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Kleine Einfuehrung in das Strassen-ABC

Wir bremsen nicht fuer Tiere, andere Fahrzeuge und Passanten aller Art. Erst recht nicht an Zebrastreifen oder Ampeln. Wir hupen bei jeder sich bietenden Gelegenheit, einfach so aus Spass oder um auf uns aufmerksam zu machen. Wir halten mitten auf der Strasse, wenn ploetzlich jemandem einfaellt, dass er hier aus dem Minibus aussteigen muss. Bustueren, Anschnallgurte, Kopfstuetzen, alles Luxus, den keiner braucht. Am Berg rutschen wir unter Motorgeheul erst mal mehrere Meter abwaerts, bis es wieder aufwaerts geht. Selbstverstaendlich schauen wir nie in den Rueckspiegel, wer faehrt hat recht. Wir fahren ohne Licht, weil das schon vor Ewigkeiten den Geist aufgegeben hat. Seit dem letzten Bordsteinkuss haben wir ausserdem einen platten Voderreifen und schlingern jetzt lustig zwischen den Fahrbahnen hin- und her. Aber: Eine Alarmanlage ist unerlaesslich. Koennte ja sein, dass jemand unseren Schrotthaufen klauen will. Darum gibt er, sobald eine Person sich ihm naehert, ein 5-minuetiges Konzert des Grauens von sich. Jetzt will ihn bestimmt keiner mehr haben.

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El Alto

El Alto ist braun und schmutzig, es riecht nach gebratenem Tier und Hundepfuetzen. Mit dem Minibus kommen wir nicht weit, steigen um, stehen im Stau, gucken raus, mir wird schlecht. Hier oben scheint die Sonne noch staerker als in La Paz, das Dach des Minibusses muss bereits schmelzen. Meinen neuen Freunden, die hinter mir auf einer Bank zwischen vielen Menschen sitzen, geht es  aber offenbar ganz gut, sie tauschen sich auf deutsch ueber Pornos und Erektionsprobleme aus. An irgendeiner esquina steigen wir aus und vor uns liegt die feria, ein Areal drei Mal so groß wie die Münchner Theresienwiese, schaetze ich, waehrend ich versuche, meine Bauchtasche so unter dem T-Shirt zu verstauen, dass man sie nicht sieht.

Handy, Kamera, Geldbeutel, ist alles zuhause geblieben. Gehoert habe ich: man wird angespuckt und waehrend man sich von Spuckefetzen zu befreien versucht, wird einem was immer man auch bei sich traegt entwendet. Waehrend wir durch die Staende bummeln, passiert nichts von alledem. Wir essen fuer umgerechnet 80 Cent zu mittag, Nudeln mit Gemuese, Fleisch, Kochbananen. Die Sonne brennt im Nacken, auf Waegen verkaufen sie Schreibwarenartikel, Handtuecher, Wackelpudding, cholitas sitzen am Strassenrand und verkaufen kleine Brote oder Stuecke von 2-Quadratmeter-Blechkuchen. Ich kaufe einen Rucksack, verstaue meinen Pulli darin,  meine neuen Freunde packen ihre Sachen dazu, ich trage das Ding ueber der Schulter wie eine Provokation, aber niemanden interessiert’s. Vermutlich verdrehen die Bolivianer nur die Augen, wenn sie uns sehen, wie wir an unseren Baeuchen rumfummeln und ein paar Muenzen zu Tage foerdern. Dabei Sonnenbrillen von Calvin Klein tragen und einen Sonnenbrand auf der Nase.

Ich sehe einen blonden Kopf vor mir, ein Mann kauft Zuckerrohrsaft, auf seinem T-Shirt prangt das Gesicht von Herrn Putin. Ich bin erleichtert, als ich realisiere, dass auch das hier kaum jemanden interessiert. Ansonsten bleiben wir die einzigen westlich aussehenden Besucher der feria, werden angeschaut, mitunter angesprochen, aber nicht angespuckt. Als die Sonne untergeht, steigen wir in den Minibus ein und fahren prompt in die falsche Richtung. El Alto ist ein Labyrinth aus braunen, unfertigen Haeusern mit Flachdaechern. Kaum ist die Sonne weg, wird es kalt. Grosse und kleine Hunde humpeln ueber die Strasse. Ein Taxi bringt uns schliesslich zum teleférico, der wie eine staehlerne Raumstation am Ende des Hausermeeres auftaucht. Ein paar Minuten lang schweben wir zwischen El Alto und La Paz, sehen hinunter auf die kleinen Dachterrassen, auf Fussballplaetze, sehen die Hochhaeuser des Centros, die Ausdehnung von La Paz bis weit hinein in die andine Landschaft. Die schneedecketen Berge im Hintergrund, auf die wir irgendwann auch steigen wollen. Noch weiter hinauf als El Alto, aber 4000 Meter sind fuer heute genug.

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Hoch, höher, La Paz

La Paz hat eine gelbe Seilbahn, die einmal durch das ganze Tal fährt, und dann hinauf nach El Alto auf 4000 Meter – so richtig das Gefühl für Höhe bekommt man wohl erst, wenn man da oben steht und auf La Paz heruntersieht. La Paz, immerhin auf über 3000 Metern, ist der höchstgelegene Regierungssitz der Welt. Ansonsten habe ich von la altura, der Höhe, bisher nicht viel Gutes gehört: Herzrasen, Kopfschmerzen, Schwindelgefühle, Übelkeit, Europäer und alle anderen Weicheier sollen sich die ersten Tage besser nicht bewegen und literweise den Nationaltee Mate de Coca trinken, um die Aufnahme von Sauerstoff im Blut zu beschleunigen. Bis jetzt habe ich keine Symptome, Mate de Coca habe ich trotzdem getrunken. Er schmeckt ein bisschen wie aufgegossenes Heu, aber nicht unbedingt schlecht.

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