Francisco Leñero

„Plurinationalität ist nur ein anderes Wort für Dekolonialisation“

Francisco Leñero hat eine bolivianische Mutter, einen chilenischen Vater, eine Großmutter mit italienischen und einen Großvater mit spanischen Wurzeln. Als Kind floh er mit seinen Eltern vor der Militärdiktatur nach Frankreich. Erst zum Studium kehrte er nach Bolivien zurück, arbeitet heute in einer international ausgestatteten Comic-Bibliothek. Plurinationalität, erklärt Leñero, bedeute in Bolivien nicht, viele Nationalitäten zu besitzen – im Gegenteil.

Francisco Leñero vor der bolivianischen Sektion der Comic-Bibliothek in La Paz.

 „Ich bin Bolivianer, aber ich habe auch noch zwei andere Nationalitäten, und die dominieren mein Aussehen: Ich sehe aus wie ein Europäer. Das macht mich automatisch zum Ausländer. Solange du keine indigenen Wurzeln hast, bist du nicht plurinational, weil dein Stammbaum nicht in die vorkoloniale Zeit zurückreicht. Im Grunde ist Plurinationalität nur ein anderes Wort für Dekolonialisation. Die Politik will die Uhren zurückdrehen auf die Zeit vor der spanischen Eroberung, und sie geht dabei äußerst radikal vor: Alle Fremdeinflüsse werden systematisch ausradiert. In El Alto haben sie ein ganzes Orchester eingestampft, weil es klassische Musik spielte! Die Idee von der Gleichheit der Kulturen und Ethnien ist hübsch, aber in Bolivien wurde sie aus dem Gefühl der Rache heraus geboren. So kann das Konzept nicht funktionieren.“

 

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