Permalink

off

Vielen Dank für die Einladung

Alkohol hat mir dann die Angst vor misslungenen Sätzen genommen. Halt, das ist nicht richtig. Ich habe auch sonst keine Angst vor fehlerhaften Sätzen, ich plappere einfach drauf los. Nicht, dass ich mir keine Gedanken über die Grammatik oder Verständlichkeit mache. Doch der Alkohol verschafft meiner Zunge einen Vorteil von Sekunden und noch ehe ich darüber nachdenken kann, wie richtig oder falsch die Grammatik sein wird, habe ich sie schon ausgesprochen.

So war es jedenfalls auf der Hochzeit, auf der ich kürzlich eingeladen war.
Vorweg: Es war sehr schön!

In den Tanzpausen habe ich dann etwas Grammatik-Lockerer zu mir genommen und meinen Energietank auffüllen können. Und mit neuen Freunden von der Tanzfläche Geschichten am Festtisch ausgetauscht. Dann setzte die Musik wieder ein und ich war so wunderbar glücklich, mit meiner Tanzpartnerin in den Armen, mittendrin. Wir haben die Schritte nicht immer ernst genommen, und trotzdem ernsthaft fröhlich getanzt. Mir zwinkerten viele Leute anerkennend oder aufmunternd zu, nicht immer ganz leicht zu unterscheiden.

Verständnisvoll

12606940_10152824125939567_1391999947_nSie hatte mich eingeladen auf diese Hochzeit lauter Fremder, auf der eigentlich ich der Fremde war. Ich bin ihr dafür sehr dankbar, denn wir hatten unglaublich viel Spaß. Unter all den Leuten habe ich mich sehr wohl gefühlt. In einer Tanzpause antwortete sie mir auf meinen Halbsatz „ … jaja, mein spanisch ist echt nicht so gut, wird schon noch…“ Es wäre schon okay, sie würde schließlich verstehen, was ich meinte. Aber ich könne eben nicht wirklich sagen, was ich meinte, wie könne sie dann verstehen, was ich meinen würde?
Den Satz hat sie dann nicht verstanden. War grammatikalisch auch echt knifflig. Ein einleuchtendes Nicken erhielt ich nach zwei Minuten der Versuche mich auszudrücken dann aber doch: Die Hauptsache wäre doch, dass ich jetzt hier sitzen würde, nach 4 Monaten mich in einer neuen Sprache verständigen könne und dabei Spaß hätte. Oder Spaß machte, da war ich mir nicht sicher.
In diesem Moment wurde mir klar, dass ich, solange ich mich nicht anständig ausdrücken können würde, hier keine ernsthafte Beziehung aufbauen konnte. Aber fürs Gespräch zwischen dem Tanzen reichte es zum Glück und wir verstanden uns – im wahrsten Sinne des Wortes „verstehen“ – tatsächlich erfreulich ausgezeichnet.
Nachdem Fünfzehn Minuten um waren und die Phase des Tanzens erneut begann, waren wir wieder auf der Tanzfläche. Diesmal sehr schnell, ja sogar Polka spielte die Live-Band.

Auf ein Bier

Leicht verschwitzt und mittlerweile ohne Krawatte wurde ich auf der Toilette angesprochen. Ein älterer Herr, ebenfalls verschwitzt vom Tanzen, aber noch mit Krawatte, fragte mich, wie ich denn „so“ tanzen könne. Das habe er ja noch nie gesehen. Tja, was soll man darauf antworten. Ich entschied mich verlegen für ein schlichtes „gracias“ und stellte mich vor. Und wenn ich also aus Deutschland komme, ob ich denn aus Alemania Occidental oder Alemania Oriental käme? Na gut, also Ost und West ist Geschichte in Deutschland, eigentlich komme ich aus der Nähe von Hamburg. Und ja, er dürfe mich sehr gerne auf ein Bier einladen. Deutsche lieben Bier, verkündigte ich vollmundig. Schnell schob ich nach: „Das gilt vor allem erstmal für mich, vom Tanzen bekomme ich so einen schrecklichen Durst.“
Wir sprachen über die Vertrauenswürdigkeit der Nord-Amerikaner, den Kapitalismus, die Olympia-Bewerbung und Fußball in Deutschland, den Bergbau und das Alkoholproblem der bolivianischen Gesellschaft. Große Themen für mich. Immerhin hatte ich keine grammatikalischen Bedenken mehr. Wobei ich nach 20 Minuten zugeben musste, dass ich mich schriftlich sicherlich besser ausdrücken könne, wir könnten per Mail in Kontakt bleiben. Das nahm er gerne an und konnte sich die Frage nach meinem Alter anscheinend doch nicht verkneifen. 20, sagte ich. Mit erstauntem Blick verabschiedete er sich auf die Tanzfläche. Heute hat er das erste Mal geschrieben. Gegen den Kapitalismus, gegen die Amerikaner. Für das Grundeinkommen, für Freiwilligendienste im Ausland. Mal sehen, was da noch so kommt.

Ja, so eine Hochzeitsfeier ist etwas Schönes. Der kirchliche Part der Trauung war recht ähnlich wie bei der letzten Hochzeit bei der ich war, nur katholischer, aber das macht ja nichts.

Das Ende vom Lied

Als um halb drei das Gasthaus schließen wollte und wir die Tanzfläche räumten, wurde ich eingeladen mit der restlichen Familie, die noch nicht ausreichend zu Ehren des Ehepaars getanzt hatte, in die Zona Sur zu fahren. Dort gäbe es einen Onkel und mehr Bier. Mit den Cousins meiner Tanzpartnerin ging es mit dem Auto (wer auch immer das noch fahren durfte) los quer durch die Stadt und eine halbe Stunde später wurde die erste Bierdose am Sofatisch geöffnet. Zu lauter Cumbia-Musik haben wir bis in den Morgen gefeiert und um acht, als das Frühstück aufgetischt wurde, verabschiedete ich mich. Ich sei bald wieder willkommen und es sei eine gute Entscheidung gewesen mich eingeladen zu haben. Sowas hört man gerne 🙂
Das gute am langen Feiern, abgesehen von dem langen Feiern, ist, dass man morgens einfach mit den Öffentlichen zurück fahren kann und sich das Taxi spart.

Ein langer Text für eine lange Nacht <3

12583840_10152824131344567_1933956623_n

Kommentare sind geschlossen.

Zur Werkzeugleiste springen