Archiv für den Monat: Dezember 2018

Irgendwo zwischen den Ländern

Schon seit Stunden sitze ich auf dem selben Platz. Nr.1 im zweiten Geschoss direkt über dem Fahrer ganz vorne links im Flechabus von Florianopolis, Santa Catarina nach Santa Fe, Argentinien. Hier kann man am Besten rausgucken: vor mir eine große Scheibe, links gehen die Fenster weiter, wenn nur die Gardinen nicht wären.

Langsam arbeiten wir uns auf der endlos langen Straße fort.

Erst entlang der brasilianischen Küste immer weiter nach Süden. Während es langsam immer dunkler wird sieht man manchmal noch das blaue Meer aufblitzen.  Hoch und runter, immer wieder eine Kurve. Die Autobahn ist dreispurig, der Bus zu breit für nur eine Spur und so fährt er einfach in der Mitte. Ich bin müde, aber noch ist die Sonne noch nicht ganz untergegangen. Links und rechts der Straße sind so viele Dinge zu sehen, die ich nicht verpassen will.

Es ist eiskalt, die Klimaanlage läuft auf Hochtouren. Warum versucht der Busfahrer uns erfrieren zu lassen?

Endlich ist es 22 Uhr , draußen ist es schwarz. Die Nacht wird nur unterbrochen durch die Lichter der Laternen und Autos. Also klappe ich meinen Sitz noch weiter nach hinten und lehne meinen Kopf an das Fenster.

Irgendwann um 2 Uhr schrecke ich auf. Wir halten kurz vor Porto Alegre, Rio Grande do Sul an einer riesigen Raststätte, auf der mehrere Busse aufgereiht stehen um weitere Passagiere aufzusammeln. Auf den Platz neben mir setzt sich eine ältere Dame. Ich drehe mich um und bin schon wieder eingeschlafen als der Bus wieder auf die Autobahn fährt.

Irgendwann zwischen 6 und 9 Uhr wache ich endgültig auf. Auf GoogleMaps sehe ich, dass wir uns am äußersten Zipfel von Rio Grande do Sul befinden. Dem südlichsten Bundesstaat Brasiliens, direkt angrenzend an Argentinien und Uruguay. Seit gestern Abend hat sich die Landschaft verändert. Das Land ist flach, weniger grün. Immer wieder überholen wir LKW´s, immer wieder überholen uns Autos. Aus jedem Bus, der uns entgegenkommt winkt jemand. Einmal wedelt ein anderer Busfahrer freudig aufgeregt sein weißes Stofftaschentuch. Wir kommen der Grenze immer näher. Imm wieder muss an mich an meinen Reisepass denken, den der Busfahrer mir abgenommen hat, als ich eingestiegen bin. Hoffentlich fällt der kleine Zettel der Receita Federal wegen meines Visums nicht raus. Wahrscheinlich hätte ich ihn doch mit einem Tacker befestigen sollen.

Trotzdem glücklich sitze ich auf meinem Platz, freue mich über jede Kuh, an der wir vorbei fahren. Abwechselnd höre ich Podcasts und Musik. Das Lesen gebe ich schnell wieder auf, weil ich mich dann auf den Bildschirm meines Kindle konzentriere und verpasse woran ich vorbeifahre. Jetzt würde nur ein Kaffee die Situation perfektionieren. Meine Sitznachbarin löst abwechselnd Kreuzworträtsel und Sudoku, ab und zu schreibt sie Nachrichten. Irgendwann nach 10 Uhr kommen wir an der brasilianischen Grenze an, endlich bekomme ich meinen Reisepass mit dem Papierschnitzel wieder. Nur um ihn gleich darauf an der argentinischen Grenze wieder zu verlieren. Der Stempel mit dem ich ihn später wiederbekomme ist enttäuschend einfallslos. Aber hier kann ich mir endlich einen Kaffe und eine Packung Kekse kaufen.

Mit einer Packung Kekse und Kaffee an der Grenze. Ich sitze auf dem Bürgersteig im Schatten vor dem Imbissverkauf und beobachte die Autoschlange, die sich langsam von Brasilien nach Argentinien schiebt. Nach einer gefühlten Ewigkeit kommt der Bus wieder. Endlich kann ich mich wieder auf meinen Platz hinsetzen. Nachdem ich jetzt wirklich lange die endlos weite argentinische Landschaft beschaut habe, wird es mir jetzt doch etwas langweilig und ich schlage mein rotes Kindle auf. Mit Buch und Keksen schwinden die Stunden nur so vor sich hin.

