Mit Wanderstöcken im Konzert

~ 19.06.2021-26.06.2021

Das Grün der Bäume im Wald der Zinne ist so satt wie noch nie zuvor. Der Sommer scheint sich mit jedem Tag übertreffen zu wollen und die nahezu zwei Wochen mit kontinuierlichem Regen haben wohl sehr dazu beigetragen.

Perfekte Wanderbedingungen! Noch etwas schlammig, aber das wird mit jedem Tag weniger. Zu der Überzeugung kamen auch Nicole und Henning, als sie nach Brașov reisten, um mit mir gemeinsam diverse Wanderungen zu planen. Zum Einlaufen erstmal wieder auf die Zinne. Bärenwarnungen kommen inzwischen fast täglich, wir sehen aber nur Mäuse, die Zuflucht vor den letzten großen Tropfen bei Schauern suchen. Der Blick auf die Umgegend und die Stadt wirkt durch die tiefhängenden, grauen Wolken fast schon mystisch. Der Abstieg ist rutschig, aber mit der nötigen Portion Humor geht das schon.

Nächster Tag und schon geht es höher hinaus: Brașov – Poiana Brașov. Ca. 3,5h Fußweg über Wurzeln und Bäche. Die größte Gefahr geht auf der Strecke hier wohl nicht von wilden Tieren, sondern von Mountainbikern aus, die mit ihrer Geschwindigkeit Jagd auf Wanderer machen. Manche der dünnen Trampelpfade hatten sich in tiefe Seen verwandelt, in denen eine handvoll Frösche ihre Runden drehten und erschrocken weg schwammen, als wir knöcheltief einsanken. Hier und da sahen wir Wildschweinspuren und Tierexkremente, die wir Zoologen nicht zuordnen konnten und wollten. Unsere Recherche am Vorabend, zum optimalen Schutz vor Bärenangriffen, hatte uns die Lust dazu ein bisschen genommen.

Generell kann man sagen, dass alle potentiellen Schutzmaßnahmen einem erstmal ein Gefühl von Sicherheit vermitteln sollen. Im Fall der Fälle kann man das Bärenglöckchen zwar noch werfen, das hält einen 600kg Apparat dann aber auch nicht mehr vom Angriff ab. Unser ultimativer Schutz?

Laute Diskussionen über gesellschaftspolitische Themen und, ob die Menschheit nun vor der industriellen Revolution glücklicher war. Das liegt wohl nicht so im Interessengebiet der Tiere. Doch wenn man sich im Wald befindet und genug Lärm macht, stehen die Chancen auch ziemlich schlecht, einem Bären über den Weg zu laufen, da sich dieser vorher schon davon macht und nur nicht überrascht werden will. Trifft man doch mal einen an, wird in den allermeisten Fällen auch nichts passieren, weil der gegenseitige Respekt doch zu groß ist. An einer Kreuzung wird der Weg nach Poiana Brașov ein bisschen unübersichtlich, da auf einmal drei Wege abkreuzen und die Markierungen undeutlich werden. Immer geradeaus und dem blauen Dreieck folgen. Irgendwie sollte man ankommen. Zur Belohnung gibts in Poiana Langoș- und Kürtösstände.

DIe langsame Steigerung des Schwierigkeitsgrades motivierte uns dann dazu, eine fortgeschrittene Wanderung für Montag auszuwählen. Von Bușteni aus hoch auf 2,5t Meter zu der Gesteinsformation Babel. Zwar sind wir nicht die erfahrensten Wanderer, doch zugetraut hatten wir uns das alle male. Nur ein Wenig irritierend war es dann, als uns drei top ausgestattete Wanderer sagten, dass sie für sich eine leichtere Route ausgewählt hatten, da sie kein passendes Equipment für die richtige Tour hatten. Naja, wir dachten erstmal, dass wir schauen wollten, wie weit wir kommen würden und starteten die Tour.

Zusammengenommen stellten wir den perfekten Wanderer. Zwei drittel gute Schuhe, Kappen, einen guten Rucksack und jeder Menge Wanderlieder auf den Lippen. Auf jede*n alleine gesehenn machten wir einfach das Beste daraus. Langsam kamen wir immer höher und erklommen die stellenweise 80% Steigung mit gegenseitiger Unterstützung. Je weiter wir kamen, umso mehr veränderte sich auch die Flora um uns herum. Es wurde kälter und während wir im Tal noch einen dichten Nadelwald um uns herum hatten, wich dieser Farnen und Büschen in den Gipfeln. Überraschenderweise lagen noch riesige Schnee- und Eisfelder auf unserem Weg und wir mussten einige von ihnen  sehr vorsichtig kreuzen, um unserem Weg folgen zu können. Ein anderer Wanderer aus Brasov kam uns für die letzten 300 Höhenmeter zur Hilfe, als die schwierigsten Strecken noch bevor standen und er uns mit Stöcken und Eispickel heil über die Eisfelder brachte und wertvolle Tipps fürs Alpine Wandern gab.

