schnell sich die Turbinen drehen, zu Spüren wie das Wasser durch die Rohre rauscht und sich der Masse des Betons bewusst zu werden. Nur rein ästhetisch muss ich sagen: nature does it better. Anstatt euch jetzt länger mit Fakten und Daten über Baus, Größe, Kapazität, Auslastung zu langweilen empfehle ich euch einfach die Tour auch zu machen. Vale a pena!

Traurigerweise hatte ich damit auch den letzten Punkt meiner To-See Liste hinter mir gelassen. Mit finnischem Rap in den Ohren sitze ich am Busbahnhof, warte bis die Sonne untergeht und mein Bus kommt.

Até a próxima!

 

Der Charme liegt im Unbekannten

Um ehrlich zu sein war ich mir nicht sicher ob ich hier nochmal irgendwann etwas posten würde. Aber es tut mir leid dem Ganzen so ein abruptes Ende zu geben. Und so langsam tut es mir mehr leid, als das meine Faulheit mich davon abhält noch einen Beitrag zu schreiben.
Erst habe ich gedacht ich hätte im Moment einfach keine Zeit. Nach tiefgehender Reflektion bin ich aber zu der Erkenntnis gekommen, dass ich anstatt der 30 min. YouTube Kochvideos, die meine Zeit definitiv auch wert sind, auch diesen Eintrag schreiben könnte. Mein innerer Schweinehund hat also verloren, 1:0 für die Produktivität.

Wenn ich eins auf jeden Fall bin, habe ich bis jetzt gedacht, dann offen. Ich probiere (fast) alles, sage deutlich mehr „Ja, das probiere ich“ als „Nein“. Und doch habe ich hier gemerkt bin ich doch schon festgefahren in manchen meiner Gewohnheiten.

Das Obst schmeckt hier super. Noch nie habe ich so saftige Ananas oder süße Mangos gegessen. Die brasilianischen Bananen sind nicht mit den Deutschen, die ich wohl nie wieder essen kann, zu vergleichen.  Und doch erwische ich mich immer öfter dabei wie ich anstatt der saftigen Ananas die vergleichsweise geschmacklosen Äpfel kaufe. „Die haben einfach eine andere Konsistenz, die mir sonst im Obstsalat fehlt“, versuche ich meinen Fehlkauf recht zu fertigen. Eigentlich ist es aber pure Gewohnheit, Faulheit von dem gewohnten abzuweichen. Es kostet mich jedes Mal aufs neue Überwindung die Äpfel nicht in meinen Einkaufskorb zu legen.

Seit meinem zweiten Tag hier in Brasilien fahre ich alle meine Strecken in der Stadt mit dem Fahrrad. Weil mir das unglaublich viel Spaß macht, weil ich dann keine zusätzlichen Schadstoffe erzeuge, weil ich morgens dann erst richtig wach bin, weil es am billigsten ist und, weil ich das in Deutschland auch schon so gemacht habe.

Nach drei Monaten, als mein Reifen einen Platten hatte, bin ich dann mal mit dem Bus gefahren. Im Bus stand ich zwischen all den Menschen, die ich sonst immer nur durch die Busfenster gesehen hatte. Und da sind sie mir erst so richtig aufgefallen. Ich hatte Zeit, wie ich so mit meinen Kopfhörern im Bus stand und sie alle beobachtete.
Am nächsten Tag war der Reifen geflickt und ich wieder auf dem Fahrradweg.
Und irgendwie hatte ich plötzlich das Gefühl in einem Rhythmus unterwegs zu sein und der Rest der Stadt in einem ganz anderen. Wir spielten gleichzeitig, aber komplett unterschiedlich. Ich war irgendwie außerhalb. „Vielleicht liegt das daran, dass ich meine Kopfhörer in den Ohren habe?“ Also nahm ich sie raus und hörte den Geräuschen der Stadt anstatt AnnenMayKantereit zu. Trotzdem fühlte ich mich als jemand Fremdes. Anders als im Bus, in dem ich gar nicht aufgefallen war.

Genauso wie ich meine Sonntage in zwei verschiedene Arten einteile, teile ich inzwischen die Cafés hier in zwei Verschiedene ein. Manchmal ist die Welt eben doch Schwarz und Weiß.
Auf der einen Seite gibt es Cafés, wie ich sie kenne. Gemütliche Sitze, eine schöne Einrichtung. Es wird viel Wert auf Aussehen gesetzt. Sowohl bei der Einrichtung, beim Essen, beim Instagramfeed als auch bei der Bedienung.
Oft wird dabei leider der Geschmack des Servierten vergessen. Der Kuchen ist definitiv „instagram-worthy“, aber auch eben nur, weil man ihn dort nicht schmecken kann.

Und wenn mir in meinem Leben eines wichtig ist, dann das Essen.