Irgendwann werde ich das Lesen leid, aber mein Handy hat inzwischen geladen. Um ein bisschen Abwechslung zu erzeugen gönne ich meinen Ohren ein bisschen Musik.

Das brasilianische Mädchen neben mir verbessert mit Hilfe ihrer Sitznachbarin ihr spanisch. Für ihren Freund, den sie das erste Mal in seiner Heimat Argentinien besuchen fährt.  Die ältere Dame packt ihre Cuia aus und schüttet etwas Erva hinein. Dann gießt sie das ganze mit Wasser auf. Genüßlich genießt sie ihr Chimarrao. Wir fahren vorbei an kleinen und großen Seen, an einem steht eine Ansammlung von Autos. Eine Gruppe von Menschen hat ein großes Zelt aufgebaut, unter dem sich jetzt alle vor der Sonne verstecken.

Minutenlang versuche ich irgendwie Netz zu bekommen. Wenn wir an einer Ansammlung von Häusern vorbeifahren scheint das Netz zu funktionieren und ich gebe meinen Aufenthaltsort durch. „According to Google Maps it will take two more hours.“ Unsere eigentliche Ankunftszeit ist schon längst vergangen.

Aber fast wie in einem Traum fahren wir plötzlich in eine größere Stadt ein. Überall Menschen, ein richtiges Straßennetz. Wir fahren nicht mehr nur noch gerade aus sondern biegen ab. Mal nach links, mal nach rechts.

Viel zu schnell erreichen wir den Busbahnhof von Santa Fe. Ich will doch noch nicht aussteigen! Aber erleichtert, dass ich wieder alle meine Sachen im Blick habe, nehme ich meinen Backpack entgegen.

Voll bepackt laufe ich ins Gebäude. Wo soll ich jetzt hin? Wo werde ich abgeholt? Nach wenigen Minuten unsicheren Wartens läuft strahlend ein Mann auf mich zu.

É verão

Jedes Mal wenn ich aus der klimatisierten Schule komme werde ich umarmt. Von der Hitze, die die Stadt seit zwei Wochen erfasst hat. Weil ich immer mit dem Fahrrad unterwegs bin komme ich überall schweißgebadet, und ich meine gebadet, an. Den Lärm vom Ventilator in meinem Zimmer nehme ich schon gar nicht mehr war. Haare trocknen in zehn Minuten.

Und mit dem Umschwung des Wetters kann auch ein Umschwung meiner Laune. Mir geht es einfach gut.

Der Regen war viel und lang. In der Schule war es in den letzten Monaten hauptsächlich meine Aufgabe vor dem Computer zu sitzen um Materialien für drei verschiedene Arbeitsbücher als Vorbereitung auf die DSD-Prüfungen herauszusuchen. Ich sitze nicht gerne vor dem Computer. Ich mag es nicht alleine zu arbeiten, werde super schnell müde und kann mich nicht mehr konzentrieren. Also war ich unzufrieden mit meiner Arbeit in der Schule. Und wegen des Wetters hat auch meine Freizeit keine Abwechslung geboten.

Aber jetzt scheint die Sonne. Seit Ende letzter Woche haben einige der Schüler schon Ferien, die letzten wurden gestern in den Sommer entlassen. Ich war nicht mehr alleine in meinem kleinen Raum. Immer waren eins/zwei andere Leute da mit denen ich zusammen gearbeitet habe. Zwischendurch haben wir die Arbeit unterbrochen um uns ein bisschen zu unterhalten. So habe ich auch endlich die Lehrer ein bisschen besser kennengelernt. Morgen fahre ich mit einigen Bekanntschaften meiner letzten Woche an den Strand. Außerdem hatte ich mit meinen Ansprechpartnern ein erstes Gespräch über meine Aufgaben nächstes Jahr. Ich werde die Expat-Kinder im Teamteaching unterrichten, die brasilianischen Schüler auf die mündliche DSD Prüfung vorbereiten. Aus meiner Idee eines „Deutsch-Newsletters“ durch den wir monatlich Bücher, Musik, Ereignisse aus Deutschland teilen wurde ein Instagramaccount, den ich nächstes Jahr für die Sprachabteilung machen werde.

