É verão

Jedes Mal wenn ich aus der klimatisierten Schule komme werde ich umarmt. Von der Hitze, die die Stadt seit zwei Wochen erfasst hat. Weil ich immer mit dem Fahrrad unterwegs bin komme ich überall schweißgebadet, und ich meine gebadet, an. Den Lärm vom Ventilator in meinem Zimmer nehme ich schon gar nicht mehr war. Haare trocknen in zehn Minuten.

Und mit dem Umschwung des Wetters kann auch ein Umschwung meiner Laune. Mir geht es einfach gut.

Der Regen war viel und lang. In der Schule war es in den letzten Monaten hauptsächlich meine Aufgabe vor dem Computer zu sitzen um Materialien für drei verschiedene Arbeitsbücher als Vorbereitung auf die DSD-Prüfungen herauszusuchen. Ich sitze nicht gerne vor dem Computer. Ich mag es nicht alleine zu arbeiten, werde super schnell müde und kann mich nicht mehr konzentrieren. Also war ich unzufrieden mit meiner Arbeit in der Schule. Und wegen des Wetters hat auch meine Freizeit keine Abwechslung geboten.

Aber jetzt scheint die Sonne. Seit Ende letzter Woche haben einige der Schüler schon Ferien, die letzten wurden gestern in den Sommer entlassen. Ich war nicht mehr alleine in meinem kleinen Raum. Immer waren eins/zwei andere Leute da mit denen ich zusammen gearbeitet habe. Zwischendurch haben wir die Arbeit unterbrochen um uns ein bisschen zu unterhalten. So habe ich auch endlich die Lehrer ein bisschen besser kennengelernt. Morgen fahre ich mit einigen Bekanntschaften meiner letzten Woche an den Strand. Außerdem hatte ich mit meinen Ansprechpartnern ein erstes Gespräch über meine Aufgaben nächstes Jahr. Ich werde die Expat-Kinder im Teamteaching unterrichten, die brasilianischen Schüler auf die mündliche DSD Prüfung vorbereiten. Aus meiner Idee eines „Deutsch-Newsletters“ durch den wir monatlich Bücher, Musik, Ereignisse aus Deutschland teilen wurde ein Instagramaccount, den ich nächstes Jahr für die Sprachabteilung machen werde.

In der Schule benutzen die Schüler immer Plastikbecher um sich Wasser aus den Spendern zu nehmen. Um das zu minimieren (vllt ganz abzuschaffen) will ich nächstes Jahr, wenn die Marketingabteilung das erlabt, einen Design-Wettbewerb für Trinkflaschen organisieren. Die Trinkflaschen sollen die Schüler dann als Teil der Schuluniform erwerben. Was ich damit zeigen will: meine Aufgaben werden vielseitig sein und ich freue mich darauf das es nach den Ferien losgeht.

Die Ferien. Natürlich halten auch die Ferien den Gemütszustand hoch, ich kann es kaum erwarten wieder zu reisen, im Hostel zu schlafen, neue Leute kennenzulernen. Ich habe eine, wie ich finde, tolle und abwechslungsreiche Route geplant und freue mich sehr darauf, dass es endlich losgeht. Mehr dazu im nächsten Blogpost.

Alle waren so begeistert von der Schönheit der Portugiesischen Sprache, als ich erzählt habe, dass ich die im nächsten Jahr lernen werde. Und um ehrlich zu sein: ich habe nicht verstanden, was alle daran so toll finde. Aber es ist als wäre ein Schalter umgelegt worden. Ich weiß jetzt was ihr meint! Durch diese Entdeckung habe ich jetzt noch mehr Motivation meine Zeit hier zu nutzen um Portugiesisch zu lernen. Und in den letzten Wochen habe ich wirklich einen Schub erfahren. Ich kann jetzt einfache (sehr einfache!) Sätze grammatikalisch richtig bilden.  Andere Sätze bestehen einfach aus aneinander gereihten Nomen und umkonjugierten Verben. Ich sage jetzt nicht mehr: Eu nao falo portuguese, wenn ich nicht verstanden werden. Sondern: Eu sou falo um pouco portuguese. (Beide Sätze ohne Akzente. Ich habe keine Lust, die aus meiner deutschen Tastatur herauszukitzlen.)  In meiner letzten Portugiesischstunde vor den Ferien, also gestern, hat mir meine Lehrerin ein Kompliment für mein Portugiesisch gemacht, das für die zehn Stunden schon sehr gut sei. Jetzt muss ich es nur noch schaffen meine Kenntnisse über die Ferien zu retten, die ich hauptsächlich in den spanischsprachigen Nachbarländern verbringen werde.

Und was soll ich sagen, einen ganz großen Teil zu meinem Glück hat auch mal wieder das Essen beigetragen. Nachdem ich am Montag den Bioladen Joinville´s entdeckt habe, in dem der Tofu nur 9 Reais kostet, war ich heute Morgen auf dem Biomarkt. Besonders der Käse, den ich dort auf Portugiesisch erstanden habe lässt mein Herz höher schlagen. Endlich mal einer der nicht nur nach Butter schmeckt! Außerdem habe ich angefangen Brot zu backen und mich dazu entschieden nie wieder welches zu kaufen. Eins ist gerade im Ofen, damit ich den Käse auch genügend zelebrieren kann, und es riecht toll!

Clara

Rupac-warum geht der Mensch wandern?

