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Vatertag fehlt!

Da wird immer alles getrunken, was sich aus Obst und Getreide an Treibstoff herauspressen lässt. Ein gelungener Vatertag endete mit dem Verlust der Muttersprache und Polizisten fühlen sich in der Alkoholkontrolle wie Hochseeangler im Makrelenschwarm: Alle 30 Sekunden hatte man einen am Haken.

Wenigstens einmal im Jahr erlebte die heranwachsende Jugend in aller Öffentlichkeit die elterliche Autorität aus einer anderen Perspektive: Kuck, so sieht der Papi also von oben aus.

Auch ein Stückchen (nord-)deutsche Kultur. Worauf meine Chefin meinte, das sei ja schlimm. Ich dachte an Bielenberg und Deiche. An Bier und Flohmarkt. An Doppelkorn und Kartoffelsalat.

Fahrradtouren oder Bollerwagenausflüge, was man eben so macht an Christi Himmelfahrt.

In diesem Sinne, alles Gute zum Vatertag Papa! <3 😉
Im nächsten Jahr wird wieder gegrillt und Astra-Fläschchen geleert.

Drunk Germans.

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Unter Mormonen

Der Tag der Arbeit fiel in diesem Jahr auch in Bolivien auf einen Sonntag. Aber keine Zeit für lange Gesichter, wir hatten dafür am Montag frei. „Es kann nicht sein, dass den Arbeitgebern regelmäßig zusätzliche Arbeitstage geschenkt werden, die eigentlich als bezahlte Feiertage den Beschäftigten zustehen“, sagte die Bundestagsabgeordnete der Linken Sabine Zimmermann. Dem kann ich dann mal so zustimmen. Jetzt aber schnell zum eigentlichen Thema.

Ich habe ein optimales Wochenende gehabt: Eine Nacht mit Freunden feiern, einen Kater-Tag mit Chicha* und Mitbewohner verbringen und trotzdem noch zwei Chicha-BucketTage reisen können und eine Freundin besuchen.

Von diesem Besuch möchte ich erzählen. Besser gesagt von ihrer Religion.

*Chicha ist ein typisches, leicht säuerliches Maisgetränk aus der Region Cochabamba, auf dem Bild zu sehen, in einem neuen Artikel zu lesen.

 

Nach 9 Stunden im Nachtbus für etwa 9€, komme ich morgens in Montero an. Montero liegt auf dem Weg nach Santa Cruz de la Sierra in der Regenwaldregion Chapare. Da wird das Coca für Kokain angebaut. Aber pssst! Wie sich sonst einige ihre riesigen Land Rover, Outlander, SUV , Pathfinder, Cruiser und wie die Modelle heißen leisten können, hatte man sich schon in den 80ern vor den großen Razzien gefragt. Übrigens 1985 für den Spiegel recherchiert. Und auch in Pulp Fiction geht es um Kokain aus derselben Provinz. Aber das nur als kleine Notiz am Rande 🙂

CBBAMONTERO

In der Mitte der Strecke liegt einer der größten Coca-Anbau-Gebiete. Und Umschlagsplätze. Weiterverarbeitung und Schmuggel.

Der Busfahrer wünschte mir jedenfalls eine gute Weiterfahrt und ich stieg noch recht müde aus und auf das nächste Motorradtaxi. Durchgepustet vom Fahrtwind steige ich am anderen Ende der Kleinstadt ab und fahre weiter nach Minero, einer noch kleineren Kleinstadt. Dort wohnt sie also.

Mormonen in Minero

Angekommen in ihrem Haus frühstücke ich und ziehe mich um für die Kirche. Es ist Sonntagmorgen und es ist üblich für Mormonen einen Gottesdienst in der Kapelle zu feiern. Sie und ihre Familie sind Mormonen. Alle haben sich sehr schick gemacht: Anzüge, lange Kleider, Krawatten und weiße Hemden haben auf den Plastikstühlen Platz genommen. Unter ihnen auch die jungen Missionare, die mit ihren schwarzen Schildern an der Brust als solche ausgewiesen sind. Über unseren Köpfen kreiseln 16 Ventilatoren, der Raum ist es trotzdem stickig. Ich sitze zwischen ihren Eltern, die mich abwechselnd halb argwöhnisch, halb grinsend anschauen. Ich fange die Blicke auf, achte aber nur darauf, was sie machen, um es nachzuahmen.
Buch aufklappen. Buch zuklappen. Zuhören. Lesen. Nicken. Gesicht verzerren. Klatschen.

Es wird gesungen und ich werde eingeladen, am Abendmahl teilzunehmen. Eine Predigt gibt es nicht, das Herzstück des Gottesdienstes besteht aus öffentlichen Beichten, Lobpreisungen und Bitten. Die Beiträge, von Kindern stockend vorgelesen, von Familienvätern frei vorgetragen und von Omas wieder stammelnd abgelesen, sind unterschiedlich und folgen keinem Rhythmus. Eine einheitliche Meinung gibt es nicht, in den 30 Minuten fallen immer wieder Begriffe wie, ich weiß, dass…,  der Herr sieht alles, meine Liebe zu Gott ist …, es ist schön, dass…, ich versuche zu verstehen, wie… 
Auch meine Gastgeber sprechen. Sie zwinkert mir dabei vom Rednerpult zu. Nach dem Ende des offiziellen Teils, schütteln mir viele die Hände und wünschen mir eine gute Zukunft und ein herzliches Willkommen unter den Mormonen.

