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El Lustrabotas – Der Schuhputzer

(Zur Abwechslung mal etwas Prosaisches… ich selbst gehöre übrigens zu den fahlen Gesichtern hinter den Scheiben des aufgebockten Motors….)

Meine Finger werden zu Eis zerfallen, so kalt und ganz leblos schlackern sie an meiner Hand, wie Würmer vor der Fütterung und ich laufe, laufe dass die Finger nur so fliegen in der Luft, rechts links, ich höre es knacken, vielleicht ist einer gebrochen, ich spüre nichts. Sollen sie doch abfallen, ich brauche sie nicht, ja, da werden die anderen gucken wenn ich ohne Finger Räder schlage bergauf bergab, wenn ich ohne Finger Schuhe putze, mit dem Mund, dem Mund werde ich es machen, dafür kann man mehr nehmen, das Doppelte, diese Idioten, sie werden staunen und wünschen, sie hätten auch keine Finger mehr. Sollen sie doch in den Rinnstein fallen, zusammen mit dem ganzen Wasser und der Wurst von Juán, ganz frisch und dampft noch, und plumps den Ratten auf der Teller, die werden sich freuen mit ihren roten Augen, mit dem Schwanz werden die wackeln und meine Finger fressen, zack zack, da bleibt nix übrig bei denen, nicht mal die Knochen.

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Vom Unsinn des Uhrzeigersinns (und anderen Erkenntnissen)

In Bolivien ticken die Uhren anders als in Deutschland, schon wegen der sechsstündigen Zeitverschiebung. Hat man sich aber erst einmal akklimatisiert, entdeckt man erstaunlich viele Gemeinsamkeiten.

Es ist ein Sonntagnachmittag in La Paz und wir veranstalten eine kleine Grillfeier auf unserer Dachterrasse. Die Sonne brutzelt auf unsere Scheitel, René, der Hausherr, wendet Würstchen und ich spreche einen jungen Bolivianer an, der gerade mit einem Berg Kartoffelsalat beschäftigt ist. Eddie ist neunzehn Jahre alt und arbeitet im Büro einer bolivianischen Stiftung. Er spielt Schlagzeug und Gitarre, sonntags nimmt er Ballettunterricht in einer Tanzschule. Eddie hat Bolivien noch nie verlassen. Er würde gerne mal nach Brasilien reisen, erzählt er. Deutschland hingegen reizt ihn nicht: „Diese entwickelten Staaten machen mir Angst. Ich würde mich da vermutlich nicht zurechtfinden.“

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Api para Alemania – Api für Deutschland!

Api ist bolivianisch-andines Nationalgetränk. Man begegnet ihm und seinen Konsumenten in La Paz an jeder Straßenecke. Wie man sich den knallsüßen Mehlsirup in der heimischen Küche zubereitet um ihn anschließend der deutschen Öffentlichkeit zugänglich zu machen, erklärt dieser Rezept-Geburtstagstext.

Für Johanna zum 20. Geburtstag – ¡Feliz Cumpleaños, Mamita!

Dieser Api! Man möchte in ihm baden wie Kleopetra einst in Milch, eine ganze Wanne voll purpurnem süßen Gebräu, sich darin ersäufen oder zumindest drin liegen bleiben bis es Abend wird. In Bolivien trinkt man Api nämlich schon morgens, am besten bevor die Sonne aufgeht und es noch so richtig nächtlich kalt ist im Andengebiet. Wenn man dann mit klappernden Zähnen von einer casera an der Straßenecke so ein Plastiktüttchen mit Strohhalm drin entgegennimmt, einem der heiße Brei in den Bauch hinuterwabbert und einem der Zucker ins Gehirn hochschießt, dann hat man das ultimative Api-Erlebnis.

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Uyuni-Tour: 3 Tage Salz und Wasser

Wir halten mit knirschenden Reifen. Vor uns: Eine Insel mit Kakteen. In die andere Richtung, soweit das Auge reicht, eine schneeweiße Ebene, eine Salzkruste, dick genug, um Jeeps, Motorräder und ganze Horden trampelnder, kaugummikauender Touristen zu tragen. Hier kann man Fotos schießen, die aussehen, als ob man von einem Dinosaurier gejagt wird. Manche verbringes dafür ganze Stunden bäuchlings im Salz. Salar, heißt diese Salzseewüste, aus der nahegelegenen Stadt Uyuni starten die Touren, auch unsere. Uyuni war früher einmal nur eine Zugstation, jetzt stehen die Wagons etwas außerhalb der Stadt neben den stillgelegten Gleisen, ein Abenteuerspielplatz für diejenigen, die von weiter herkommen.