Trotz der harten Matratze im Bett des Hostels habe ich gut geschlafen. Am Samstagmorgen wird meine freudige Erwartung nur davon geschmälert, dass ich die süßen Honigpops vom Hostel-Frühstück verpasse. Die haben mich an meine gaaaanz jungen Jahre erinnert, in denen ich die wahrscheinlich kiloweise mit Milch in mich reingeschüttet habe. Aber das Frühstück fängt erst um acht Uhr an und ich treffe mich schon um sieben (oder war es sieben Uhr dreißig?) mit Luisa und Johanna am Gran Terminal Terreste in Lima, Peru.  Als ich dort ankomme ist das Zelt, das wir uns übers Wochenende ausleihen schon da und so können wir am Z-Buss Schalter direkt unsere Tickets kaufen. Dank der UNESCO und unseres von kulturweit so toll konzipierten Freiwilligenausweises bekommen wir sogar den ermäßigten Preis. Wir fahren erst mit dem Bus zwei Stunden aus Lima raus in die kleine Stadt Huaral. Das Grau der Stadt wandelt sich langsam zum Grün der Erdbeerfelder außerhalb Limas.

An dieser Stelle könnte ich vielleicht kurz erklären was wir überhaupt vorhaben. Zu diesem Zeitpunkt WOLLEN wir noch wandern gehen. Circa vier Stunden von Lima entfernt gibt es auf 3.700 Metern Ruinen einer Stadt einer präinkaischen Kultur, die man nur durch eine 3-4 h lange Wanderung erreichen kann. Das ist unser Ziel, noch liegt ein langer Weg von uns.  Ursprünglich wollten Luisa und ich nach Macahuasi, eine Wanderung die sehr ähnlich verläuft aber bekannter ist und deshalb mehr ausländische Touristen anzieht. Spontan hat Johanna sich angeschlossen, die schon in Macahuasi war, aber von ihrem Mitbewohner den Rupac-Tipp bekommen hat. Diese Wanderung ist weit weniger bekannt und so hatten wir von Anfang an Angst, dass wir die einzigen sein würden, die auf dem Berg übernachten.

In Huaral also besorgen wir uns ein Taxi, dass uns in circa zwei Stunden 3.000 Meter hoch in die Anden fahren soll. Beziehungsweise es wird uns besorgt. Natürlich fallen wir mit unseren Backpacks auf dem Rücken auf und man kann uns als ausländisch identifizieren. Dann kommen meistens viele Männer mit Autoschlüsseln in der Hand angerannt und bieten dir ein Taxi an.  Dieses Mal brauchen wir tatsächlich eins und so sitzen wir schnell zusammengepresst auf der Rückbank eines funktionstüchtigen Autos. Spontan fällt uns auf, dass keiner von uns vorher das Wetter gecheckt hat. Dank mobiler Daten lässt sich das (glücklicherweise) nachholen. Erschreckt und ein bisschen belustigt stellen wir fest, dass Regen bzw. Gewitter und Kälte vorhergesagt ist. Warum ist hier außer uns eigentlich kein anderer, der aussieht als würde er wandern gehen wollen?

Wir haben Glück: mit dem nächsten Bus kommt doch tatsächlich ein Mann mit Rucksack, und es werden mehr! Dann sitzen wir wenigstens nicht alleine im Regen! Kurze Zeit später joint uns auf unsere Rückbank eine Peruanerin aus Lima, ihr Freund nimmt vorne Platz. Da das Auto jetzt aber auch wirklich voll ist beginnen wir unsere Fahrt. Im Auto ist es eng und je höher wir uns den staubigen Bergweg hocharbeiten desto heißer und eben staubiger wird es im Auto. Das wäre ein Problem, wenn der Fahrer nicht einen wirklich guten Mix an englischsprachiger Musik und Reggaeton auf seinem Stick hätte.

So passieren wir La Floripa, eine fast verlassenen Stadt in den Anden. Hier kassiert ein älterer Peruaner ein paar Sol. Unser Eintritt in die Berge! Nach weiteren dreißig Minuten kommen wir in der Geisterstadt an, in der man seinen Aufstieg beginnt. Die ehemaligen Bewohner haben die Stadt verlassen als La Florida ans Stromnetz angeschlossen wurde. Jetzt gibt es hier nur noch ein Restaurant, in dem wir Tequenos und Choclo con queso essen. Unsere letzte richtige Mahlzeit.

Dann beginnen wir unseren Aufstieg, schon nach 15 min. sind wir nicht sicher ob wir auf dem richtigen Weg sind. Ein bisschen irritiert und begleitet von einer Kuh gehen wir einfach weiter. Es stellt sich heraus, dass wir natürlich richtig waren. Kurzer Fotostopp auf der so pitoresken Brücke, weiter gehts. Durchschnittlich wahrscheinlich alle 45 min. machen wir eine Pause. Kekse werden verspeist, Zitronenbonbons werden gelutscht. Die helfen gegen die Höhe. Es wird immer heißer, die Sonne brennt auf unsere Haut. 

 

 

 

Am Wegrand gibt es keine Schilder die anzeigen, wie viel man schon geschafft hat. Also können wir nach jeder Kurve oder Windung nur hoffen, dass die Ruinen, die man manchmal aufblitzen sieht, näher kommen. Oder das die Geisterstadt, die wir zurückgelassen haben immer weiter weg erscheint. Immer mehr merke ich, dass ich fürs Fahrrad geschaffen bin. Zu Fuß ist man so unglaublich langsam. Der Weg ist insgesamt 7 km lang, das schaffe ich mit dem Fahrrad in unter 30 Minuten, geht mir immer wieder durch den Kopf. Leider ist kein Fahrrad dabei und der Weg eignet sich auch wirklich nicht.

