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Über Geld spricht man nicht

Warum eigentlich nicht? Als mich das letztens eine bolivianische Freundin fragte, wusste ich keine Antwort, also nannte ich ihr mein Gehalt. Es war eine vordergründig einfache Frage, die sie mir da stellte, aber etwas in mir sträubte sich, sie zu beantworten. Könnte vielleicht Neid aufkommen, könnte es unsere Freundschaft beschädigen oder Abhängigkeiten schaffen? Wie mir geht es sehr vielen von uns Freiwilligen in Cochabamba. Wir sprechen nur ungern über Geld. Das haben wir nicht erfunden, das ist in Deutschland schon längst Tradition.

350€ Gehalt plus 180€ Kindergeld sind viel Geld für einen unausgebildeten Ausländer in Bolivien. Es gibt viele Menschen hier, die weniger verdienen als ich. Viele von ihnen versorgen zusätzlich ihre Kinder. Viele Arbeiten auf den Straßen werden nicht gut entlohnt. Und dann auch noch meine Ferien. Bezahlter Urlaub, damit meine ich nicht das ganze FSJ, aber die rund 2 Monate, die ich insgesamt frei gehabt haben werde bis zum Ende des Septembers. Ich wohne in einem großen Haus, gehe Feiern und Reisen, esse gut und bezahle mein Leben komplett, ohne, dass es eng werden könnte. Ich zahle etwa 100€ Miete für ein Zimmer, ein Bad, ein geräumiges Wohnzimmer, eine große Küche, einen Platz für meine Hängematte im Garten, und so weiter. Die fünf Hunde gibt’s zwar gratis dazu, aber die zwei Katzen gleichen das wieder aus.
3.683 Bolivianos und 50 Centavos, bei 30 Tagen im Monat sind das durchschnittlich 122 Bolivianos pro Tag. Um 17€ pro Tag in ein Verhältnis zu setzen, rechne ich euch mal einen Tag vor.

Moin!

  • 2 Bolivianos für den Bus zur Arbeit
  • 2 Bs für ein bisschen Frühstück auf dem Weg, 10 Bs wenn ich in der Schule frühstücke.
  • 2 Bs für den Rückweg von der Arbeit
  • 10 Bs für ein Mittagessen mit Suppe, Hauptgericht und Getränk
  • 8 Bs für einen doppelten Espresso im Café
  • 10 Bs für ein selbstgekochtes Abendessen

Tschau.

Wahlweise kann dazu kommen:

  • 40Bs zum Einkaufen auf dem Markt (5 Mahlzeiten)
    70Bs für Einkäufe im Supermarkt
    5Bs für Snacks auf der Straße
    30Bs für einen Liter Caipirinha
    25Bs für ein großes Bier
    10Bs für ein Taxi in die Stadt
    20Bs für einen Sauna-Besuch am Nachmittag

Ungefähr 2.432 Bolivianos monatlich stehen mir von kulturweit zur Verfügung. Ihr seht, das kulturweit-Gehalt sollte dringend an die Lebenshaltungskosten in den Zielländern angepasst werden. Selbst ohne Kindergeld kann ich mein tägliches Leben, sowie eine Miete gut bezahlen.

Ich genieße es, Geld am Ende des Monats übrig zu haben, große Reisen für die Ferien zu planen und Leute auch mal einladen zu können. Das Gehalt von kulturweit sollte angemessen zur länderspezifischen Bezahlung liegen und nicht dafür reichen zwei Großfamilien zu ernähren.

Sicherlich reicht für einige Lebensstile oder Zielländer das Gehalt nicht aus um einen europäischen Lebensstandard zu halten, aber muss das sein? Andere Freiwilligendienste kommen auch mit weniger Gehalt aus, kann man das Geld nicht sinnvoller ausgeben?

4 Kommentare

  1. Pingback: Im hohen Norden - Jan en Uruguay

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