Und so stehen auf der anderen Seite die hier sogenannten „Padarias“. Bäckereien, in denen sich jeder morgens seine Brötchen oder pão de queijo holt. Dort kann man sich aber auch an einen der Tische mit Plastikstühlen setzen und sich Kuchen und Gebäck aus der Theke direkt auf den Teller wünschen. Der Kaffee kostet hier nur einen Euro. Da fühlt man sich wie im Italienurlaub. Übrigens ein Bruchteil des Preises, den man in den selbsternannten „Hipstercafés“ zahlen würde. Und richtiger Luxus ist, wie ich finde, sich im Café einen zweiten Kaffee bestellen zu können. Ja, seine Bestellung muss man hier selber am Tresen machen und auf Plastikstühlen in einem Raum mit wenig Dekoration sitzen. Der Charme liegt im Verborgenen. Ich habe schon so manches zweite Frühstück eingelegt, weil es bis auf den Fahrradweg nach Frischgebackenem geduftet hat. Außerdem ist die Masse der Kaffeetrinker hier viel heterogener. Und so eignen sich die Cafés zweiter Sorte besser zum „People Watching“.

Besonders in meinen letzten drei Monaten hier versuche ich meine, wie ich gemerkt habe, doch eingefahrenen Angewohnheiten ein bisschen los zu lassen. Das wollte ich einfach mal Teilen und dazu aufmuntern jeden Tag etwas Neues zu probieren. Und wenn man im Supermarkt einfach mal „Boskoop“-Äpfel anstatt „Elstar“ kauft.  Oder wie in meinem Fall Bananen Sorte „Figo“ anstatt „Branca“.

Generell alles was Spaß macht-keine Arbeit!

Ich habe schonmal angefangen diesen Eintrag zu schreiben, aber er ist todlangweilig geworden. Wahrscheinlich hätten sogar die Familienmitglieder, die mir am nächsten stehen, das Lesen abgebrochen. Trotzdem werde ich wohl weiter versuchen müssen dieses Thema hier mal anzuschneiden. Das Beste an diesem Beitrag wird aber wohl der Titel bleiben.

Letzte Woche habe ich das erste Mal nach der Arbeit mein Fahrrad den Berg hochgeschoben und mich schon auf den nächsten Tag gefreut um wieder in die Schule zu fahren. Und da habe ich gedacht es ist jetzt wirklich mal Zeit über meine Einsatzstelle zu schrieben. Auch, weil das Thema hier noch nicht besonders viel vorkam und es ja irgendwie ein wichtiger Teil des Ganzen ist. Außerdem habe ich das Gefühl, dass sich meine Arbeit an der Schule sehr stark von der unterscheidet, die andere Freiwillige machen.


In dem bräunlichen Gebäude mittig-rechts, der „Unidade Saguacu“ des Colégio BONJA, halte ich mich vom Montags bis Freitags drin auf.

Fünf Uhr:
Dienstagmorgen, der Wecker klingelt.
Zu meinem Leid wurde die erste Stunde auf 7.15 Uhr vorverlegt, so habe ich jeden Morgen jetzt noch weniger Zeit „Die ZEIT“ auf meinem Kindle zu lesen. Drei Ausgaben hänge ich schon hinterher.  Um kurz vor sieben verlasse ich das Haus.
Jeden Morgen freue ich mich über das viele Grün überall. Wenn ich wegen meiner Yogastunden nicht so ausgeglichen wäre würde ich mich wohl über der die Autofahrer ärgern, die das Fahrrad nicht als gleichwertigen Verkehrsteilnehmer wahrnehmen.

7.15 Uhr
Die Schulglocke klingelt nicht, sie dröhnt. Einzelstunde Deutsch mit Paul*. Seine Eltern sind Expats aus Deutschland, er ist also Muttersprachler und bekommt von mir drei zusätzliche Deutschstunden pro Woche. Zusammen üben wir lesen und schreiben. Mir macht der Unterricht total Spaß, weil wir ein richtig freundschaftliches Verhältnis aufgebaut haben und er merkbar Fortschritte macht.

8.05 Uhr
Auch Pauls älteren Geschwistern Elisabeth* und Katja* begleite ich mit einer Deutschlehrerin beim Unterricht. Wie ergänzen uns total gut und verstehen uns auch prima. Sie ist auf jeden Fall auch ein Grund dafür, dass ich mich mittlerweile so wohl fühle an der Schule. Wir verbringen die meiste Zeit des Tages zusammen, und wenn das nur heißt, dass wir arbeitend im selben Raum sitzen und uns zwischendurch nach Tipps fragen.

*Die Namen habe ich geändert und meiner Kreativität keine Grenzen gesetzt.


Ich auf dem Flur.

