Archiv für den Monat: Juli 2019

Dreimal dürft ihr raten in welcher Stadt ich war

Seit geraumer Zeit frage ich mich wie ich diesen Blogpost so schnell wie möglich schreiben kann ohne, dass er dabei an Unterhaltung verliert. Die Wahrheit ist: ich bin noch zu keiner Lösung gekommen, aber vielleicht entsteht das ja noch.

Die erste Frage ist ja: ab wann fange ich an zu erzählen?

Wenn ich nach meiner Ankunft am Hostel anfange, dann würde ich zuerst schreiben was mein Zwiespalt beim Alleine-Reisen ist. Ich kann einfach machen was ich will, nur weiß ich manchmal nicht was ich will. Dann fange ich an das zu machen was ich glaube was ich will nur um dann später rauszufinden das es nicht das war, was ich wollte.
Anders an diesem Morgen: ich komme im Hostel an, lasse mein Gepäck da, dusche, ziehe mich um und ziehe mir beim nächsten Fahrradständer ein Rad raus.

In der Morgensonne fahre ich lächelnd den Fahrradweg an der Küstenlinie entlang und weiß, das ist wirklich genau das was ich wollte. Fahre durch hässliche Tunnel und zweifle schon, dass der Fahrradweg wirklich hier weitergeht nur um auf der anderen Seite wieder rauszukommen und Blick auf eine kleine Bucht mit  vielen Segelschiffen zu haben. Diese Stadt ist voller Überraschungen, denke ich. 

Nachdem ich am Straßenrand und damit auch direkt am Strand eine Coco gelado getrunken habe fahre ich bis zum Ende des Radweges. Ich habe es einfach nicht geschafft vorher abzubiegen um ein festes Ziel anzusteuern. Was, wie ich im Nachhinein merke, gar nicht so schlimm war. Denn ich stehe mehr oder weniger plötzlich vor dem „Museu do Amanhã“, das sich mit den folgenden Fragen beschäftigt:

De onde viemos? Quem somos? Onde estamos? Para onde vamos? Como queremos ir?
Woher kommen wir? Wer sind wir? Wo sind wir? Wohin gehen wir? Wie wollen wir gehen? 

Nur kurz: ich habe das ganz alleine übersetzt.

Am Morgen hatte ich die Zusage für meine dualen Ausbildungsplatz bekommen, sodass ich dachte, da kann ich mich direkt weiter mit meiner Zukunft im zugehörigen Museum beschäftigen.

Leider hat das Museum nicht alle Fragen, die ich bezüglich meiner Zukunft habe geklärt. Schade!

Weil ich danach nicht genau wusste was ich will habe ich mich nach rechts gedreht und bin einen Weg reingegangen, der interessant aussah. War er auch. Auf der rechten Seite standen die alten Hafengebäude, auf der anderen Seite waren Gebäude mit riesigen Graffiti-besprühten Flächen.

Viele meiner Ansichten haben sich während meiner Zeit hier verändert. Eine davon betrifft Graffitis. Ich habe nie verstanden warum manche Leute Graffitis als Kunst bezeichnen. Was genau meine Beweggründe waren das zu denken weiß ich gar nicht mehr so genau. Denn heute weiß ich: das sind gar keine Graffitis sondern Murals. Und die können sehr wohl Kunst sein-warum denn nicht?

Direkt gegenüber vom Museu do Amanhã, von dem ich mich bei meinem Spaziergang nicht wirklich entfernt hatte liegt das Museu de Arte. Der Eintritt war an dem Tag frei, deshalb bin ich reingegangen.

Bei meinen Museumsbesuchen in letzter Zeit habe ich mich immer gefragt warum ich eigentlich ins Museum gehe. Was ich am Reisen so schätze ist die ständige Konfrontation mit dem Neuen. Und so manches Neue, das ich treffe oder finde, entdecke ich für mich und nehme dann mit. , So ist das meiner Meinung nach auch im Museum. Man kommt mit fremden Ideen und Ansichten aus fremden Kulturen und Zeiten in Berührung. Es ist quasi wie (Zeit)reisen, nur einfacher.

In diesem Fall war das Museum besonders interessant, weil es viel um den Ursprung der Diversität ging, die es in dieser Stadt gibt.

Passend zum Sonnenuntergang bin ich oben auf dem Dach des Museums angekommen und habe mich gefragt wie die Zeit so schnell vergehen konnte.