Ich war bereit zum fürs Mittagessen und fühlte mich noch leicht gerädert von der Fahrt, da wurde ich in einem Raum mit anderen Mitglieder geführt, wo nun eine Unterrichtsstunde stattfand. Wenn sowieso alle in der Kirche sind, dann kann man schließlich auch noch gleich einige Bibelstellen lesen. Jeder stellte sich mit Namen und einer Sache, die ihm Spaß macht, vor. Die Kleingruppe wird betreut von den Missionaren, die zwei Jahre freiwillig im Dienst der Kirche arbeiten.

Das könnte ich mir nicht vorstellen. Sie reisen nicht, sie kümmern sich jeden Tag der Woche um die Mitglieder und haben ein sehr enges Verhältnis zu den Familien. Sie leben in einer Stadt, kleiner als Krempe und daran ändert sich auch zwei Jahre nichts. Sie kennen praktisch jeden Horst, aber weder Elskop noch Sommerland. Damit will ich es bei schleswig-holsteinischen Parabeln belassen.

Nach dem Kurs zum „Heiligen Geist“ sitze ich eine weitere Stunde in einer Runde aus Männern, die sich über die Gestaltung des Abendmahles beraten. Die Frauen sitzen zu einem anderen Thema zusammen. Alles ist sehr persönlich. Man kennt sich hier gut.

Hungrig freue ich mich auf das Ende der Sitzung.

Dann kommen noch einmal alle Mitglieder zusammen: Welche Mitglieder können helfen beim nächsten Straßenfest? Wer hat eine grosse Pfanne, wer eine Hüpfburg? Welches Ehepaar kann die Missionare zu einem Gespräch mit einer Familie mit Eheproblemen begleiten? Vielleicht könnte man das Datum verlegen? Helfende Hände und wissende Köpfe sind schnell gefunden. Man kümmert sich umeinander, macht sich Sorgen, sollte eine Familie nicht mehr kommen.

Zum Schluss gibt es nach 4 Stunden einen Mini-Donut und eine Coca Cola. Dann fahren wir zum Mittagessen.

Dabei will ich es belassen, ich habe gesehen, wie viel es ihr gibt, wie wichtig es ihr ist. Ich respektiere das, werde aber das Buch, das sie mir geschenkt hat, nicht lesen. Die Widmung ist trotzdem sehr schön.

Heute ist die Miraç-Nacht bei den Muslimen.
Für mich sind diese Feste nicht wichtig, es ist aber interessant zu sehen, wie wichtig dieselben Feste für andere Menschen sind.
Bis Bald.

In der alten Version habe ich Mormonen auch als Zeugen Jehovas bezeichnet, das ist nun geändert.

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Ein fast vergessener Traum.

DSC_0913Plötzlich werden die Erinnerungen aus einem längst vergessen geglaubten Traum wach. Sie kommen so schnell wie sie wieder verschwinden. Eine Person, eine Umgebung, ein Blick, ein Geräusch, ein Kopfnicken und die Szene wirkt komplett.
Ich bemerke, wie ich die Situation erkenne und weiß wie sie laufen wird/könnte/würde/lief. Bis zu einem Punkt, an dem ich mich entscheide.ausscheide. An dem Punkt, an dem ich wach sein muss.wachsam sein muss. Ich warte gespannt das Ende der Sequenz ab und habe so doppelte Zeit zum Überlegen.

„Im Traum funktioniert der Verstand wesentlich schneller, deshalb fühlt sich die Zeit langsamer an“. – aus Inception.

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Sommergoldhähnchen in der Heide & Rotkehlchen zwischen Apfelblüten

Ich sammel gerne. Ich habe als Kind Briefmarken gesammelt. Nicht aus einer Leidenschaft heraus, auch nicht um sie zu besitzen, oder später, wenn sie noch älter wären, als sie sowieso schon waren, einmal Geld damit zu machen, nein – ich habe sie schlicht gerne sortiert und geordnet. Was jetzt zwanghaft klingt hatte etwas spielerisches, die Ordnungen unterstanden zugegebenermaßen manchmal auch nur meiner eigenen Logik. Ich möchte eine kurze Geschichte erzählen, sie handelt von Antiquitäten und Eis.

Und ich habe auf der alljährlichen Versteigerung im Gemeindehaus bemalte Sammelteller ersteigert. Mit 12. Großartig, nicht wahr? Fand zumindest ich. Ich habe bemalte Sammelteller gesagt, ihr könntet ruhig ein wenig Begeisterung zeigen, sieht ja schließlich keiner, während ihr das lest.
Das Prinzip war einfach: Um den Kram an die Bieterschaft zu bringen, wurden Bananenkisten bis obenhin mit Schrott gefüllt, und gefühlt pro Kiste eine Kostbarkeit gelegt, für die es lohnte zu bieten. Startgebot: Ein Euro, ein potentieller Schnapper, könnte man sagen.

Also, ich habe an den zwei Tagen Versteigerung so viele Kisten für ’nen Appel und ’n Ei ersteigert und hartnäckig erboten, dass man sich später fragte, was ich denn eigentlich damit wollte. Dazu kam, dass die Kisten wie erwähnt bunt zusammengewürfelt waren, teilweise rangierten die Sammlteller auch nur unter ferner liefen im Inhalt. Nebensächlich oder zweitrangig, für mich jedoch entscheidend. Die Kisten waren vorher von mir genau in Augenschein genommen worden, in vielen Kisten ließen sich Sammelteller bei der Inspektion finden.