9.55 Uhr
Elisabeth gebe ich auch Unterricht in BWR (Betriebswirtschaftslehre und Rechnungswesen). Die Familie wird Im Juni zurück nach Deutschland gehen und zusammen erarbeiten wir uns ein bisschen den Stoff, den sie in Deutschland verpasst hat. Den größten Teil meiner Zeit verwende ich darauf alles erstmal selber zu verstehen. Dann erstelle ich Arbeitsblätter und überlege wie auch Elisabeth alles verstehen kann.
Heute hatten wir eine besondern gute Stunde und am Ende waren wir beide richtig glücklich, dass wir so gut verstanden haben wie bestimmte Geschäftsfälle in die Bestandskonten in T-Form eingetragen werden müssen.

*Die Namen habe ich geändert und meiner Kreativität keine Grenzen gesetzt.

12.30 Uhr
Zu den üblichen Krankenhauszeiten gibt es auch bei mir in der Schule Mittag essen.

Es gibt ein kleines Büffet, ab dem man sich immer bedienen kann. Jeden tag eine frische Salatbar, Reis und Bohnen und einige wechselnde (Fleisch)gerichte. Letzte Woche hat die Kantine eine Umfrage zu Essens-Qualität und Wünschen gemacht, seitdem schmeckt es merklich besser. Zum Nachtisch gibt es jeden Tag frisches Obst (Banane, Apfel, Papaya). Reis und Bohnen schmecken mir langsam auch  wirklich gut.

13.30 Uhr


„Unser“ Alemão Aplicado Raum, in dem ich wohl die meiste Zeit verbringe, weil dort sonst keiner unterrichtet.

Endlich fängt meine Lieblingsstunde der Woche an. Alemão Aplicado mit den Mädels (Elisabeth und Kaja und zwei andere). Diese Gruppe von Schülern besteht aus Schülerinnen, die alle ein (fast) perfektes Deutsch haben, weil sie aus Deutschland kommen, ein Elternteil aus Deutschland kommt oder sie eine lange Zeit dort gelebt haben. Die Hälfte der gemeinsame Stunden machen wir immer ein Projekt, dessen Stunden ich eigenverantwortlich vorbereiten darf. So haben wir uns schon drei Wochen lang mit dem ökologischen Fußabdruck oder uns mit Fast vs. Fair Fashion beschäftigt. Diese Stunden machen mir besonders Spaß, weil ich in der Vorbereitung tiefer über Themen recherchieren kann, die mich sowieso schon interessieren. Und ich kann in den Schülerinnen ein erstes Bewusstsein für Nachhaltigkeit und verantwortungsvollen Konsum wecken.

15.15 Uhr

Instituições – Rede Sinodal de Educação
Die „Undidade Centro“

Nachdem Alemão Aplicado geschafft ist schwinge ich mich möglichst schnell aufs Fahrrad um ins Zentrum von Joinville zu fahren. Dort hat das Colégio Bonja eine zweite Einheit. Hier verbringe ich meine Dienstag- und Donnerstagnachmittage.
Dort bereite ich die etwas älteren Schüler auf ihre mündliche Deutsches-Sprach-Diplom Prüfung vor. Manchmal proben sie mit mir ihre Kurzvorträge, in anderen Stunden stelle ich ihnen fragen über ihre Familie, Feiertage oder Freizeitgestaltung. Die Fragen werden von der Prüfungskommission des DSDvorgeschrieben. Am Anfang habe ich mich noch unwohl dabei gefühlt mir vollkommen fremde Schüler zu fragen was ihre Eltern beruflich machen oder wo ihre Großeltern wohnen. Aber mittlerweile kenne ich sie schon besser und finde die Antworten super interessant. Für mich ist das ganze ein bisschen wie eine kulturelle Studie.

16.30 Uhr
Mit der Arbeit in der Schule bin ich jetzt fertig. Aber bevor ich nach Hause radle habe ich noch meine Portugiesisch-Stunde. Meine Sprachschule hat Ende letztes Jahres zugemacht, muss aber meinen Vertrag und den von ein paar anderen noch zu Ende führen. Ich treffe mich mit meiner Lehrerin jetzt immer in einem Hinterzimmer einer Anwaltskanzlei. Um dort hinzukommen muss man einmal durch die Büros der Angestellten laufen. Der Qualität des Unterrichts hat das keinen Abbruch getan. Und die Anwaltskanzlei ist nur 200 Meter von der Schule entfernt.
Wenn die Leute mich verstehen macht es mir unheimlich viel Spaß Portugiesisch zu reden und so freue ich mich auf jede Stunde.

17.30 Uhr
Das Pflichtprogramm des Tages ist erledigt. Weil ich sowieso schon im Zentrum bin gehe ich auf dem Heimweg meistens noch einkaufen und bin dann um 18.30 Uhr zuhause.

22.00 Uhr
Damit ich meine 7 Stunden Schlaf bekomme gehe ich ins Bett (manchmal auch früher).
Boa noite.

Gerade erst angekommen oder schon wieder weg

Meine Mutter hat am Wochenende zu mir gesagt sie warte auf einen neuen Blogpost.

