Einundzwanzigstes Türchen – Du oder Sie oder ganz anders?

Kennst du das, wenn du nicht genau weißt, ob du zu einer Person nun „Du“ oder „Sie“ sagen sollst? Zum Beispiel zu den Eltern einer guten Freundin. Zu einer nur wenige Jahre älteren Person. Zu einem Reisenden, der zwar älter als du ist, aber dich auch gleich mit du angesprochen hat.

Ganz ehrlich, diese Zwickmühle hat mich schon wirklich lange aufgeregt. Wählt man das formelle „Sie“, kann es schnell mal zu der Frage kommen: „Bin ich denn so alt?“ oder ähnliche Anschuldigungen folgen. Das eher lockere „Du“ wird hingegen oft als unverschämt oder unpassend empfunden.

Ich meine, wie einfach und entspannt wäre es, einfach ein universelles Wort für die Anrede von anderen Personen zu verwenden. Warum gibt es im Deutschen nicht auch einfach sowas wie das altbewährte „you“ für jede Person, mit der man sich unterhält? Warum denn einfach, wenn es auch schwer geht!?

Jetzt kommen wir aber genau zum Thema: Es geht auch noch schwerer!

In kaum einem Land ist die Anrede so wichtig wie in Vietnam. Wählt man den falschen Begriff, kann es schnell mal vorkommen, dass man sich zu locker verhält, darin Respektlosigkeit erkannt wird oder das ganze sogar als Beleidigung gesehen wird. Entscheidend für die Anrede sind Status und Alter.

Zwei Seiten aus meinem Vietnamesischbuch mit ein paar Anreden. Aber lange noch nicht alle!

Ein Beispiel: Drei Männer lernen sich bei einer Veranstaltung kennen, kommen ins Gespräch und trinken ein Ba Ba Ba (ba ist 3 auf vietnamesisch und dieser Name steht für eine Biersorte namens „333“). Minh ist 23, Long 34 Jahre alt und Hung mit 54 Jahren am ältesten. Rasch wird erkannt, dass sie bezüglich ihres sozialen Hintergrunds ziemlich ähnlich sind. Der Status muss aus diesem Grund nun nicht beachtet werden, sonst würde es noch viel, viel komplizierter werden.
Trotzdem kann man behaupten, dass es doch recht schwer ist, die richtige Anrede zu finden:
Minh als Jüngster der drei Männer hat Long mit anh (großer Bruder) und Hung mit chu (Onkel) anzusprechen. Spricht er von sich selbst, sollte er im Gespräch mit Minh von em (kleiner Bruder), mit Hung jedoch von chau (Neffe) sprechen.
Natürlich erinnert das jetzt an eine große Familie, aber tatsächlich hat die Anrede viel damit zu tun, ob die Person dir gegenüber nun wie ein großer Bruder, deine Großmutter, dein Onkel oder deine kleine Schwester ist. Ganz unabhängig davon, ob du diese Familienmitglieder wirklich hast.
Zum Kriterium Alter kommt auch noch der Status. Nachdem es dir vermutlich schon mit dem Alter reicht, lasse ich dir den sozialen Status lieber erspart bleiben.

Nun stell dir vor du bist im Restaurant oder in der Straßenküche und willst bezahlen. In Vietnam wird jetzt nicht sowas wie „Herr Ober“ gerufen oder geduldig gewartet, sondern die Person lautstark mit „… oi“ (zum Beispiel em oi) herbeigerufen. Die Frage ist aber, welche Anrede verwendet man? Auf die Falsche wird niemand reagieren und die anderen Menschen im Raum werden dich vermutlich blöd ansehen und lachen. In deine Unsicherheit spielt auch die Tatsache, dass es für dich – ich gehe einfach mal davon aus, denn mir geht es auch so – extrem schwierig ist, das Alter der Person (bei Vietnamesen nochmal zusätzlich schwerer) einzuschätzen. Die Entscheidung liegt bei dir. Und das Risiko.

Ich muss gestehen, dass ich oft einfach gar nicht sage und darauf hoffe, dass schon irgendwer mal nach Ewigkeiten kommen wird. Das klappt auch – mit mal mehr, mal weniger Erfolg.

Was ich noch gar nicht gesagt habe: Die Anrede wie em, anh, chu, … wird immer in Verbindung mit dem Vornamen verwendet. Minh sagt zu Hung also zum Beispiel „Chu Hung“.

Für Ausländer wie mich stellt sich jedoch erst mal die Frage, welcher Name denn nun der Vorname ist? Vietnamesen haben nämlich drei Namen: den Familien-, den Mittel- und den Vornamen.
Geschriebene Namen beginnen immer mit dem Familiennamen. Generell bekommen die Kinder den Familiennamen des Vaters. Kurzer Funfact: Insgesamt gibt es nur um die 300 vietnamesische Familiennamen. Der häufigste davon ist Nguyen, der mit knapp 40% vorkommt. Ein Glück wird der Familienname nicht zur Anrede verwendet. Würde man „Nguyen“ rufen, würde sich sonst mehr als jeder Dritte umdrehen.
Danach kommt der Zwischenname, der den Namen melodisch unterstützt oder die Familienzugehörigkeit bestimmt. Der Zwischenname kann aber auch den Namen spezifischer machen, falls Vor- und Familienname oft auftreten. Sollte der Rufname nicht geschlechtsspezifisch sein, kann der Zwischenname jedoch auf das Geschlecht definieren.
Der für den Alltag wohl wichtigste Teil ist definitiv der Vorname. Die Eltern eines Neugeborenen wollen ihrem Kind einen Wunsch, eine Eigenschaft oder einen Plan für den weiteren Lebensweg mitgeben und dementsprechend wählen sie den Vornamen. Jeder Vorname hat nämlich eine alte Bedeutung, die sorgfältig mit in die Namenswahl einfliest.
Das ganze klingt noch nicht kompliziert genug? Keine Sorge! Ein zusätzlicher Stolperstein ist der Fakt, dass viele Vornamen sowohl für Frauen als auch Männer verwendet können. Wenn es dann keine genauere Definierung durch den Mittelnamen gibt oder du einfach keinen Plan von den Namen hast wie ich, dann hast du den Salat! Dementsprechend kompliziert wird es, wenn eine Person auf Facebook kein Bild hat und du keine Ahnung hast, mit wem du gerade schreibst…

Du merkst bestimmt gerade schon, wie anspruchsvoll es ist, alle Regeln und Besonderheiten im Kopf zu behalten. Das ist es auch für mich, aber ich gebe mein Bestes, wenigstens etwas mehr einzutauchen in dieses System. Ich finde nämlich, dass man hierdurch richtig viel über die Einstellungen und die Kultur der Vietnamesen erfährt, über die Wichtigkeit des Alters, des Statuses und des Verhältnisses zwischen zwei Menschen.

Und was mir gerade auffällt: Eigentlich können wir verdammt froh sein, dass wir „nur“ du und Sie haben und keine unzähligen anderen Anredeformen. Ganz nach dem Motto, sei zufrieden mit dem, was du hast!

Viele Grüße, deine sich-immer-noch-nicht-mit-Anreden-sichere Sophie

Siebzehntes Türchen – Ich glaube an…

„Ich glaube …“

das ist der Anfang einer Satzes, in dem es um vieles gehen kann.

… dass es dieses Jahr in Hanoi schneien wird.
… ich viele Weihnachtsgeschenke bekommen werde.
… dass die Klausur extrem gut gelaufen ist.
… ich beim Lotto Millionärin werde.

Glauben kann man fast alles. Ob es stimmt, ist dann etwas anderes. Wie sagt man so schön „Wer’s glaubt, wird seelig!“

Mit diesem Satzanfang kann man aber nicht nur eine Vielleicht/Wahrscheinlich/Eventuell-Aussage machen, sondern auch seinen Glauben bekennen.

„Ich glaube an…“

Aber woran glauben eigentlich die Vietnamesen? Genau darum soll es heute im siebzehnten Türchen gehen. Religion und Glauben.

Sonderlich religiös ist ein großer Teil der Bevölkerung nicht. Laut einer Umfrage zur Gretchenfrage (ja, ich habe in Deutsch bei „Faust“ von Goethe bestens aufgepasst!) bezeichnen sich nämlich nur 20% der Vietnamesen als gläubig.

Hauptsächlich von den Strömungen Chinas ist die Religion Vietnams beeinflusst. Dazu dürfen Mahayana-Buddhismus, der Taoismus (auch Daoismus genannt) und der Konfuzianismus gezählt werden. Nicht zu vergessen, wenn auch kleiner, ist die indische Prägung, die man vor allem im Süden des Lander vorfinden kann. Und das sind: der Hinduismus, der Thereavada-Buddhismus und der Islam.
Mitspielen dürfen seit dem 15. Jahrhundert aber auch westliche Geistesströmungen. So kamen der Katholizismus und einige Zeit später auch der Protestantismus mit.
Allein vietnamesisch und neu entstanden sind Anfang des 20. Jahrhunderts wegen politischer und sozialer Unruhen außerdem noch der Caodaismus sowie der Hoa Hao-Buddhismus.