Auf jeder Pause finden wir erneut Motivation. Zum Beispiel werden nach circa anderthalb Stunden die Esel an uns vorbeigetrieben. Bepackt mit den Habseligkeiten der Mitwanderer. Wir haben uns gegen Esel entschieden, wenn wir uns aus freien Stücken für den Aufstieg entscheiden, soll auch kein anderer unsere Sachen schleppen. Vorangetrieben vom Stolz geht es also weiter.

Man merkt den Höhenunterschied schon sehr. Die Schritte sind, für meine Verhältnisse, winzig und genau so ineffizient fühlt sich jeder Atemzug an. Auf der nächsten Pause bezeichnet man uns als „Kriegerinnen“, das spornt an!

Irgendwann passieren wir das 800 Meter Schild. Was sind schon 800 Meter wenn man 6 KILOmeter hinter sich hat? Immer mehr wird allerdings klar 800 Meter sind eben auch fast ein Kilometer. So schnell können wir dann doch kein Bergfest feiern. Nach gefühlten Ewigkeiten kommt das 300 Meter Schild, das ist jetzt wirklich nicht mehr so lange!

Nach drei Stunden Aufstieg haben wir es endlich geschafft, um 18 Uhr kommt der Zeltplatz in Sicht. Auf den letzten Metern treffen wir einen Guide, der uns freundlicherweise in seine Gruppe aufnimmt. So haben wir als wir ankommen direkt einen Zeltplatz am Lagerfeuer. Das Zelt ist schnell aufgebaut und uns wird eine kleine Tour angeboten, nehmen wir natürlich dankend an!

Kurze Information aus dem Off: ich bin an dieser Stelle schon weeeeeeeeit über der empfohlenen Wortanzahl von 500, wer will kann nachzählen. Trotzdem werde ich weiter schreiben und freue mich über jeden, der es bis jetzt geschafft hat und weiter liest. 

Mit den anderen Teilnehmern der Reisegruppe, die wahrscheinlich tatsächlich für diese Tour bezahlt haben, geht es in die Ruinen. Mein persönliches Highlight ist der Sonnenuntergang, der wahrscheinlich schönste (und verdienteste!) meines doch so kurzen Lebens.

    

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Auf dem Rückweg wird Feuerholz gesammelt, dann geht es für eine kurze Pause ins Zelt. Wir ziehen uns eine Schicht mehr an, es wird sehr kalt! Nachdem wir ungefähr eine Stunde geruht haben bekommen wir Hunger und packen so unser Abendbrot aus. Am Abend zuvor waren wir einkaufen und so haben wir Käse, Baguette, Aufstrich und Thunfisch.

Physisch geht es für mich nach dem Abendbrot leider bergab. Ich bekomme Kopf- und Bauchschmerzen. Das wird durch den harten Untergrund, auf dem wir liegen nicht unbedingt besser. Trotzdem werden wir irgendwann zum Lagerfeuer gerufen, die Hitze des Feuers tut gut. Uns wird ein Marshmallow und Koka-Tee angeboten. Nach einer Gruselgeschichte, die mir glücklicherweise erst am nächsten Tag übersetzt wurde, gehen wir ins Bett.

Alles anziehen was geht und versuchen zu schlafen! Die Betonung liegt auf versuchen, das ganze fällt leider nicht besonders erfolgreich aus. Während die anderen beiden neben mir scheinbar friedlich vor sich hin schlummern liege ich grübelnd wach. Natürlich bin ich am nächsten Tag nicht besonders ausgeschlafen. Außerdem merke ich stark, dass die 3.700 Meter mich daran hindern so zu Atmen wie ich will.

Ich fühle mich absolut elend und meine körperliche Fitness fühlt sich stark eingeschränkt an. Tolle Vorraussetzungen für den Abstieg, denke ich mir. Aber erstmal gibt es Frühstück: Dosenpfirsiche, Bananen und Äpfel. Langsam versuchen wir unseren Kreislauf hochzufahren. Endlich erreicht die Sonne unser Zelt und die Kälte hat ein Ende. Die anderen machen noch einen letzten Rundgang. Ich bleibe lieber auf einem Stein sitzen und sammle meine Energie.

Weil wir so viel gegessen haben fühlt sich wenigstens der Rucksack viel leichter an, als wir ihn umschnallen und ich falle nicht wie erwartet hinten über. Wie beginnen unseren Abstieg, ich setze einfach einen Fuß vor den anderen. Noch bevor wir das 800 Meter Schild erreichen spüren ich wie der Boden unter meinen Füßen wegrutscht und falle einmal der Länge nach hin. Ich sehe aus, wie eine Schildkröte, die auf ihrem Panzer liegt. Während des Sturzes sehe ich mich schon auf einem Esel den Berg runter reiten, vielleicht kann mich jemand abholen. Das alles passiert nicht. Ich stehe auf, bekomme ein bisschen Desinfektionsmittel auf meine Hände und begleitet von einem schmerzenden Steißbein geht es weiter.

Ich passe erheblich auf nicht noch einmal hinzufallen, laufe ganz hinten und konzentriere mich einfach auf die Gespräche von Luisa und Johanna. Schon gestern haben wir uns gefragt: aus was für einem selbstzerstörerischen Willen heraus entscheidet man sich wandern zu gehen? Bestimmt 70% der Zeit ging es bei unserem Ausflug darum wann wir da seien, wie lange es noch brauche, wir haben uns darüber ausgetauscht wie elend es uns ginge. Es schien absolut keinen Spaß zu machen. Und doch hat sich jeder von uns vorher dazu entschieden mit einem schweren Rucksack auf dem Rücken sieben Kilometer Land staubige Wege hoch zu laufen. Es muss das Gefühl sein, wenn man ankommt. Wenn man weiß, dass man es geschafft hat. So hoffen wir jedenfalls.