Mittwochs habe ich jetzt immer nur eine Stunde und kann, nachdem ich weitere Vorbereitungen getroffen habe, immer schon Mittags zuhause sein. Heute ist Mittwoch und ich war um 12 Uhr zu Hause. Jetzt ist es aber schon 16.30 Uhr und plötzlich kam in mir der Drang auf meiner Mutter ihren Wunsch zu erfüllen und einfach mal anfangen zu schreiben. Spoiler: am Mittwoch habe ich nur angefangen, inzwischen ist es Freitag.

Dann saß ich also vor meinem Computer auf meinem Bett, draußen fällt der Regen. Und ich weiß gar nicht so genau was ich schreiben soll. Das liegt aber eher nicht daran, dass ich nichts zu erzählen hätte, sondern vielmehr daran, dass es zuviel, zu verschiedene Sachen gibt.

Der kulturweit-blog ist voll mit abschließenden Worten. Alle Freiwillige, die nur für sechs Monate im Ausland waren, sind schon zurück in Deutschland. Am Werbellinsee.
Was bedeutet das für mich? Die Hälfte meiner Zeit hier ist schon vorbei.

Eins kann ich mit Sicherheit sagen, ich bin froh, dass es erst die Hälfte ist. Aber wenn die Zeit der zweiten Hälfte genau so schnell fliegt wie die der ersten, dann bin ich im Grunde schon wieder im Flieger zurück. Daran wollen wir aber noch nicht denken.

Das Gefühl, dass ich hier fremd bin und nicht rein passe, fühlt sich mittlerweile bekannt an. Ich erlebe immer noch Sachen zum ersten Mal, aber das „Sachen zum ersten Mal erleben“ habe ich schon ganz oft erlebt. Meiner Meinung nach, bin ich ja inzwischen ganz gut darin.

Denn auf der anderen Seite habe ich mir meinen eigenen kleinen Tagesablauf gebastelt, der mir im Moment wirklich Spaß macht.

Seit drei Wochen gehe ich jetzt regelmäßig abends zum Yoga. Das habe ich vorher noch nie gemacht und dementsprechend umprofessionell sieht das ganze dann natürlich auch aus. Zusätzlich fehlen mir die portugiesischen Vokabeln für Knöchel und Hüfte. (jetzt nicht mehr) Besonders als ich in der letzten Stunde etwas später gekommen bin, war das unangenehm. Es war leider nur noch ein Platz im Zentrum der anderen Teilnehmer frei.
Links und rechts kann ich auch im Deutschen nur nach reichlicher Überlegung auseinander halten. Wenn also alle ihren Linken Arm heben, hebe ich meinen Rechten.
Außer mir scheint das aber keinen zu stören. Alle, die nicht bei den anderen abgucken müssen haben ihre Augen ja geschlossen. Und das ist ganz klar ein Vorteil von meinem Platz in der Mitte der Gruppe-abgucken kann man da super. Trotzdem gehe ich heute ein bisschen früher hin.
Trotz der Verwirrung, die ich in den Stunden vermehrt spüre, sind es die schönsten Stunden der Woche. Den Rest der Woche bin ich mit meinem Gedanken überall und irgendwo (Haben die Kinder verstanden was ich versucht habe zu vermitteln in der Stunde? Wo feier ich Karneval? Was esse ich heute Abend? Heißt „ich bin gefahren“ auf portugiesisch „foi“ oder „fui“?)
Aber beim Yoga, da bin ich irgendwie ganz für mich. Sind meine Bauchmuskeln jetzt genug angespannt? Muss das Bein noch höher? Bedeutet esquerda jetzt rechts oder links?
Auf dem Rückweg bin ich dann immer ganz ruhig.

Dienstags und Donnerstags arbeite ich lang und habe danach noch portugiesisch. Mein Portugiesisch fängt doch jetzt erst richtig an.  Das habe ich hier wahrscheinlich auch schon oft genug geschrieben. Ich bin aber einfach unglaublich fasziniert davon wie man so eine Sprache einfach aus dem Nichts lernt. Am Anfang habe ich wirklich absolut nichts verstanden (auch wenn ich manchmal behauptet hätte es wäre anders um mich nicht zu entmutigen) aber jetzt verstehe ich wirklich was (diesmal wirklich) und ich würde fast behaupten fast alles. Außerdem ist es mir mittlerweile egal, dass ich nicht perfekt spreche, sehr wenig grammatikalische Strukturen benutze. Ich fange einfach an zu reden.
Sehr gut ist außerdem, dass meine sozialen Strukturen sich langsam verfestigen. Und diese Strukturen meistens nur Portugiesisch sprechen, sodass ich gezwungen bin mitmachen.