Mit einigen wirst du vermutlich nicht viel anfangen können. Ich muss zugeben, das konnte ich vor dem Verfassen dieses Blogartikels auch nicht wirklich. Ich versuche dir, aber so knapp wie möglich, aber (hoffentlich) verständlich zu erklären, worum es sich bei allen handelt. Ich glaube… jetzt kann’s losgehen!

Buddhismus

Die wenigsten Vietnamesen leben allein den Buddhismus rein aus. Neben Buddha werden oft noch andere Gottheiten verehrt, Geister angebetet und Ahnen verehrt. Deshalb kann man schon fast sagen, dass der Buddhismus eine Art Volksreligion ist, die sich mit vielen verschiedenen Strömungen vermixt hat. Diese Volksreligion hat alle anderen wichtigen religiösen Strömungen aufgenommen. Aus diesem Grund lassen sich in den buddhistischen Tempeln oft auch andere Götter finden.
In Vietnam herrscht insgesamt die Schule des Mahayana-Buddhismus (Dai Thua oder Bac Tong, was so viel wie „aus dem Norden“ bedeutet) vor. Vor allem der Zen-Buddhismus (Dhyana oder Thien) ist als Strömung des Mahayana im Land dominant. Der Begriff Zen bedeutet „Zustand der meditativen Versenkung“, deshalb ist es nicht verwunderlich, dass man von „Meditationsbuddhismus“ spricht. Eine andere besondere Strömung ist Dao Trang, die Schule des Reinen Landes, welche hauptsächlich im Süden vorzufinden ist.
Nur noch im Süden Vietnams bei einer ethnischen Minderheit, den Khmer, wird der Theravada-Buddhismus aktiv praktiziert.

 

Taoismus

Etwa um Christi Geburt, während die chinesische Besatzung Vietnam belagerte, kam der Taoismus (der auch oft Daoismus genannt wird) ins Land. Entstanden ist er in China und er gründet auf Laotses („Der Alte“), welcher im 6. Jahrhundert vor Christus das dem Taoismus zugrunde liegende Buch Tao-te Ching geschrieben hat.
So wirklich einfach zu verstehen ist diese Religion beim besten Willen nicht. Es gibt nämlich eine Vielzahl an Göttern in verschiedenen Rängen. Außerdem komplexe Rituale, mit denen eine Art Dualität im Gleichgewicht gehalten werden soll. Innere Einkehr und Einfachheit sind bei dieser Philosophie die wichtigsten Prinzipien. Sie sind auf Tao, den Weg oder die Essenz, aus dem alles besteht und entstand, begründet. Am und duong, welche im Chinesischen als Ying und Yang bekannt sind, sind besonders wichtig.

Konfuzianismus

Nicht so sehr als richtige Religion, sondern eher als Philosophie kann der Konfuzianismus (Nho Giao oder Khong Giao) gesehen werden. Entscheidend war er seit jeher für das Gemeinschaftswesen Vietnams, das Leben und den Glauben des Volkes.
Im Jahr 550 vor Christus wurde Konfuzius (Khong Tu) geboren. Mit seinen Ethikregeln entwickelte er einen Katalog für die Pflichten des Einzelnen bezüglich Familie, Gesellschaft und Staat. Bis heute bilden Prinzipien wie Angepasstheit und Pflichterfüllung das Fundament der vietnamesischen Gesellschaft.

Caodaismus

Eine originär vietnamesische Religion ist der Caodismus. Er entstand 1925 im Süden Vietnams und es werden dabei religiöse Philosophien von West und Ost verbunden. Neben Jeanne d’Arc, William Shakesppeare und Victor Hugo, die im Hinblick auf Religion vielleicht etwas fehl am Platz wirken, spielen auch Buddha, Konfuzius, Jesus, Moses und Mohammed als Propheten in diese Religion. Diesen kann man übrigens versiegelte Briefe schreiben oder mit Hile einer menschlichen Mediums in Kontakt mit ihnen treten.
Die Rituale des Caodismus entstammen dem Taoismus und Buddhismus, deshalb gibt es oft Seancen und Meditation.
Heute gibt es ungefähr zwei bis drei Millionen Anhänger in Vietnam. In Tay Ninh, nordwestlich von Saigon kann man – habe ich übrigens auch schon gemacht – den wunderschönen, farbenfrohen Hauptsitz des Caodismus bewundern.

Hao Hoa-Buddhismus

Im Jahre 1939 entdeckte der Mystiker Huynh Phu So im Mekong-Delta während einer Art Trance-Schlaf, wie man den Buddhismus richtig leben soll, übersetzt bedeutet es so viel wie „Friede und Freundlichkeit“. Nicht verwunderlich ist dann auch, dass die Gläubigen durch einfache Mittel wie Meditation, Fasten und Beten die Erleuchtung erhalten. Heilige oder Mittler werden nicht benötigt. Außerdem kann man ganz entspannt Zuhause beten und muss nicht ins Kloster.
Seiner Ansicht nach sind verschiedene Prinzipien besonders wichtig: die Hochachtung der Eltern durch ihre Kinder (Grüße an Mama und Papa, ich hoffe, das klappt meistens!?), der Verzicht auf Alkohol, Opium und Glücksspiel. Dieser Prinzipien sollte sich doch wirklich jeder mal annehmen, oder?

Christentum

Nachdem Missionare im 16. Jahrhundert ausgesprochen erfolgreich das Christentum in Vietnam eingeführt haben, lebt in Vietnam nach den Phillippinen die zweitgrößte Gemeinde südostasiatischer Christen. Circa acht bis zehn Prozent aller Vietnamesen sind katholisch. Aus diesem Grund findet man heute neben den vielen Tempeln und Pagoden in Hanoi auch einige Kirchen und darf – wenn auch selten oder durch das Hupen der Autos – leise mal das Läuten von Kirchenglocken genießen.
Übrigens gibt es seit 1911 auch den Protestantisms. Die Mehrzahl der circa 200.000 Anhänger ist die Bevölkerung von Bergvölkern im zentralen Hochland.

Islam

Vor allem die Anhörigen des Cham-Volks, die im Süden des Landes leben, sind Muslime. Insgesamt zählt der Islam 93.000 Gläubige in Vietnam. Nachdem nur kleine Teile des Korans ins Vietnamesische übersetzt sind, kennen nur wenige Vietnamesen dkennt kaum einer den kompletten Koran. Deshalb und da an das Leben hier angepasst, beten viele Cham-Muslime nur freitags, wobei oft auch orthodoxeren muslimischen Regeln gefolgt wird. Beispielsweise nimmt man die muslimischen Regeln nicht so genau. Der Ramadan dauert keinen Monat, sondern nur 3 Tage und über das Alkoholverbot wird gerne hinweggesehen. Der Verzicht von Schweinefleisch wird aber aufrechterhalten.

Hinduismus

Heute spielt der Hinduismus nur noch für indische Einwohner von Saigon, sowie die rund 60.000 Gläubigen Cham eine Rolle. Die hinduistischen Cham wohnen wie die muslimischen Cham vor allem an der zentralen Südküste. Besonders interessant ist die hinduistische Religion, die es schon seit dem 1. Jahrhundert in Vietnam durch indische Handelsleute gibt, heute noch in My Son, einer alten Stätte der Cham zu sehen. Hier kann man Symbole von Shiva, Ganesh und Visnuh bewundern.

 

Im Jahr 1997 fand die letzte staatliche Umfrage statt. Demnach soll es in Vietnam etwa 7,6 Millionen Buddhisten geben. Mit 5 Millionen Katholiken und 400.000 Protestanten liegt das Christentum auf Platz zwei. Zu verzeichnen sind außerdem 1,1 Millionen Caodaisten sowie 1,3 Millionen Hao Hoa und 93.000 Moslems.

Jeder, der schon mal in Vietnam war, mag sich jetzt vielleicht wundern. An gefühlt jeder Straßenecke sieht man doch einen Buddha. Wie kann die Zahl an Buddhisten dann doch so gering sein? Die Zahl berücksichtigt nur Menschen, die sich der reinen Lehre von Siddhartha Gautama zugehörig fühlen. Eine Vielzahl an Vietnamesen praktiziert jedoch eine Mischung aus Buddhismus, Animismus, Taoismus und Ahnenkult. So gesehen nennen sich zwei Drittel aller Vietnamesen Buddhisten.

