Archiv für den Monat: März 2019

Generell alles was Spaß macht-keine Arbeit!

Ich habe schonmal angefangen diesen Eintrag zu schreiben, aber er ist todlangweilig geworden. Wahrscheinlich hätten sogar die Familienmitglieder, die mir am nächsten stehen, das Lesen abgebrochen. Trotzdem werde ich wohl weiter versuchen müssen dieses Thema hier mal anzuschneiden. Das Beste an diesem Beitrag wird aber wohl der Titel bleiben.

Letzte Woche habe ich das erste Mal nach der Arbeit mein Fahrrad den Berg hochgeschoben und mich schon auf den nächsten Tag gefreut um wieder in die Schule zu fahren. Und da habe ich gedacht es ist jetzt wirklich mal Zeit über meine Einsatzstelle zu schrieben. Auch, weil das Thema hier noch nicht besonders viel vorkam und es ja irgendwie ein wichtiger Teil des Ganzen ist. Außerdem habe ich das Gefühl, dass sich meine Arbeit an der Schule sehr stark von der unterscheidet, die andere Freiwillige machen.


In dem bräunlichen Gebäude mittig-rechts, der „Unidade Saguacu“ des Colégio BONJA, halte ich mich vom Montags bis Freitags drin auf.

Fünf Uhr:
Dienstagmorgen, der Wecker klingelt.
Zu meinem Leid wurde die erste Stunde auf 7.15 Uhr vorverlegt, so habe ich jeden Morgen jetzt noch weniger Zeit „Die ZEIT“ auf meinem Kindle zu lesen. Drei Ausgaben hänge ich schon hinterher.  Um kurz vor sieben verlasse ich das Haus.
Jeden Morgen freue ich mich über das viele Grün überall. Wenn ich wegen meiner Yogastunden nicht so ausgeglichen wäre würde ich mich wohl über der die Autofahrer ärgern, die das Fahrrad nicht als gleichwertigen Verkehrsteilnehmer wahrnehmen.

7.15 Uhr
Die Schulglocke klingelt nicht, sie dröhnt. Einzelstunde Deutsch mit Paul*. Seine Eltern sind Expats aus Deutschland, er ist also Muttersprachler und bekommt von mir drei zusätzliche Deutschstunden pro Woche. Zusammen üben wir lesen und schreiben. Mir macht der Unterricht total Spaß, weil wir ein richtig freundschaftliches Verhältnis aufgebaut haben und er merkbar Fortschritte macht.

8.05 Uhr
Auch Pauls älteren Geschwistern Elisabeth* und Katja* begleite ich mit einer Deutschlehrerin beim Unterricht. Wie ergänzen uns total gut und verstehen uns auch prima. Sie ist auf jeden Fall auch ein Grund dafür, dass ich mich mittlerweile so wohl fühle an der Schule. Wir verbringen die meiste Zeit des Tages zusammen, und wenn das nur heißt, dass wir arbeitend im selben Raum sitzen und uns zwischendurch nach Tipps fragen.

*Die Namen habe ich geändert und meiner Kreativität keine Grenzen gesetzt.


Ich auf dem Flur.

9.55 Uhr
Elisabeth gebe ich auch Unterricht in BWR (Betriebswirtschaftslehre und Rechnungswesen). Die Familie wird Im Juni zurück nach Deutschland gehen und zusammen erarbeiten wir uns ein bisschen den Stoff, den sie in Deutschland verpasst hat. Den größten Teil meiner Zeit verwende ich darauf alles erstmal selber zu verstehen. Dann erstelle ich Arbeitsblätter und überlege wie auch Elisabeth alles verstehen kann.
Heute hatten wir eine besondern gute Stunde und am Ende waren wir beide richtig glücklich, dass wir so gut verstanden haben wie bestimmte Geschäftsfälle in die Bestandskonten in T-Form eingetragen werden müssen.

*Die Namen habe ich geändert und meiner Kreativität keine Grenzen gesetzt.

12.30 Uhr
Zu den üblichen Krankenhauszeiten gibt es auch bei mir in der Schule Mittag essen.

Es gibt ein kleines Büffet, ab dem man sich immer bedienen kann. Jeden tag eine frische Salatbar, Reis und Bohnen und einige wechselnde (Fleisch)gerichte. Letzte Woche hat die Kantine eine Umfrage zu Essens-Qualität und Wünschen gemacht, seitdem schmeckt es merklich besser. Zum Nachtisch gibt es jeden Tag frisches Obst (Banane, Apfel, Papaya). Reis und Bohnen schmecken mir langsam auch  wirklich gut.

13.30 Uhr


„Unser“ Alemão Aplicado Raum, in dem ich wohl die meiste Zeit verbringe, weil dort sonst keiner unterrichtet.