Und das Wochenende, ja das Wochenende. Also, hier gibt es zwei verschiedene Arten von Wochenenden. Es gibt die regnerischen und die sonnigen. An erstgenannten ist das mit der Freizeitgestaltung ein bisschen schwierig. Gerne schlafe ich dann aus, gehe auf den Biomarkt von Joinville (gibts hier tatsächlich), dann Skype ich, koche ein aufwendiges Frühstück. Dann ist meistens schon Samstagnachmittag. Ich habe schon versucht, die restliche Zeit des Wochenendes ganz brasilianisch im Shoppingcenter zu verbringen, aber das werde ich wohl nie wieder machen. An einem regnerischen Wochenende sind da eine meeeeeeenge Leute. Außerdem jede Menge Kleidungsläden, Kinos, Trampolin-Hüpf-Möglichkeiten, Cafés. Und wenn eine menge Brasilianer auf ein Shoppingcenter treffen ist der Konsum groß. Da fühle ich mich irgendwie unwohl.
Ganz anders sieht die Realität an einem sonnigen Wochenende aus. Dann versuche ich möglichst früh aufzustehen um den ersten Bus zum Strand zu bekommen. Der zweite fährt nämlich zu spät und kommt dann erst nachmittags an.
Oder ich werde von den Deutschlehrerinnen, die mittlerweile ein bisschen wie Freunde geworden sind, mit zum Strand genommen. Meistens fahren wir dann schon um acht um dem Stau zu entkommen. Ihr seht: auf dem einen oder anderen Weg geht es immer zum Strand.
Auf Sao Francisco do Sul, einer Halbinsel östlich von Joinville, habe ich jetzt einen Surflehrer gefunden, bei dem ich Samstagmorgens bei guten Konditionen für einen sehr akzeptablen Preis  eine Surfstunde nehmen kann.

Einmal pro Woche backe ich mein eigenes Brot, denn das brasilianische Toast, macht einfach nicht satt. Ich versuche so viel Obst zu essen wie möglich und weiß wo ich das frischeste Gemüse und beste Acai finde.

Soviel zu meinem Alltag, der immer wieder durch neues aufgebrochen wird.
Ich hoffe der Blogpost ist so in Ordnung, Mama. Und tut mir leid, dass du länger drauf warten musstest als ich gesagt habe.

Liebe Grüße und bis Bald,

Eure Clara

Die erste Traube

In den letzten Wochen hatte ich von allem wirklich viel. So viele neue Gesichter, viele neue Gedanken, viel Essen, viel Café de leite, viele neue Landschaften, viele Geschichten, viele Abschiede, viel Sonne, viel Sonnencreme, viel Spaß. Nur eines hat mir irgendwie gefehlt. Die Zeit.  Und überall finden sich Rückstände des Mangelzustands.

Auf meinem Handy warten Nachrichten von vor zwei Wochen auf eine Antwort. Alles, was nicht innerhalb von 15 sek. beantwortet werden kann wird nicht beantwortet. Jedenfalls vorläufig nicht. Davon können sicher noch mehr kulturweit-Freiwillige ein Lied singen. Die Frage: „Wie geht es dir?“ ist oft schwieriger zu beantworten als man denkt.

Und was soll ich sagen: auch für einen neuen Blogeintrag hat mir auch die zeit gefehlt. Oder die Motivation?

Vor fast genau einer Woche bin ich nach 6 Wochen reisen wieder in Joinville angekommen. Und, ich kann es gar nicht anders sagen. Es war viel.

Die ersten Tage habe ich in Florianopolis verbracht. Dort habe ich im Hostel eine Gruppe von alleinereisenden Brasilianerinnen („Sozinhas“)  getroffen. Mit ihnen habe ich zwei Tage einfach am Strand gelegen. Crashkurs in Portugiesisch.

Aufgrund meiner Unachtsamkeit bezüglich der Abfahrtzeit meines Buses habe ich dann fast meinen Bus am Rodoviaria verpasst. Gott sei Dank war aber nicht nur ich verspätet, sondern auch der Bus. Ich habe mich noch nie so sehr über eine Verspätung gefreut. Nach zwei Stunden warten war aber auch diese Freude verschwunden. Du kannst über die Busfahrt alles bei „Zwischen den Ländern“ lesen.

Die ersten anderthalb der Wochen meiner Ferien habe ich bei der ehemaligen Gastfamilie meiner Mutter verbracht. Für mich war es super interessant neben Brasilien nochmal ein anderes Land in Südamerika so intensiv kennen lernen zu können. Zusammen mit ihnen habe ich Weihnachten und Neujahr verbracht.
An Neujahr musste jeder 12 Trauben essen, eine für jeden Monat. Meine erste Traube ist jetzt schon vorbei.

Den Anfang des Januars haben wir in Cabalango verbracht. Ein kleiner Ort ungefähr eine Stunde entfernt von Cordoba Capital. Dort sind wir jeden Tag an den Fluss gegangen haben frittierte Teigwaren mit Dulce de leche gegessen und gelesen.

