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Über den Pädagogischen Austausch Dienst

Professor, tenho uma pergunta!

In der einsamen Verzweiflung, die ich in den ersten Tagen hier gespürt habe, (warum bin ich nicht zu Hause geblieben?) habe ich die Musik lauter gemacht, eine Liste geschrieben, und mich zusammengerissen. Warum mache ich den FWD in Brasilien? 

  1. Um einen neuen Teil der Welt zu entdecken
  2. Um mich selber besser kennen zu lernen
  3. Um Portugiesisch zu lernen

Die Punkte haben mich in meiner Zerstörungsphase des eigenen Glücks nicht wirklich überzeugt. Im Nachhinein fällt mir auf: ich habe einen ganz wesentlichen Punkt vergessen, der mir im Moment am Meisten Spaß macht.

Von zuhause bekommt man eine bestimmte Lebensrealität mit. Ich weiß wie das Leben abläuft mit vier Schwestern. Wie es ist, wenn die Eltern zu Hause arbeiten. Wie das Leben auf einem Bauernhof, als Landwirt ist. Was ich aber wissen will: wie ist das Leben als Lehrer? Und wichtiger: wie ist das Leben als Lehrer für mich? Hier also ein erster Bericht über meine Arbeit in der Schule.

Das muss ich unbedingt sagen: ich habe jetzt einen eigenen WLAN-Zugang, eine Schul-emailaddresse und eine Zugangskarte mit einem Foto von mir drauf, die jetzt immer um meinen Hals hängt. Da fühlt man sich direkt viel besser aufgenommen.

Die meiste Zeit verbringe ich am Computer. Ich helfe den älteren Schülern ihre Power-Points für mündliche Prüfungen richtig zu strukturieren und angemeßene zu Sprache zu verwenden. Ich ordne über Google-Drive Dokumente für neue Unterrichtseinheiten. Dabei sitze ich oft in einem kleinen Besprechungsraum, den ich insgeheim als mein Büro ansehe.

Demnächst werde ich mit den deutschen Expat-Kindern eine Unterrichtseinheit zum Thema Umwelt machen. Dafür muss ich Arbeitsblätter erstellen, mir überlegen wie ich die Stunden einleite und für die Schüler interessant halte.

Wenn Deutsch- oder Englischlehrer krank sind übernehme ich deren Stunden. Manchmal erhalte ich detaillierte Anweisungen per Email was zu machen ist. Manchmal stehe ich angsterfüllt vor den Kindern und improvisiere. Am Anfang dachte ich: die nehmen mir das doch nicht ernsthaft ab, dass ich ihr Lehrer bin. Sie bestehen aber darauf mich zu siezen und immer Frau Bobbert zu sagen. Das ist für mich, die vor ein paar Monaten noch selber im Klassenraum saß, sehr lustig und ein bisschen befremdlich.

Mein Schüler-Ich flippt innerlich immer noch ein bisschen aus wenn ich abends mit allen Deutschlehrern grille oder an einer für Lehrer gekennzeichneten Stelle in der Cafeteria sitze. Ich weiß jetzt wofür BPLK steht und beaufsichtige Schüler bei ihrer Vorbereitungszeit für die mündlichen Prüfung, kriege mit wie die Lehrer die Leistungen der Schüler bewerten.

Ich unterhalte mich mit Lehrern über die Probleme des Berufs. Man wird immer mehr als Dienstleister gesehen, die Wahrscheinlichkeit eines Burnouts ist überdurchschnittlich hoch…

Trotz des vielen Spaßes, den ich hier habe merke ich, dass der Lehrerberuf nicht der Beste für mich ist. Ich verbringe mehr Zeit als mir lieb ist im Geschlossenen und sitze viel vor dem Computer. Natürlich ist mir klar, dass ich mich in einer besonderen Situation befinde, aber definitiv bekomme ich genug Eindrücke um sagen zu können: der Spaß, den ich mit den Kindern habe ist nichts gegen die Freude, die ich empfinde, wenn ich abends einen Apfelkuchen backe. Ich bin mir jetzt also sicher, dass Lebensmitteln in meinem Leben keine Nebenrolle spielen sollen. Gerade wegen dieser Einsicht freue ich mich, diese Chance wahrgenommen zu haben und freue mich auf alles neue, was ich noch lernen werde.