Innerhalb von vielen Jahrhunderten schmolzen Konfuzianismus, Taoismus und Buddismus zusammen mit dem uralten vietnamesischen Animismus und chinesischem Volksglauben zur heutigen Tam Giao (Dreierreligion) zusammen. Mit dieser identifizieren sich heute viele Vietnamesen.

 

Du merkst bestimmt gerade schon, dass es echt schwierig ist, sich das ganze zu merken. Noch schwieriger ist es jedoch, das auch noch richtig zu verstehen. Mit diesem Türchen wollte ich dir jedoch wenigstens einen kleinen Einblick geben. Ich hoffe mal, das ist gelungen.

Ich glaube… jetzt reicht’s für heute.

Viele Grüße deine an-Heilig-Abend-einen-katholischen-Gottesdienst-auf-Englisch-besuchende Sophie

Sechszehntes Türchen – Chè is love

Sie sitzt vor mir, sieht mich mit einem riesigen Grinsen im Gesicht an und beginnt damit, zu erklären:
„If this were all foods in Vietnam“ (nun streckt sie mir eine ihrer Hände mit gespreizten Fingern entgegen)
Weiter geht‘s mit „that would be all kinds of Che“ und klappt nun zwei Finger zu.
Man sieht nur noch drei ausgestreckte Finger und sie schaut mich fragend an, ob ich das verstanden habe.
Meinem Blick kann sie Überraschung entnehmen. Damit hätte ich nämlich wirklich nicht gerechnet.

Nun aber mal von Anfang an. Wovon eine meiner Schülerinnen da begeistert spricht und warum sich bei mir ziemlich viel darum dreht, was es mit Weihnachten zu tun hat und vieles mehr findest du im heutigen, sechszehnten Türchen heraus.

Ach, wo soll ich anfangen, ohne gleich ins Schwärmen zu kommen? Vielleicht erst mal bei einer Definition.
Von was denn? Na von Chè, denn darum geht es heute!

Natürlich könnte ich dir jetzt meine recht einfache Definition von Chè liefern: „Chè is love“, aber vermutlich hilft dir das nicht sonderlich weiter.
Erst mal solltest du wissen, dass es sich bei Chè um Nahrung geht – wie in den meisten Türchen, wie mir jetzt aufgefallen ist.
Never mind, jetzt geht‘s wirklich los:
Chè ist ein Begriff für eigentlich jedes Getränk, jede Dessertsuppe und jede Art Pudding. Wichtig dabei ist, dass das Produkt süß schmeckt und eben noch aus Vietnam kommt, was jedoch nicht sonderlich verwunderlich sein sollte.
Varianten von Chè gibt es so viele, dass man sie gar nicht mehr zählen kann. Wie oben schon gesagt: 3 von 5 „Gerichte“ in Vietnam sind Chè.
Bei so vielen Arten ist auch mit vielen verschiedenen Zutaten zu rechnen:
Mungbohnen, Klebreis, Nüsse, Mandeln, Lotuskerne, Tapioka, schwarze Bohnen, Kidneybohnen, Jelly (in allen möglichen Formen und Farben), frische Früchte wie Mango, Durian, Jackfrucht, Litschi oder auch getrocknete Früchte und getoppt wird es oft mit einem Löffel Kokosnussmilch. Im Prinzip kann eigentlich alles in Chè hinein, Hauptsache es schmeckt!
Die wohl wichtigste Zutat ist jedoch mal mehr, mal weniger Zucker, damit es seinen süßlichen Geschmack erhält.

„A kaleidoscopic world of luminous colours, shifting shapes, unfamiliar textures, esoteric ingredients, and rich flavours“

so wird Chè auf einer anderen Website beschrieben. Klingt probierenswert, oder?

 

Vielleicht fragst du dich jetzt, wie du weißt, was in deinem Chè drin sein wird, wenn du einfach nur „Chè“ bestellst. Jede Art von Chè hat zum Glück seinen eigenen Namen. Hinter den generell bedeutungslosen Begriff Chè wird ein beschreibendes Wort oder eine Phrase angehängt. Beispielsweise kann man oft „chè đậu đỏ“ bestellen, was wörtlich soviel wie „Rote Bohnen Chè“ bedeutet und übrigens richtig lecker ist.

Und da sind wir auch schon beim nächsten Thema: der Geschmack.
Nachdem man oft aus einer Vielzahl von verschiedenen Chès auswählen kann und es doch überall verschieden schmeckt, wird das Probieren nie langweilig. Mal heiß aus dem Topf, mal kalt mit Eiswürfeln. Mal als Getränk mit Strohhalm, mal puddingartig zum Löffeln. Mal das perfekte Dessert, mal super für zwischendurch. Mal sehr süß, mal erfrischend fruchtig mit leichter Süße. Aber immer richtig lecker.
Wenn schon die Definition von Chè mir so schwerfällt und für mich immer noch nicht 100% passt (besser kann ich es trotzdem nicht machen), dann kannst du dir bestimmt vorstellen, wie schwierig es ist, den Geschmack wenigstens annähernd zu erklären, bedenkt man die vielen Variationen.

Nun hatte ich angekündigt zu erklären, was Chè für mich mit Weihnachten zu tun hat. Selbst wenn das Fest in Vietnam in religiöser Hinsicht nicht praktiziert wird, sieht man in den Geschäften die Weihnachtsbäume stehen. Man hört Variationen von traditionellen Weihnachtsliedern durch Lautsprecher erklingen und irgendwie stellt sich bei mir doch langsam etwas Weihnachtsstimmung ein. Nur ein Funken, aber der ist genug, dass ich weiß, was ich an Weihnachten besonderes essen will. Es wird kein leckeres drei-oder-vier-oder-fünf-Sterne-und-Gänge-Menü von Mama geben, keinen Weihnachtsgittesdienst und so ziemlich alles wird anders sein. Für dieses kleine bisschen Weihnachten wünsche ich mir aber wie gesagt ein besonderes Essen: Chè Khoai.
An einer schönen spätsommerlichen Mittagspause war ich mit zwei Kolleginnen in einem Restaurant und habe kurzerhand (am Tag zuvor hatte ich mein erstes Chè gegessen) eine Schüssel Chè Khoai bestellt. Serviert wurden mir heiß gedämpfte Süßkartoffeln, die mit Zimt gekocht wurden und nun in warmem Kokosnussmilch-Pudding schwammen. Nach dem ersten Löffel wusste ich, das werde ich an Weihnachten essen! Die Kombination aus den weichen Süßkartoffeln, dem weihnachtlichen Zimt und anderen Gewürzen und die heiße Kokosnussmilch, wer könnte da schon widerstehen?

Meine Passion für Chè verbreite ich übrigens auch außerhalb dieses Blogs ordentlich:
Gestern beispielsweise – es insgesamt so ein schöner Tag – bin ich mit einem 26jährigen Kanadier auf dem Moped eine Stunde auf die Suche nach Chè gegangen. Als Essensexpertin für Vietnam (just kidding, ich kenne lang noch nicht alles. Leider…) habe ich ihm von meinen Erfahrungen mit Chè erzählt und kurzerhand wurde gemeinsam beschlossen, das süße Gericht in Da Nang irgendwo zu finden. Es war schon etwas später und viele Straßenläden hatten schon geschlossen, aber einer war noch geöffnet und hatte drei verschiedene Chès. Kurzerhand wurden alle drei bestellt und das Ergebnis lässt sich sehen:

Drei waren aber dann doch etwas viel. Aber wer würde einfach Chè wegwerfen? Das wäre ein Sakrileg! Mit vielen Pausen haben wir es doch noch geschafft.
Übrigens hat es ihm zu meiner Freude – nach meinem vielen Schwärmen wäre es peinlich gewesen, wenn nicht – super geschmeckt.

Ich bin mir sicher, dass es auch dir schmecken wird! Solltest du also mal nach Vietnam kommen, kann ich dir gerne noch ausführlichere Informationen zu Chè bereitstellen, aber für heute reicht es glaube ich. Genug geschwärmt!

Viele Grüße aus dem Nachtbus zurück nach Hanoi,
die nach-dem-Motto-Chè-is-Love-lebende Sophie

PS: Hier noch ein paar Bilder von Chè. Je komischer es aussieht, desto besser schmeckt es!

Vierzehntes Türchen – Der Preis ist heiß

„Puh, 80.000 VND für dieses Essen ist echt zu viel!“

„Sollen wir einfach bei einem anderen Restaurant schauen?“

„Auf jeden Fall! So gut kann das Essen gar nicht sein…“

Ein typisches Gespräch bei der Suche nach einer guten Straßenküche oder einem Restaurant in meiner Zeit in Vietnam.
Nun magst du dich vermutlich fragen – vorausgesetzt du hast das letzte Türchen (aufmerksam) gelesen, wenn nicht, solltest du das zuerst machen – ob das ein Scherz sein soll. Umgerechnet sind 80.000 Dong nicht mal 3€ und das für eine vollwertige Mahlzeit. Und doch ist es kein Witz, sondern ganz ernst gemeint. Die Preise in Vietnam sind nämlich besonders und darum soll es heute gehen.