Am 6. Januar habe ich die Familie dann hinter mir gelassen und bin alleine nach Mendoza aufgebrochen.
Mendoza ist bekannt für seine guten Rotweine, speziell die Traube Malbec ist für die Region sehr gut geeignet. Und so habe ich meine Zeit dort hauptsächlich mit Wein trinken und (mal wieder) essen verbracht.
Ich war mir erst nicht sicher ob ich die tage dort alleine verbringen müsste und war total überrascht wie einfach man im Hostel Leute kennen lernen kann. Viele meiner Bekanntschaften habe ich einfach morgens beim Frühstück angesprochen, weil sie das selbe geplant hatten wie ich. Abends waren wir dann zusammen feiern.

Zusammen haben wir uns zum Beispiel Fahrräder ausgeliehen und sind verschiedene Bodegas (dt. Winzer) abgefahren.

           

Wegen der vielen netten Leute, die ich dort kennengelernt habe fiel mir der Abschied entsprechend schwer, aber Chile hat schon auf mich gewartet.

Alle haben sehr empfohlen die Strecke zwischen Mendoza und Valparaiso am Tag zu fahren, weil der Weg direkt durch die Anden führt und sehr schön ist. Diesen Tipp kann ich nur an alle weiter geben. Mit einem guten Podcast (@hotelmatze) und einem gut gemischten Studentenfutter habe ich die Aussicht genoßen.
Im Abendlicht bin ich dann in Valparaiso angekommen.

Am nächsten Morgen ist Maria angekommen, kulturweit-Freiwillige aus Argentinien. Wir haben vorher durch Zufall mitgekriegt, dass wir ungefähr zur selben Zeit reisen und uns verabredet.  In Valparaiso haben wir die nächsten Tage hauptsächlich damit verbracht durch die Straßen zu laufen, Fotos zu machen, Murals anzugucken.
Die Stadt war aufgrund ihres Status als UNESCO Weltkulturerbe Stätte etwas voll. Besonders an der Stadt hat mir gefallen, dass der Hafen so integriert in das Stadtbild war. ich habe rausgefunden: ich liebe Häfen. Deshalb war mein persönliches Highlight auch die Rundfahrt durch den Hafen bei Sonnenuntergang.

Der nächste Stopp war Buenos Aires. Darauf hatte ich mich vorher besonders gefreut und ich kann sagen, dass ich nicht enttäuscht wurde. Überall große Bäume, kleine Straßecafes an der Ecke, prächtige Gebäude.
Die ersten drei Tage dort habe ich alleine verbracht. Ich habe Museen besucht (MALBA,  Museo Nacional de Bellas Artes und Museo de Arte Moderno). Ich war auf dem Markt von San Telmo, habe Empanadas gegessen und Büchereien besucht.

An meinem vierten Tag sin dann meine Eltern gekommen und zusammen haben wir noch 3 weitere Tage in der Stadt verbracht. Hauptsächlich sind wir mit dem Fahrrad dorthin gefahren wo es schön aussah und  haben Café de leche getrunken. Es war schön die gemeinsame Zeit genießen zu können-wir hatten viele gute Gespräche.

Auf unserem Weg zurück nach Brasilien haben wir noch einen Stopp in Uruguay gemacht und so haben wir die Fähre von Buenos Aires nach Montevideo genommen. Wie, die uns auf eine schöne Fährfahrt gefreut hatten, waren mächtig enttäuscht. Die Fähre die wir genommen haben, sei ein Schnellboot und deshalb könne man nicht draußen sein, sagte man uns. Jetzt werden sich einige denken dann guckt man eben aus dem Fenster. Auch das war aufgrund der Folien, die vor den Fenstern klebten nicht möglich. Wir haben drüber gelacht und in Montevideo  angekommen sind wir dann auch.

Dort sind meine Eltern für die nächsten beiden Tage geblieben undicht bin am nächsten Morgen weiter nach Rocha gefahren. Eine kleine Stadt etwas weiter Nord-östlich von Montevideo, in deren Nähe eine Estancia (zu dt. Reiterhof?) liegt. Ich hatte total Lust mal wieder zu reiten und im Internet sah der Ort total toll aus.
Meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Zwei Tage lange habe ich in einem Zimmer über den Sierras von Rocha geschlafen, bin ausgeritten und mit vegetarischem Essen verwöhnt. Die Ausritte durch die urugayanische Landschaft waren wohl eins meiner Highlights. Zum Grundstück gehörte auch ein kleiner Fluss mit Palmen (!) in dem man schwimmen konnte. Jeden Abend gab es Rotwein en masse und interessante Gespräche.

Umso trauriger war es wieder zu fahren. Auch wenn man an den meisten Orten nicht mehr als eine Woche verbringt, hier waren es nur zwei Nächte, hat sich der Abschied immer so angefühlt als würde man ein neues zuhause verlassen, dass man gerade erst lieben gelernt hat.

