Flora Ramón

„Ich kenne keine Weiße, die als Haushälterin arbeitet“

Flora Ramón ist eine Cholita: Sie trägt die typisch indigene Kleidung, einen Rock mit vielen Unterröcken, ein buntes Schultertuch und einen kleinen runden Hut (sombrero). Zur Arbeit in der Küche einer fünfköpfigen Familie legt sie diese Sachen ab. Eigentlich habe sie keine Zeit für ein Interview, erklärt Ramón. Nach dem Abwasch muss sie noch das ganze Haus putzen und dann den letzten Bus erwischen, der sie in der Nachbarstadt El Alto bringt, wo sie mit ihren Söhnen wohnt.

„Ich bin eine Indígena, meine Muttersprache ist Aymara, Spanisch habe ich erst gelernt, als ich hier zu arbeiten begonnen habe. Da war ich vierzehn Jahre alt. Ich habe immer bei dieser Familie gearbeitet, habe nur nach der Geburt meiner Söhne ein paar Jahre ausgesetzt. Meine Söhne studieren jetzt an der Universität, als ich jung war, gab es das noch nicht. Mir hätte es gefallen, Kommunikation zu studieren und dann als Moderatorin beim Radio zu arbeiten. Aber für unsere Generation kommt die Plurinationalität zu spät, viele von uns können nicht lesen oder schreiben. Wir müssen hart arbeiten, um unser Geld zu verdiene, oft haben wir nicht einmal einen Vertrag. Ich kenne keine einzige Weiße, die als Haushälterin arbeitet. Es heißt immer noch, eine Indígena ist eine trabajadora (dt. Arbeiterin), aber obwohl du weiß bist und ich dunkel, du Geld hast und ich keins, sind wir beide Frauen, haben wir beide Augen und Hände, müssen essen und schlafen. Das ist Plurinationalität, aber das wollen viele nicht einsehen.“

Zur Werkzeugleiste springen