Auf den Spuren der Vergangenheit

~12.03.2021-21.03.2021

1986, meine Eltern beide in bunten Skianzügen auf der Piste von Poiana Brașov . Gleich daneben ein vergilbtes Bild von meinem Vater, mit Jeansjacke und sehr seltsamer Frisur vor der schwarzen Kirche in Brașov .

Auf diese Fotos sind wir gestoßen, als ich mit meinen Eltern alte Fotoalben durchkämmt habe, nachdem ich die Platzzusage für Rumänien von Kulturweit erhalten hatte. ,,Ob die Spuren von damals wohl immer noch im Schnee zu sehen sind?“, haben wir da noch gewitzelt. Zeit das heraus zu finden.

Nach einem ruhigen Officeday Anfang März, haben wir uns in Lichtgeschwindigkeit Zuhause in Skischale geworfen, Schuhe und Skier über die Schultern geworden und sind zum Busbahnhof gelaufen. In gerade mal 20 Minuten erreichten wir Poiana, wo wir uns auf die Skier schwangen und den Rest des Tages damit verbrachten, die Pisten herab zu fegen, um die letzten Fahrten der Lifte zu erreichen. Wir hatten einen riesigen Spaß und uns am Ende des Ausfluges jede ein großes Langos verdient.

Auch wenn die Sicht auf der Piste nicht optimal war, haben wir unseren Skinachmittag dennoch sehr genossen!

Passenderweise kam an diesem Abend mein Vater zu Besuch aus Deutschland angereist, nachdem er das letzte Mal vor über dreißig Jahren hier gewesen ist. Aufregend, jemandem aus der Heimat das neue Zuhause zeigen zu können! Wir ließen den ersten Abend ganz entspannt ausklingen und fuhren am darauffolgenden Morgen gleich los, um nach Târgu Mureș zu kommen. Die Stadt, nord-westlich von Brașov hatte mich schon seit langem mit den großen kulturellen Angebot gelockt. Umso schöner jetzt sogar mit meinem Vater und Johanna gemeinsam dorthin reisen zu können.

In Farbe und Form fügen sich die zahlreichen Kirchen Târgu Mureșs wirklich sehr harmonisch in den die Altstadt ein. Allerdings verläuft sich der Baustil mit jedem Meter, den man sich vom Zentrum entfernt.

Die Synagoge der Stadt war leider für Besucher geschlossen, als wir sie an diesem Tag besichtigen wollten, doch auch von außen gibt sie schon sehr viel her!

Târgu Mureș wirkt auf den ersten Blick gar nicht so besonders, wobei man auf den zweiten Blick ja bekanntlich erst die versteckten Details entdeckt. Die Hauptstraße im Stadtzentrum ist sehr hübsch hergerichtet und die orthodoxe Kathedrale unheimlich beeindruckend! Am ansprechendsten ist natürlich der gigantische Kulturpalast mit buntem, wie auch schon aus Sebeș bekanntem, typisch sächsischen Dach. Wir waren knapp zu spät, um das Bauwerk an diesem Tag noch zu besichtigen, weshalb wir uns das für den darauffolgenden Tag vornahmen und den Samstag noch dafür nutzten, die Stadt zu erkunden und die Sonne im Park zu genießen. Sehr empfehlenswert war gleich darauf unsere Bestellung (ganz untraditionell) in einem thailändischen Restaurant, aus der puren Begeisterung heraus, endlich mal eines gefunden zu haben! Gute asiatische Restaurants sind in Rumänien nämlich ähnlich schlecht zu finden, wie eine Stadt frei von dicken Tauben! Doch wir hatten Glück…

Der Kulturpalast mit seinem bunten Dach ist wirklich der Hingucker der Stadt. Von außen…

… wie auch von innen, wenn mit den Buntglasscheiben traditionelle Geschichten erzählt und gezeigt werden…

… wo es auch an einer sehr reichen Innenausstattung nicht mangelt.

Am nächsten Morgen liefen wir direkt zum Kulturpalast, wo wir vom begeisterten Lichtmechaniker des Gebäudes eine private Führung erhielten. Total glücklich, auf waschechte deutsche getroffen zu sein, hat er uns in allen Einzelheiten erklärt, dass die bunten Ziegeln auf dem Dach alleine pro Stück um die 36€ kosten und dass bis zu 30kg Gold im Palast verbaut wurden. Die Buntglasfront im oberen Stockwerk erzählt traditionelle Volksgeschichten des Landes und im Konzertsaal steht die Schwesterorgel zu der aus der schwarzen Kirche in Brașov, die sich über zwei Stockwerke nach oben erstreckt.

Aus einem riesigen Zufall heraus hat eine der Organistinnen gerade ihre Probe für ein Konzert am Abend begonnen, wofür uns unser Freund der Lichttechniker einlud im ersten Rang Platz zu nehmen, zuzuhören und die extra von ihm eingeschaltete Festbeleuchtung auf uns wirken zu lassen. Eine tolle Stimmung und besser als jedes volle Konzert aktuell, da wir zu dieser Zeit die einzigen Besucher waren.