Pausen legen wir aus strategischen Gründen im Schatten ein. Sie sind weitaus kürzer als gestern, dafür gibt es mehr. Langsam und Schritt für Schritt arbeiten wir uns voran. Ich rede nicht viel, folge nur den Anderen und so geht es Minute für Minute den Berg herab. Da ist der Stein, an dem wir gestern verzweifelt sind. Hier das Schild, auf dem steht, man solle auf die Natur achten. Nur die Zitronenbonbons und die billigen Schokokekse halten uns am Leben.

Mal werden wir von einer Gruppe überholt, mal überholen wir selber.

Irgendwann hören wir den Wasserfall, vor dem wir gestern unser erstes Foto gemacht haben. Hier noch eine letzte Pause, bevor es nochmal ein paar hundert Meter bergauf geht und wir endlich die Geisterstadt erreichen. Wir setzen uns in den Schatten, essen unsere letzten Kekse, fragen uns ob es das alles wert war. Rückblickend kann ich sagen: Ja. Wir hatten so viele Insider nach dieser kurzen Zeit, so vieles über das wir im Rückblick lachen können. Man vergisst wie absolut elend man sich gefühlt hat und erinnert sich nur noch daran wie schön die gemeinsame Zeit und der Geschmack der Zitronenbonbons ist.

Mit diesem Gedanken im Kopf schaffen wir auch noch die letzten Meter, die leider zahlreicher sind als erwartet. Viermal legen wir eine Pause ein. Ich will nicht sterben kurz bevor wir ankommen, dann lieber eine Pause mehr. Natürlich gehen wir am Ende noch ein bisschen falsch, sodass wir nicht beim Restaurant rauskommen, sondern etwas weiter oben. Die letzte Strapaze unserer Reise ist es also den Berg hinabzuklettern.

Ich erinnert mich jetzt noch an den Moment. Noch nie war es so schön auf einem Plastikstuhl zu sitzen mit einer Banane in der Hand, der Rucksack steht daneben. Mit einer kalten Cola in der Hand (die ich eigentlich gar nicht mag) und man weiß, gleich steht man nicht wieder auf um weiter zu gehen. Um durch so kleine Dinge, ein so schönes Gefühl hervorzurufen muss man wahrscheinlich eine strapazierende Wanderung hinter sich haben.

Weil es der Zufall so wollte waren der Donnerstag und Freitag vor dem Start meines Zwischenseminars in Brasilien Feiertage. Und so bin ich schon am Donnerstagmorgen in den Flieger nach Lima, Peru gestiegen. Und ich muss sagen, ich habe es sehr genossen. Erst habe ich gewartet, dass das Boarding losgeht und dann darauf, dass das Flugzeug wieder landet und die ganze Zeit habe ich einfach meinen Gedanken nachgehangen. Das hatte ich schon lange nicht mehr.

Nach einem Stoppover in Sao Paulo, bin ich also gegen 22 Uhr am anderen Ende Südamerikas angekommen. Als erstes habe ich im Taxi dann das Fenster ganz aufgemacht um nichts von der Stadt zu verpassen. Im Hostel angekommen bin ich nur noch ins Bett gefallen…

…schließlich wollte ich am nächsten Tag Lima erkunden. Früh um acht hat also mein Wecker geklingelt, was Gott sei Dank keinen stören konnte, da ich alleine im Zimmer war. Nach einem Frühstück mit mehr oder wenigen warmen Kaffee aber dafür mit selbstgemachter Erdbeermarmelade habe ich mir 300 m die Straße runter ein Fahrrad ausgeliehen. Aufgrund meines Studentenreisebudgets habe ich dann einfach auf eigene Faust eine Stadtrundfahrt für umgerechnet 10 Euro gemacht.

Erst führte mich meine Karte zu einem Olivenbaum-Park, dann konnte ich die präinkaischen Tempelpyramiden Huaca Huallamarca besichtigen. Letzteres war umgeben von kleinen Häusern im Kolonialstil und verschiedenen Botschaften. Ich habe Fotos gemacht und mich wieder in die Pedale geschwungen. Weiter gings auf dem Fahrradweg entlang der Küste bis ins hippe Viertel Barranco. Über die Schönheit der Steilküste Limas kann sich jeder seine eigene Meinung bilden.                     

                           

In Barranco angekommen habe ich erst das Museum von Mario Testino, einem berühmten peruanischen Fotografen, besucht. Ich bin absolut beeindruckt davon welche Verbindung Fotografen wie Peter Lindbergh oder eben Mario Testino in ihren Fotos wiederspiegeln können aber seit längerem merke ich, dass mir Fotografieren wenig Spaß macht. Natürlich ist es absolut schön wenn man durch Fotos die Erfahrungen, die man macht mit seinen Lieben teilen kann. Aber ich habe immer mehr das Gefühl, dass es mir eigentlich die wertvolle Zeit des Moments nimmt. Außerdem hält sich mein Talent, glaube ich, in Grenzen.

Zum Mittag habe ichmich in ein wunderschönes Café gesetzt und ein bisschen gelesen. Und so konnte ich danach, gestärkt durch einen Falafelwrap, die Graffitis und Barranco erkunden.