Fangen wir doch gleich mal mit Essen an. Generell hängen die Kosten für das leibliche Wohl natürlich immer davon ab, wo man isst. Am günstigen und meiner Meinung nach meist am besten speist man in einer der unzähligen Straßen- oder Garküchen. Ab 20.000 VND kann man mit einer leckeren und meist recht großen Mahlzeit rechnen. Eine ordentliche Schüssel Pho gibt es oft für 30.000 VND, was gerade mal 1,20€ entspricht und geschmacklich viel, viel mehr wert ist. Aber auch Gerichte wie Bun Cha oder einen Teller Reis mit verschiedenen Beilagen bekommt man ab 25.000 VND.

Für 30.000 VND pappsatt

Das Bia Ha Noi, also das Hanoier Bier, welches viel besser schmecken soll als das Bia in Saigon, gibt es pro Glas oft schon für 5.000 VND, was circa 20 Cent entspricht. Ausprobiert habe ich nämlich nur das Hanoier Bier, das hat mir als Nicht-Biertrinkerin dann aber schon gereicht. Oft gibt es ganze Läden, die sich „Bia Hoi Ha Noi“ nennen. In diesen sieht man meist männliche Vietnamesen mit ihren Plastikgläsern voll mit Bier auf kleinen Stühlchen sitzen und dabei Erdnüsse knabbern, lachen und lautstark über irgendwas sprechen. Ach ja, Essen gibt es dort auch. Besonders schön war es einmal, als Nour und ich uns in eins dieser Geschäfte gewagt haben und ein älterer Vietnamese mit etwas Englischkenntnissen uns, da wir ja das erste Mal in Vietnam sind, mit einem Bier auf ihn und „Welcome in Vietnam“ freudig in seinem Land willkommen geheißen hat. Das war wirklich ein schönes Erlebnis, wenngleich es 12 Uhr mittags vielleicht nicht die richtige Zeit für Bier war.

Mit Bia und „Welcome in Vietnam“

Besonders schätze ich die Preise für Smoothies. Gegenüber des Literaturtempels, nur 10 Minuten von „meiner“ Wohnung entfernt gibt es frische Smoothies für gerade mal 25.000 VND, also einen Euro und man kann sich drei Obstsorten aussuchen und bei der Zubereitung zusehen. Dir das zu verschweigen, nachdem ich diese Smoothies liebe, wäre eine Schande gewesen.

Der Preis der Getränke ist wie beim Essen aber natürlich davon abhängig, wo man verkehrt. In den ersten Tagen in Hanoi habe ich beispielsweise immer im touristischen Old Quarter gegessen, da die Preise dort auf Plakaten groß präsentiert werden. Der Touri-Zuschlag ist dann natürlich gleich mit inbegriffen. Mit wachsender Erfahrung und wachsendem Vietnamesisch-Wortschatz traue ich mich jedoch inzwischen auch in Straßenküchen, die keine Preise angeschrieben haben.

Obwohl Essen und Trinken meine Haupt-Lebensinhalte in Vietnam sind, ganz ehrlich, gibt es auch andere Dinge, die Geld bedürfen.

Shopping zum Beispiel! Spaziert man fröhlich durch die vollen Straßen Hanois, aber auch Saigons und Hoi Ans, sieht man viele tolle Kleidungsstücke. Sie warten nur darauf, anprobiert und gekauft zu werden. Geht man in einen der „Made in Vietnam“ Läden findet man oft Markenkleidung, die im Land überschüssig produziert wurde, für meist viel weniger als die Hälfte des Originalpreises. Aber auch in den touristischen Gegenden wird viel feilgeboten. Überall sieht man die quadratischen „Fjalkraven“Rucksäcke, die man mit Verhandlungsgeschick für 8€ bekommt und ich darf mich stolze Besitzerin eines eben solchen Rucksacks nennen.

Übrigens: Handeln ist in Vietnam Pflicht. Vor allem in touristischen Gegenden sollte man mit der Hälfte des Preises anfangen und sich dann sehr langsam steigern. Auf einem Markt in Saigon haben Theresa und ich es beispielsweise geschafft, von 500.000 VND auf 250.000 VND für einen Pullover zu gehen. Ziemlich gut wie ich finde.

Aber auch bei Obst und anderen Lebensmitteln, die auf der Straße angeboten werden, ist Handeln angesagt. Es geht nicht darum, den Preis stark zu senken, sondern einfach um das Prinzip. Wie gesagt: Handeln ist Pflicht.

Nicht vergessen sollte man jedoch, dass man beim Handeln den richtigen Ton wählt. Undenkbar für Vietnamesen ist es nämlich, sein Gesicht zu verlieren. Aus diesem Grund sollte man ruhig, aber clever verhandeln. Mit einem Lächeln auf den Lippen wird der Preis übrigens meist noch besser.

Toll sind die Preise, wenn man von einem an einen anderen Ort kommen möchte. Mit Uber oder Grab wird man meist zuverlässig – über das Gegenteil könnte ich dir stundenlang Geschichten erzählen – von A nach B transportiert. Und das für kleines Geld. Innerhalb von 13 Minuten legt man beispielsweise 2,29 Kilometer für gerade mal 22.000 VND zurück. Zusätzliches Plus: So gut wie immer gibt es „Special Promos“, mit denen man mal für den halben Preis, mal für 10.000 VND weniger ans Ziel befördert wird. Das Adrenalin beim Mopedfahren inklusive.

Erfreulich finde ich auch die Eintrittspreise für jegliche Art von Kultur. In viele Museen kommt man schon für 30.000 VND. Die Tatsache, dass Vietnamesen für ihre Eintrittskarten wesentlich weniger als Ausländer bezahlen, ist ein toller Weg, den Leuten vor Ort Kultur attraktiver nahebringen zu können.

Ich könnte dir noch viele andere Preise aufzählen, aber merken kannst du dir sie wahrscheinlich doch nicht. Also lass ich das jetzt lieber sein.

Ein Thema möchte ich jedoch nicht unerwähnt lassen: Das Durchschnittseinkommen in Vietnam liegt bei 173 Dollar pro Monat. Mit diesem Geld müssen Wohnung, Strom, Wasser, Essen, Kleidung und alles andere, was man zum Leben braucht bezahlt werden.

Da wir mit einem ganz anderen Verständnis für Geld aufwachsen, sind für mich 30.000 VND nicht so viel Geld. Für einen Vietnamesen oder eine Vietnamesin jedoch schon.

Und selbst wenn man überall liest, dass Vietnam ein so günstiges Reiseland ist, muss man doch bedenken, dass die Menschen hier von genau diesem Geld überleben müssen.

Mich beschäftigt oft dieser Unterschied, was man dagegen machen kann und wie ich mich damit zu fühlen habe. Die Lösung: Keine Ahnung. Gefunden habe ich sie leider noch nicht.

Viele Grüße aus Hoi An sendet dir

die in-einem-sehr-günstigen-Hostel-lebende Sophie

Dreizehntes Türchen – Wer wird Millionär?

Auf die Frage „Wer wird Millionär?“ kann ich nur antworten „Ich nicht, ich bin es nämlich schon!“

Bestimmt fragst du dich gerade, wie das denn so schnell gehen konnte. Hat Sophie eine so heftige Karriere hingelegt? Oder was ist los?

Leider muss ich diese Frage mit nein beantworten. Das wäre einfach auch zu schön, um wahr zu sein…

Heute soll es um ein ziemlich wichtiges Thema gehen, um Geld, besser gesagt das Geld in Vietnam.

In meinem Geldbeutel finden sich neben verschiedenen Bankkarten, Belegen und unnötigem Zeug viele bunte Papierscheine. Von jedem blickt mir der Landesvater Vietnams, Ho Chi Minh ernst entgegen, auf der Rückseite sind schöne Ansichten von zum Beispiel einer Holzfällerei oder auch einer Konservenfabrik zu sehen.
Von Anfang an unbegreiflich sind die hohen Zahlen, die ich auf den Scheinen lesen darf:
Der niedrigste und seltenste Wert sind 200 Vietnamesische Dong, was umgerechnet weniger als 0,7 Cent sind.
Weiter geht‘s mit 500, 1.000, 2.000, 5.000. Diese Scheine sind meist schon ziemlich alt und instabil. Hält man sie in der Hand, fühlen sie sich wie alte, mehrmals zerknüllte Zeitung an. Wenn man bedenkt, dass sie doch recht oft zum Einsatz kommen, ist das aber auch verständlich.
Mehr wert sind dann aber 10.000, 20.000, 50.000.
Am wertvollsten, aber auch nervenaufreibendsten sind dann aber die 100.000, 200.000 und 500.000. Beim Geldabheben bekommt man nämlich vom Bankautomaten meist diese „großen“ Scheine ausgegeben. Entscheidet man sich nun, mit dem Uber oder Grab zu einem bestimmten Ort gefahren zu werden, kommt es schon mal vor, dass man nichts „kleines“ hat und mit 200.000 oder im schlimmsten Fall sogar 500.000 bezahlen will. Nachdem man für die Fahrten nur kleines Geld bezahlen muss und die Fahrer ein gutes Geschäft wittern (oder es einfach wirklich nicht haben), sagen sie, dass sie so großes Geld nicht wechseln können. Dann hat man den Salat! Entweder man findet jetzt einen Ort, an dem man wechseln kann oder man muss sein gutes Geld dem Fahrer sozusagen spenden. Dann wird die eigentlich günstige Fahrt auf einmal doch etwas teurer. Herzlichen Dank auch.