Daraufhin fuhren wir weiter nach Turda, um die Salina zu besichtigen. Einige Freiwillige waren vor uns schon hier gewesen und hatten unheimlich von der Salzmiene geschwärmt, weshalb wir mit sehr hohen Erwartungen den Besuch starteten. Die Mine wurde so ausgebaut, dass es neben den alten Schächten einen riesigen unterirdischen Saal gibt, in dem ein indoor Freizeitpark errichtet wurde. Man kann Tischtennis spielen, Riesenrad fahren, nach Programm Theaterstücke sehen und auf einem Salzsee in kleinen Nusschalenbooten rudern gehen. Doch selbst die schönen Lichtinstallationen konnten nicht verdecken, dass die Höhle extrem voll war, weshalb wir uns ein bisschen unwohl fühlten, mit dem erhöhten Infektionsrisiko in geschlossenen Räumen.

Als wir wieder heil ans Tageslicht kamen, ging unsere Fahrt weiter nach Sibiu, vorbei an Alba Iulia und den Râpa Roșie, die gleich nochmal schöne Erinnerungen von der Woche zuvor weckten.

In Sibiu durfte natürlich ein Spaziergang durch die Altstadt nicht fehlen und mein Vater stellte fest, wie viel sich in den letzten Jahren verändert hatte, da er kaum noch etwas aus der Gegend wiedererkannte. Um weiter in der Geschichte zu kramen, fuhren wir am nächsten Morgen nach Cisnădie oder Heltau, wie der sächsische Name ist, wo Papa vor vielen vielen Jahren während eines Urlaubs rumänische Freunde gefunden hat und deren Gastfreundschaft noch sehr in Erinnerung hatte. Auf gut Glück wollten wir sehen, ob er etwas wiedererkennt oder wir sogar jemanden von damals wiederfinden können. Doch auch Heltau hatte sich ziemlich stark verändert. Gerade als wir die Suche aufgeben wollten, erreichten wir das Touristenbüro, in dem sich die sehr engagierte Mitarbeiterin unsere Suche zum Tagesprojekt erklärte und ihren Mann, den Dorfpolizisten, einschaltete. Über ganz viele Umwege gelangten wir an eine deutschstämmige Frau, die sich noch gut an das Ehepaar erinnerte, nach dem wir suchten. Sie konnte uns den Kontakt zu deren Neffen herstellen, der in Heltau geblieben ist und uns berichtete, dass die beiden schon vor vielen Jahren, nach der Wende nach Deutschland ausgewandert waren und seither dort leben.

Was für eine spannende Spurensuche! Ich glaube die Dame aus dem Büro war bei weitem noch aufgeregter als wir, als wir tatsächlich den Kontakt der alten Freunde erhielten.

Auf den ganzen Trubel erst mal eine Plăcintă! Das Haus der zwei konnten wir leider nicht mehr finden, doch unsere Detektivarbeit war schon zufriedenstellend genug gewesen und wir konnten guten Gewissens zurück nach Brașov fahren.

In der darauf folgenden Woche kramten wir noch weiter in der Geschichte, besichtigten das Schloss des Grafen Vlad Țepeș, der ja viel mehr unter dem Namen Dracula in die Erinnerung eingegangen ist und die Residenz des ersten Rumänischen Königs Carol (ein Namensvetter unseres Betreuers) in Sinaia. Außerdem erweiterte Luca nun unsere Gruppe, da er als weiterer Freiwilliger in Rumänien angekommen ist und mit uns zusammen in Brașov eingesetzt sein wird.

Beide sind wunderschön aber in grundsätzlich verschiedenen Stilen erbaut. Passend zum kalten, mittelalterlichen Flair in Schloss Bran hatten wir den Tag über einen plötzlichen Temperatureinsturz und sehr unangenehmen Schneeregen. Das hat die Gruselgeschichten, über Drachen, Werwölfe, Untote und den Sensenmann als personifizierten Tod besonders schön untermalt.

Ganz klares Gruselflair, wie das Schloss da im grauen Schneenebel auf dem kleinen Berg thront.

Von innen sieht es immerhin ein bisschen freundlicher aus, doch die hohen, dicken Mauern wirken dennoch ein wenig erdrückend.

Auf der anderen Seite hatten wir einen strahlend blauen Himmel und eine märchenhaft verschneite Landschaft, als wir das in den Karpaten versteckte Schloss Peleș besuchten. Jeder Raum sah hier verschieden aus und war in einem anderen Stil wundervoll dekoriert. An manchen Stellen womöglich etwas überladen und protzig, doch ich fand es immer noch traumhaft! Es gab so viele Details zu sehen und zu entdecken, dass der Rundgang über alle Räume und Etagen nicht langweilig wurde.

Von außen sieht das Schloss aus wie aus einem Märchen entsprungen.

Das Treppenhaus im Inneren. Mit Holz ausgekleidet, lauter Schnitzereien und Kunstwerken bestückt und von einem gläsernen Dach mit jeder Menge Tageslicht versorgt, zieht einen schon der erste Saal den man betritt in seinen Bann.

Leider neigte sich mit dem Ende der Woche der Besuch meines Vaters auch schon seinem Rückflug nach Deutschland entgegen und wir mussten uns sonntagmorgens schweren Herzens wieder voneinander verabschieden. Ausgeschlossen ist aber nicht, dass schon bald eine Rückkehr in das schöne Rumänien von ihm ausgehen wird.

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