„Ele Não“ dt. „Er nicht“ ist die Bewegung gegen den rechtsradikalen vorraussichtlichen Präsidenten von Brasilien.
Beim Verfassen dieses Beitrages stehe ich vor einem Problem. Ich sehe mich eigentlich nicht in der Lage einen politischen Kommentar abzugeben. Ich bin erst seit kurzer Zeit hier in Brasilien. Ich kann nicht beurteilen, was in diesem Land wirklich vor sich geht. Ich weiß nicht welche Probleme im alltäglichen Leben für einen Staatsbürger dieses Landes am wichtigsten sind. Ich spreche nicht mal die Sprache. Noch dazu gibt es zu diesem Thema so viele Meinungen, Gründe, Ansichten, dass ich unmöglich alle nennen kann.
Ganz sicher kann ich aber nicht meinen nächsten Blogpost verfassen ohne dieses Thema angesprochen zu haben, und das soll nicht in einem Nebensatz geschehen.
Am 7. Oktober hat Brasilien das erste mal gewählt. In die Stichwahl für das Amt des Präsidenten kamen Jair Bolsonaro und Fernando Haddad. Jair Bolsonaro ist rechtsextrem, Haddas links. Das erste Problem in dieser Wahl sei für viele, dass diese Kandidaten und ihre Parteien so radikal unterschiedlich seien und deswegen kein Austausch, kein Kompromiss zwischen den Wählern statt finden könne.
Und im Grunde war es schon vor dem heutigen Ausgang für viele klar, dass Bolsonaro der nächste Präsident Brasiliens wird. Er will jeden „guten“ Brasilianer mit Waffen ausstatten um die Kriminalität zu bekämpfen und um hart gegen die Korruption vorzugehen. Das finden viele gut. Noch dazu ist er streng religiös und viele gläubige Brasilianer haben das Gefühl, dass die Kirchen in Brasilien an Wert verlieren.
Gegen Haddads Partei PT (Partidos dos Trabalhadores) ist der Hass groß. Die Tagesschau schreibt: “Die Arbeiterpartei […] war tief verstrickt in die Schmiergeldaffäre. Sie regierte das Land von 2003 bis 2016. Der beschädigte Ruf der Partei ließ auch Haddads Wahlkampfkampagne nicht recht vom Fleck kommen.” Der Expräsident, der von allen nur Lula genannt wird und auch aus der PT kam, sitzt wegen Korruption im Gefängnis. Und Korruption scheint für viele hier ein rotes Tuch zu sein, weil sie so viele Chancen dieses Landes zu Grunde richtet. Ich habe viele meiner Kollegen gefragt und alle (wirklich alle) haben dasselbe gesagt. Die Leute wählen nicht für Bolsonaro sondern gegen die Korruption.
Schon nach den Stichwahlen Anfag Oktober war es klar, dass dieser Mann der nächste Präsident Brasiliens wird. Doch gestern Abend kam das Ergebnis dann wie ein Schlag ins Gesicht. Im letzten Monat habe ich vor allem wahrgenommen wie kontrastreich dieses Land ist. Auf der Straße sieht man schneeweiße Männer mit roten Haaren, schwarze Frauen und Männer, braungebrannte Mädchen mit braunen, blonden, schwarzen Haaren. Keine Hautfarbe, Haarfarbe oder Augenfarbe ist hier ungewöhnlich. Nirgendswo habe ich homosexuellePaare so selbstverständlich rumlaufen sehen wie in Sao Paulo. Dieses Land hat so offen für alles auf mich gewirkt, ich glaube, besonders deswegen bin ich so erschüttert.
Denn Bolsonaro äußert sich abschätzend gegenüber jedem, der nicht so ist wie er. Männlich, weiß, hetero, reich und militaristisch. “Ich bin homophop und sage diese Worte mit Stolz,” hat er in einem Radiointerview gesagt. Er äußert sich frauenfeindlich und hetzt gegen ethnische Minderheiten. Er ist für Folter, verheerlicht die Militärdiktatur,die es in Brasilien gab. Unnötig zu sagen, dass diese Ansichten Viele beschreiben ihn als Trump Südamerikas. Hier fehlen mir um ehrlich zu sein die Worte. Ich habe nicht ansatzweise das Gefühl wirklich verpacken zu können, was dieser Mann für ein Hass gegenüber Schwarzen, Frauen oder Schwulen vermittelt und wie sauer mich das macht. Dafür fehlt mir zum einen der Platz, zum anderen das Geschick.
Joinville ist der Wahlbezirk in Brasilien in dem der Anteil der gültigen Stimmen für Bolsonaro am höchsten waren. Insgesamt haben 55% für Bolsonaro gestimmt. Hier in Joinville waren es 83%. Das hat man gestern Abend ganz klar gemerkt. Ich bin mit der Uber vom Busbahnhof nach Hause gefahren. Überall in der Stadt war Stau. Begleitet vom ständigen Hupkonzert fahren ganze Familien im mit Auto behängten Fahnen durch die Stadt. Man sieht Radfahrer, die sich eine Fahne umgebunden haben, überall sind Motorroller mit wehenden Fahnen. Manche Autos hatten Musikanlagen im Kofferraum aus denen Bolsonaros Name als Technobeat dröhnt. Bis spät in die Nacht hört man Feuwerwerke. Es war wie eine große öffentliche Party mit Freibier. Gefühlt war die ganze Stadt auf den Beinen. Der Wahlsieger ist für viele ein Messias. Für manche nur eine Notlösung, für andere der Albtraum.
Bolsonaro wird wenn alles verläuft wie erwartet sein Amt im Januar antreten. Ich habe Angst erleben zumüssen, was die Wahl eines rassistischen, homphoben und sexistischen Präsidenten mit sich bringt.