Nach einiger Zeit, wenn eine Kiste aus Puppenspielzeug, einer kaputten Wanduhr, einem Pfannenwender-Set und einer Ansammlung aus allerlei anderem, das garantiert kein Mensch brauchte, keinen Bieter fand, erwähnte der Pastor, der die Versteigerung mit dem Hammer auf einer Leiter in mitten des Getümmels passioniert leitete, es befänden sich nun ja auch gewisse Sammelteller in der Kiste. Jackpot!
Meine Mutter, die neben mir stand, schaute ihn halb böse, halb besorgt an und schüttelte den Kopf, doch ich ergriff die Chance und hob die Hand für das erste, einzige und letzte Gebot. So habe ich an zwei Tagen viel Taschengeld gegen viel Gerümpel und Sammelteller tauchen müssen und wusste, wie es sich anfühlt, reich zu sein, aber nicht zu wissen, wie ich mir ein Eis kaufen würde. Unter einigen irritierten Blicken, verließ ein Zwölfjähriger glücklich grinsend die Versammlung, in dem Wissen einen gute Investition getätigt zu haben.
Die Kisten musste ich an einem anderen Tag abholen, das ging mit dem Fahrrad schließlich alles nicht. Mein Taschengeld wurde der Gemeinde in Schlesien gespendet, was aber nie eine Rolle spielte. Was jedoch sehr wohl eine Rolle spielte: Meine Ansammlung von bemalten Tellern. Meistens waren sie nicht sonderlich hübsch anzusehen oder besonders interessant von den Motiven oder Plätzen, Figuren oder Städten, denen sie huldigten, aber das machte nichts. Sie hatten jeder ihre eigene Geschichte und nun waren sie beinahe alle versammelt auf unserem Dachboden, und das war nun Teil ihrer Geschichte. Poliert, sortiert, umsortiert und in Kisten gepackt. Abwechselnd sortierte ich nach Jahreszahlen, Sonderausgaben, Erstausgaben, Motivserien (Tiere, Kirchtürme, Blumen, Stadtbilder, Jahreszeiten, usw.), Herkunft der Porzellanmanufaktur, Farben usw..
Ja, das war vielleicht eine Arbeit. Meine Mutter fand später noch verborgene Schätze unter dem lästigen Beifang, so hatte jeder etwas davon.

Ein halbes Jahr später, als mein Vater meinte, das mit den Kisten nähme aus Gründen Überhand, saß ich stolz wie Oskar auf dem Glückstädter Kinderflohmarkt und hatte die bestsortierteste Sammelteller-Sammlung der ganzen Stadt auf meiner Decke anzupreisen, während andere sich andere bloß von ihren Pokemon-Karten trennten.

Nun ja, dieser Fakt wurde nicht mit außerordentlichem Interesse überschüttet, nur ab und zu blieb jemand stehen, um Fachgespräche anzufangen oder nach einem bestimmten Teller zu suchen. Ansonsten blieben bloß Blicke für den jungen Mann mit den bunten Tellern. Am Abend des Kinderflohmarktes der Matjeswochen diesen Jahres hatte ich zwei Omas sehr glücklich gemacht und nun fand sich ein großzügiger und interessierter Käufer vor meiner Decke ein. Woher ich denn so viele von denen hätte. Ja, da könnte ich ihm was erzählen, das war vielleicht ein Fang, gab ich zu.

Mein Stand wurde nach kurzer Prüfung und vielsagenden Blicken in einem Zug aufgekauft, nachdem die sonstigen Einnahmen und Verkaufsgespräche an diesem Tag ehr mäßig bis schleppend liefen.
Von dem gewonnen Geld kaufte ich mir einen Sommer lang Eis.

Wer sich nun die ganze Zeit gefragt hat, wie denn so ein Sammelteller aussehen könnte, hier sind die beiden titelgebenden Teller. Schluss mit verlogener Zurückhaltung: Geschmackstechnisch auf der Pole-Position.
Alle Hüte ab: HERE COMES THE REAL SHIT!

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Mehr Titi als Caca, bitte! ¯\_(ツ)_/¯

Der Titicacasee, in dem ich letztes Wochenende eine kühle & kurze Runde um den hölzernen Steg gedreht hatte, ist ein ökologisches Desaster. Achja? Warum? Jetzt im Text von Öko-Control.

Ich stehe auch hier für den Umweltschutz ein. Koste es was es wolle, wir können nicht weitermachen, als hätten wir ’ne zweite Welt im Keller. Props* an Culcha Candela an dieser Stelle, im Dänemark-Urlaub mit meinen Eltern haben Jonas und ich dieses Lied im Wohnmobil rauf und runter gehört. 2009, glaube ich. Persönliche Anekdote Ende.

Grüne Jugend Glückstadt goes Lateinamerika. Peinlicher Slogan Ende.
Gut, ich habe vor meiner Abreise auch schon “ ’ne Weile “ nichts mehr sonderlich aktives für den Verein getan. Es ist und bleibt trotzdem ein wichtiges Thema für mich.
Unser Planet ist nicht verhandelbar. Schöne Parole Ende.

Also, kommen wir zum Thema: Es wurde ein Artensterben im Titicacasee verzeichnet und das liegt vor allem ein einem: Es gibt mehr Caca als Titi im See.

