Bolivien, Cochabamba.
Mai 2016
Das Wasser wird knapp in der Stadt. Das letzte Mal richtig geregnet hat es in einer Nacht Ende März. Kräftig, ohne Wind und wunderschön.
Seitdem hat es außer ein paar Tropfen nichts gegeben.
Auf dem Markt steigt der Preis für Gemüse. Manchmal stehe ich ohne Wasser unter der Dusche. Die Lagune, die normalerweise zu dieser Jahreszeit noch zu 3/4 gefüllt ist, ist fast trocken. Es wird erst wieder im September regnen, wenn ich gegangen bin.
Bis dahin wird es außer ein paar Tropfen nichts geben.
Wasserknappheit? Wo?
Eigentlich ist Cochabamba oder Qhochapampa (grosser Sumpf), auch La Llajta (Quechua: die Stadt aller) genannt, immer mit Wasser versorgt gewesen. Zu dem Departemento gehört das Regenwaldgebiet Chaparé, das etwas tiefer als die Stadt selbst gelegen ist. Im Tal der Viertausender hat sich eine große Stadt entwickelt, mit einer Bevölkerung von etwa 700.000 Einwohnern. Mit den umliegenden Dorfgemeinschaften, lebten laut dem letzten Census vor drei Jahren etwa 1,1 Millionen Menschen im Tal der viertgrößten Stadt Boliviens. Mit den anwachsenden Bevölkerungszahlen musste auch mehr Ackerland für die Versorgung bereitgestellt werden. Man legte die Sümpfe trocken. Der Wasserverbrauch stieg an. Vor 15 Jahren war Trinkwasser nur für 87% der Bevölkerung zugänglich. Das Wasser ist schmutzig und aus dem Wasserhahn kann man nicht trinken. So viel zum Hintergrund. In diesem Jahr ist etwas besonders.
Die Situation?
Ernten verdorren auf den Feldern, es fehlt Wasser. Die Bauern haben weniger zu verkaufen und die Menschen, die wenig haben, können weniger kaufen.
Ein Beispiel: Die Cuartilla (Maßeinheit, ca. 1,5kg) Tomaten kostet nun 28 Bolivianos, vorher kostete sie 12 Bolivianos. „Höher werden die Preise nicht steigen“, versichert mir die Gemüseverkäuferin meines Vertrauens auf der riesigen Cancha. Sie zieht eine Grimasse und sagt: „Niemand weiß, was kommt.“ Dann packt sie mir die Tomaten ein und ich bezahle den mehr als verdoppelten Preis.
„Das sind die Auswirkungen von El Niño, die Regenzeit war mild“, wird mir erzählt.
Es hat tatsächlich weniger geregnet, als ich erwartet hatte. Auf mich hatte das Wort Regenzeit einen krasseren Eindruck gemacht als Herbst in Hamburg.
El Niño
Bei diesem globalen Wetterphänomen sammeln sich warme Wassermassen im zentralen und östlichen Pazifik, die Folge sind weltweite Wetterextreme. Die Vereinten Nationen hatten im November gewarnt, der diesjährige El Niño sei der schlimmste seit mehr als 15 Jahren und einer der stärksten seit 1950. Weltweit gibt es dann vermehrt Ernteausfälle durch Dürren. Auch Seuchen und Hungersnöte werden immer wieder dadurch verursacht. Im Abstand von 2 oder 7 Jahren kehrt das „Christkind“ wieder. In der Region Cochabamba regnete es deswegen weniger. In Brasilien gab es sowohl Überschwemmungen als auch Dürren. In den letzten drei Jahre gab es keine Wasserversorgungsprobleme hier, es hatte immer ausreichend geregnet in der Regenzeit.
Eine zwei Minuten Erklärung, was genau El Niño genannt wird zeigt wetteronline.de bei YouTube. Die weltweiten Auswirkungen, auch mit einem Fokus auf Lateinamerika kann man in einem Multimedia-Dossier bei faz.net verstehen. Was sich deswegen gerade an Chiles Küste abspielt hat die Tagesschau kürzlich zusammengefasst.
Im Klima-Diagramm sieht man deutlich den Unterschied zwischen Regen- und Trockenzeit. Es sind weniger als 3 Regentage üblich in den Monaten Mai, Juni, Juli, August. Dieses Jahr sollen es noch weniger werden. Die Zahlen sind ein Durchschnitt aus den Aufzeichnungen zwischen 1956 und 1990. In diesem Jahr waren die Regenfälle an den Rändern des Jahres weniger heftig ausgefallen, fast ausgeblieben.
Die Auswirkungen in Cochabamba
Die Lagune Alalay ist der einzige Wasservorrat der Großstadt. Normalerweise ist er zu 3/4 gefüllt. Jetzt sind es nur noch 1/4, die verbleiben. Nicht alle Haushalte sind an das Wasserwerk angeschlossen, viele haben eigene Wasserspeicher (10 000, 5000, 1000 Liter) auf dem Dach. Diese Preise steigen. Unser Haus ist mit einer Leitung verbunden, durch die zu einigen Tageszeiten kein Wasser mehr fließt. Weil man das Wasser nicht trinken sollte, hat fast jeder Haushalt hat einen Wasserspender im Haus. Die Preise steigen ebenfalls. Wasser abkochen wird eine ernsthafte Alternative für viele. Der Bürgermeister hat die Bewohner aufgerufen Wasser zu sparen. Im Supermarkt sind die Wasserpreise noch stabil. Zu einigen Tageszeiten wird es kein Wasser geben, man muss sich Gedanken machen, wie man sich daran anpasst.
Ich musste mir nie Gedanken um Wasser machen.