Auf dem Rückweg zum Hostel habe ich dann eine französische Bäckerei gefunden. Deshalb sah ich mich gezwungen direkt ein Croissant und ein Pain au Chocolat zu kaufen. Mit der Tüte am Lenker und in Erinnerung an meinen Sommer in Frankreich schwelgend habe ich den nächsten Park aufgesucht. Die Abendsonne im Gesicht im Schneidersitz auf einer Bank sitzend und französisches Gebäck essend habe ich die Peruaner auf ihrem Heimweg und die Touristen beim Erkunden beobachtet.

Am Abend habe ich mich dann mit Johanna und Luisa, zwei anderen Freiwilligen aus Lima, getroffen. Eigentlich war unser Treffpunkt nur 4km von meinem Hostel entfernt. Aus, auch mir unerklärlichen, Gründen habe ich für den Weg allerdings drei Stunden gebraucht. Im Nachhinein ist mir natürlich klar, dass ich einfach hätte aussteigen und laufen sollen. Aber nach der langen Tortur war es umso schöner die beiden wieder zu sehen.

This story is to be continued, denn die Tortur war ganz klar noch nicht beendet. Deshalb: bleibt neugierig!

Die beiden letzten Wochenenden habe ich am Strand verbracht. Heute will ich euch von meinem letzten Wochenende erzählen.

2.-4. November: Florianopolis, Brasilien

Am Freitagmorgn bin ich mit blabla Car aufgebrochen. Blabla Car ist eine App, die zwischen Menschen vermittelt, die sowieso eine gewisse Destination ansteuern und zwischen denen die selber kein Auto haben und deshalb am liebsten mitfahren würden. Es ist also eine Art organisiertes und bezahltes „per Anhalter fahren“. Ich bin um neun Uhr losgefahren, damit ich davor noch Zeit hatte mein allwochenendliches Bananenbrot zum Frühstück zu backen. Auf der Fahrt konnte ich dann meine neuen Portugiesischkenntnisse zeigen und Fragen wie: Woher kommst du? Was machst du? beantworten.

Nachdem ich nach 2, 5 Stunden Fahrt entlang der brasilianischen Küste gen Süden angekommen bin habe ich erstmal meinen Couchsurfing-Host aufgesucht. Der hat mir erzählt, dass Floripa durch eine Hügelkette von Norden nach Süden zweigeteilt ist. Im Westen findet das „ernste Leben“ statt: überall stehen Hochhäuser, hier sind die Universität und die meisten Arbeitsplätze. Im Osten sind die Strände, Restaurants und Touristen. So wie ich es wahrgenommen habe ist das Besondere an Floripa, dass es beide Welten vereint. Am Wochenende fahren alle mit ihren Surfboards auf dem Autodach zum Strand um die Vorzüge der Insel zu nutzen. 

Den Freitagnachmittag habe ich an den Piscinas Naturais verbracht. Einfach eine durch Steine geschützte Ecke an der Küste, wo die jungen Leute der Insel „chillen“. Zwei Stunden habe ich damit verbracht den Leuten zuzugucken und meinen Gedanken nachzuhängen bis die einsetzende Dunkelheit mich gezwungen hat aufzustehen. Der Weg zurück hat anstatt normalerweise 20 Minuten 2 Stunden gedauert. Es gibt nur eine Straße, die zum Strand und wieder zurückführt und natürlich ist die an einem Freitagabend überlastet. 

 

Kein Problem für mich, ich war sowieso erst um 22 Uhr mit meinem Couchsurfunghost verabredet. Er hatte angeboten mich mitzunehmen, wenn er mit seinen Freunden feiern geht. Lange habe ich hin und her überlegt ob ich denn nun tatsächlich um 22 Uhr vor der Tür stehe oder es, ganz brasilianisch, mit der Zeit nicht so genau nehme. Ich entschied mich für ersteres und merkte das letzteres besser gewesen wär. Ungefähr zwei Stunden später gingen wir also los zum Club und, was soll ich sagen, sind zurück nach Hause gefahren als es draußen schon wieder hell war.

Nachdem ich die Nacht in der Hängematte verbracht habe wachte ich wegen des Regens auf. Nicht gerade perfektes Erkundungswetter. Aber im Großen und Ganzen regnet es seitdem ich hier bin und ich hatte keine Lust mich mal wieder vom Wetter einschränken zu lassen. So habe ich mich auf den Weg gemacht um den Trilha de Costa da Lagoazu bewältigen. Ein dreistündiger Wanderweg um den See, der sich im Inneren der Insel befindet. Er endet in einer Gemeinde, die nur über diesen Weg oder per Boot zu erreichen ist. Long story short: diese Gemeinde habe ich nicht erreicht. Nach ungefähr 3/4 des Weges war ich von Kopf bis Fuß überall nass und wusste nicht so genau ob ich lachen oder weinen sollten als ich durch braunes Wasser watete anstatt auf den Wanderwegen zu laufen. Wegen meiner nassen Brillen konnte ich nicht mehr gucken, was auch nicht so schlimm war, weil der ganze See von grauen Regenwolken verhangen war. Ich hatte den Regen ganz klar unterschätzt und entschied mich so von einer früheren Boothaltestelle zurück zu fahren.

Den Rest des Tages habe ich dann wieder in der Hängematte mit Lesen, Podcast hören und Skypen verbracht.