Müll und Abwasser aus verschiedenen Flüssen sammeln sich in der Bucht von Cohana, auf bolivianischer Seite des Titicacasees. Die Umweltverschmutzung entzieht nicht nur den Bauern die Lebensgrundlage, sondern sorgt auch für dreckiges Trinkwasser.

IMG_3654Aber nun von Anfang an: Apu Qullana Auki – der Inka-Gott, der das Universum erschaffen hat – bestrafte die Menschen einst mit einer großen Flut. Als Folge dieser Flut entstand demnach der Titicacasee. Er ist mit 3800 Kilometern über dem Meeresspiegel der höchst gelegene schiffbare See der Welt. Später wurde er für die Inkas zu einer Art Garten Eden. Es ist ein mythischer Ort, an dem laut der Legende die ersten Menschen erschaffen worden sein sollen: Manco Capac und Mama Ocllo, in etwa Adam und Eva der Inkas. Heute könnte der Titicacasee an der Grenze zwischen Bolivien und Peru dem Paradies jedoch kaum unähnlicher sein: Wenn sich das Wasser in der Trockenzeit zurückzieht, kommen tonnenweise Flaschen, Dosen und Plastiktüten zum Vorschein.

Viele umliegende Flüsse leiten Abwasser und Müll der Städte in den See. Beispielsweise die Großstadt Puno in Peru, steuert das nötige Caca zum Namen des Sees bei.
In Copacabana, ein Wallfahrtsort des bolivianischen Tourismus, findet sich viel Müll an den Abfahrtsorten der Schiffe zur Isla del Sol und eine Fischverkäuferin erzählt mir, dass es Jahr für Jahr weniger Fische gäbe. Ob das nun an der Umweltverschmutzung oder an der Fischfangmethode liege kann sie mir nicht sagen. Jedenfalls steht fest, es gibt ein Problem, dem sich die beiden Regierungen nun auch annehmen. Mit mäßigem Erfolg. Das Wasser ist nach wie vor verschmutzt, man hat das nun wissenschaftlich festgestellt, und die Abfälle und Abwässer laufen weiterhin in den See.

IMG_3711Die Kühe, die Wasser aus dem See trinken sind von Leber-Parasiten befallen, werden dünner und geben weniger Milch. Die Menschen die den Käse verkaufen können weniger herstellen und verkaufen nicht mehr wie früher.
Wenn man kein Programm zur Liebe der wunderschönen Natur und der guten, alten Pachamama aufstellen möchte, dann wenigstens wegen der sozialen Aspekte.
Außerdem will dann bald gar keiner mehr im Titicacasee baden und dann wäre das Verhältnis von Titi zu Caca noch schlechter als zu vor. Klärschlamm, Schwermetalle und Müll, gehören nicht in dem heiligen See der Inkas!

Für mehr Titi als Caca im Titicacasee 🙂

*((Subst.) von engl. proper respect; Respektsbekundungen (People Respect Other People Seriously))
ökoali

Mehr Infos: http://www.sueddeutsche.de/wissen/artensterben-im-titicaca-see-giftige-chemikalien-im-heiligen-see-der-inkas-1.2514668-2

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Ankommen, Neuentdecken, geil, überraschend, Visum

Ja, ich kümmere mich morgen (wieder) um mein Visum.
Nein, ich gehöre nicht zur neuen Ausreise-Generation, die seit dem 12.März in aller Welt ist.

Ich lese in vielen Blogbeiträgen gerne die Wörter Ankommen, Neuentdecken, schön, überraschend, Visum.
Nun gut, vieles trifft nach einem halben Jahr auch auf mich zu, aber im besonderen geht es mir im Moment um das letzte Wort: Visum.

IMG_2556Ich habe nun alle meine Papiere zusammen und bin motiviert um 5 Uhr aufgestanden um meine Dokumente bei der Migrationsbehörde abzugeben.
Hm, da war jetzt ’ne Lüge dabei: otiviert lässt sich durch üde austauschen, das m darf bleiben.
Um kurz vor halb sechs stehe ich verschlafen als zehnte Person in der Schlange vor der Migrationsbehörde. Dort bleibe ich bis um halb neun, wenn die Behörde ihre Türen öffnet. Ich lasse meinen Blick über die Leute schweifen, die schon vor mir sich aufgemacht haben um hier zu Warten. Oder vielleicht einfach gestern nach Schließung der Behörde hier in der Schlange sitzengeblieben und eingeschlafen sind. Einige trinken Tee, andere schlafen, wieder andere unterhalten sich mit Sitznachbarn über ihr Leid.

Währenddessen kommen andere Menschen angehastet, fragen (meist in Anfänger-Spanisch) nach dem Ende der Schlange und setzen sich ermattet auf den kalten Boden. Die Sonne ist noch nicht aufgegangen und so bin ich froh, meine Jacke dabei zu haben, auch wenn es später 30°C werden sollten. Meine Dokumente sind schwer in der Tasche und ich setze mich hin.
Auf den kalten Steinboden, gegen die kalte Wand gelehnt.
Zum Glück habe ich einen solchen Berg an Dokumenten beantragt, dass ich mir einen Stuhl basteln kann und nicht im Kalten sitze. Ein US-Amerikaner blickt mich an, zögert kurz und tut es mir mit einem zunicken „gosh great idea man“ nach.
Scheint wohl jetzt schon wegen Trump hier zu sein.
Die restlichen Wartenden frieren sich weiter den Arsch ab. Nur einer, mit einem mexikanischem Sombrero auf dem Kopf, hat sich einen Hocker mitgebracht.
Scheint nicht das erste Mal zu warten.