Endlich fängt meine Lieblingsstunde der Woche an. Alemão Aplicado mit den Mädels (Elisabeth und Kaja und zwei andere). Diese Gruppe von Schülern besteht aus Schülerinnen, die alle ein (fast) perfektes Deutsch haben, weil sie aus Deutschland kommen, ein Elternteil aus Deutschland kommt oder sie eine lange Zeit dort gelebt haben. Die Hälfte der gemeinsame Stunden machen wir immer ein Projekt, dessen Stunden ich eigenverantwortlich vorbereiten darf. So haben wir uns schon drei Wochen lang mit dem ökologischen Fußabdruck oder uns mit Fast vs. Fair Fashion beschäftigt. Diese Stunden machen mir besonders Spaß, weil ich in der Vorbereitung tiefer über Themen recherchieren kann, die mich sowieso schon interessieren. Und ich kann in den Schülerinnen ein erstes Bewusstsein für Nachhaltigkeit und verantwortungsvollen Konsum wecken.

15.15 Uhr

Instituições – Rede Sinodal de Educação
Die „Undidade Centro“

Nachdem Alemão Aplicado geschafft ist schwinge ich mich möglichst schnell aufs Fahrrad um ins Zentrum von Joinville zu fahren. Dort hat das Colégio Bonja eine zweite Einheit. Hier verbringe ich meine Dienstag- und Donnerstagnachmittage.
Dort bereite ich die etwas älteren Schüler auf ihre mündliche Deutsches-Sprach-Diplom Prüfung vor. Manchmal proben sie mit mir ihre Kurzvorträge, in anderen Stunden stelle ich ihnen fragen über ihre Familie, Feiertage oder Freizeitgestaltung. Die Fragen werden von der Prüfungskommission des DSDvorgeschrieben. Am Anfang habe ich mich noch unwohl dabei gefühlt mir vollkommen fremde Schüler zu fragen was ihre Eltern beruflich machen oder wo ihre Großeltern wohnen. Aber mittlerweile kenne ich sie schon besser und finde die Antworten super interessant. Für mich ist das ganze ein bisschen wie eine kulturelle Studie.

16.30 Uhr
Mit der Arbeit in der Schule bin ich jetzt fertig. Aber bevor ich nach Hause radle habe ich noch meine Portugiesisch-Stunde. Meine Sprachschule hat Ende letztes Jahres zugemacht, muss aber meinen Vertrag und den von ein paar anderen noch zu Ende führen. Ich treffe mich mit meiner Lehrerin jetzt immer in einem Hinterzimmer einer Anwaltskanzlei. Um dort hinzukommen muss man einmal durch die Büros der Angestellten laufen. Der Qualität des Unterrichts hat das keinen Abbruch getan. Und die Anwaltskanzlei ist nur 200 Meter von der Schule entfernt.
Wenn die Leute mich verstehen macht es mir unheimlich viel Spaß Portugiesisch zu reden und so freue ich mich auf jede Stunde.

17.30 Uhr
Das Pflichtprogramm des Tages ist erledigt. Weil ich sowieso schon im Zentrum bin gehe ich auf dem Heimweg meistens noch einkaufen und bin dann um 18.30 Uhr zuhause.

22.00 Uhr
Damit ich meine 7 Stunden Schlaf bekomme gehe ich ins Bett (manchmal auch früher).
Boa noite.

Gerade erst angekommen oder schon wieder weg

Meine Mutter hat am Wochenende zu mir gesagt sie warte auf einen neuen Blogpost.

Mittwochs habe ich jetzt immer nur eine Stunde und kann, nachdem ich weitere Vorbereitungen getroffen habe, immer schon Mittags zuhause sein. Heute ist Mittwoch und ich war um 12 Uhr zu Hause. Jetzt ist es aber schon 16.30 Uhr und plötzlich kam in mir der Drang auf meiner Mutter ihren Wunsch zu erfüllen und einfach mal anfangen zu schreiben. Spoiler: am Mittwoch habe ich nur angefangen, inzwischen ist es Freitag.

Dann saß ich also vor meinem Computer auf meinem Bett, draußen fällt der Regen. Und ich weiß gar nicht so genau was ich schreiben soll. Das liegt aber eher nicht daran, dass ich nichts zu erzählen hätte, sondern vielmehr daran, dass es zuviel, zu verschiedene Sachen gibt.

Der kulturweit-blog ist voll mit abschließenden Worten. Alle Freiwillige, die nur für sechs Monate im Ausland waren, sind schon zurück in Deutschland. Am Werbellinsee.
Was bedeutet das für mich? Die Hälfte meiner Zeit hier ist schon vorbei.

Eins kann ich mit Sicherheit sagen, ich bin froh, dass es erst die Hälfte ist. Aber wenn die Zeit der zweiten Hälfte genau so schnell fliegt wie die der ersten, dann bin ich im Grunde schon wieder im Flieger zurück. Daran wollen wir aber noch nicht denken.

Das Gefühl, dass ich hier fremd bin und nicht rein passe, fühlt sich mittlerweile bekannt an. Ich erlebe immer noch Sachen zum ersten Mal, aber das „Sachen zum ersten Mal erleben“ habe ich schon ganz oft erlebt. Meiner Meinung nach, bin ich ja inzwischen ganz gut darin.

Denn auf der anderen Seite habe ich mir meinen eigenen kleinen Tagesablauf gebastelt, der mir im Moment wirklich Spaß macht.