In der Schule benutzen die Schüler immer Plastikbecher um sich Wasser aus den Spendern zu nehmen. Um das zu minimieren (vllt ganz abzuschaffen) will ich nächstes Jahr, wenn die Marketingabteilung das erlabt, einen Design-Wettbewerb für Trinkflaschen organisieren. Die Trinkflaschen sollen die Schüler dann als Teil der Schuluniform erwerben. Was ich damit zeigen will: meine Aufgaben werden vielseitig sein und ich freue mich darauf das es nach den Ferien losgeht.

Die Ferien. Natürlich halten auch die Ferien den Gemütszustand hoch, ich kann es kaum erwarten wieder zu reisen, im Hostel zu schlafen, neue Leute kennenzulernen. Ich habe eine, wie ich finde, tolle und abwechslungsreiche Route geplant und freue mich sehr darauf, dass es endlich losgeht. Mehr dazu im nächsten Blogpost.

Alle waren so begeistert von der Schönheit der Portugiesischen Sprache, als ich erzählt habe, dass ich die im nächsten Jahr lernen werde. Und um ehrlich zu sein: ich habe nicht verstanden, was alle daran so toll finde. Aber es ist als wäre ein Schalter umgelegt worden. Ich weiß jetzt was ihr meint! Durch diese Entdeckung habe ich jetzt noch mehr Motivation meine Zeit hier zu nutzen um Portugiesisch zu lernen. Und in den letzten Wochen habe ich wirklich einen Schub erfahren. Ich kann jetzt einfache (sehr einfache!) Sätze grammatikalisch richtig bilden.  Andere Sätze bestehen einfach aus aneinander gereihten Nomen und umkonjugierten Verben. Ich sage jetzt nicht mehr: Eu nao falo portuguese, wenn ich nicht verstanden werden. Sondern: Eu sou falo um pouco portuguese. (Beide Sätze ohne Akzente. Ich habe keine Lust, die aus meiner deutschen Tastatur herauszukitzlen.)  In meiner letzten Portugiesischstunde vor den Ferien, also gestern, hat mir meine Lehrerin ein Kompliment für mein Portugiesisch gemacht, das für die zehn Stunden schon sehr gut sei. Jetzt muss ich es nur noch schaffen meine Kenntnisse über die Ferien zu retten, die ich hauptsächlich in den spanischsprachigen Nachbarländern verbringen werde.

Und was soll ich sagen, einen ganz großen Teil zu meinem Glück hat auch mal wieder das Essen beigetragen. Nachdem ich am Montag den Bioladen Joinville´s entdeckt habe, in dem der Tofu nur 9 Reais kostet, war ich heute Morgen auf dem Biomarkt. Besonders der Käse, den ich dort auf Portugiesisch erstanden habe lässt mein Herz höher schlagen. Endlich mal einer der nicht nur nach Butter schmeckt! Außerdem habe ich angefangen Brot zu backen und mich dazu entschieden nie wieder welches zu kaufen. Eins ist gerade im Ofen, damit ich den Käse auch genügend zelebrieren kann, und es riecht toll!

Clara

Rupac-warum geht der Mensch wandern?

Trotz der harten Matratze im Bett des Hostels habe ich gut geschlafen. Am Samstagmorgen wird meine freudige Erwartung nur davon geschmälert, dass ich die süßen Honigpops vom Hostel-Frühstück verpasse. Die haben mich an meine gaaaanz jungen Jahre erinnert, in denen ich die wahrscheinlich kiloweise mit Milch in mich reingeschüttet habe. Aber das Frühstück fängt erst um acht Uhr an und ich treffe mich schon um sieben (oder war es sieben Uhr dreißig?) mit Luisa und Johanna am Gran Terminal Terreste in Lima, Peru.  Als ich dort ankomme ist das Zelt, das wir uns übers Wochenende ausleihen schon da und so können wir am Z-Buss Schalter direkt unsere Tickets kaufen. Dank der UNESCO und unseres von kulturweit so toll konzipierten Freiwilligenausweises bekommen wir sogar den ermäßigten Preis. Wir fahren erst mit dem Bus zwei Stunden aus Lima raus in die kleine Stadt Huaral. Das Grau der Stadt wandelt sich langsam zum Grün der Erdbeerfelder außerhalb Limas.