Ich habe es schon erwähnt, die Währung des vietnamesischen Geldes nennt man „Vietnamesischer Đồng“. Das vietnamesische Wort „Đồng“ bedeutet übersetzt so viel wie „Kupfer“. Bevor die Franzosen nämlich nach Vietnam kamen und eine Kolonie gebildet haben, wurden Münzen aus Kupfer geprägt. Münzen gibt es jetzt aber eigentlich gar keine mehr. Das macht den Geldbeutel leichter, den Überblick jedoch schwerer.

Apropos Überblick: Bei den vielen Nullen, fällt der Überblick oft richtig schwer. Wenn du beispielsweise wie auf dem Bild den 10.000 und den 100.000 Schein ansiehst, merkst du bestimmt schon, dass sie sehr leicht zu verwechseln sind, zumal die Farbe auch ähnlich ist. So verliert man dann gut und gerne mal den Überblick, wie viel Geld sich in seinem Geldbeutel noch befindet. Beim schnellen Blick in den Geldbeutel vor dem Restaurantbesuch sieht man beispielsweise den 100.000er Schein, beim Bezahlen stellt er sich dann als 10.000er heraus. Nicht wünschenswert, aber leider auch nicht ganz selten.

Zurück zur Frage, wer wird Millionär. Aktuell ist der Wechselkurs bei 1:26.700. Für einen Euro bekommt man also knapp 27.000 Vietnamesische Dong. Rechnest du nun weiter, kommst du zu dem Schluss, dass du bereits mit etwas mehr als 37€ zum Millionär wirst. Ziemlich cool!

Zu den Preisen und Kosten in Vietnam jedoch morgen erst mehr.

Viele Grüße von deiner Millionärin Sophie, die sich gerade mit einer Million Dong Luft zufächelt 😉

Zehntes Türchen – Obamas Liebe

Bestimmt kennst du die große Liebe vom vorherigen Präsidenten der USA: Michelle Obama.
Vielleicht magst du dich jetzt fragen, warum Sophie heute einen Blogeintrag über die ehemalige First Lady schreibt. Aber keine Sorge! Auch wenn der Titel dieses Türchens danach anmuten mag, soll es heute um eine andere Liebe Obamas gehen! Und um meine ebenfalls.

„bún chả“*

Als der damals amtierende Präsident der Vereinigten Staaten nämlich in Vietnam war, verliebte er sich durch ein ganz besonderes Gericht in die vietnamesische Küche. Du magst es schon vermuten, durch eben jene Bun Cha.

Als Sophie damals – naja, vor drei Monaten eben – in Vietnam war, verliebte sie sich unter anderem durch ein ganz besonderes Gericht in die vietnamesische Küche. Du magst es schon vermuten, durch eben jene Bun Cha.

Hanoi ist nicht nur eine Stadt besonderer Sehenswürdigkeiten und Landschaft, sondern auch bekannt als eine Gegend besonderer kulinarischer Genüsse in Vietnam. Dort kannst du so viele verschiedene, leckere Gerichte finden. Ein besonderes, wie du bestimmt schon anhand der ersten Sätze gemerkt hast, ist Bun Cha. Dieses einfache, aber einfach geniale Gericht ist eine tolle Mischung aus herzhaft und frisch. Es hat viele geschmackliche Besonderheiten und begeistert durch die Harmonie von frischem Gemüse und Fleisch.

So genau weiß niemand, wann und von wem Bun Cha „erfunden“ wurde, aber ich kann mit Sicherheit sagen, dass diese Person ziemlich genial war. Mit der Zeit wurde Bun Cha eines der berühmtesten Gerichte in Vietnam und das zu Recht!

Nun kommen wir aber erst mal dazu, was Bun Cha ist und später zu der Frage, warum sie sogar von Obama geliebt wird.

Was ist Bun Cha?

Auf dem Heimweg von der Schule entdeckt, probiert, geliebt: Bun Cha!
Und so sieht sie aus, lecker, oder?

Bun Cha ist ein lokales Gericht aus der Hauptstadt Vietnams, Hanoi. Man findet zwar über ganz Vietnam verteilt viele Gerichte, die in ihrer Zubereitung an Bun Cha erinnern, wie beispielsweise im Süden Vietnams Bun Thit Nuong. Dennoch muss ich sagen, dass Bun Cha einfach unschlagbar ist. Zumal ich ja in Hanoi lebe, wie könnte ich das dann nicht mögen!?

Das einfache Gericht kann man überall und das ganze Jahr über finden.
Egal, ob du in einem edlen Restaurant auf bequemen Stühlen oder an der Straße auf kleinen blauen, weniger bequemen Stühlchen Bun Cha genießt, sind die Zutaten stets die selben:
Serviert werden ein Teller mit Bun (die weißen dünnen Reisnudeln, du siehst, auch hier ist wieder Reis drin), eine Schüssel mit Brühe und gegrilltem Schweinefleisch und ein Schälchen mit frischen Kräutern.

Die Nudeln, Bun genannt, werden als großer Haufen auf einem Teller serviert. Die Hanoier/Hanoianer/Hanoies (ich hab so gar keine Ahnung, wie man sie nennt…) sind sehr anspruchsvoll beim Thema Essen. Das sieht man schon allein bei der Auswahl ihrer Nudeln für das jeweilige Gericht. Bei Bun Cha haben die Bun dünn, weich und kaufähig zu sein.

Der Fokus bei diesem Essen liegt auf Cha, also dem Fleisch. In einer Schüssel werden zwei verschiedene Kocharten von Schweinefleisch serviert: Cha Vien (eine Art Hackfleisch, das zu „Minifleischküchle“ geformt wird) und Cha Mieng (dünn aufgeschnittenes, gegrilltes Fleisch).

Das Highlight von Bun Cha bleibt jedoch die Brühe, welche das Gericht erst besonders macht. Um eine süße und gleichzeitig etwas sauere Brühe zu kreieren, verwendet der Koch Fischsauce, Essig und braunen Zucker. Obwohl die Zutaten simpel sind, schmeckt jede Sauce verschieden. Das Verhältnis der Elemente macht jede Bun Cha anders. Ob eine Bun Cha gut oder schlecht ist, wird also anhand der Brühe bewertet.
In der Brühe sind meist noch hauchdünn geschnittene Karotten- und Papaya-Stückchen, welche die Geschmacksvielfalt nochmals erweitern.

Ohne ein weiteres Schälchen wären vietnamesische Gerichte nicht komplett. Zu finden darin sind frischer Salat, Thai Basilikum, eine besondere Art Minze, Bananenblume und Koriander.

Wann isst man Bun Cha?

In der Vergangenheit wurde dieses Gericht nur zu Mittag gegessen. Heutzutage, nachdem Läden oft von früh morgens bis spät abends geöffnet haben, kann man Bun Cha zu welcher Mahlzeit auch immer essen.

Wie isst man Bun Cha?

Es gibt eigentlich keinen falschen Weg, das zu essen. Hauptsache ist, dass man Bun Cha isst!
Wie auch immer, es gibt zwei verschiedene Möglichkeiten, das Gericht zu verspeisen: die nördliche und die südliche Variante.

Im Süden Vietnams wird generell alles und zwar wirklich so gut wie alles gerollt und „eingepackt“ wie bei einem Wrap.
Wenn du es also magst, dein Essen kompakt einzurollen, nimmst du ein großes Salatblatt, packst das Fleisch, die Nudeln und die Kräuter darauf und rollst das ganze. Jetzt dippst du das Ganze in die Brühe und nimmst einen großen Bissen.
Der größte Vorteil davon ist definitiv, dass du mit deinen Händen essen kannst und es so egal ist, wie gut du mit Essstäbchen umgehen kannst.