Seit drei Wochen gehe ich jetzt regelmäßig abends zum Yoga. Das habe ich vorher noch nie gemacht und dementsprechend umprofessionell sieht das ganze dann natürlich auch aus. Zusätzlich fehlen mir die portugiesischen Vokabeln für Knöchel und Hüfte. (jetzt nicht mehr) Besonders als ich in der letzten Stunde etwas später gekommen bin, war das unangenehm. Es war leider nur noch ein Platz im Zentrum der anderen Teilnehmer frei.
Links und rechts kann ich auch im Deutschen nur nach reichlicher Überlegung auseinander halten. Wenn also alle ihren Linken Arm heben, hebe ich meinen Rechten.
Außer mir scheint das aber keinen zu stören. Alle, die nicht bei den anderen abgucken müssen haben ihre Augen ja geschlossen. Und das ist ganz klar ein Vorteil von meinem Platz in der Mitte der Gruppe-abgucken kann man da super. Trotzdem gehe ich heute ein bisschen früher hin.
Trotz der Verwirrung, die ich in den Stunden vermehrt spüre, sind es die schönsten Stunden der Woche. Den Rest der Woche bin ich mit meinem Gedanken überall und irgendwo (Haben die Kinder verstanden was ich versucht habe zu vermitteln in der Stunde? Wo feier ich Karneval? Was esse ich heute Abend? Heißt „ich bin gefahren“ auf portugiesisch „foi“ oder „fui“?)
Aber beim Yoga, da bin ich irgendwie ganz für mich. Sind meine Bauchmuskeln jetzt genug angespannt? Muss das Bein noch höher? Bedeutet esquerda jetzt rechts oder links?
Auf dem Rückweg bin ich dann immer ganz ruhig.

Dienstags und Donnerstags arbeite ich lang und habe danach noch portugiesisch. Mein Portugiesisch fängt doch jetzt erst richtig an.  Das habe ich hier wahrscheinlich auch schon oft genug geschrieben. Ich bin aber einfach unglaublich fasziniert davon wie man so eine Sprache einfach aus dem Nichts lernt. Am Anfang habe ich wirklich absolut nichts verstanden (auch wenn ich manchmal behauptet hätte es wäre anders um mich nicht zu entmutigen) aber jetzt verstehe ich wirklich was (diesmal wirklich) und ich würde fast behaupten fast alles. Außerdem ist es mir mittlerweile egal, dass ich nicht perfekt spreche, sehr wenig grammatikalische Strukturen benutze. Ich fange einfach an zu reden.
Sehr gut ist außerdem, dass meine sozialen Strukturen sich langsam verfestigen. Und diese Strukturen meistens nur Portugiesisch sprechen, sodass ich gezwungen bin mitmachen.

Und das Wochenende, ja das Wochenende. Also, hier gibt es zwei verschiedene Arten von Wochenenden. Es gibt die regnerischen und die sonnigen. An erstgenannten ist das mit der Freizeitgestaltung ein bisschen schwierig. Gerne schlafe ich dann aus, gehe auf den Biomarkt von Joinville (gibts hier tatsächlich), dann Skype ich, koche ein aufwendiges Frühstück. Dann ist meistens schon Samstagnachmittag. Ich habe schon versucht, die restliche Zeit des Wochenendes ganz brasilianisch im Shoppingcenter zu verbringen, aber das werde ich wohl nie wieder machen. An einem regnerischen Wochenende sind da eine meeeeeeenge Leute. Außerdem jede Menge Kleidungsläden, Kinos, Trampolin-Hüpf-Möglichkeiten, Cafés. Und wenn eine menge Brasilianer auf ein Shoppingcenter treffen ist der Konsum groß. Da fühle ich mich irgendwie unwohl.
Ganz anders sieht die Realität an einem sonnigen Wochenende aus. Dann versuche ich möglichst früh aufzustehen um den ersten Bus zum Strand zu bekommen. Der zweite fährt nämlich zu spät und kommt dann erst nachmittags an.
Oder ich werde von den Deutschlehrerinnen, die mittlerweile ein bisschen wie Freunde geworden sind, mit zum Strand genommen. Meistens fahren wir dann schon um acht um dem Stau zu entkommen. Ihr seht: auf dem einen oder anderen Weg geht es immer zum Strand.
Auf Sao Francisco do Sul, einer Halbinsel östlich von Joinville, habe ich jetzt einen Surflehrer gefunden, bei dem ich Samstagmorgens bei guten Konditionen für einen sehr akzeptablen Preis  eine Surfstunde nehmen kann.

Einmal pro Woche backe ich mein eigenes Brot, denn das brasilianische Toast, macht einfach nicht satt. Ich versuche so viel Obst zu essen wie möglich und weiß wo ich das frischeste Gemüse und beste Acai finde.

Soviel zu meinem Alltag, der immer wieder durch neues aufgebrochen wird.
Ich hoffe der Blogpost ist so in Ordnung, Mama. Und tut mir leid, dass du länger drauf warten musstest als ich gesagt habe.

Liebe Grüße und bis Bald,

Eure Clara