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Cementerio: Begraben hinter Fenstern

Beerdigung auf Spanisch und auch in La Paz heißt entierro. Das ist ein Wort, das in die Irre führt, weil hier kein Sarg seinen Weg in die Erde findet. Auf dem cementerio werden für die Toten noch richtige Häuser gebaut, aus Beton. Will man seine Angehörigen besuchen, kann man sich auf dem Plan am Eingang schlau machen, wie man zum Häuserblock 23 in der Straße J findet. Mit einer Leiter kann man bis in die dritte Etage hinaufsteigen, die Grabpflege ist also eine wackelige Angelegenheit. Hinter quadratischen Fensterscheiben drapiert man dann Plastikblumen, außerdem Coca-Cola-Flaschen und Schokoladenbonbons, Dinge, die der oder die Tote zu Lebzeiten gerne konsumiert hat. Und ein Foto aus jungen Jahren, auf dem er oder sie glücklich aussieht.

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See, Berg, Insel: Copacabana auf 3800 Metern

Als ich um kurz nach sieben die Treppe runterkomme, schlecht gelaunt, weil die Dusche nicht funktioniert hat und die Zimmertemperatur über Nacht dem Gefrierpunkt nahe gekommen ist, steht das Frühstück schon auf dem Tisch. Es gibt Rührei und Bananenmilch und warme in Öl gebackene Brötchen. Auf einmal finde ich Copacabana ganz gastlich. Und als wir eine halbe Stunde später in das kleine Motorboot einsteigen, das uns zur Isla del Sol bringen soll, wir während der Fahrt auf das Dach klettern und dabei zugucken können, wie der Himmel über Copacabana blau wird, da finde ich es sogar richtig schön.

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Deathroad – zum Sterben schoen

Mit dem Minibus fahren wir Richtung Nordosten und dann raus aus La Paz. Schon dehnen sich die Anfaenge der Yungas vor uns aus, gruen-schimmernde Huegellandschaft, am Strassenrand haben sie Huetten gebaut, direkt neben ihren kleinen Staenden, an denen sie Popcorn und Prepaid-Handykarten verkaufen. Wir sind gut drauf, machen Fotos, der Fahrer stellt das Radio an, das Programm wiederholt sich im 10-Minuten-Takt und wir koennen fast immer mitsingen. Es sind noch ein paar Typen mitgekommen, von denen wir zuerst dachten, sie seien Israelis, sind sie aber nicht, sondern libanesisch/franzoesisch/amerikanisch, und so reden sie auch. Sie wollen lieber House hoeren, reichen Kekse rum, fragen nach Sonnencreme. Wir halten an einem See: der La Cumbre Pass, die Typen springen raus und gehen pinkeln. Hier beginnt unsere Tour, der „Deathroad-Survivor“-Trip, so jedenfalls steht es schon jetzt auf unseren T-Shirts.

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Kinobesuch in La Paz – again what learned

In der Cinemateca Boliviana laeuft ein Film, „Dark Girls“. Auf dem Plakat sieht man eine ernste Schoene vor Stars and Stripes, eine Doku ueber das Selbstbewusstsein von Afro-Amerikanerinnen. Schon wieder so was politisch korrektes, aber der Eintritt ist frei und es gibt Cola und Popcorn umsonst. Wir machen uns auf den Weg, stellen uns ans Ende der Schlange und bekommen tatsaechlich noch Karten.

Der Kinosaal ist gross und ein bisschen stickig und unsere Plaetze sind natuerlich schon besetzt. Wir weichen aus auf Mitte links, das Licht geht aus, ich schuette mir Cola ueber die Hose, das Licht geht an. Vor uns stehen fuenf wuetende Bolivianer, die, wie sich schnell herausstellt, taub-stumm sind. Wir scheitern klaeglich bei dem Versuch, ihnen darzulegen, warum wir ausgerechnet auf ihren Plaetzen sitzen. Das Licht geht wieder aus, die fuenf suchen sich neue Sitzgelegenheiten. Ich lehne mich zurueck und fuehle mich miserabel, eine unfreundliche klebrige weisse Frau mit derart mangelhaften Spanischkenntnissen, dass Lippenlesen unmoeglich wird.

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