So hatte ich am nächsten Morgen wieder genug Energie um abermals zum Wandern aufzubrechen. Allerdings hatte ich nicht genug Zeit und auch wenig Lust nochmal denselben Weg zu versuchen. Da die Sonne schön vom Himmel schien entschied ich mich für einen Wanderweg, der von einem Strand zum Anderen führt. Wie als wollte die Insel für das gestrige Desaster wettmachen wurde ich belohnt mit tollen Ausblicken entlang der Küste. Unten und oben das blaue Wasser bzw. der blaue Himmel und dazwischen grüne Palmen und weiteres Gewächs. Ungefähr eine Stunde bin ich erst den Hügel hoch. Oben angekommen kam der nächste Strand in Sicht und den Rest des Weges bin ich immer mit dem Strand im Blick weiter gelaufen. So war meine Freude groß, als ich mich endlich ins kalte Wasser stürzen konnte.

Leider musste ich schon viel zu früh diesen Ort verlassen um meine Mitfahrgelegenheit für den Abend nicht zu verpassen. Das bedeutet aber nur, dass ich unbedingt wieder kommen werde!

Ele Não – Er nicht

Ähnliches Foto

„Ele Não“ dt. „Er nicht“ ist die Bewegung gegen den rechtsradikalen vorraussichtlichen Präsidenten von Brasilien.

Beim Verfassen dieses Beitrages stehe ich vor einem Problem. Ich sehe mich eigentlich nicht in der Lage einen politischen Kommentar abzugeben. Ich bin erst seit kurzer Zeit hier in Brasilien. Ich kann nicht beurteilen, was in diesem Land wirklich vor sich geht. Ich weiß nicht welche Probleme im alltäglichen Leben für einen Staatsbürger dieses Landes am wichtigsten sind. Ich spreche nicht mal die Sprache. Noch dazu gibt es zu diesem Thema so viele Meinungen, Gründe, Ansichten, dass ich unmöglich alle nennen kann. 

Ganz sicher kann ich aber nicht meinen nächsten Blogpost verfassen ohne dieses Thema angesprochen zu haben, und das soll nicht in einem Nebensatz geschehen.

Am 7. Oktober hat Brasilien das erste mal gewählt. In die Stichwahl für das Amt des Präsidenten kamen Jair Bolsonaro und Fernando Haddad. Jair Bolsonaro ist rechtsextrem, Haddas links. Das erste Problem in dieser Wahl sei für viele, dass diese Kandidaten und ihre Parteien so radikal unterschiedlich seien und deswegen kein Austausch, kein Kompromiss zwischen den Wählern statt finden könne. 

Und im Grunde war es schon vor dem heutigen Ausgang für viele klar, dass Bolsonaro der nächste Präsident Brasiliens wird. Er will jeden „guten“ Brasilianer mit Waffen ausstatten um die Kriminalität zu bekämpfen und um hart gegen die Korruption vorzugehen. Das finden viele gut. Noch dazu ist er streng religiös und viele gläubige Brasilianer haben das Gefühl, dass die Kirchen in Brasilien an Wert verlieren.

Gegen Haddads Partei PT (Partidos dos Trabalhadores) ist der Hass groß. Die Tagesschau schreibt: “Die Arbeiterpartei […] war tief verstrickt in die Schmiergeldaffäre. Sie regierte das Land von 2003 bis 2016. Der beschädigte Ruf der Partei ließ auch Haddads Wahlkampfkampagne nicht recht vom Fleck kommen.” Der Expräsident, der von allen nur Lula genannt wird und auch aus der PT kam, sitzt wegen Korruption im Gefängnis. Und Korruption scheint für viele hier ein rotes Tuch zu sein, weil sie so viele Chancen dieses Landes zu Grunde richtet. Ich habe viele meiner Kollegen gefragt und alle (wirklich alle) haben dasselbe gesagt. Die Leute wählen nicht für Bolsonaro sondern gegen die Korruption. 

Schon nach den Stichwahlen Anfag Oktober war es klar, dass dieser Mann der nächste Präsident Brasiliens wird. Doch gestern Abend kam das Ergebnis dann wie ein Schlag ins Gesicht. Im letzten Monat habe ich vor allem wahrgenommen wie kontrastreich dieses Land ist. Auf der Straße sieht man schneeweiße Männer mit roten Haaren, schwarze Frauen und Männer, braungebrannte Mädchen mit braunen, blonden, schwarzen Haaren. Keine Hautfarbe, Haarfarbe oder Augenfarbe ist hier ungewöhnlich. Nirgendswo habe ich homosexuellePaare so selbstverständlich rumlaufen sehen wie in Sao Paulo. Dieses Land hat so offen für alles auf mich gewirkt, ich glaube, besonders deswegen bin ich so erschüttert. 

Denn Bolsonaro äußert sich abschätzend gegenüber jedem, der nicht so ist wie er. Männlich, weiß, hetero, reich und militaristisch. “Ich bin homophop und sage diese Worte mit Stolz,”  hat er in einem Radiointerview gesagt. Er äußert sich frauenfeindlich und hetzt gegen ethnische Minderheiten. Er ist für Folter, verheerlicht die Militärdiktatur,die es in Brasilien gab. Unnötig zu sagen, dass diese Ansichten  Viele beschreiben ihn als Trump Südamerikas. Hier fehlen mir um ehrlich zu sein die Worte. Ich habe nicht ansatzweise das Gefühl wirklich verpacken zu können, was dieser Mann für ein Hass gegenüber Schwarzen, Frauen oder Schwulen vermittelt und wie sauer mich das macht. Dafür fehlt mir zum einen der Platz, zum anderen das Geschick. 