Ich wollte den Namen der Stadt wirklich bis zum Ende des Eintrags nicht benutzen, merke jetzt aber, dass das keinen Sinn mehr ergeben wird. Ihr werdet sehen warum.

Es war während der gesamten vier Tage fast immer sonnig mit klarem blauem Himmel. Nur am Freitag morgen nicht. Normalerweise wäre es mir ja egal, aber ich wollte so hoch hinaus, das die Wolken zu einem Problem werden konnten.

Noch bevor das Frühstück im Hostel begonnen hat bin ich mit dem Bus losgefahren. Pünktlich um kurz vor acht stand ich am Ticketschalter. Und um kurz nach acht war ich oben. Ich stand vor ihm „Christo Redentor“ auf dem Corcovado.
Den Auslick habe ich schon oft auf Postkarten gesehen, allerdings mit blauem Himmel. Und Fotos vom Christo gibt es nun auch wirklich zur Genüge im Internet. Seine Arme, die sich vor dem blauen Himmel ausbreiten. Aber dann wirklich oben zu stehen war etwas anderes. Auch, weil der Himmel nicht blau sondern grau war.
Ich habe zwei Stunden oben verbracht. Zum Einen, weil ich dachte vielleicht kommt die Sonne ja noch. Zum Anderen, weil ich mich nicht von dem Ort lösen konnte.

Aber alle 15 Minuten ist eine neue Bahn angekommen und mit jeder neuen Bahn auch neue Menschen, die alle Fotos mit derselben Komposition gemacht haben. Wenn jemand einen neuen Platz gefunden hatte wo man sich hinstellen konnte oder eine besonders coole Art und Weise die Arme auszubreiten wurde das direkt von allen nachgemacht. Irgendwann habe ich mich dann nicht mehr getraut mich zu bewegen, weil ich ständig in irgendein Bild reingeplatzt wäre und habe deshalb beschlossen, dass es jetzt genug sei.

Zum stillen Abschied bin ich noch in die Kapelle unter dem Christo gegangen und habe dann erst durch die Treppen, dann mit der Bahn den Hügel wieder verlassen. Von unten hat mir der Christo ehrlich gesagt auch besser gefallen. Wenn man vor ihm steht ist es eben einfach nur eine Statue. Seine Magie entwickelt er erst, weil man ihn von fast überall in der Stadt sehen kann und es tatsächlich so wirkt als passe er auf sie auf.

Weil ich das im Hostel verpasst hatte war es jetzt deutlich Zeit für Frühstück. Mit dem Bus (Fahrradständer war leider leer und kein Fahrrad bedeutet man kann kein Fahrrad fahren) bin ich Richtung Botafogo gefahren, da sollte es eine besonders gute Bäckerei geben.
Die Qualität ließ sich dann auch daran erkennen, dass es vor der Tür schon eine Schlange gab. Aber lasst mich euch vom zweiten Vorteil berichten, den das Alleine-Reisen hat. In Restaurants, Cafés und Bars bekommt man fast immer sofort einen Platz.

Also konnte ich an der Schlange vorbei und mich in die Ecke setzen. Von dort habe ich das geschäftige Treiben beobachtet und mir überlegt was als nächstes ansteht. Der folgende Nachmittag war ein klarer Fall von „Ich weiß nicht genau was ich machen will, aber das was ich gerade mache ist es auf jeden Fall nicht.“ Im Rückblick war es dann doch irgendwie das was ich machen wollte.

Zuerst bin ich mit dem Fahrrad Richtung Wasser gefahren, weil ich das dringende Bedürfnis nach Meer hatte. Dort habe ich mich einfach an den Hafen gesetzt und die Schiffe angeguckt. Ich habe es schon mal auf diesem Blog erwähnt: ich liebe Häfen!

 Ach ja, und Cookies habe ich auch gegessen.

Irgendwann habe ich mich dann, wenn auch ungern, von diesem Blick gelöst. Irgendwas musste an dem Tag ja noch passieren. Der Fahrradständer war diesmal nicht leer und so bin ich zum Treffpunkt der Free-Walking-Tour gefahren. Gut um alle wichtigen Orte im Zentrum der Stadt einmal gesehen zu haben.

