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Hoch, höher, La Paz

La Paz hat eine gelbe Seilbahn, die einmal durch das ganze Tal fährt, und dann hinauf nach El Alto auf 4000 Meter – so richtig das Gefühl für Höhe bekommt man wohl erst, wenn man da oben steht und auf La Paz heruntersieht. La Paz, immerhin auf über 3000 Metern, ist der höchstgelegene Regierungssitz der Welt. Ansonsten habe ich von la altura, der Höhe, bisher nicht viel Gutes gehört: Herzrasen, Kopfschmerzen, Schwindelgefühle, Übelkeit, Europäer und alle anderen Weicheier sollen sich die ersten Tage besser nicht bewegen und literweise den Nationaltee Mate de Coca trinken, um die Aufnahme von Sauerstoff im Blut zu beschleunigen. Bis jetzt habe ich keine Symptome, Mate de Coca habe ich trotzdem getrunken. Er schmeckt ein bisschen wie aufgegossenes Heu, aber nicht unbedingt schlecht.

Mein erster Arbeitstag war am Dienstag. Die Fundacion para el Periodismo (FPP) liegt im Stadtteil Sopocachi, wo ich auch wohne, also ziemlich nah und außerdem ziemlich schön direkt gegenüber von einer kleinen Konditorei in der man köstliche, mit Käse gefülte Teigtaschen kaufen kann. Die FPP hat drei Stockwerke, das Büro ist unter dem Dach, durch die Fenster fällt die Sonne auf die Schreibtische und man fühlt sich sofort wohl. Meine künftigen Kolleginnen und Kollegen haben sehr freundlich auf mein ausbaufähiges Spanisch reagiert und mir mit Deutsch ausgeholfen, wenn es gar zu lächerlich wurde.

Ansonsten habe ich diese Woche schon einen ziemlich guten Eindruck von den Aktivitäten der Fundación bekommen, weil hier gerade das siebte Modul der dualen Journalistenausbildung stattfindet, die die FPP in Kooperation mit der Deutschen Welle auf die Beine gestellt hat. Es ist die erste Lehrredaktion dieser Art, sie läuft seit dem letzten Jahr. Eine Woche im Monat kommen hier achtzehn Profis aus der bolivianischen Medienlandschaft zusammen, um noch besser zu werden. Diese Woche produzieren sie eine Nachrichtensendung für Kinder, es geht um Müll bzw. darum, was man alles mit ihm anstellen kann. Wir sind zu einer Plastikverarbeitungsanlage gefahren, wo man aus geschredderten Plastikflaschen so nützliche Dinge wie Schulbänke herstellt. Plastimadera heißt das Ganze dann und ist erstaunlich massiv. Warum man das nicht in Deutschland macht, ist mir ein Rätsel.

Hier ein besonderes Prachtstück „Müll“, das bald ein zweites Leben als Schulbank haben wird.

Morgen, am Samstag, wird die Sendung fertiggestellt, heute Abend stoßen wir aber schon mal in einer Karaoke-Bar auf das Ergebnis an. Netterweise wurde ich eingeladen, obwohl ich im Grunde keinen wesentlichen Beitrag geleistet habe. Auch zum Volleyballspielen haben sie mich diese Woche zwei Mal mitgenommen. Das findet hier in einer Squash-Halle statt und der Ball darf so ziemlich alles berühren außer die Decke und das Netz. Wenn man keinen geraden Ball schlagen kann, kommt man also trotzdem auf seine Kosten. Nach Basketballplätzen hält man allerdings vergeblich Ausschau, Und gerannt wird eigentlich nur, wenn man Gefahr läuft, ansonsten auf der Straße von einem Taxi überfahren zu werden.

Taxis kosten hier casí nada und fahren quer durch die Stadt. Man muss nur den Arm heben und schon hält eines an. Außerdem gibt es alle Arten von großen und kleinen Bussen, Privattaxen, SUVs, Schubkarren, keine Fahrräder. Der Teleferico, so heißt die gelbe Seilbahn, verbindet die Stadtteile und ist in erster Linie ein Transportmittel ohne touristische Hintergedanken. Am Sonntag fliegen wir mit einer Gondel nach El Alto und gehen dort auf den Markt, der der größte in ganz Bolivien sein soll. Das wird sicher ein Erlebnis – hoffentlich geht mir da oben nicht die Luft aus.

 

 

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