Ich sammel gerne. Ich habe als Kind Briefmarken gesammelt. Nicht aus einer Leidenschaft heraus, auch nicht um sie zu besitzen, oder später, wenn sie noch älter wären, als sie sowieso schon waren, einmal Geld damit zu machen, nein – ich habe sie schlicht gerne sortiert und geordnet. Was jetzt zwanghaft klingt hatte etwas spielerisches, die Ordnungen unterstanden zugegebenermaßen manchmal auch nur meiner eigenen Logik. Ich möchte eine kurze Geschichte erzählen, sie handelt von Antiquitäten und Eis.
Und ich habe auf der alljährlichen Versteigerung im Gemeindehaus bemalte Sammelteller ersteigert. Mit 12. Großartig, nicht wahr? Fand zumindest ich. Ich habe bemalte Sammelteller gesagt, ihr könntet ruhig ein wenig Begeisterung zeigen, sieht ja schließlich keiner, während ihr das lest.
Das Prinzip war einfach: Um den Kram an die Bieterschaft zu bringen, wurden Bananenkisten bis obenhin mit Schrott gefüllt, und gefühlt pro Kiste eine Kostbarkeit gelegt, für die es lohnte zu bieten. Startgebot: Ein Euro, ein potentieller Schnapper, könnte man sagen.
Also, ich habe an den zwei Tagen Versteigerung so viele Kisten für ’nen Appel und ’n Ei ersteigert und hartnäckig erboten, dass man sich später fragte, was ich denn eigentlich damit wollte. Dazu kam, dass die Kisten wie erwähnt bunt zusammengewürfelt waren, teilweise rangierten die Sammlteller auch nur unter ferner liefen im Inhalt. Nebensächlich oder zweitrangig, für mich jedoch entscheidend. Die Kisten waren vorher von mir genau in Augenschein genommen worden, in vielen Kisten ließen sich Sammelteller bei der Inspektion finden.
Nach einiger Zeit, wenn eine Kiste aus Puppenspielzeug, einer kaputten Wanduhr, einem Pfannenwender-Set und einer Ansammlung aus allerlei anderem, das garantiert kein Mensch brauchte, keinen Bieter fand, erwähnte der Pastor, der die Versteigerung mit dem Hammer auf einer Leiter in mitten des Getümmels passioniert leitete, es befänden sich nun ja auch gewisse Sammelteller in der Kiste. Jackpot!
Meine Mutter, die neben mir stand, schaute ihn halb böse, halb besorgt an und schüttelte den Kopf, doch ich ergriff die Chance und hob die Hand für das erste, einzige und letzte Gebot. So habe ich an zwei Tagen viel Taschengeld gegen viel Gerümpel und Sammelteller tauchen müssen und wusste, wie es sich anfühlt, reich zu sein, aber nicht zu wissen, wie ich mir ein Eis kaufen würde. Unter einigen irritierten Blicken, verließ ein Zwölfjähriger glücklich grinsend die Versammlung, in dem Wissen einen gute Investition getätigt zu haben.
Die Kisten musste ich an einem anderen Tag abholen, das ging mit dem Fahrrad schließlich alles nicht. Mein Taschengeld wurde der Gemeinde in Schlesien gespendet, was aber nie eine Rolle spielte. Was jedoch sehr wohl eine Rolle spielte: Meine Ansammlung von bemalten Tellern. Meistens waren sie nicht sonderlich hübsch anzusehen oder besonders interessant von den Motiven oder Plätzen, Figuren oder Städten, denen sie huldigten, aber das machte nichts. Sie hatten jeder ihre eigene Geschichte und nun waren sie beinahe alle versammelt auf unserem Dachboden, und das war nun Teil ihrer Geschichte. Poliert, sortiert, umsortiert und in Kisten gepackt. Abwechselnd sortierte ich nach Jahreszahlen, Sonderausgaben, Erstausgaben, Motivserien (Tiere, Kirchtürme, Blumen, Stadtbilder, Jahreszeiten, usw.), Herkunft der Porzellanmanufaktur, Farben usw..
Ja, das war vielleicht eine Arbeit. Meine Mutter fand später noch verborgene Schätze unter dem lästigen Beifang, so hatte jeder etwas davon.
Ein halbes Jahr später, als mein Vater meinte, das mit den Kisten nähme aus Gründen Überhand, saß ich stolz wie Oskar auf dem Glückstädter Kinderflohmarkt und hatte die bestsortierteste Sammelteller-Sammlung der ganzen Stadt auf meiner Decke anzupreisen, während andere sich andere bloß von ihren Pokemon-Karten trennten.
Nun ja, dieser Fakt wurde nicht mit außerordentlichem Interesse überschüttet, nur ab und zu blieb jemand stehen, um Fachgespräche anzufangen oder nach einem bestimmten Teller zu suchen. Ansonsten blieben bloß Blicke für den jungen Mann mit den bunten Tellern. Am Abend des Kinderflohmarktes der Matjeswochen diesen Jahres hatte ich zwei Omas sehr glücklich gemacht und nun fand sich ein großzügiger und interessierter Käufer vor meiner Decke ein. Woher ich denn so viele von denen hätte. Ja, da könnte ich ihm was erzählen, das war vielleicht ein Fang, gab ich zu.
Mein Stand wurde nach kurzer Prüfung und vielsagenden Blicken in einem Zug aufgekauft, nachdem die sonstigen Einnahmen und Verkaufsgespräche an diesem Tag ehr mäßig bis schleppend liefen.
Von dem gewonnen Geld kaufte ich mir einen Sommer lang Eis.
Wer sich nun die ganze Zeit gefragt hat, wie denn so ein Sammelteller aussehen könnte, hier sind die beiden titelgebenden Teller. Schluss mit verlogener Zurückhaltung: Geschmackstechnisch auf der Pole-Position.
Alle Hüte ab: HERE COMES THE REAL SHIT!