Weitere Stunden vergehen, ein sehr aufgeregter Uruguayer erscheint und fragt auch genauso aufgeregt und uruguayisch nach dem Ende der Schlange, welches sich mittlerweile um die Ecke verlagert hat. Er wird bis zur Öffnung der Tür noch dreimal fragen, ob wir auch alle wegen des Visums hier sind. Für diejenigen, die noch nicht so viele aufgeregte Uruguayer sprechen gehört haben: Es klang in etwa so, als wenn ein Schwabe nicht mehr weiß wohin. Kleines Beispiel? Aus fila, was so etwas wie Warteschlange (Reihe) bedeutet, wird fischa. Aus Playa wird Plascha. Und das alles mit einem sorgenerfüllten Gesicht und schlotternden Beinen. Das sollte reichen, um sich meinen einzigen Spaß an diesem Morgen vorzustellen.

12768093_1105937369437188_649475730_oAnsonsten habe ich festgestellt, dass ich Hunde tatsächlich nicht viel abgewinnen kann. Nicht, dass ich das nicht in meinen täglichen Zusammenleben mit fünf von ihnen (und einem süßes Rottweiler-Baby, aber das wird ja wahrscheinlich auch noch größer..) feststellen könnte, aber heute wird es mir besonders deutlich.
Auf dem Weg im Dunkeln fühlten sich zwei kläffende Straßenhunde zu einem Wettrennen mit meinem Fahrrad herausgefordert, was mich leicht aus der Spur brachte, und nun im Park vor der Behörde, ging die Eine unvermittelt weg, als der Andere mit ihr Sex hatte.
Wirklich nicht so das Verhalten, was mir zusagt.

Gut, es wird also endlich 8.30 und ich bekomme eine Marke mit der Nummer 10 zugewiesen und bin sofort an einem Schalter mit einem Mitarbeiter bedient. Ich grüße freundlich, gebe meine Dokumente ab und warte auf seinen prüfenden Blick. Dieser wird geblickt und es folgt ein kritisches Kopfschütteln. Innerlich zittere ich nun wie der Uruguayer und warte auf ein erlösendes Zeichen. Doch es kommt nur der erschütternde Satz: „Diese Dokumente sind ungültig, sie haben eine Gültigkeit von 90 Tagen. Sie werden sie neu beantragen müssen.“

Man stelle sich das vor: Sie haben länger als drei Monate von der ersten bis zur letzten Unterschrift auf diesen nutzlosen Blättern gebraucht und nun darf ich erneut so lange um Unterschriften auf nutzlosen Blättern bitten, bis auch die letzten nutzlosen Blätter abgelaufen sind und ich diese neu beantragen darf. ¡Carajo!
Und als Sahnehäubchen habe ich auf diese Erkenntnis drei Stunden gewartet.

Das checke ich jedoch erst, als ich auf meinem Fahrrad sitze. Überlege kurz, ob diese Erkenntnis es wert ist die Migrationsbehörde anzuzünden oder zu mindestens dem Sachbearbeiter gründlich meine Meinung zu geigen, entscheide mich jedoch gegen beide Optionen.
Es ist alles ein Witz. Und zwar leider ein sehr schlechter.

Jetzt geht es nur noch mit Geld voran. Vielleicht sogar schneller als gedacht. Am nächsten Mittwoch läuft mein Tourismus-Visum ab und ich benötige dringend etwas neues.
Ich habe einen gutvernetzten Anwalt empfohlen bekommen und ich ihm meinen Pass und mein Geld gegeben.

So sind hoffentlich bald nur noch die Wörter Ankommen, Neuentdecken, geil, überraschend zutreffend.

Zum Abschluss noch ein süßes Hundebild, weil sie so süß ist:

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Kiera <3 Auch wenn du mein Netzteil-Kabel zerbeißen musstest, ich mag dich.

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Politik – Ein unmoralisches Angebot

Einleitung

Ich habe mich lange darum gedrückt diesen Artikel zu schreiben. Aus Respekt vor dem Thema. Nun habe ich zu lange gewartet um ihn noch vor den Wahlen zu veröffentlichen, also musste ich ihn umschreiben. Erneut. Denn die bolivianische Politik ist wie jede Politik ein spannendes Feld, nicht nur für ausländische Betrachter. Ich habe mit vielen Menschen hier gesprochen, meistens habe ich sie ausreden lassen und mir versucht ihre wichtigsten Aussagen zu merken. Ich hoffe, ich habe sie richtig verstanden. Meine eigene Meinung zu den Vorkommnissen der letzten Tage habe ich mir trotzdem nicht bilden wollen, zu groß der Respekt, aber auch und mein Unkenntnis.