An dieser Stelle könnte ich vielleicht kurz erklären was wir überhaupt vorhaben. Zu diesem Zeitpunkt WOLLEN wir noch wandern gehen. Circa vier Stunden von Lima entfernt gibt es auf 3.700 Metern Ruinen einer Stadt einer präinkaischen Kultur, die man nur durch eine 3-4 h lange Wanderung erreichen kann. Das ist unser Ziel, noch liegt ein langer Weg von uns.  Ursprünglich wollten Luisa und ich nach Macahuasi, eine Wanderung die sehr ähnlich verläuft aber bekannter ist und deshalb mehr ausländische Touristen anzieht. Spontan hat Johanna sich angeschlossen, die schon in Macahuasi war, aber von ihrem Mitbewohner den Rupac-Tipp bekommen hat. Diese Wanderung ist weit weniger bekannt und so hatten wir von Anfang an Angst, dass wir die einzigen sein würden, die auf dem Berg übernachten.

In Huaral also besorgen wir uns ein Taxi, dass uns in circa zwei Stunden 3.000 Meter hoch in die Anden fahren soll. Beziehungsweise es wird uns besorgt. Natürlich fallen wir mit unseren Backpacks auf dem Rücken auf und man kann uns als ausländisch identifizieren. Dann kommen meistens viele Männer mit Autoschlüsseln in der Hand angerannt und bieten dir ein Taxi an.  Dieses Mal brauchen wir tatsächlich eins und so sitzen wir schnell zusammengepresst auf der Rückbank eines funktionstüchtigen Autos. Spontan fällt uns auf, dass keiner von uns vorher das Wetter gecheckt hat. Dank mobiler Daten lässt sich das (glücklicherweise) nachholen. Erschreckt und ein bisschen belustigt stellen wir fest, dass Regen bzw. Gewitter und Kälte vorhergesagt ist. Warum ist hier außer uns eigentlich kein anderer, der aussieht als würde er wandern gehen wollen?

Wir haben Glück: mit dem nächsten Bus kommt doch tatsächlich ein Mann mit Rucksack, und es werden mehr! Dann sitzen wir wenigstens nicht alleine im Regen! Kurze Zeit später joint uns auf unsere Rückbank eine Peruanerin aus Lima, ihr Freund nimmt vorne Platz. Da das Auto jetzt aber auch wirklich voll ist beginnen wir unsere Fahrt. Im Auto ist es eng und je höher wir uns den staubigen Bergweg hocharbeiten desto heißer und eben staubiger wird es im Auto. Das wäre ein Problem, wenn der Fahrer nicht einen wirklich guten Mix an englischsprachiger Musik und Reggaeton auf seinem Stick hätte.

So passieren wir La Floripa, eine fast verlassenen Stadt in den Anden. Hier kassiert ein älterer Peruaner ein paar Sol. Unser Eintritt in die Berge! Nach weiteren dreißig Minuten kommen wir in der Geisterstadt an, in der man seinen Aufstieg beginnt. Die ehemaligen Bewohner haben die Stadt verlassen als La Florida ans Stromnetz angeschlossen wurde. Jetzt gibt es hier nur noch ein Restaurant, in dem wir Tequenos und Choclo con queso essen. Unsere letzte richtige Mahlzeit.

Dann beginnen wir unseren Aufstieg, schon nach 15 min. sind wir nicht sicher ob wir auf dem richtigen Weg sind. Ein bisschen irritiert und begleitet von einer Kuh gehen wir einfach weiter. Es stellt sich heraus, dass wir natürlich richtig waren. Kurzer Fotostopp auf der so pitoresken Brücke, weiter gehts. Durchschnittlich wahrscheinlich alle 45 min. machen wir eine Pause. Kekse werden verspeist, Zitronenbonbons werden gelutscht. Die helfen gegen die Höhe. Es wird immer heißer, die Sonne brennt auf unsere Haut. 

