Neunzehntes Türchen – Häh? Ich hör’s einfach nicht.

Da sitzen sie.
Drei junge Freiwillige.
Und eine fast genau so junge Lehrerin.
Die Lehrerin sagt etwas.
„Zwischen … und … ist doch ein Unterschied!“
Die Antwort einer Freiwilligen.
„Häh? Ich hör’s einfach nicht.“
Das Lachen der anderen beiden.
„Ich auch nicht.“

So oder so ähnlich geht es Nour, Theresa und mir ziemlich oft.

Wann? Jeden Donnerstag und Freitag für zwei Stunden.
Welcher Anlass? Beim vietnamesischen Sprachunterricht.
Warum? Weil ein Sprachkurs von kulturweit verpflichtend ist und die vietnamesische Sprache richtig schwierig ist.

Aber halt! Jetzt erst mal von Anfang an. Wir beginnen mit den allgemeinen Infos über Tiếng Việt, die vietnamesische Sprache:

Mehr als 84 Millionen Menschen haben Vietnamesisch als Muttersprache. Wirklich einig sind sich die Forscher noch nicht, mit welchen anderen Sprachen der Region es verwandt ist. Zugeordnet ist die vietnamesische Sprache jedoch der Viet-Muong-Sprachgruppe. Entlehnt wurden viele Begriffe aus dem Chinesischen und der Mon-Khmer-Sprache. Aber auch durch die lange Besatzung durch die Franzosen haben sich einige französische Wortelemente eingeschlichen. Am Bahnhof kann man beispielsweise das vietnamesische „ga“ lesen, welches vom französischen la gare abstammt. Schon ziemlich ähnlich, oder?
Im Vietnamesischen kann man drei Dialekte unterscheiden, wie auch das Land geografisch unterteilt wird: der Dialekt des Nordens, Zentralvietnams und des Südens. Wie Hochdeutsch gibt es in Vietnam Hochvietnamesisch, welches sich auf Grundlage der nördlichen Dialekte entwickelte.

Vietnamesisch ist (leider Gottes!) eine Tonsprache. Die Basics, also die Grundwörter bestehen normalerweise aus nur einer Silbe. Jetzt magst du dir vielleicht denken, dass es dann ja gar nicht so schwierig sein kann. Und doch liegst du falsch!
Jede Silbe trägt nämlich einen der insgesamt sechs möglichen Töne. Unterschiede gibt es in der Höhe, dem Verlauf, der Intensität und der Dauer. Nun ist es unabdingbar, sich um eine saubere Aussprahe der Laute zu bemühen, aber auch den entsprechenden Ton korrekt zu treffen. Was wenn nicht? Dann kann es zu unliebsamen Missverständnissen kommen, da viele lautlich gleiche Silben mit verschiedenen Tönen total unterschiedliche Bedeutungen haben.
Nehmen wir nun mal das Wort „bo“. Es kann Rindfleisch (bei Pho Bo, wer aufgepasst hat, weiß, was das gutes ist), Vater, Liebhaber, wegschmeißen, Butter, Ministerium oder Avocado heißen. Jetzt stell dir mal vor, in welche peinlichen Situationen man vor allem mit Liebhaber und Vater schlittern kannst…

Als Ausgleich dazu darf ich dir mitteilen, dass die Grammatik im Vietnamesischen wesentlich einfacher als im Deutschen ist (schwerer würde wohl kaum gehen). Sie folgt nämlich der strikten Regel Subjekt – Prädikat – Objekt. Auch mit schwierigen Formen wie Plusquamperfekt, Futur 2 oder einfach Präteritum muss man sich nicht herumschlagen. Die Zeitform wird nämlich nur aus dem Kontext hervor oder durch bestimmte Wörter (wie gestern, morgen) verdeutlicht.
Besondere Formen im Plural (wie der Apfel -> die Äpfel) gibt es auch nicht. Mithilfe von Zähleinheitswörter wird die Anzahl an Dingen verdeutlicht. Schön, oder?