  

Den nächsten Morgen bin ich dann etwas ruhiger angegangen und hatte endlich auch mal Zeit um das kostenlose Frühstück im Hostel wahrzunehmen. So viel Zeit dann aber auch nicht, weil ich für den Morgen eine Fahrradtour gebucht habe. Sowieso meine Städtetrip-Tipp Nummer eins: immer eine Fahrradtour buchen. Der Guide war wirklich super-er konnte viel und verständlich über die Geschichte der Stadt und aktuelle brasilianische Politik informieren und hatte auf seinen Beinen ein Tattoo auf dem „Keep Biking“ stand. Zusammen mit drei Amerikanern und einem Mann aus El Salvador sind wir wieder den Fahrradweg entlang der Küste gefahren. Diesmal nur mit kleinen Stopps, die mit Informationen unseres Guides oder Kokosnuss trinken gefüllt wurden. 

„Rio de Janeiro, where the exchange between urban and nature is intense.“

An dieser Stelle bringe ich mal dieses kleine Zitat an und löse das Rätsel auf, das mittlerweile eigentlich alle schon gelöst haben sollten. Rio hat mich vor allem so beeindruckt (Paris muss sich jetzt leider auf der Liste meiner Lieblingsstädte weiter hinten anstellen), weil es eine Großstadt ist, aber die Natur beziehungsweise das Grün nie weit ist. Es gibt sowohl das offene Meer, als auch einen große Lagune um die sich die Stadt schmiegt. Es gibt viele Parks, den botanischen Garten oder den Tijuca Nationalpark, der sich im Stadtgebiet befindet.

Nach vier Stunden Fahrrad fahren in der Sonne waren wir alle relativ hungrig und sind so zum Mittagessen in ein Kilorestaurant gegangen. Habe ich davon schonmal erzählt? Dort gibt es ein großes Büffet, bei dem man sich seinen Teller voll machen kann. Der wird dann am Ende abgewogen und man bezahlt je nach Gewicht. Meist gibt es auch einen Festpreis, wenn man All-you-can-eat machen will.

Nachdem der Morgen so schön war-ich liebe einfach Fahrrad fahren und die Freude wurde dadurch gesteigert, dass ich noch super viel über Brasilien, Rio und die Geschichte lernen konnte und mitgenommen habe-waren meine Erwartungen für den Abend hoch.

In Rio gibt es wohl zwei Sachen, die man machen muss: Christo Redentor und den Pão de Açucar besuchen. Pão de Açucar ist in Deutschland als Zuckerhut bekannt. Die eigentliche Übersetzung wäre aber Zuckerbrot. Ist das nicht viel schöner?

Wegen des Mittagessen mit den Amerikanern und, weil auf dem Weg Stau war (ich hätte das Fahrrad nehmen sollen) war ich ein bisschen spät dran. Das hat aber, wie ich nachher gemerkt habe, absolut keinen Unterschied gemacht. Als ich also verspätet ankam gab es zwei Schlangen.  Ich habe mich erstmal in die Längere gestellt, weil man zuerst auf das Ende dieser stößt. Meine Hoffnung auf den Sonnenuntergang sank. Relativ schnell habe ich aber herausgefunden, dass ich mich in die Kürzere stellen darf, weil ich mein Ticket schon online gekauft habe. Spitze, habe ich gedacht! Die Hoffnung auf den schönsten Sonnenuntergang meines Lebens stieg.
Aber irgendwie dauerte das Ganze ziemlich lange.

Die Hoffnung auf den Sonnenuntergang hatte ich nach 1,5 dann abgeschrieben. Dafür hatte ich mich mit der Gruppe von älteren Uruguayern angefreundet, die hinter mir gewartet haben. Während die Sonne ohne uns untergegangen ist haben wir uns durch einen Mix von Spanisch, Portugiesisch und English versucht zu verständigen.
Nach 2,5 h waren wir dann endlich oben. Der Himmel schwarz, die Stadt erleuchtet, nicht von der roten Sonne, sondern durch die Straßenlichter. Ein bisschen schade war es schon, aber geärgert habe ich mich nicht wirklich. Jetzt habe ich 5 neue facebook Freunde aus Uruguay.

