Ich stehe an einem See. Drumherum: Milliarden von zarten, bunten Blüten, die sich zum Himmel recken. Sehr weit weg, an der anderen Uferseite, erkenne ich eine Silhouette. Ihr Gesicht ist verschleiert. Jedes Mal, wenn ich versuche, ihr in die Augen zu schauen, wird mein Sichtfeld milchig, fast, als würde ich erblinden. Ich wende meinen Blick ab. Ein fürchterlicher Sturm ergreift mich. Ich will rennen, merke bald, dass der Sturm schneller ist, dass er mich derart erfasst, dass ich ihn in meinem Inneren spüre. Ich springe in den See, um mich zu befreien.
Das Leben im Wasser ist wunderbar. Ein blauer, unberührter Planet, der ausschließlich aus Kristallen, Eiszapfen und Schneeflocken besteht. Ich erfahre, dass es sich um den Planeten der Tränen handelt. Gletscher aus Tränen, Grotten, alle Materie besteht aus geretteten und verwandelten Tränen. Ein feuchter Salzgeruch liegt in der Luft. Ich beginne, alle Schneeflocken und Kristalle mit meiner Zunge einzufangen, noch eine, eine Letzte, und eine Allerletzte, natürlich ohne zu bemerken, dass mein Gesicht blau anläuft, dann violett. Ich verliere das Bewusstsein. Mein Körper wird schwer. Ich sinke Richtung Grund.
Als ich nach Luft schnappe, ist der Sturm vorüber. Von sehr weit her höre ich eine dünne Stimme – die der Silhouette. Ich werde wach, berappele mich schnell und versuche sie auf der anderen Seite des Sees zu verorten. Ich lasse mich von ihrer Stimme leiten, aber sie scheint sich mit jedem Meter, den ich zurücklege, weiter zu entfernen. Ich laufe ihr hinterher, jogge, immer weiter, blind.
Plötzlich nähern sich zwei Fremde. Ich laufe ihnen in die Arme. Immer schon waren mir Fremde weniger fremd als die Silhouette. Mich in ihren Armen haltend, erklären sie mir, dass die Silhouette nur eine unter vielen sei. Unglücklicherweise könne sich jedoch genau diese nicht öffnen. Aber es würde andere geben, die dazu fähig wären. Aber welche? frage ich. Das musst du selbst herausfinden, antworten die Fremden, und lächeln. Aber du findest es nur heraus, wenn du aufhörst, deinen ewigen Kreis um den See fortzusetzen. Ich bin verwirrt. Aber warum? frage ich. Weil das ein Teufelskreis ist. Der Planet der Tränen ist von einem Teufelskreis umgeben. Eine schreckliche Stille breitet sich zwischen uns aus. Als die Fremden die Schwere in meinen Augen sehen, fügen sie hinzu, die Öffnung seiner Silhouette hängt von der Position der Sonne und des Mondes, der Leuchtkraft der Sterne und den Gezeiten ab. Das alles liegt weit zurück, sehr weit.