Guisa Florales

„Ich bin schon daran gewöhnt, dass sie mich hässlich finden“

Guísa Florales verbringt die Tage auf einem Hocker vor einem Straßen-Kiosk. Von Montag bis Samstag sitzt sie hier täglich neun Stunden, verkauft Chips, Lutscher, Toilettenpapier. Ab fünf Uhr nachmittags tummeln sich Schulkinder und Männer mit Aktenkoffern vor ihrem Stand. Plurinationalität ist für sie nur eine Phrase, sagt Guísa, das Wort habe mit der Realität nichts zu tun. Fotografiert werden möchte sie nicht: wer weiß, wofür ihr Bild später verwendet wird.

„Ursprünglich bin ich aus einem Dorf in den Yungas*, aber ich lebe schon seit ich ein kleines Mädchen bin in La Paz. Seit fünf Jahren arbeite ich als Kiosk-Verkäuferin hier im Stadtteil Sopocachi. Der Stand gehört nicht mir, ich bin Angestellte. Meine Arbeitgeberin sagt, dass die Cholita, die vor mir am Kiosk verkauft hat, viel mehr Umsatz gemacht hat. Das liegt daran, dass ich Afro-Bolivianerin bin: Die Menschen nähern sich, dann sehen sie mein schwarzes Gesicht und gehen zum Kiosk an der nächsten Ecke. Ich bin schon daran gewöhnt, dass sie mich hässlich finden. Plurinationalität gilt nur für die Indígenas. Wir Afro-Bolivianer werden immer noch diskriminiert, für uns gibt es keinen Wandel. Evo Morales ist nicht der Präsident der Afro-Bolivianer, er nennt uns „negros“ (dt.: Schwarze, verletzender Terminus). Von gleichen Rechten kann keine Rede sein.“

*Als Yungas wird das tropische Tiefland Boliviens etwa 100 Kilometer nordöstlich von La Paz bezeichnet.

 

 

Zur Werkzeugleiste springen