 

 

 

Am Wegrand gibt es keine Schilder die anzeigen, wie viel man schon geschafft hat. Also können wir nach jeder Kurve oder Windung nur hoffen, dass die Ruinen, die man manchmal aufblitzen sieht, näher kommen. Oder das die Geisterstadt, die wir zurückgelassen haben immer weiter weg erscheint. Immer mehr merke ich, dass ich fürs Fahrrad geschaffen bin. Zu Fuß ist man so unglaublich langsam. Der Weg ist insgesamt 7 km lang, das schaffe ich mit dem Fahrrad in unter 30 Minuten, geht mir immer wieder durch den Kopf. Leider ist kein Fahrrad dabei und der Weg eignet sich auch wirklich nicht.

Auf jeder Pause finden wir erneut Motivation. Zum Beispiel werden nach circa anderthalb Stunden die Esel an uns vorbeigetrieben. Bepackt mit den Habseligkeiten der Mitwanderer. Wir haben uns gegen Esel entschieden, wenn wir uns aus freien Stücken für den Aufstieg entscheiden, soll auch kein anderer unsere Sachen schleppen. Vorangetrieben vom Stolz geht es also weiter.

Man merkt den Höhenunterschied schon sehr. Die Schritte sind, für meine Verhältnisse, winzig und genau so ineffizient fühlt sich jeder Atemzug an. Auf der nächsten Pause bezeichnet man uns als „Kriegerinnen“, das spornt an!

Irgendwann passieren wir das 800 Meter Schild. Was sind schon 800 Meter wenn man 6 KILOmeter hinter sich hat? Immer mehr wird allerdings klar 800 Meter sind eben auch fast ein Kilometer. So schnell können wir dann doch kein Bergfest feiern. Nach gefühlten Ewigkeiten kommt das 300 Meter Schild, das ist jetzt wirklich nicht mehr so lange!

Nach drei Stunden Aufstieg haben wir es endlich geschafft, um 18 Uhr kommt der Zeltplatz in Sicht. Auf den letzten Metern treffen wir einen Guide, der uns freundlicherweise in seine Gruppe aufnimmt. So haben wir als wir ankommen direkt einen Zeltplatz am Lagerfeuer. Das Zelt ist schnell aufgebaut und uns wird eine kleine Tour angeboten, nehmen wir natürlich dankend an!

Kurze Information aus dem Off: ich bin an dieser Stelle schon weeeeeeeeit über der empfohlenen Wortanzahl von 500, wer will kann nachzählen. Trotzdem werde ich weiter schreiben und freue mich über jeden, der es bis jetzt geschafft hat und weiter liest. 

Mit den anderen Teilnehmern der Reisegruppe, die wahrscheinlich tatsächlich für diese Tour bezahlt haben, geht es in die Ruinen. Mein persönliches Highlight ist der Sonnenuntergang, der wahrscheinlich schönste (und verdienteste!) meines doch so kurzen Lebens.

    

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Auf dem Rückweg wird Feuerholz gesammelt, dann geht es für eine kurze Pause ins Zelt. Wir ziehen uns eine Schicht mehr an, es wird sehr kalt! Nachdem wir ungefähr eine Stunde geruht haben bekommen wir Hunger und packen so unser Abendbrot aus. Am Abend zuvor waren wir einkaufen und so haben wir Käse, Baguette, Aufstrich und Thunfisch.

Physisch geht es für mich nach dem Abendbrot leider bergab. Ich bekomme Kopf- und Bauchschmerzen. Das wird durch den harten Untergrund, auf dem wir liegen nicht unbedingt besser. Trotzdem werden wir irgendwann zum Lagerfeuer gerufen, die Hitze des Feuers tut gut. Uns wird ein Marshmallow und Koka-Tee angeboten. Nach einer Gruselgeschichte, die mir glücklicherweise erst am nächsten Tag übersetzt wurde, gehen wir ins Bett.

Alles anziehen was geht und versuchen zu schlafen! Die Betonung liegt auf versuchen, das ganze fällt leider nicht besonders erfolgreich aus. Während die anderen beiden neben mir scheinbar friedlich vor sich hin schlummern liege ich grübelnd wach. Natürlich bin ich am nächsten Tag nicht besonders ausgeschlafen. Außerdem merke ich stark, dass die 3.700 Meter mich daran hindern so zu Atmen wie ich will.