Für den letzten Tag hatte ich mir vorgenommen alle Dinge zu machen, die ich unter „Was ich unbedingt sehen will“ in meinem kleinen Heft aufgeschrieben hatte, aber noch nicht geschafft hatte. Also habe ich (schon wieder!) im Hostel frühstücken können und habe mir dann ein Fahrrad geholt um erstmal am Praia de Ipanema entlang zu fahren. In meinen Erinnerungen sieht es aus wie ein Traum. Die Morgensonne scheint mir ins Gesicht, links liegt der Strand, dahinter der Atlantik. Auf dem Bürgersteig davor kommen mir viele leichtgekleidete Leute entgegen. Auf der rechten Seite wird gejubelt und die Läufer der Marathons in Rio, der an diesem Sonntag stattgefunden hat, werden angefeuert. Erst am Ende des Strandes kann ich mich dazu durchringen mich von dem sommerlichen Treiben loszueisen. Ich biege nach rechts ab und muss erstmal ein Stück zurück fahren bevor ich auf den Radweg komme zu dem ich eigentlich wollte. Er führt um die Lagoa Rodrigo de Freitas, einer Lagune um die sich die Stadt schmiegt.

Nach einer kurzen Weile biege ich nach links ab und stoße kurz darauf auf den Jardim Botanic, den Botanische Garten der Stadt. Am Eingang kaufe ich, zusammen mit vielen Familien, die wohl einen Sonntagsausflug machen, eine Eintrittskarte (dank UNESCO-Logo nur halber Preis). Am Drehkreuz bekomme ich eine Karte, die ich aber gleich in meinen Rucksack stecke und beschließe einfach loszulaufen.
Mein Weg führt mich vorbei an Pavillons, an denen schon der portugiesische König zu Mittag gegessen hat, an Gewächshäusern und immer wieder hat man durch das Grün Ausblick auf die Christusstatue. Hier würde ich auch zahlreiche Sonntag verbringen.

Um die Mittagszeit gucke ich das erste Mal auf die Karte und suche mir den Weg zum Ausgang.
Wie ich auf dieses Event gestoßen bin weiß ich gar nicht mehr, aber genau an diesem Sonntag ist auf einem kleinen Platz neben dem Botanischen Garten ein Markt von „Junta Local“.

Uma comunidade pela comida local e justa, ajuntando quem come e quem faz.
Eine Gemeinschaft für regionales und faires Essen, ein Zusammenbringen derer die Essen und derer die produzieren. 

Auch alleine übersetzt-hier spricht der pure Stolz.

Klingt genau nach einem Ort, den ich lieben würde, habe ich gedacht als ich darauf gestoßen bin und es fett in mein Buch eingetragen.
Auf dem Platz stehen verschiedene Essens-Stände, jemand spielt Bossa Nova und Samba (ich empfehle: Canto Chorado-Os Originais do Samba) von Schallplatten. Mein Herz blutet bei dem Anblick des frisch gebackenen Brots und der handgeschöpften Käse, die ich nicht kaufen kann, weil es am Abend schon wieder nach Hause geht.
Ich entscheide mich für einen Burger aus Lammfleisch, mit einer Scheibe Käse und Pesto aus Minze und Basilikum und setze mich auf eine Wiese.

Als ich nicht mehr essen kann stehe ich auf und schaue wo das nächste Fahrrad zu finden ist. Damit will ich den Rest der Lagune umrunden schaffe es aber nicht besonders weit. Auf einem Steg mache ich halt um den frischen Wind zu genießen, der über den See fährt.

Dieser Tag war ein Tag des Los-Eisens und der Märkte. Auch hier muss ich mich regelrecht überreden jetzt aufzustehen um es noch rechtzeitig auf den Markt zu schaffen, der in der Ecke zwischen Ipanema und Copacabana stattfindet. Es ist einer dieser Märkte, der noch gerade so die Balance zwischen touristisch und nett-authentisch schafft. Als Erinnerung kaufe ich mir ein blau-lila-grünes Hemd.

Relativ spontan habe ich mich dazu entschieden noch den Sonnenuntergang auf dem Arpoador (großer Felsen zwischen Copacabana und Ipanema) zu schauen. Auch um den Fail vom vorangegangenen Tag wieder zu beheben. Es sollte das Highlight meiner Rio-Reise werden. Die Steine, auf denen ich saß waren noch warm. Mit einem Bier in der Hand habe ich die Surfer im rötlich gefärbten Wasser vor mir und die untergehende Sonne am Himmel über mir beobachtet und bin erst aufgestanden als es wirklich zu Ende war. Fotos gibts nicht.

Clara

Ich hoffe der Unterhaltungswert des Beitrages ist akzeptabel, lange hat das Schreiben nämlich auf jeden Fall gedauert. Ich wusste einfach nicht was ich weglassen sollte. Nur bei der Kommasetzung habe ich mir noch weniger Mühe gegeben als sonst-aber das kann ich sowieso nicht, wie meine Mutter sagt.