Joinville ist der Wahlbezirk in Brasilien in dem der Anteil der gültigen Stimmen für Bolsonaro am höchsten waren. Insgesamt haben 55% für Bolsonaro gestimmt. Hier in Joinville waren es 83%. Das hat man gestern Abend ganz klar gemerkt. Ich bin mit der Uber vom Busbahnhof nach Hause gefahren. Überall in der Stadt war Stau. Begleitet vom ständigen Hupkonzert fahren ganze Familien im mit Auto behängten Fahnen durch die Stadt. Man sieht Radfahrer, die sich eine Fahne umgebunden haben, überall sind Motorroller mit wehenden Fahnen. Manche Autos hatten Musikanlagen im Kofferraum aus denen Bolsonaros Name als Technobeat dröhnt. Bis spät in die Nacht hört man Feuwerwerke. Es war wie eine große öffentliche Party mit Freibier. Gefühlt war die ganze Stadt auf den Beinen. Der Wahlsieger ist für viele ein Messias. Für manche nur eine Notlösung, für andere der Albtraum. 

Bolsonaro wird wenn alles verläuft wie erwartet sein Amt im Januar antreten. Ich habe Angst erleben zumüssen, was die Wahl eines rassistischen, homphoben und sexistischen Präsidenten mit sich bringt. 

Professor, tenho uma pergunta!

In der einsamen Verzweiflung, die ich in den ersten Tagen hier gespürt habe, (warum bin ich nicht zu Hause geblieben?) habe ich die Musik lauter gemacht, eine Liste geschrieben, und mich zusammengerissen. Warum mache ich den FWD in Brasilien? 

  1. Um einen neuen Teil der Welt zu entdecken
  2. Um mich selber besser kennen zu lernen
  3. Um Portugiesisch zu lernen

Die Punkte haben mich in meiner Zerstörungsphase des eigenen Glücks nicht wirklich überzeugt. Im Nachhinein fällt mir auf: ich habe einen ganz wesentlichen Punkt vergessen, der mir im Moment am Meisten Spaß macht.

Von zuhause bekommt man eine bestimmte Lebensrealität mit. Ich weiß wie das Leben abläuft mit vier Schwestern. Wie es ist, wenn die Eltern zu Hause arbeiten. Wie das Leben auf einem Bauernhof, als Landwirt ist. Was ich aber wissen will: wie ist das Leben als Lehrer? Und wichtiger: wie ist das Leben als Lehrer für mich? Hier also ein erster Bericht über meine Arbeit in der Schule.

Das muss ich unbedingt sagen: ich habe jetzt einen eigenen WLAN-Zugang, eine Schul-emailaddresse und eine Zugangskarte mit einem Foto von mir drauf, die jetzt immer um meinen Hals hängt. Da fühlt man sich direkt viel besser aufgenommen.

Die meiste Zeit verbringe ich am Computer. Ich helfe den älteren Schülern ihre Power-Points für mündliche Prüfungen richtig zu strukturieren und angemeßene zu Sprache zu verwenden. Ich ordne über Google-Drive Dokumente für neue Unterrichtseinheiten. Dabei sitze ich oft in einem kleinen Besprechungsraum, den ich insgeheim als mein Büro ansehe.

Demnächst werde ich mit den deutschen Expat-Kindern eine Unterrichtseinheit zum Thema Umwelt machen. Dafür muss ich Arbeitsblätter erstellen, mir überlegen wie ich die Stunden einleite und für die Schüler interessant halte.

Wenn Deutsch- oder Englischlehrer krank sind übernehme ich deren Stunden. Manchmal erhalte ich detaillierte Anweisungen per Email was zu machen ist. Manchmal stehe ich angsterfüllt vor den Kindern und improvisiere. Am Anfang dachte ich: die nehmen mir das doch nicht ernsthaft ab, dass ich ihr Lehrer bin. Sie bestehen aber darauf mich zu siezen und immer Frau Bobbert zu sagen. Das ist für mich, die vor ein paar Monaten noch selber im Klassenraum saß, sehr lustig und ein bisschen befremdlich.

Mein Schüler-Ich flippt innerlich immer noch ein bisschen aus wenn ich abends mit allen Deutschlehrern grille oder an einer für Lehrer gekennzeichneten Stelle in der Cafeteria sitze. Ich weiß jetzt wofür BPLK steht und beaufsichtige Schüler bei ihrer Vorbereitungszeit für die mündlichen Prüfung, kriege mit wie die Lehrer die Leistungen der Schüler bewerten.

Ich unterhalte mich mit Lehrern über die Probleme des Berufs. Man wird immer mehr als Dienstleister gesehen, die Wahrscheinlichkeit eines Burnouts ist überdurchschnittlich hoch…

Trotz des vielen Spaßes, den ich hier habe merke ich, dass der Lehrerberuf nicht der Beste für mich ist. Ich verbringe mehr Zeit als mir lieb ist im Geschlossenen und sitze viel vor dem Computer. Natürlich ist mir klar, dass ich mich in einer besonderen Situation befinde, aber definitiv bekomme ich genug Eindrücke um sagen zu können: der Spaß, den ich mit den Kindern habe ist nichts gegen die Freude, die ich empfinde, wenn ich abends einen Apfelkuchen backe. Ich bin mir jetzt also sicher, dass Lebensmitteln in meinem Leben keine Nebenrolle spielen sollen. Gerade wegen dieser Einsicht freue ich mich, diese Chance wahrgenommen zu haben und freue mich auf alles neue, was ich noch lernen werde.

Ordem e Progresso

Ordnung und Fortschritt.