Worum geht es?

evo-moralesHauptsächlich gibt es in Bolivien ein Gesicht der Politik: Evo Morales. Er ist seit 2006 der bolivianische Präsident und mit seiner linken Partei „Bewegung zum Sozialismus“ sehr beliebt. Präsident bleibt er auch noch sicher bis 2019.
Nun hat er für seine vierte Amtszeit gekämpft und verloren.
Die bolivianische Verfassung sieht vor, dass ein Präsident höchstens zwei Amtszeiten regieren darf. Wieso Evo Morales dann in seiner dritten Amtszeit ist? Weil 2013 das oberste Gericht entschied, dass Morales‘ erste Amtszeit wegen einer Umbenennung der Staatsform von 2009 nicht mitgezählt werden kann. So wurde ihm eine dritte Amtszeit ab 2014 möglich. Eigentlich wäre nun 2019 Schluss – doch das wollte der Präsident verhindern. Durch Änderung des Artikels 168 wollte er mit Vizepräsident Álvaro García Linera die Option auf eine nochmalige Wiederwahl und dann – im Falle eines Wahlsieges – eine vierte Amtszeit erreichen. Das Thema wurde kontrovers diskutiert in Straßen und an Hausmauern. Viel Angst gab es um einen Wahlbetrug, die Wahlen wurden jedoch von Beobachtern als fair erklärt. Am letzten Sonntag war es soweit und die gesamte bolivianische Gesellschaft stimmte ab.
Die gesamte? Ja, de gesamte Gesellschaft, denn hier herrscht Wahlpflicht. Die Sanktionen betreffen Bankgeschäfte, für die betreffende Personen drei Monate gesperrt werden können. An Wahlwochenenden gibt es ein striktes Alkoholverbot und ein Fahrverbot für den gesamten Verkehr. Ich bin dann mal Rad gefahren und habe Orangensaft getrunken 😉

Zum Ergebnis

12744612_10208582578227665_7637099233122645415_n52 Prozent der Wähler stimmten gegen eine dafür notwendige Verfassungsänderung und nur 48 Prozent dafür. In den ländlichen Wahlbezirken, verliert Morales seinen Rückhalt um durchschnittlich mehr als 5 Prozent im Vergleich zu den Präsidentschaftswahlen im Jahr zu vor. Vor allem in den Städten wurde seinem Vorhaben eine deutliche Absage erteilt. 2014 hatten ihn noch 64 Prozent der Bürger zum Präsidenten gewählt.

¡Con Evo vamos bien!

In der beinahe 200-jährigen Politik-Geschichte Boliviens gab es keinen Präsidenten, der so lange Zeit regierte: Es ist eine lange Zeit der Stabilität und des Wachstums sagen die einen. Sie beziehen sich auf das kontinuierliche Wirtschaftswachstum der letzten Jahre um durchschnittlich 5% im Jahr, was weit über dem regionalen Durchschnitt liegt. Die Zeit attestierte dem linksgerichteten Morales eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik: Seit dessen Amtsantritt seien durch Steuererhöhungen und Verstaatlichungen die Staatseinnahmen bis Evomorales-cropped2013 um 460 Prozent gewachsen, woraus die bolivianische Regierung diverse sozialpolitische Maßnahmen finanziert habe. Auch habe sich die Umverteilungspolitik positiv auf den Konsum ausgewirkt. Die 60% der Menschen, die in den ländlichen Gegenden leben und nicht in den Städten, sind durch die Reformen der linken Regierung nun besser da gestellt als vorher. Auch die gesamte indigene Bevölkerung ist sichtbarer geworden und erhält mehr Unterstützung vom Staat, beispielsweise bei Missernten oder Verhandlungen über Ländereien zur Gasförderung. Die Sozialreformen wurden bezahlbar dank guter Einnahmen aus dem 2009 verstaatlichten Gasgeschäft, die Exporteinnahmen sind um das Neunfache angestiegen. So gelang es, die Infrastruktur stark auszubauen und zwischen 2005 und 2014 den Anteil der Armen an der Gesamtbevölkerung von 53 auf 29 Prozent zu senken. Das Sozialprogramm der Regierung beinhaltete ebenfalls Subventionen für Schulkinder und Pensionen für ältere Bürger einzuführen. Auch die Weltmarktpreise für Quinoa stiegen, sodass sich die Anbauflächen in Bolivien verdreifachten seit 2009. (Die Monokultur von Quinoa wird Thema eines neuen Artikels). Das brachte mehr Arbeitsplätze und ein erhöhtes Bruttoinlandsprodukt und beflügelte den Aufstieg der bolivianischen Wirtschaftskraft.

¡No a la Re-Re-reelecion!

