Oder auch, wie ich den Karneval erlebt habe.
Nach unserer theoretischen Unterrichtseinheit „De Kölsche Karneval“, habe ich nun Praxiserfahrungen im bolivianischen Karneval gesammelt. Was für ein Erlebnis!
Die Strecke Cochabamba/Oruro kann man eigentlich in 4-5 Stunden hinter sich bringen.
Das „Eigentlich“ in diesem Satz steht dafür, dass wir es leider nicht in in 4-5 Stunden geschafft haben.
Hintergrund-Info zum Wort „Eigentlich„: In Bolivien muss man alle seine Ausgaben am Ende des Jahres mit Quittungen belegen können. Das Geld, was man verdient, wird nachweislich in Bolivien wieder ausgegeben. Bei jedem Einkauf im Supermarkt, jedem Autokauf oder jeder anderen Anschaffung, werden fleißig die Kassenzettel gesammelt. Das ist für die normale Bevölkerung wahrscheinlich ein wenig lästig, aber eine Gewöhnungssache. Für die fahrende Bevölkerung, also die LKW- und Busfahrer ist es schwieriger, Belege für ihre Ausgaben zu sammeln. Sie arbeiten auf den Straßen Boliviens und bekommen selten eine schriftliche Bestätigung ihrer Ausgaben, müssen diese aber dennoch vorweisen. Warum ist es schwieriger? Kleine Essens-Stände und Märkte geben keine Quittungen aus. Okay, das klingt jetzt nicht nach so viel? Dann nun ein wirklich interessanter Grund: Die Steuern für diesen Arbeitsbereich sind gerade um 300% erhöht wurden. Also, es gibt wahrscheinlich jeden Grund zu streiken.
Und wann sind die Transportmöglichkeiten und ihre Fahrer*innen besonders wichtig? An dem Wochenende, an dem alle mehr als sonst auf sie angewiesen sind, an dem Wochenende, an dem sich Halb Bolivien in Oruro trifft.
Mit 20.000 Tänzerinnen und Tänzern ist dieser Umzug buchstäblich der tanzende Höhepunkt der Karnevalsfeste der Welt. Hoppla, ein Superlativ: Auf 3700m tanzen die verschiedenen Tanzgruppen etwa 9 Stunden durch die fünftgrößte Stadt Boliviens. Nach Rio soll es der bekannteste Karneval Lateinamerikas sein. Die 20-stündige Fahrt war am Ende „vale la pena“ (es wert sein), wie man hier sagt. In dem gebuchten Angebot waren auch Rumflaschen und Cola inbegriffen, so dass die Fahrt also dann doch recht schnell rum ging. Ich hatte die nächsten Tage auf der Parade gar nicht mehr so kräftigen Durst, was auf verwunderte Ablehnung durch einige Mitfahrer quittiert wurde („Sei doch ein Mann“) – Huihuihui, das hatte ich nicht erwartet. Aber enttäuscht werden kann man ja schließlich so gut wie an jeder Ecke. Schade!
Auf der Fahrt mussten öfter mal aussteigen, damit der Bus die matschige Alternativroute durch das Hinterland schaffte. Meine Schuhe könnten eine Wäsche gebrauchen und mein Gesicht hat wohl auch ganz gut ausgesehen, als es wieder hieß: „Alle raus, sonst stürzen wir ab oder sinken ein!“
Beim Karneval selber wurden folgende Tänze getanzt: Morenada, Diablada, Caporales, Kullawada, Llamerada, Tobas, Saya, Tinku, Bachata, undwiesiealleheißen. Diese großartige Tanzkultur, geschmückt mit ihren Kostümen, wird von vielen begeisterte Tanzgruppen an Karneval auf die Straße getragen. Besonders die Männerschritte des Caporales machen wirklich Stimmung. Das hat Spaß anzusehen. Da braucht man übrigens gar keinen Alkohol.
Stimmung kann man sich in etwa so vorstellen. Wir hatten gute Plätze und meistens nette Leute um uns herum und tanzten am Abend sogar mit den Tänzer*innen auf der Straße.
Wirklich ein Erlebnis, wie das erste Bild zeigt 🙂
Nachtrag: Achso, „Helau oder Alaaf“ sagt man hier übrigens gar nicht.