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Kinobesuch in La Paz – again what learned

In der Cinemateca Boliviana laeuft ein Film, „Dark Girls“. Auf dem Plakat sieht man eine ernste Schoene vor Stars and Stripes, eine Doku ueber das Selbstbewusstsein von Afro-Amerikanerinnen. Schon wieder so was politisch korrektes, aber der Eintritt ist frei und es gibt Cola und Popcorn umsonst. Wir machen uns auf den Weg, stellen uns ans Ende der Schlange und bekommen tatsaechlich noch Karten.

Der Kinosaal ist gross und ein bisschen stickig und unsere Plaetze sind natuerlich schon besetzt. Wir weichen aus auf Mitte links, das Licht geht aus, ich schuette mir Cola ueber die Hose, das Licht geht an. Vor uns stehen fuenf wuetende Bolivianer, die, wie sich schnell herausstellt, taub-stumm sind. Wir scheitern klaeglich bei dem Versuch, ihnen darzulegen, warum wir ausgerechnet auf ihren Plaetzen sitzen. Das Licht geht wieder aus, die fuenf suchen sich neue Sitzgelegenheiten. Ich lehne mich zurueck und fuehle mich miserabel, eine unfreundliche klebrige weisse Frau mit derart mangelhaften Spanischkenntnissen, dass Lippenlesen unmoeglich wird.

Auf der Leinwand sagt ein etwa acht Jahre altes dunkelhaeutiges Maedchen, dass es nicht schwarz sei. Nicht so genannt werden wolle, nicht so aussehe, sich nicht so fuehle. Ein weiteres Kind soll aus Abbildungen von Zeichentrick-Maedchen, identisch bis auf die Hautfarbe, das kluegste heraussuchen – und entscheidet sich fuer das weisse. Eine Teen mit curlyhair erzaehlt, sie habe ihren Vater jahrelang dafuDarkGirlsPoster0819b-finaler gehasst, dass er ihr seine Hautfarbe vererbt habe.

Ich schlucke und greife nach der leeren Colaflasche, haette jetzt gerne was zu Trinken. Gucke nach rechts und links, eine Daenin und ein Deutscher, beide blond und weiss. Bleichmittelcreme, obwohl krebserregend, ist derzeit eines der meistverkauften „Kosmetikprodukte“ in Asien, Afrika und Amerika, erfahren wir gerade. Ein Typ mit verpixelter Augenpartie sagt, er finde weisse Frauen attraktiver als schwarze und haelt dazu seinen taettowierten Hals in die Kamera.

Was fuer ein Volltrottel. Ich lache unglaeubig ob so viel Doofheit, aber keine und keiner um mich herum will mitlachen. Und da kapiere ich ploetzlich, dass ich garnichts kapiere. Ich bin weiss und gepraegt davon, weiss zu sein, ich gehoere in Deutschland einer hellhaeutigen Mehrheit an, die sich kaum oder nur am Rande mit Rassismus auseinandersetzt. Damit, wie es ist, schwarz zu sein in einem Land voller Weisser, die sich darueber empoeren, dass sie seit kurzem keine „Mohrenkopfdatschi“ mehr essen koennen und Pippi Langstrumpf keine „Negerprinzessin“ mehr sein darf. Die sollen sich nicht so anstellen, diese Schwarzen! Schliesslich geht es hier um abendlaendisches Kultugut!

Ich lache also und ueberlege es mir dann anders und schweige auch. Ich bin weiss und sitze in einem Kinosaal mit hundertfuenfzig Bolivianern und Bolivianerinnen, die eine dunklere Hautfarbe haben als ich. Die darum vielleicht, wahrscheinlich, ziemlich sicher einen anderen Zugang zu diesem Film haben. Und ich habe, um genau zu sein, keine Ahnung.

Natuerlich tauchen zum Ende der Doku die obligatorischen Mutmacher-Mamis auf. Beyonce, die mit den Wimpern klimpert und sagt, wie wichtig es ist, immer zu sich selbst zu stehen. Das Maedchen mit den Ringellocken, das seine Hautfarbe jetzt nicht mehr eintauschen moechte. Aber als das Licht angeht, sind wir betroffen und alle anderen auch. Man darf noch bleiben, zum debattieren. Die meisten bleiben. Ein paar stehen auf, sagen ein paar Worte in die Runde, ploetzlich ist man sich sehr bewusst, wer wie dunkel oder hell ist. Ja, Bolivien sei ein plurinationaler Staat, sagt eine Frau. Aber nur auf dem Papier. Die Realitaet sehe anders aus und Hautfarbe spiele sehr wohl eine Rolle hier.

Da sieh her, denke ich, bevor ich aufstehe, um mir eine neue Cola zu holen. Noch so eine Behauptung, die ich einfach geschluckt habe.

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