In Punta del Este, Strandstadt Uruguays, bin ich wieder auf meine Eltern gestoßen. Zusammen haben wir den Bus nach Florianopolis bestiegen. Zurück nach Brasilien!

Es war total schön nach wochenlanger Trennung wieder in Brasilien zu sein und portugiesisch zu hören.
In Campeche, einem Ort im Osten der „Ilha Santa Catarina“ haben wir unsere letzten Tage am Strand verbracht.

Jeden Morgen sind wir an den Strand gegangen, zum Surfen, Schwimmen, lesen. Am Nachmittag sind wir mit dem Auto, das wir geliehen hatten dann zu einem anderen Teil der Insel gefahren.
Mein Lieblingsausflug war zur Lagoinha do Leste, einem Strand, der nur mit dem Boot oder zu Fuß zu erreichen ist. Und deshalb hatten wir doch noch unsere schöne Bootsfahrt, die fast schöner war als der Strand.

Unsere letzte Station vor Joinville, dem Heimathafen, war Estaleiro. Dort hatten wir über eine Reiseagentur eine Wanderung durch den subtropischen Wald Brasiliens gebucht. Am Morgen sind wir so um neun aufgebrochen und ein paar Kilometer ins Inland gefahren. Von einer alten Mühle aus ging es los in den Wald. Gegen die Schlangenbisse hatten wir um die Unterschenkel dicke Ledergamschen. 5h lang sind wir damit auch den Wald gelaufen, unser Guide hat uns die verschiedensten Blumen und Bäume gezeigt. Wir haben wilde Limetten gepflückt, sind an Lianen durch den Wald geschwungen. Es war super interessant, den Wald den ich in Joinville immer nur von außen sehe mal von innen erkunden zu können.

Mein persönliches Highlight kam allerdings nach der Tour. Adi, unser Guide, hat uns zu einem Bambusbaum geführt. Dort mussten wir ein ca. 20 cm lange Intermodie eines Bambus finden. Und wisst ihr was ungefähr 20 cm lang sein sollte? Genau – ein Caipirinhastößel. Ich habe jetzt also meinen eigenen Caipirinhastößel aus Bambus, etwas mehr als 20 cm lang mit eigener Gravur. Selber abgeschnitten. Ich möchte es nur nochmal betonen: Ich bin jetzt Besitzer meines eigenen Caipirinhastößels aus Bambus, den ich selber abgeschlagen und graviert habe. Liebe Freunde zu Hause, ihr könnt euch auf eine Caipirinhaparty freuen wenn ich wieder da bin.

Am Abend sind wir dann zu einem Pizza Rodizio gegangen, etwas was hier in Brasilien tatsächlich sehr bekannt ist. Es ist so ähnlich wie ein „All you can eat“ Pizza Büffet. Nur, dass die verschiedenen Pizzen von den Kellnern herumgetragen werden und man gefragt wird ob man ein Stück möchte oder nicht. Genau die richtige Stärkung nach einer anstrengend Tour, bei der wir durch die hohe Luftfeuchtigkeit sehr viel geschwitzt haben.

Nach diesem einschneidenden Erlebnis sind wir am nächsten Morgen in Richtung zu Hause aufgebrochen. Auf gehts in die zweite Hälfte des FSJ!

Irgendwo zwischen den Ländern

Schon seit Stunden sitze ich auf dem selben Platz. Nr.1 im zweiten Geschoss direkt über dem Fahrer ganz vorne links im Flechabus von Florianopolis, Santa Catarina nach Santa Fe, Argentinien. Hier kann man am Besten rausgucken: vor mir eine große Scheibe, links gehen die Fenster weiter, wenn nur die Gardinen nicht wären.

Langsam arbeiten wir uns auf der endlos langen Straße fort.

Erst entlang der brasilianischen Küste immer weiter nach Süden. Während es langsam immer dunkler wird sieht man manchmal noch das blaue Meer aufblitzen.  Hoch und runter, immer wieder eine Kurve. Die Autobahn ist dreispurig, der Bus zu breit für nur eine Spur und so fährt er einfach in der Mitte. Ich bin müde, aber noch ist die Sonne noch nicht ganz untergegangen. Links und rechts der Straße sind so viele Dinge zu sehen, die ich nicht verpassen will.

Es ist eiskalt, die Klimaanlage läuft auf Hochtouren. Warum versucht der Busfahrer uns erfrieren zu lassen?

Endlich ist es 22 Uhr , draußen ist es schwarz. Die Nacht wird nur unterbrochen durch die Lichter der Laternen und Autos. Also klappe ich meinen Sitz noch weiter nach hinten und lehne meinen Kopf an das Fenster.