Ich fühle mich absolut elend und meine körperliche Fitness fühlt sich stark eingeschränkt an. Tolle Vorraussetzungen für den Abstieg, denke ich mir. Aber erstmal gibt es Frühstück: Dosenpfirsiche, Bananen und Äpfel. Langsam versuchen wir unseren Kreislauf hochzufahren. Endlich erreicht die Sonne unser Zelt und die Kälte hat ein Ende. Die anderen machen noch einen letzten Rundgang. Ich bleibe lieber auf einem Stein sitzen und sammle meine Energie.

Weil wir so viel gegessen haben fühlt sich wenigstens der Rucksack viel leichter an, als wir ihn umschnallen und ich falle nicht wie erwartet hinten über. Wie beginnen unseren Abstieg, ich setze einfach einen Fuß vor den anderen. Noch bevor wir das 800 Meter Schild erreichen spüren ich wie der Boden unter meinen Füßen wegrutscht und falle einmal der Länge nach hin. Ich sehe aus, wie eine Schildkröte, die auf ihrem Panzer liegt. Während des Sturzes sehe ich mich schon auf einem Esel den Berg runter reiten, vielleicht kann mich jemand abholen. Das alles passiert nicht. Ich stehe auf, bekomme ein bisschen Desinfektionsmittel auf meine Hände und begleitet von einem schmerzenden Steißbein geht es weiter.

Ich passe erheblich auf nicht noch einmal hinzufallen, laufe ganz hinten und konzentriere mich einfach auf die Gespräche von Luisa und Johanna. Schon gestern haben wir uns gefragt: aus was für einem selbstzerstörerischen Willen heraus entscheidet man sich wandern zu gehen? Bestimmt 70% der Zeit ging es bei unserem Ausflug darum wann wir da seien, wie lange es noch brauche, wir haben uns darüber ausgetauscht wie elend es uns ginge. Es schien absolut keinen Spaß zu machen. Und doch hat sich jeder von uns vorher dazu entschieden mit einem schweren Rucksack auf dem Rücken sieben Kilometer Land staubige Wege hoch zu laufen. Es muss das Gefühl sein, wenn man ankommt. Wenn man weiß, dass man es geschafft hat. So hoffen wir jedenfalls.

Pausen legen wir aus strategischen Gründen im Schatten ein. Sie sind weitaus kürzer als gestern, dafür gibt es mehr. Langsam und Schritt für Schritt arbeiten wir uns voran. Ich rede nicht viel, folge nur den Anderen und so geht es Minute für Minute den Berg herab. Da ist der Stein, an dem wir gestern verzweifelt sind. Hier das Schild, auf dem steht, man solle auf die Natur achten. Nur die Zitronenbonbons und die billigen Schokokekse halten uns am Leben.

Mal werden wir von einer Gruppe überholt, mal überholen wir selber.

Irgendwann hören wir den Wasserfall, vor dem wir gestern unser erstes Foto gemacht haben. Hier noch eine letzte Pause, bevor es nochmal ein paar hundert Meter bergauf geht und wir endlich die Geisterstadt erreichen. Wir setzen uns in den Schatten, essen unsere letzten Kekse, fragen uns ob es das alles wert war. Rückblickend kann ich sagen: Ja. Wir hatten so viele Insider nach dieser kurzen Zeit, so vieles über das wir im Rückblick lachen können. Man vergisst wie absolut elend man sich gefühlt hat und erinnert sich nur noch daran wie schön die gemeinsame Zeit und der Geschmack der Zitronenbonbons ist.

Mit diesem Gedanken im Kopf schaffen wir auch noch die letzten Meter, die leider zahlreicher sind als erwartet. Viermal legen wir eine Pause ein. Ich will nicht sterben kurz bevor wir ankommen, dann lieber eine Pause mehr. Natürlich gehen wir am Ende noch ein bisschen falsch, sodass wir nicht beim Restaurant rauskommen, sondern etwas weiter oben. Die letzte Strapaze unserer Reise ist es also den Berg hinabzuklettern.

Ich erinnert mich jetzt noch an den Moment. Noch nie war es so schön auf einem Plastikstuhl zu sitzen mit einer Banane in der Hand, der Rucksack steht daneben. Mit einer kalten Cola in der Hand (die ich eigentlich gar nicht mag) und man weiß, gleich steht man nicht wieder auf um weiter zu gehen. Um durch so kleine Dinge, ein so schönes Gefühl hervorzurufen muss man wahrscheinlich eine strapazierende Wanderung hinter sich haben.