Falls du aber zeigen möchtest, welche Essstäbchen-Ess-Fähigkeiten du (entwickelt) hast, solltest du die Hanoier Variante wählen! Die nördliche Art, Bun Cha zu verzehren ist wesentlich einfacher. Alles, was du zu tun hast, ist, Fleisch, Nudeln und Kräuter in die Brühe zu befördern, ordentlich zu mischen und es dann wie eine Schüssel Pho zu essen.
Nachdem die Nudeln in Kombination mit der Brühe glitschig werden, kann dieser Weg sowohl lustig als auch herausfordernd sein, wenn man kein Esstäbchen-Meister ist.
Nun weißt du, wie Profis also Bun Cha essen.
Das kannst du jetzt gleich machen!
Vorausgesetzt du hast gerade eine Portion Bun Cha vor die stehen…

Warum liebt Obama dieses Gericht?

Bun Cha ist ein sehr simples Essen, das man recht schnell zubereiten kann und auch an Straßenküchen und in Restaurants fix serviert bekommt. Schon allein der Geruch der gegrillten Fleischs und der Brühe lassen mir und mit großer Wahrscheinlichkeit Obama das Wasser im Mund zusammenlaufen. Vermutlich genau so sehr, wie wenn er seine Michelle sieht.
Und dann der Geschmack! Unschlagbar, göttlich und so vielfältig.
Ach je, ich komme ins Schwärmen und unter der Annahme, dass du nicht die Möglichkeit hast, jetzt zu einem Restaurant oder einer Straßenküche zu gehen und eine frische Bun Cha zu genießen, beende ich nun mein Plädoyer für dieses Essen.

Zu sagen bleibt nur noch: Wenn du nach Vietnam und (am besten für Bun Cha) Hanoi kommst, führt kein Weg daran vorbei, das Gericht zu probieren!

Ich habe es gemacht und geliebt.
Obama hat es gemacht und geliebt.
Du wirst es (hoffentlich) machen und lieben!

Alles Liebe von Sophie mit Liebe zu Bun Cha

*Eins darf bei Bun Cha nicht unerwähnt bleiben: Obwohl die Rechtschreibung und das komplette Schriftbild mit den Haken und den Tönen, wie ich es einmal oben verwendet habe, sehr kompliziert aussieht, ist das nicht der Fall. Wenn ich also in der Starßenküche „Bun Tscha“ bestelle, versteht man mich ohne Problem. Wie könnte ich Bun Cha dann nicht lieben!?

Achtes Türchen – Traditionell. Und doch modern

Gibt man bei Google „Vietnamesinnen“ ein, so bekommt man auf acht der ersten zwanzig vorgeschlagenen Bilder vietnamesische Frauen im Ao Dai zu sehen. Denkt man an die Kultur und die traditionelle Kleidung Vietnams, kommen mir aber ehrlich gesagt auch ziemlich bald die Bilder vom Ao Dai und dem Non La (dem Kegelhut, den ich im siebten „Türchen“ genauer thematisiert habe) in den Kopf.

Nachdem du dich nun schon mit dem besonderen vietnamesischen Hut auskennst und wir gerade so gut im Thema Kleidung und Kultur sind, geht es heute um das Kleidungsstück, das die Grazie und Schönheit der vietnamesischen Frau unterstreicht:

Der Ao Dai, zu Deutsch „langes Kleid“.

Ausgesprochen wird das Wort – wie so oft im Vietnamesischen – aber etwas anders: Im Norden spricht man von dem Gewand als „Ao Sai“, im Süden dagegen als „Ao Jai“. So nebenbei: Wenn ich mich während eines Gesprächs schon einige Minuten mit Vietnamesen über den Ao Dai unterhalten habe (natürlich auch zur Recherche für dieses „Türchen“) und dann eine Frage mit dem Wort stelle, versteht man mich nicht. Ziemlich enttäuschend. Ich glaube, irgendwas mache ich ziemlich falsch. Aber darum soll es jetzt nicht gehen!

Der Vorläufer diseses Kleidungsstückes war der Ao tu than, ein langes Kleid bestehend aus vier Teilen. Im 17. Jahrhundert wurde dieses von den Cham inspirierte Gewand auch von vietnamesischen Frauen getragen. Diese Art von Kleidern gibt es zwar immer noch, allerdings werden sie nur noch bei Bühnenauftritten und auf Festen der Öffentlichkeit präsentiert.

Im Vietnamesischen Frauenmuseum in Hanoi ist ein ganzer Teil der traditionellen Kleidung in Vietnam gewidmet. Hier ein Bild von verschiedensten Ao Dais.

Der Ao Dai, wie man ihn heute kennt und bestaunen kann, wurde im Hanoi des frühen 20. Jahrhunderts kreiert. Wie die Männer, die sich immer westlicher kleideten, änderten auch die vietnamesischen Frauen ihren Kleidungsstil. Die Art einiger junger Frauen, sich aufreizend zu kleiden, war den  meisten Vietnamesen aber viel zu vulgär und widersprach oben drein auch der konfuzianischen Lehre. Die Weiblichkeit der Frau durfte nämlich keinesfalls zu sehr im Vordergrund stehen. Der Ao Dai war da genau die richtige Lösung: Ein am Oberkörper eng anliegendes Oberteil, das über eine locker sitzende Hose fällt, die meist bis zum Boden reicht. Das Design des Kleidungsstücks scheint, den kompletten Körper in sanft fließende Stoffe zu hüllen. Die Mischung aus Eng und Weit setzt den Körper in Szene, wenn auch sehr dezent. Gesäumt von langen seitlichen Schlitzen, die bis über die Hüfte reichen, ermöglicht das Kleid gleichermaßen einfaches Bewegen und einen hohen Tragekomfort.
Mit disem Langkleid ist es für die vietnamesische Frau möglich, anmutig, aber nicht freizügig ihre körperliche Schönheit zu präsentieren.

„Der Ao Dai ist geschlossen, kann aber die schönsten Züge des Körpers der Frauen zeigen. Man kann sagen, dass der Ao Dai die eigene Schönheit der Kostüme der vietnamesischen Frauen zeigen.“

Zu Beginn trugen nur mit Franzosen verheiratete Vietnamesinnen den Ao Dai. Aber schon Ende der 1930er Jahre konnte man das neue Gewand an den meisten Stadtfrauen bewundern. Besonders französische Seide in den Farben Violett und Dunkelrot sowie bunt gefärbte, leichte, indische Stoffe waren als Materialien besonders beliebt.

Übrigens wurde das Ao Dai der städtischen Frauen zu diesem Zeitpunkt aus fünf Stoffbahnen geschnitten. Die vier Hauptstoffbahnen stehen für die Eltern und die Schwiegereltern. Die restliche Stoffbahn bezeichnet die Trägerin. Die fünf Haken entlang der Tracht symbolisieren menschliches Verhalten nach den Regeln des Konfuzianismus: Redlichkeit, Höflichkeit, Treue, Klugheit und Zuverlässigkeit.

Die Zeit der schönen Kleider endete jedoch mit dem Krieg. So sah man die eleganten Gewänder nur noch bei formalen Anlässen. Aber auch nach dem Kriegsende war es nicht üblich,  sich derart hübsch anzuziehen.

Zum Glück ist diese Zeit vorbei. Heute ist der Ao Dai nämlich wieder eine tolle Variante, wenn frau sich chic machen will.

Je nach der Farbe eines Ao Dais kann man tatsächlich auf das Alter und den sozialen Status der Trägerin des Kleidungsstückes schließen. Jüngere Frauen wollen beispielsweise mit ihren weißen Ao Dais Jugend und Reinheit versinnbildlichen. Werden sie älter, bleiben aber weiter unveheiratet, wählt man für seinen Ao Dai mehr Pastell-Töne. Kräftige Farben lassen vermuten, dass die Trägerin verheiratet ist.
Außerdem gibt es für religiöse und rituelle Zeremonien ausgewählte Farben wie beispielsweise braun, blau und lila.
Bei besonderen Anlässen wählt man Ao Dais mit aufwendigeren Designs und Mustern. Bei Hochzeiten, nationalen Festen und vor allem dem Tet-Fest (dem höchsten vietnamesischen Fest) sieht man die beeindruckenden Kleidungsstücke überall.

Am Hoan Kiem-See kann man täglich viele Vietnamesinnen in ihren hübschen Ao Dais sehen, die sich vor dem See platzieren und ablichten lassen. In „normalen“ Outfits wird – soweit ich das mitbekommen habe – eigentlich gar kein Shooting gemacht. Der Ao Dai sieht einfach zu gut aus.

Früher trugen sowohl Männer als auch Frauen das Kostüm. Heutzutage sieht man Männer im Ao Dai jedoch nur noch sehr selten, meist zu wichtigen Anlässen wie Hochzeiten und Beerdigung.

Besonders verzierte Arten des Ao Dais, hier für eine Hochzeit.