Irgendwann um 2 Uhr schrecke ich auf. Wir halten kurz vor Porto Alegre, Rio Grande do Sul an einer riesigen Raststätte, auf der mehrere Busse aufgereiht stehen um weitere Passagiere aufzusammeln. Auf den Platz neben mir setzt sich eine ältere Dame. Ich drehe mich um und bin schon wieder eingeschlafen als der Bus wieder auf die Autobahn fährt.

Irgendwann zwischen 6 und 9 Uhr wache ich endgültig auf. Auf GoogleMaps sehe ich, dass wir uns am äußersten Zipfel von Rio Grande do Sul befinden. Dem südlichsten Bundesstaat Brasiliens, direkt angrenzend an Argentinien und Uruguay. Seit gestern Abend hat sich die Landschaft verändert. Das Land ist flach, weniger grün. Immer wieder überholen wir LKW´s, immer wieder überholen uns Autos. Aus jedem Bus, der uns entgegenkommt winkt jemand. Einmal wedelt ein anderer Busfahrer freudig aufgeregt sein weißes Stofftaschentuch. Wir kommen der Grenze immer näher. Imm wieder muss an mich an meinen Reisepass denken, den der Busfahrer mir abgenommen hat, als ich eingestiegen bin. Hoffentlich fällt der kleine Zettel der Receita Federal wegen meines Visums nicht raus. Wahrscheinlich hätte ich ihn doch mit einem Tacker befestigen sollen.

Trotzdem glücklich sitze ich auf meinem Platz, freue mich über jede Kuh, an der wir vorbei fahren. Abwechselnd höre ich Podcasts und Musik. Das Lesen gebe ich schnell wieder auf, weil ich mich dann auf den Bildschirm meines Kindle konzentriere und verpasse woran ich vorbeifahre. Jetzt würde nur ein Kaffee die Situation perfektionieren. Meine Sitznachbarin löst abwechselnd Kreuzworträtsel und Sudoku, ab und zu schreibt sie Nachrichten. Irgendwann nach 10 Uhr kommen wir an der brasilianischen Grenze an, endlich bekomme ich meinen Reisepass mit dem Papierschnitzel wieder. Nur um ihn gleich darauf an der argentinischen Grenze wieder zu verlieren. Der Stempel mit dem ich ihn später wiederbekomme ist enttäuschend einfallslos. Aber hier kann ich mir endlich einen Kaffe und eine Packung Kekse kaufen.

Mit einer Packung Kekse und Kaffee an der Grenze. Ich sitze auf dem Bürgersteig im Schatten vor dem Imbissverkauf und beobachte die Autoschlange, die sich langsam von Brasilien nach Argentinien schiebt. Nach einer gefühlten Ewigkeit kommt der Bus wieder. Endlich kann ich mich wieder auf meinen Platz hinsetzen. Nachdem ich jetzt wirklich lange die endlos weite argentinische Landschaft beschaut habe, wird es mir jetzt doch etwas langweilig und ich schlage mein rotes Kindle auf. Mit Buch und Keksen schwinden die Stunden nur so vor sich hin.

Irgendwann werde ich das Lesen leid, aber mein Handy hat inzwischen geladen. Um ein bisschen Abwechslung zu erzeugen gönne ich meinen Ohren ein bisschen Musik.

Das brasilianische Mädchen neben mir verbessert mit Hilfe ihrer Sitznachbarin ihr spanisch. Für ihren Freund, den sie das erste Mal in seiner Heimat Argentinien besuchen fährt.  Die ältere Dame packt ihre Cuia aus und schüttet etwas Erva hinein. Dann gießt sie das ganze mit Wasser auf. Genüßlich genießt sie ihr Chimarrao. Wir fahren vorbei an kleinen und großen Seen, an einem steht eine Ansammlung von Autos. Eine Gruppe von Menschen hat ein großes Zelt aufgebaut, unter dem sich jetzt alle vor der Sonne verstecken.

Minutenlang versuche ich irgendwie Netz zu bekommen. Wenn wir an einer Ansammlung von Häusern vorbeifahren scheint das Netz zu funktionieren und ich gebe meinen Aufenthaltsort durch. „According to Google Maps it will take two more hours.“ Unsere eigentliche Ankunftszeit ist schon längst vergangen.

Aber fast wie in einem Traum fahren wir plötzlich in eine größere Stadt ein. Überall Menschen, ein richtiges Straßennetz. Wir fahren nicht mehr nur noch gerade aus sondern biegen ab. Mal nach links, mal nach rechts.

Viel zu schnell erreichen wir den Busbahnhof von Santa Fe. Ich will doch noch nicht aussteigen! Aber erleichtert, dass ich wieder alle meine Sachen im Blick habe, nehme ich meinen Backpack entgegen.

Voll bepackt laufe ich ins Gebäude. Wo soll ich jetzt hin? Wo werde ich abgeholt? Nach wenigen Minuten unsicheren Wartens läuft strahlend ein Mann auf mich zu.