Andere werfen Morales allerdings autoritäre Züge vor. Auch sei der Einfluss Chinas auf seine Politik und Rohstoffförderung in ökologisch sensiblen Gebieten groß. So steht Gabriela Zapata gerente de Camcebeispielsweise die 28-jährige Ex-Freundin des Präsidenten als Verhandlunsgführerin und Juristin dem Unternehmens CAMC vor. Mit diesem waren Investitionsprogramme und Rohstoffförderungen ausgehandelt worden. Wie Gabriela Zapata in der kurzen Zeit ihre Abschlüsse und diese Karriere geschafft haben soll, wird in den Klatschblättern aber auch seriösen Zeitungen unlängst diskutiert. Am Wochenende kam es nun zu ihrer Festnahme. Das chinesische Unternehmen betreibt Ausländische Direktinvestitionen in Bolivien. Jedoch gibt es um die Vertragsabschlüsse einige Korruptionsvorwürfe. Insgesamt erlebt man um Morales‘ Bewegung zum Sozialismus viele Korruptionsskandale. Der Bürgermeister der zweitgrößten, an La Paz grenzenden Stadt El Alto wurde aus dem Amt gejagt, er sitzt im Gefängnis. Nun regiert eine Oppositionspartei im Rathaus. Nun gab es einen Brand im Rathaus von El Alto, kurz vor alcaldia_el_altodem Referendum: 6 Menschen werden bei einem Feuer getötet. Beschuldigungen gehen in alle Richtungen, die Polizei reagierte nicht auf Anrufe. Es gibt Gerüchte, dass Dokumente über die Korruption der Polizei verbrannt wären und die Polizei folglich ein gewissen Eigeninteresse daran gehabt hätte, nicht zeitig einzugreifen.
Ein weiterer Nachteil für die MAS-Regierung ist der Rückgang des Wirtschaftswachstums in den letzten Monaten, der auch die ambitionierten Sozialprojekte der Regierung ausbremst. Dadurch ist der Wahlspruch „Mit dem Ja für Kontinuität, Entwicklung und Stabilität – für Deine Zukunft“ weniger wirkungsmächtig. Dass Morales die versprochene Stabilität nur bedingt garantieren kann, demonstrierten Anfang Februar die Transportarbeiter: mit in diesem Ausmaß lange nicht da gewesenen tagelangen Straßenblockaden, die das ganze Land ausgerechnet vor der Karnevalszeit mit normalerweise starkem Reiseverkehr für eine Woche lahmlegten.

Bolivianische Stimmen

referendo2016-infografiaEin Schüler kommentierte zum Ergebnis: „Ein Glück hat das Nein gewonnen, natürlich hat sich Bolivien gut entwickelt, vieles ist besser geworden. Aber wäre es das nicht auch mit einem anderen Präsidenten geworden?“ Eine Lehrerin ergänzt: „Die Quinoa-Preise wären auch ohne ihn gestiegen und das Lehrergehalt zu halbieren, war eine schlechte IMG_1133Entscheidung.“ Mein Mitbewohner meint: „Er hat viel angefangen, sich in Korruption verstrickt und hauptsächlich für die Armen Politik gemacht. Die Interessen der Städter sind auf der Strecke geblieben. Das ist in Ordnung, es war dringend nötig, dass sich jemand um die Campecinos kümmert, aber dann muss man sich auch diesen Vorwurf gefallen lassen.“ Ein Taxifahrer sagt, er verehre Evo, er sei ein echter Bolivianer und grenze sich klar von dem imperialistischen Amerika ab, „… dass es Amerikaner nun schwerer haben, ein Visum zu bekommen, ist absolut gerechtfertigt durch ihre Vergangenheit in Lateinamerika.“ Für seine Familie sei vieles besser geworden, sie hätten Arbeit gefunden auf Baustellen und in Taxibetrieben. „Man braucht eben Zeit, ein kaputtes Haus wieder aufzubauen“, versuchte IMG_1083eine Verkäuferin auf dem Markt es in ein Bild zu übersetzen. Außerdem gäbe es überhaupt keine anderen Kandidaten, die Evo ersetzen könne. Sie sei „Generacion Evo“ und das könne auch gerne so weiter gehen. „Für die Campecinos“, ergänzt sie, „hat er viel gemacht. Sie sind viel sichtbarer geworden und haben mehr Rechte bekommen“. Ein Kopierladenbesitzer äußert sich kritisch auf die Frage nach dem Referendum: „Er will nur seine Macht sichern, dass dürfen wir nicht zu lassen. Morales wird verlieren, weil die Menschen diesen arroganten Schachzug erkannt haben.“ In Corioco sagte eine Frau an einem Saltena-Stand zu mir: „Dass er das Koka legalisiert und entkriminalisiert hat, ist sein größter Verdienst. Er gab uns unsere Arbeit zurück.“

sino

Der Präsident hat noch 4 Jahre Zeit für seine Politik. Bei Interesse schreibe ich einen neuen Artikel zur bolivianischen Politik. Ganz sicher auch nicht so lang.

 

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Colonia Dignidad – mit Brühl und Watson

In diesen Tagen kommt ein Film in die deutschen Kinos, der in Lateinamerika spielt. Colonia Dignidad heißt er, spielt in der geografischen Mitte von Chile und ist nah an der vergangenen Realität gedreht. Als ich den Trailer sah, fing ich an, mich mit dem Thema zu beschäftigen.

Colonia Dignidad war seit 1961 eine deutsche Sekte. Sie galt lange als deutsches Idyll in Chile. Doch es spielte sich hinter den Mauern ganz anders ab. Abscheulich um es deutlich zu sagen. Der deutsche Prediger und Anführer Paul Schäfer ist verantwortlich für Folter, Mord und Missbrauch, viele Mittäter kamen ohne Strafe davon. Eigentlich in Deutschland wegen sexuellen Übergriffen aufgefallen und aus dem evangelischen Kirchendienst entlassen, danach erneut nach Missbrauch in die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gekommen, floh er 1961 nach Chile. Dort baute er, wie es der Regisseur nannte, einen „Mini-Terrorstaat“ auf. Unter dem Deckmantel einer christlich, deutscher Kolonie mit Schwarzbrot und Schlosserei, war die Colonia Dignidad (dt: Kolonie Würde) ein Ort, an dem Regime-Gegner des neuen chilenischen Diktators Augusto Pinochet gefoltert und getötet wurden. Mit Schlägen, Psychopharmaka, Elektroschocks und sexuellem Missbrauch wurden in der Sekte Menschen gebrochen, gedemütigt und religiös manipuliert und nicht zuletzt zu Tode gefoltert. Als Beispiele möchte ich die „Herrenabende“ anführen, bei denen eine Frau von allen Männern öffentlich für ihre angeblichen Sünden gedemütigt und verprügelt wurde.
Der sozialistisches Präsident Chiles Salvador Allende war kurz davor von General Pinochet mit Hilfe des CIA gestürzt (1973).