Aber auch in der Viet Duc Oberschule, in der ich arbeite, freue ich mich jeden Montag  – an diesem Tag ist der Fahnenappell – wenn ich die Mädchen im weissen Ao Dai bewundern kann.
Ein Schuldirektor in Ca Mau hatte dieses Kleidungsstück im Jahr 1983 nämlich als Schuluniform eingeführt, nachdem er Grazie, aber auch Konformität an seine Schule bringen wollte.
In den folgenden Jahren nahmen immer mehr weiterführende Schulen den Ao Dai als Schuluniform auf. Und so wohl auch die Viet Duc Oberschule.

Immer wieder wurde das Gewand dem Zeitgeist angepasst. So wurden moderne Modeideen mit dem traditionellen Gewand verbunden. Die vietnamesische Kultur, die das Kleidungsstück transportiert, ging dabei jedoch nie verloren. Unabhängig davon, wie viele Versuche gestartet werden, den Ao Dai neu zu erfinden oder zu modernisieren, der traditionelle Ao Dai ist und bleibt eines der bequemsten und beeindruckendsten Kleidungsstücke Vietnams.

Und selbst wenn er vielleicht konsevativ aussehen mag, kann ich dem folgenden Sprichwort doch nur voll zustimmen:

„Der Ao Dai bedeckt alles, aber versteckt nichts.“

Ab 30€ kann man sich in Vietnam einen eigenen Ao Dai schneidern lassen – natürlich ohne Limit nach oben. Ob mir das so steht, weiß ich noch nicht. Eine Überlegung ist es aber allenfalls wert…

Wenn man ihn nur für einen bestimmten Anlass benötigt, kann man sich in speziellen Läden auch einen Ao Dai mieten.

Wichtig zu bedenken ist aber, dass jeder Ao Dai nur für eine bestimmte Frau geschneidert ist. Geliehen wird er also nie so gut aussehen wie nur für dich geschneidert. Zusatzinfo: Obwohl der Ao Dai genau auf einen Körper zugeschnitten ist, wird immer an der Naht Platz für eine Ausweitung des Gewandes gemacht. Selbst wenn Vietnamesinnen generell sehr dünn sind, kann es ja vorkommen, dass sie zunehmen. Bei dem Angebot von leckerem Essen und Trinken hier nicht ganz unverständlich. 😉

Zu hoffen bleibt, dass der Ao Dau auch in Zukunft viel auf den Straßen Vietnams vertreten sein wird. Selbst wenn er sich verändert und moderne Modedesigns miteinfließen bleibt er doch ein traditionelles Kleidungsstück Vietnams.

Ich wünsche mir, dass ich in einigen Jahren immer noch nach „Vietnamesinnen“ googlen kann und mindestens genau so viele Bilder von Vietnamesinnen in Ao Dais (und auch den Non Las) wie heute finden werde!

Viele Grüße von deiner Ao-Dai-Bewundererin Sophie

Viertes Türchen – Mein Lieblingsplatz in Hanoi

Heute möchte ich dir meinen Lieblingsort in Hanoi vorstellen. Er gilt für die Einwohner Hanois als Seele der Stadt und auch für mich wäre er nicht wegzudenken aus der Altstadt Hanois. Hanoi wäre einfach nicht das selbe ohne diesen Ort.

Die Rede ist vom Hoan Kiem-See. Hier erst mal einige allgemeine Infos zum See:

Früher war er ein Rückstausee, der an den Roten Fluss (Song Hong) anschloss. Im Laufe der Zeit verlagerte der Fluss sich und so trennte sich der Fluss vom See.

Übersetzt bedeutet der Name des 70o Meter langen Sees so viel wie

„Der See des zurückgegebenen Schwertes“.

Dieser Begriff geht auf eine alte Legende zurück. Zur Zeit der chinesischen Belagerung – Mitte des 15. Jahrhunderts – soll der vietnamesische Held Le Loi mit einem magischen Schwert die Chinesen in Vietnam besiegt haben. Dieses Schwert hat er beim Fischen im Hoan Kiem-See in seinem Netz gefunden und damit konnte er einge erfolgreiche Schlachten schlagen. Manch einer mag sogar behaupten, dass dieser Held die Chinesen komplett aus Vietnam vertrieben hat.
Nach zehn Jahren kam er zum See zurück, um den Geist des Sees zu ehren. Als er nun die Dankeszeremonie vorbereitete, erschien ihm unter Blitz und Donner unverhofft eine riesige goldene Schildkröte, wohl eine Verleiblichung der Götter, und nahm das magische Schwert wieder an sich.
Aus Dankbarkeit über den Sieg und als Erinnerung an dieses besondere Ereignis mit der Schildkröte ließ Le Loi einen dreistöckigen Schildkröten-Pavillion (Thap Rua) im Süden des Sees auf einer kleinen Insel errichten. Dieser gilt bis heute als Wahrzeichen der Stadt.

Der dreistöckige Schildkröten-Pavillion bei Nacht

Am 19.01.2016 wurde tatsächlich eine riesige Schildkröte tot aus dem See gezogen. Wer weiß, vielleicht war es ja eben diese magische Schildkröte…

Ein Denkmal von jenem Volkshelden, der später als Herrscher Ly Thai To genannt wurde, findet man am Südufer des Sees. In einem kleinen Skulpturenpark thront eben dieser als Denkmal über den Köpfen der Menschen.

Das Denkmal von Ly Thai To

Auf dem See befindet sich eine weitere Sehenswürdigkeit Hanois. Über eine rote, geschwungene Brücke, die The Huc-Brücke („Brücke der aufgehenden Sonne“), die 1875 errichtet wurde, kommt man zum Jadeberg-Tempel.

Die The Huc-Brücke und der Hoan Kiem-See haben mir am Tag meiner Ankunft in Vietnam bei schönstem Wetter gleich den Atem verschlagen. Verständlich, dass ich den See so sehr mag, oder?

Am Ufer neben der Brücke befindet sich ein 9m hoher Turm, der Thap But. Einheimische nennen ihn den „Schreibpinsel-Turm“. Wie auch der Jadeberg-Tempel werden hier Literatur und Dichter verehrt. Besonders dem taoistische Autor Van Xuong wird hier gedacht.

So, jetzt weg von historischen Fakten hin zum „echten Leben“!

Der Hoan Kiem-See ist ein Ort, an dem man flanieren kann, sich auf ein Eis treffen, ein ganz besonderes Spiel spielen (eine Art Federball wird mit dem Fuß hin und hergekickt und soll in der Luft gehalten werden, wobei das nochmal schwieriger als Fußball ist, weil die Auftrefffläche dieses Spielgeräts viel kleiner ist), als Pärchen verliebt auf den See schauen, Englisch lernen oder in meinem Fall Vietnamesisch kann und so vieles mehr.

Besonders am Wochenende ist viel am See los, weil hier die Straßen um den See für die sogenannte „Walking Street“ gesperrt sind. Am Abend sind hier Musiker und präsentieren ihr Können, Künstler und malen Henna-Tatoos, Kinder und fahren in Autoscootern, Hochzeitspaare und lassen sich ablichten, Touristen und bestaunen den Trubel, alte vietnamesische Frauen und tanzen Zumba und andere Tänze (eine etwas längere Anmerkung: an einem Abend habe ich spontan beschlossen mitzutanzen, irgendwie habe ich mich aber nicht so toll angestellt, weil ich den Tanz einfach nicht verstanden habe. Eine vietnamesische Frau hat für mich dann „mot, hai, ba…“ extra mitgezählt und so konnten wir gemeinsam tanzen. Das war für mich ein wirklich schönes Erlebnis, an das ich sehr gerne zurückdenke.)