Nicole, Henning und ich, als wir glücklich am Bergplateau ankamen. Hinter und verläuft die Schlucht, durch die man nach oben aufsteigen kann.

Oben angekommen waren wir völlig erschöpft. Mein persönlicher Tipp an dieser Stelle: Informiere dich ganz genau, wann die Gondeln in einem Wandergebiet fahren. Egal,  ob du planst damit zu fahren oder nicht. Wir  hatten ursprünglich auch überlegt, die Strecke hoch und runter zu laufen, was ich für mich gesprochen, gegen Schluss auf keinen Fall mehr geschafft hätte. Da hatten wir wir noch ein weiteres Mal unverschämtes Glück, da die Gondel außerplanmäßig an diesem Tag fuhr, da Feiertag war und wir die letzte Abfahrt erreichten.

Genau zu der Zeit zog der Himmel auch zu und wir waren froh im Trockenen der Bergstation warten zu können. Das Ticket für die Gondel war zwar nicht ganz günstig, doch die Fahrt war es wert. Mit ein Bisschen dem Gefühl in einer großen Achterbahn zu sein, fielen wir stellenweise förmlich ins Tal, aus dem wir gekommen waren.

Doch für Wehmut blieb gar keine Zeit, da ich keine volle Woche später erneut im Bucegi war, diesmal mit Jojo und meiner Mutter, die zu Besuch war. Wir fuhren mit der Gondel bis zur Station von Babele und Wanderten einmal quer über das Plateau, um zum Hero´s Cross zu kommen. Dabei handelt es sich um ein gigantisches metallenes Kreuz, das auf viele Kilometer Entfernung schon gut sichtbar ist und diesen Abschnitt der Karpaten markiert.

Ohne einen aufziehenden Sturm hatten wir dieses Mal auch genug Zeit, um uns die Gesteinsformationen genauer anzusehen. Babele erinnert von einem  bestimmten Winkel an die ägyptische Sphinx. Kein Wunder, denn nach einer Legende soll diese in Rumänien auch das Original sein. Die Ägypter kamen eines schönen Tages über das schwarze Meer bis ins Innere des Landes zum Bucegi. Nachdem sie ihn erklommen hatten, fanden sie die geformten Felsen und ließen sich dazu inspirieren, etwas vergleichbares in Ägypten zu errichten, um die Götter gütig zu stimmen. Über die Wahrhaftigkeit dieser Geschichte lässt sich streiten…

Das Profil der Sphinx ist hier schon ganz leicht zu erkennen, sogar die Augen kann man ganz gut sehen.

Was gab es noch zu sehen?

  • Ein energiespendender Pilz
  • Konrad Adenauer´s Profil
  • Kleine Ufo-Formationen

Mit noch mehr Fantasie gibt es bestimmt noch einiges mehr zu entdecken. Bis zum Kreuz wandert man weitere 1,5-2h und wird zwischendurch mit dem umwerfenden Blick auf das Gebirge und die Wasserfälle der Schluchten belohnt.

Zurück in Brasov sollte auch Kultur nicht zu kurz für uns kommen, weshalb wir uns Tickets für die gerade wieder eröffnende Philharmonie geholt hatten. In einer rumänisch-österreichischen Kooperation hörten wir ausgewählte Stücke von Beethoven und konnten es endlich mal wieder genießen, in einem richtigen Konzert zu sein.

Warum der Blog nun mit Wanderstöcken im Konzert heißt?

Ich war noch so inspiriert, von unserem Helfer im Bucegi, dass ich mir selber Wanderstöcke zulegte. Leider war keine Zeit mehr, sie vor dem Konzert nach Hause zu bringen, wodurch wir die schnellen Klavierklänge einfach zusammen mit dem Paar Wanderstöcke zu unseren Füßen genossen.

 

Ein Gedanke zu „Mit Wanderstöcken im Konzert

  1. Nicole Rupp

    Bin sehr froh, dass du unseren Ausflug festgehalten hast! Cool, dass du jetzt nicht mehr so „crazy“ unterwegs bist und dir gescheite Wanderstöcke zugelegt hast 🙂

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