Das Motto der brasilianischen Republik habe ich mir in der letzten Woche besonderes zu Herzen genommen, wenn auch in abgewandelter Form. Rückblickend kann ich sagen meine Versuche eine Routine  (die Ordnung) zu erschaffen und gleichzeitig jeden Tag etwas Neues (der Fortschritt) zu entdecken waren erfolgreich.

Am Anfang der Woche bin ich noch unsicher in den Tag gestartet. Ich habe mich unwohl dabei gefühlt mich ins Lehrerzimmer zu setzen und mich erst recht nicht getraut mir Kaffee aus der Drückekanne zu nehmen. Während unseres Frühlingsfestes am Samstag habe ich dann lachend mit allen Deutschlehrern auf der Bühne gestanden und „Ein Kompliment“ von den Sportfreunden Stiller gesungen.

Auch bezogen auf meine Mobilität hat sich einiges getan. Am Dienstag war ich noch stolz darauf alleine nach Hause laufen zu können. Jetzt habe ich ein Fahrrad! Somit vergrößert sich der Radius, den ich auf eigene Faust erkunden kann sehr. Mit dem Bewusstsein, dass keiner dich sieht und Regeln nur in der Theorie existieren, kam ich bis jetzt immer wohlbehalten am Ziel an.

Auch kulinarisch bin ich etwas weitergekommen. Waren es im letzten Blogpost noch die Bananen, die ich angepriesen habe, ist es jetzt das brasilianische Churrasco (Achtung:doppel r wird wie h ausgesprochen).

Bei strahlendem Sonnenschein war ich am Samstagmittag bei einer deutsch-brasilianisch-argentinischen Familie zum Grillen eingeladen und habe mich sofort in den Ablauf dieser Churrasco-Zeremonie verliebt. In der ersten Phase wurden Grillkäse und Würstchen vom Grill genommen und für alle fertig kleingeschnitten in der Mitte des Tisches auf einem Holzbrett serviert. In der einen Hand hatte jeder einen Zahnstocher mit dem er sich bedienen konnte in der anderen ein eiskaltes Bier, das hier übrigens „Eisenbahn“ oder „Opa-Bier“ heißt.                    In der zweiten Phase haben dann sich alle an den Tisch gesetzt, jetzt werden die Würstchenstücke größer und dazu gibt es ein, zwei verschiedene Sorten Fleisch. Als Beilage gab es einen Reissalat und natürlich Bohnen, auf irgendeine Art und Weise angemacht, sind die hier immer dabei!

Aber was lässt sich zu Ordnung sagen?

Im kleinen bedeutet Ordnung für mich im Moment: immer so um 5.30 Uhr aufstehen und Obstsalat machen. Mango, Maracuja, Bananen, Kiwi, Ananas. Mittags um 12.30 Uhr in die Kantine: Reis und Bohnen (!). Nur damit das nicht falsch rüberkommt: ich habe auch in der Zeit zwischen den Mahlzeiten Spaß. Sie geben mir nur feste Zeiten über die ich meinen Tag „organisiere“.

Die große Ordnung ist eine meiner ersten Schwierigkeiten im Freiwilligendienst. Ich versuche mir hier ein Leben aufzubauen, ganz ohne Mama und Papa. Der erste Schritt zur Integration ist die Sprache, weshalb ich möglichst viel Freizeit in mein Portugiesisch investiere. Ich hoffe spätestens nächste Woche mit dem Sprachkurs anzufangen, dann muss ich nur noch Freunde finden.

Ordem e Progresso.

Clara

Ein Anfang

Dreimal habe ich diesen Blogeintrag jetzt schon angefangen, dreimal habe ich ihn wieder verworfen. Nur das Versprechen an meine Verwandten und Freunde, sie würden von mir hören, lässt es mich weiter versuchen. Ich weiß, wenn ich jetzt keinen Blogeintrag veröffentliche wird keiner mehr kommen. Hier also mein Versuch eines ersten Berichts:

Ich fühle mich überwältigt. Die Seminare und Stunden in der Homezone während des Vorbereitungsseminars haben mich nachhaltig beeindruckt. Und während ich noch über die neuen Erkenntnissen der vergangenen Tage nachgedacht habe bin ich in Brasilien gelandet.

Jedes Mal wenn ich jetzt an einer Kirche, einem Schiff, einem Auto oder einem Haus mit brasilianischer Flagge vorbeifahre wird mir wieder bewusst, wo ich mich eigentlich befinde. Und jedes Mal bin ich überrascht. Mein erstes Wochenende hier habe ich mit einer Lehrerin meiner Schule verbracht. Zusammen waren wir Açai (gesprochen: Assa-i) essen, das wohl der Ersatz für mein geliebtes Spaghettieis aus Deutschland wird. Sie hat mir die Strände in der Umgebung gezeigt, leider alles bei grauem Himmel.

Im Moment ist alles noch neu für mich. Sowohl das brasilianische Portugiesisch, dass mich immer wieder merken lässt, dass ich wohl doch mehr hätte lernen sollen. Als auch der Geschmack der Bananen hier. Oder die Kraft der Sonne, dessen Strahlen ich heute das erste mal spüren durfte.

Ich versuche aber mich einzufinden. Schreibe jeden Tag fünf neue Portugiesisch Vokabeln auf, lerne immer mehr der Deutschlehrer „meiner“ Schule kennen und bin heute sogar schon alleine nach Hause gelaufen. Ich bin gespannt wie sich das Alles in einer Woche, einem Monat und am Ende meines Jahres für mich anfühlen wird.

Auf Bald,

Clara