Für mich macht keine alte Legende oder bestimmte Denkmäler und Gebäude den See zu dem, was er ist, sondern viel mehr die Begegnungen dort. Zu unterscheiden ist dabei in drei verschiedene Arten von Begegnungen:

  • die eher belanglosen Gespräche, die mit „May I practice my English with you?“ beginnen. Weil man eben nicht wie ein Vietnamese oder eine Vietnamesin aussieht und einem so unterstellt wird, dass man gut Englisch spricht, wird man meist Löcher in den Bauch gefragt. Gegenfragen werden kurzerhand ignoriert und dementsprechend nicht beantwortet.
    Nachdem der Interviewer also meinen Namen, meine Geschichte und fast schon meinen Kontostand erfragt hat, wird mit „Thanks for your praciticing English with me!“ gesagt und die nächste Person fünf Meter weiter befragt.
    Auch belanglos, aber sehr nett war an einem Abend eine Gruppe kleiner Vietnamesinen, bestimmt noch keine zehn Jahre alt, die mit Mappen in den Händen zu uns kamen und uns in die Geschichte des Hoan Kiem-Sees eingeführt haben, indem sie einen recht anspruchsvollen englischen Text aus ihren Mappen vorgelesen haben. Mal besser, mal schlechter. Der Gedanke des gemeinsamen Englischsprechens hat dabei gefehlt, aber die Mädchen waren wirklich sehr süß und die Geschichte und die besondere Legende des Sees ist ja auch sehr interessant, wie du jetzt bestimmt auch gemerkt hast 😉
  • die ziemlich seltsamen Begegnungen: Ein vielleicht 30-Jähriger Vietnamese, der kein Englisch sprechen konnte und mir mit Zeichen, dem Kaufen von Essen und Trinken (was ich höflich abgelehnt habe) und schließlich dem Anlehnen seines Kopfes an meine Schulter zeigen wollte, dass er mich wohl gut findet. Das war dann doch zu viel des Guten und ich habe mich verabschiedet und bin gegangen. Später hat mir jemand erklärt, dies wäre das für ihn einzig mögliche Zeichen der Zuneigung, zumal er meine Sprache nicht beherrscht. An sich nett, aber schon ziemlich seltsam.
  • die Begegnungen der besonderen Art: Ich könnte nun viele dieser Begegnungen nacherzählen, aber das wäre wohl für dich nich sonderlich spannend. Aus diesem Grund beschränke ich mich auf eine davon.
    An einem sonnigen Tag saß ich am See und habe Tagebuch geschrieben. Ein Taxifahrer hat mir „angeboten“, mir Hanoi auf dem Moped zu zeigen. Als ich ihm erklärte, ich wäre schon seit zwei Monaten hier und würde mich in Hanoi recht gut auskennen, weshalb ich keine Tour mehr bräuchte, hat er nicht etwa beleidigt reagiert. Ganz im Gegenteil, er hat mich zu meiner Arbeit und vielen anderen Dingen befragt und am Ende gemeint, dass er sich freut, mich kennen gelernt zu haben und hofft, mich nochmal zu treffen.
    Einige Wochen später habe ich gerade beim Laufen um den See an ihn gedacht, als er mir plötzlich freudig entgegengewunken hat und nach einem weiteren netten Gespräch meinte, dass ich heute nochmal viel hübscher als beim letzten Mal aussehen würde. Nach dieser Begegnung – es war schon wirklich ein toller Zufall, ihn genau dann nochmal zu treffen, als ich an ihn dachte – bin ich lächelnd durch die Straßen gelaufen und habe bei mir gedacht

„Der Hoan Kiem-See ist einfach doch die Seele der Stadt und mein absoluter Lieblingsplatz in Hanoi.“

Die wohl schönste Aussicht auf den See. Man kommt durch ein Seidengeschäft über viele Treppen auf eine Dachterasse und kann über den ganzen See blicken, einen Egg-Coffee genießen und den Menschen am See zusehen.

Viele Grüße und alles Liebe,

deine gerade-vom-Hoan-Kiem-See-gekommene Sophie

Erstes Türchen – Magst du Phở mit Zwiebeln?

Vor einigen Wochen in der zehnten Klasse (die Schüler lernen erst seit September Deutsch) hat mich plötzlich ein Schüler gefragt:

„Magst du Pho mit Zwiebeln?“

Diese Frage klingt erst mal einfach und belanglos, aber es geht um viel mehr.  Bei Pho scheiden sich die Geister.

Aber nun erst mal von Anfang an:

Pho ist das Nationalgericht Vietnams. Wirklich so gut wie jeder Vietnamese – ich habe erst einen getroffen, der sie nicht mag – liebt Pho.

Die Erfolgsgeschichte der vietnamesischen Küche begann genau mit dieser Suppe:
Viele von Vietnam Ausgewanderte ließen sie in ihren riesigen Töpfen in Paris, Los Angeles oder sonst wo blubbern und machten damit die Pho zum internationalen Vorzeigegericht Vietnams. Man mag jetzt denken, naja, ist ja langweilig. Immer das gleiche. Aber weit gefehlt: Pho gibt es in vielen verschiedenen Varianten. Besonders bekannt ist die Pho ga mit Huhn.

Der Klassiker ist und bleibt aber Pho Bo, welche aus einer kräftigen, klären Rindfleischbrühe besteht.
In riesigen Töpfen werden dafür kiloweise Knochen und Suppenfleisch gekocht. Mit Zwiebeln und Ingwer – beide dunkel geröstet – und Gewürzen wie Koriander, Zimt und Sternanis entsteht jedoch erst der unverkennbare Geschmack dieser Brühe.
Kochend heiß wird die Suppe dann mit dünn aufgeschnittenem Rindfleisch und Reisnudeln serviert.

Seinen Ursprung fand dieses Gericht sehr wahrscheinlich in der Anfangszeit der französischen Kolonialherrschaft in der Gegend um Hanoi. Von Experten wird vermutet, dass dabei auch die Vorliebe der Franzosen zu Rindfleisch mit reingespielt hat. Zuvor waren Rinder in Vietnam nämlich hauptsächlich Arbeitstiere. Die vornehmen Kolonialherren gönnten sich exquisite Rindsteaks. Währenddessen kreierten Straßenköche aus den weniger wertvollen Fleischteilen eine leckere und dazu noch erschwingliche Suppe.

Noch heute wird dieses Gericht von Vietnamesen gern zum Frühstück gegessen. Ja, du hast richtig gelesen! Beim Thema „Essen und Trinken“ im Deutschunterricht heute hat sich nochmals bestätigt, dass es sich um kein Gerücht handelt, dass Pho zum Frühstück, aber auch zum Mittag- und Abendessen verzehrt wird.
Zu finden ist sie an fast jeder Straßenecke. Auf winzigen Stühlchen und fast genauso kleinen Tischen kann man Platz nehmen und eine große Schüssel Pho meist für etwas mehr als einen Euro. Dabei schmeckt Pho überall anders, weshalb es sich lohnt, immer wieder verschiedene Straßenstände und Rezepturen zu probieren!

Nun zur Anfangsfrage: „Magst du Pho mit Zwiebeln?“.
Man unterscheidet in Vietnam zwei Arten von Menschen. Die, die Pho mit Zwiebeln mögen und die, die Pho ohne Zwiebeln mögen.
Als ich nun dem Schüler auf seine Frage antwortete, dass sie mit Zwiebeln schon schmeckt, haben viele Schüler begeistert gejubelt, einige waren aber auch richtig enttäuscht über meine Antwort. Ehrlich gesagt hatte ich noch nie sonderlich auf Zwiebeln in dieser Suppe geachtet. Dass meine Antwort jedoch so eine starke Reaktion ausgelöst hat, zeigt schon, welche Rolle Pho im Leben vieler Vietnamesen spielt.

Mein größtes Problem mit Pho:
Ich kann jetzt schon behaupten, dass ich Pho wirklich liebe: Das gute Rindfleisch, die frischen Kräuter, die leckeren Nudeln und vor allem die tolle und geschmacksintensive Rinderbrühe sind einfach richtig toll!

Mein Problem besteht in der Aussprache dieses Wortes. Aus Gründen der Einfachheit habe ich Pho ohne Betonung geschrieben, was aus vietnamesischer Sicht ein Sakrileg ist.
So, Pho. Diese drei Buchstaben können MIT den Tönen (wie französischen Akzente) ganz verschieden ausgesprochen werden.

Phố zum Beispiel bedeutet Straße, Distrikt oder auch Haus oder Apartment. Ausgesprochen wird diese Pho als wie man es liest, also ‚Foooh‘.

Wenn man von ‚Phaa‘ spricht, wird die Suppe schnell mal zur „Schlampe“. Peinlich, sich vorzustellen, eine „heiße Schlampe“ bestellt zu haben.

Hier mein Tipp, dieses doch so komplexe Wort richtig auszusprechen:
Am besten spricht man es wie das englische Fell, „Fur“ tief aus dem Hals heraus, aber das ‚r‘ wird verschluckt. *Kommentar von Theresa: Das ‚r‘ wird verschluckt, weil das Rind ja in der Suppe ist! Höhö…

Bei diesem Link kann man das ganz schön hören und du bekommst einen ganz guten Eindruck, wie man das Wort richtig ausspricht:
http://www.lovingpho.com/pho-opinion-editorial/how-to-pronounce-pho/

 

Was ich dir jetzt nicht vorenthalten möchte: Wie schreibt man Pho, also diese leckere Nudelsuppe nun richtig? Hier die Antwort:

Phở

Ich kann nur sagen, selbst wenn das Bestellen dieses Nationalgerichts Vietnams sehr tückenhaft ist, ist der Genuss dessen allen Aufwand wert und sollte unbedingt ausprobiert werden!

Alles Liebe und bis Morgen,
deine Phở – Liebhaberin Sophie

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