Ja, ich kümmere mich morgen (wieder) um mein Visum.
Nein, ich gehöre nicht zur neuen Ausreise-Generation, die seit dem 12.März in aller Welt ist.
Ich lese in vielen Blogbeiträgen gerne die Wörter Ankommen, Neuentdecken, schön, überraschend, Visum.
Nun gut, vieles trifft nach einem halben Jahr auch auf mich zu, aber im besonderen geht es mir im Moment um das letzte Wort: Visum.
Ich habe nun alle meine Papiere zusammen und bin motiviert um 5 Uhr aufgestanden um meine Dokumente bei der Migrationsbehörde abzugeben.
Hm, da war jetzt ’ne Lüge dabei: otiviert lässt sich durch üde austauschen, das m darf bleiben.
Um kurz vor halb sechs stehe ich verschlafen als zehnte Person in der Schlange vor der Migrationsbehörde. Dort bleibe ich bis um halb neun, wenn die Behörde ihre Türen öffnet. Ich lasse meinen Blick über die Leute schweifen, die schon vor mir sich aufgemacht haben um hier zu Warten. Oder vielleicht einfach gestern nach Schließung der Behörde hier in der Schlange sitzengeblieben und eingeschlafen sind. Einige trinken Tee, andere schlafen, wieder andere unterhalten sich mit Sitznachbarn über ihr Leid.
Währenddessen kommen andere Menschen angehastet, fragen (meist in Anfänger-Spanisch) nach dem Ende der Schlange und setzen sich ermattet auf den kalten Boden. Die Sonne ist noch nicht aufgegangen und so bin ich froh, meine Jacke dabei zu haben, auch wenn es später 30°C werden sollten. Meine Dokumente sind schwer in der Tasche und ich setze mich hin.
Auf den kalten Steinboden, gegen die kalte Wand gelehnt.
Zum Glück habe ich einen solchen Berg an Dokumenten beantragt, dass ich mir einen Stuhl basteln kann und nicht im Kalten sitze. Ein US-Amerikaner blickt mich an, zögert kurz und tut es mir mit einem zunicken „gosh great idea man“ nach.
Scheint wohl jetzt schon wegen Trump hier zu sein.
Die restlichen Wartenden frieren sich weiter den Arsch ab. Nur einer, mit einem mexikanischem Sombrero auf dem Kopf, hat sich einen Hocker mitgebracht.
Scheint nicht das erste Mal zu warten.
Weitere Stunden vergehen, ein sehr aufgeregter Uruguayer erscheint und fragt auch genauso aufgeregt und uruguayisch nach dem Ende der Schlange, welches sich mittlerweile um die Ecke verlagert hat. Er wird bis zur Öffnung der Tür noch dreimal fragen, ob wir auch alle wegen des Visums hier sind. Für diejenigen, die noch nicht so viele aufgeregte Uruguayer sprechen gehört haben: Es klang in etwa so, als wenn ein Schwabe nicht mehr weiß wohin. Kleines Beispiel? Aus fila, was so etwas wie Warteschlange (Reihe) bedeutet, wird fischa. Aus Playa wird Plascha. Und das alles mit einem sorgenerfüllten Gesicht und schlotternden Beinen. Das sollte reichen, um sich meinen einzigen Spaß an diesem Morgen vorzustellen.
Ansonsten habe ich festgestellt, dass ich Hunde tatsächlich nicht viel abgewinnen kann. Nicht, dass ich das nicht in meinen täglichen Zusammenleben mit fünf von ihnen (und einem süßes Rottweiler-Baby, aber das wird ja wahrscheinlich auch noch größer..) feststellen könnte, aber heute wird es mir besonders deutlich.
Auf dem Weg im Dunkeln fühlten sich zwei kläffende Straßenhunde zu einem Wettrennen mit meinem Fahrrad herausgefordert, was mich leicht aus der Spur brachte, und nun im Park vor der Behörde, ging die Eine unvermittelt weg, als der Andere mit ihr Sex hatte.
Wirklich nicht so das Verhalten, was mir zusagt.
Gut, es wird also endlich 8.30 und ich bekomme eine Marke mit der Nummer 10 zugewiesen und bin sofort an einem Schalter mit einem Mitarbeiter bedient. Ich grüße freundlich, gebe meine Dokumente ab und warte auf seinen prüfenden Blick. Dieser wird geblickt und es folgt ein kritisches Kopfschütteln. Innerlich zittere ich nun wie der Uruguayer und warte auf ein erlösendes Zeichen. Doch es kommt nur der erschütternde Satz: „Diese Dokumente sind ungültig, sie haben eine Gültigkeit von 90 Tagen. Sie werden sie neu beantragen müssen.“
Man stelle sich das vor: Sie haben länger als drei Monate von der ersten bis zur letzten Unterschrift auf diesen nutzlosen Blättern gebraucht und nun darf ich erneut so lange um Unterschriften auf nutzlosen Blättern bitten, bis auch die letzten nutzlosen Blätter abgelaufen sind und ich diese neu beantragen darf. ¡Carajo!
Und als Sahnehäubchen habe ich auf diese Erkenntnis drei Stunden gewartet.
Das checke ich jedoch erst, als ich auf meinem Fahrrad sitze. Überlege kurz, ob diese Erkenntnis es wert ist die Migrationsbehörde anzuzünden oder zu mindestens dem Sachbearbeiter gründlich meine Meinung zu geigen, entscheide mich jedoch gegen beide Optionen.
Es ist alles ein Witz. Und zwar leider ein sehr schlechter.
Jetzt geht es nur noch mit Geld voran. Vielleicht sogar schneller als gedacht. Am nächsten Mittwoch läuft mein Tourismus-Visum ab und ich benötige dringend etwas neues.
Ich habe einen gutvernetzten Anwalt empfohlen bekommen und ich ihm meinen Pass und mein Geld gegeben.
So sind hoffentlich bald nur noch die Wörter Ankommen, Neuentdecken, geil, überraschend zutreffend.
Zum Abschluss noch ein süßes Hundebild, weil sie so süß ist:
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