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Qan-wan-mi rimayta munani.

imagesEs ist fünf Uhr und wir treffen uns an der Universität. Leicht verschwitzt und verspätet stelle ich mein Rad an den Zaun und beginne zu Suchen. Ein Mädchen mit zwei dicken Büchern unter den Armen geklemmt und einem Kopfhörer auf den Ohren kommt auf mich zu. Ich erkenne sie zu spät, laufe währenddessen in die falsche Richtung um sie zu Entdecken. Sie tippt mir von hinten auf die Schulter und begrüsst mich. ¨Hola, que tal?“, „Bien, recien he llegado, estabas esperando mucho?“, höre ich uns Höflichkeiten austauschen. Ich bin das erste Mal in der Uni und finde es schon jetzt spannend. All die Menschen. Geschäftig laufen sie von A nach B oder sitzen in Lerngruppen zusammen und lachen viel zu viel als um tatsächlich etwas zu lernen. Sieht toll aus. Wir schlängeln uns durch die Grüppchen, die den frisch gepflasterten Weg für Unterhaltungen nutzen und kommen dabei selber ins Reden.

Ja, ihr Kind schliefe schon zu Hause, aber um drei wird es sicherlich nochmal aufwachen. Nun hätten wir aber Zeit um Deutsch und Quechua auszutauschen.
Zwei Studenten verlassen gerade einen freien Tisch mit zwei Steinsitzen und wir ergreifen die Möglichkeit, die sich uns bietet. Auch abends um kurz nach halb acht sind alle Steinsitze besetzt. Es ist nicht kalt, aber es kühlt langsam ab. Ich lege meinen Schal um und beginne mir ihre Aufzeichnungen und Hausaufgaben anzusehen, um dann wie ein Mechaniker, wenn er die Motorhaube öffnet, an einigen Stellen Unverständliches zu murmeln oder ein zufriedenes Ahh! auszustossen. Um sie nicht weiter zu verunsichern lasse ich das negative Kopfschütteln und die verschränkten Arme weg. Soweit so gut, die Atmosphäre ist geschaffen, 45 Minuten werde ich ihr alle Fragen so gut es geht zur deutschen Sprache beantworten, und dann alle Fragen zu Quechua stellen, die mir so in den Sinn kommen werden.

Quechua, quichua, quichwa, kichwa, qhiswa, qheswa. Um diese Sprache geht es hierEine neue Sprache also. Obwohl, eigentlich eine sehr alte, seit Jahrhunderten wird sie in Lateinamerika gesprochen, aber nicht geschrieben. Die Kultur, in der früher Quechua gesprochen wurde, schrieb nicht. Mittlerweile gibt es die Sprache auch in schriftlicher Form, zum Lernen eben. Oder zum simsen. Aber normalerweise lernst du es als Kind mit deinen Eltern. Ich beginne jetzt, mit 20 und es reizt mich.

Die Überschrift bedeutet übrigens:
Ich möchte mit dir reden.
Qan-wan-mi rimayta munani.

Und deswegen lerne ich Quechua.

Der Sprachraum des Quechua erstreckt sich vom Süden Kolumbiens über große Teile von Ecuador, Peru und Bolivien bis in den Norden von Chile und Argentinien. Den größten Anteil an den Sprechern hat dabei Peru, gefolgt von Bolivien und Ecuador, während in den anderen Ländern nur kleine Minderheiten die Sprache beherrschen.

Es ist eine Sprache, die ich nicht überall lernen kann. Es gibt viele regionale Unterschiede, in Peru spräche man ganz anders als in Bolivien, wird mir erklärt. Und auch mapinnerhalb der beiden Ländern kommt es noch auf die regionale Herkunft an. Ich lerne von Spanisch zu Quechua und bin überrascht, wie viel ich verstehe. Die Aussprache ist nicht einfach. Ich bekomme eine Kopie mit Bildern von Tieren und Buchstaben dazu, die anders ausgesprochen werden, als ich es erwarte. Die Grammatikstruktur sei nicht allzu komplex, es gäbe nur eine Konjugation, man benutzt also immer die gleichen Endungen für die Personen. Auch die Satzstellung sei theoretisch immer die selbe, nur hielte sich daran niemand.

Nach der Christianisierung hat sich die Sprache ein wenig geändert. Jetzt wird oft auf Gott Bezug genommen, vorher standen vor Allem der Pachamama im Mittelpunkt.

Aymara, die andere weitverbreitete, indigene Sprache hat viele Gemeinsamkeiten mit dem Japanischen, ich bleibe aber erstmal beim Quechua, der Sprache der Inkas. Ein schönes Gedicht hat mir meine Austauschpartnerin schon vorgetragen, es klang verträumt und ruhig, trozt der sonst so energischen Aussprache.

descargaHier kann man sich das Achahala anhören, das Alphabet der Quechua hören. 2004 waren es noch 8-10 Millionen Sprecher*innen, neueste Zahlen aus diesem Jahr belegen, dass es weniger geworden sind: 7,8 Millionen.

In den Schulen wird Quechua kaum unterrichtet und gerät so, wie auch viele andere indigene Sprachen, in Vergessenheit. Die, die es noch sprechen, sprechen es mit einer erfrischenden Selbstverständlichkeit. Als ich vor etwa 4 Monaten in einem Dorf war, um von dort aus eine Wanderung zu starten, fragte ich auf Spanisch nach einem Ort, wo es essen gäbe. Ich war zu der Zeit schon recht stolz auf mein Spanisch, wurde aber nicht verstanden. Der Mann, der an der Hauswand stand, sprach nur Quechua. In seinem Dorf müsse man kein Spanisch können, erklärte mir eine Tante, die die Szene verstand und lustig fand. Er hat nie Spanisch gelernt und lebt schon seit immer hier.

275b868799100d4821c963f51dd291dcoAuch mein Mitbewohner spricht Quechua, aber nur, wenn er betrunken ist. Ich höre es logischerweise sehr oft. Ein Tequila geht noch, kann ich nun auch auf Quechua verstehen.

Sie erklärt mir die Kultur die hier auf diesem Kontinent vor den Konquistadoren gelebt hat. Bevor man hier Spanisch sprach. Ein Teil davon hat man sich hier bewahrt, der grössere Teil ist verschwunden. Aber durch das Chicha trinken, das Koka kauen und die Sprache zu erlernen und darüber zu berichten, lässt sich vielleicht ein kleiner Teil erhalten.

Taytatacha pagarapusunki
Tupananchis Kama

Danke und Tschüss

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