In diesem Umfeld spielen Daniel Brühl und Emma Watson ein Liebespaar, das 1973 in die Unruhen nach dem Putsch des rechten Generals Pinochet gerät – und dann in die Fänge der christlichen Sekte. Eine packende Geschichte, in der die Frau die Heldin ist und mal zur Abwechslung nicht vom Mann gerettet wird. Außerdem wurde der Film von dem Mann gedreht, der erstens 4 Jahre mit den ehemaligen Insassen Interviews führte und desweiteren vor einem Jahr den Oscar für den besten Kurzfilm gewonnen hat.

Ich würde ihn gerne sehen, vielleicht wird er ja bei uns in englischer Originalsprache gezeigt. Die Übersetzung ins Spanische war schon beim letzten Teil der Tribute von Panem grausam. Also, auch weil ich es nicht sonderlich gut verstanden hatte, aber auch, weil es einfach schlecht synchronisiert war. Und ich mag den Schauspieler Mikael Nyqvist, der spielt da nämlich auch mit 🙂

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Die Erfindung meines Lebens

Man stelle sich vor: Mit dem Mut eines Reisenden werde ich an die verschiedensten Orte der Welt kommen. An die Enden der Welt, vielleicht auch an die Enden der Gedanken. Das Scheitern und die Lüge werden mich überall hin begleiten. Und dennoch ist es für mich die schönste Zeit der Welt, ebendieselbe zu entdecken und zu begreifen. Vermutlich ist die organisierte, oder sinnvolle, Lebensreise erst von hinten aus, so geordnet anzusehen, wie wir es uns erträumen. Man kann erst vom Schluss her die Punkte einer Lebensreise erzählerisch verknüpfen. Bis dahin bleiben sie Fragmente einer Rahmenhandlung, die sich erst später offenbart. Ein Herstellen von Ordnung, einige Fakten auszuschließen, andere einzubeziehen, diese als bestimmend zu sehen, andere als flüchtig zu sehen, diese Ordnung, ist eine erzählerische Ordnung. Insofern heißt es, dem eigenen Leben gegenüber zum Erzähler zu werden, hierarchisch anzuordnen, was war wichtig und was unbedeutend. Man könnte jedes Leben auf komplett unterschiedliche Art und Weise erzählen. Die einzige Möglichkeit zur Erfindung seines Lebens ist, es so zu erzählen, wie man es leben hatte wollen. Dazu kommen für mich die Gefühle, die man in den beschriebenen Momenten durchlebte.
Verlegen sein, sich hinterfragen, staunen, nicht weiter wissen, überzeugt sein, überrascht werden, angewidert sein und sich selber zu überwinden, dass alles gehört zu dieser Zeit, die ich gerade durchlebe. Kalt und warm. Irgendetwas dazwischen – gemischte Gefühle. Ich möchte versuchen, dass alles hier ein wenig zu ordnen, für mich und für andere. Ob es mir dabei gelingt, auch noch mit Pointen aufzutrumpfen, die ich vielleicht im richtigen Leben gar nicht bringen konnte, weil alles viel zu verworren war, bleibt abzuwarten.
Wenn ich im Taxi sitze, rede ich mit den Taxifahrern übers Taxifahren. Ich bin neugierig und rede gerne mit den Leuten darüber, was sie machen oder was sie in meinen Augen ausmacht. Ich versuche mich in Blog und Tat nicht selber zu kontrollieren und bin narzisstisch genug, mich nicht andauernd anpassen zu müssen. Sondern mich selber, mit meinen Händen und meinem Kopf, Situationen erleben zu lassen, wie ich sie wahrnehme. Reisensensationen und Innenwelten.IMG_7375  Sollte man mal eine Zeit hier nichts hören, heißt das keineswegs, dass ich nur im Bett liege und nicht nach Draußen gehe, keine erzählenswerten Situationen erlebe, ich habe zeitweise schlicht keine Lust, über sie zu berichten. Oder, weiß nicht, wie ich sie in Worte fassen kann. Das Gute ist, dass ich den Blog zwar wegen der Leser führe, aber auch trotz der Leser führe. Natürlich freue ich mich über etwa 70 Leser in den letzten drei Tagen, aber auch wenn der Schrieb mal weniger Anklang finden sollte, werde ich weiterhin selbstzufrieden und dankbar Texte verfassen. Ich werde ja schließlich bei schlechten Quoten nicht abgesetzt. Also werde ich weiterhin in grenzenloses Schwärmen, ernüchterndes Bewerten, zufälliges Hineinstolpern oder humoristisches Beschreiben verfallen, wie es mir angemessen scheint. Manchmal unreif, drastisch, begeistert, direkt, sensibel, ungerecht oder halbstark. Einige Geschichten möchte ich erzählen, weil es mir ein Anliegen ist, dass sie zu einem Interesse werden. Andere Geschichten bestehen aus der Stille, sind unszeniert und real. Es sind nicht immer meine Geschichten, aber es sind Geschichten mit mir.

Gut, dass wir drüber gesprochen haben.

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