Besonders faszinierend finde ich das noch: Ursprünglich hat im Vietnamesischen jedes Wort nur eine Silbe. Im Laufe der Jahre haben sich aber auch zweisilbige Wörter in den Wortschatz der Sprache eingeschlichen. Nehmen wir mal das Wort: chó. Spricht man vom Hund als Tier, sagt man con chó (Tier + Hund). Möchte man jedoch im Restaurant Hundefleisch bestellen – an dieser Stelle der Hinweis, dass ich das noch nie gemacht habe! Aber schon Hund am Spieß gesehen habe – sagt man thịt chó (Fleisch + Hund).

Noch kurz etwas zur Schrift: Schau dir doch mal den Titel meines Blogs an! Gar nicht so große Unterschiede zu unserer Schrift. Früher war das aber noch anders. Während der chinesischen Besatzungszeit wurden nämlich chinesische Schriftzeichen verwendet. Ende der 1620er-Jahre kam der Missionar Alexandre de Rhodes jedoch und hat die chinesischen Schriftzeichen kurzerhand in lateinische Buchstaben umgewandelt. Dabei musste er aber auch die vietnamesischen Tonhöhen beachten. Aus diesem Grund hat er die im Griechischen üblichen diakritischen Zeichen verwendet und so eingefügt, dass man nun Vietnamesisch lesen konnte.

Insgesamt hat das vietnamesische Alphabet 30 Lautzeichen vorzuweisen. Viele werden wie im Deutschen ausgesprochen. Leider jedoch nicht alle, was das ganze wirklich schwierig macht.

Und da sind wir auch schon beim Punkt. Vietnamesisch ist richtig schwierig!
Ich kann dir nicht mal sagen, was genau die Sprache so schwierig macht. Vielleicht ist es einfach die Kombination aus vielen verschiedenen Dingen:

Natürlich kann ich einen Text als wäre es ein deutscher Text vorlesen und mit viel Ach und Krach auch noch relativ die richtigen Betonungen vortragen. Aber meistens passt es halt doch nicht.
Natürlich kann ich mich bemühen, mir die Wörter zu merken. Aber meistens klappt es halt doch nicht. Das Vokabular ist einfach so weit entfernt vom Deutschen, Englischen oder Lateinischen, dass ich keine Verbindungen ziehen kann.
Natürlich versuche ich, die Wortstellungen im Satz zu lernen. Aber meistens bleibt es einfach nicht im Kopf.
Natürlich versuche ich, die Unterschiede bei vier verschiedenen „bo“s zu hören. Aber meistens höre ich es nicht. Selbst nach dem zehnten Mal Vorsprechen von Van, unserer lieben Vietnamesischlehrerin, bleibt das „Häh? Ich hör’s nicht!“

Am wohl enttäuschendsten ist und bleibt jedoch die Tatsache, dass viele Vietnamesen – so vermute ich zumindest stark – mich gar nicht verstehen wollen. Wenn ich im Restaurant nach dem Preis auf Vietnamesisch frage und mich dabei richtig toll fühle und der Kellner einfach auf Englisch antwortet. Du hast wirklich keine Ahnung, wie enttäuschend das sein kann.

Und trotzdem darf ich stolz behaupten, dass mir die Sprache auch Spaß macht.
Wenn ein Kellner doch mal auf Vietnamesisch antwortet. Wenn am Hoan Kiem See ein alter Mann fragt, woher du kommst, du die Frage verstehst und auch noch antworten kannst. Wenn du dein Essen alleine bestellen kannst und oft sogar verstehst, was du gerade geordert hast. Wenn du endlich weißt, was Mann und Frau auf Vietnamesisch heißt und du mit Sicherheit die richtige Toilette wählen kannst. Wenn du bekannte Wörter bei Gesprächen der Schüler verstehst und dir auf Nachfrage bestätigt wird, dass es stimmt. Wenn du dem Uberfahrer endlich die Straße und die Hausnummer auf Vietnamesisch sagen kannst und er dich versteht (haben sie lange nämlich nicht, aber jetzt habe ich den Dreh raus). Wenn viele viele Schüler um dich herum stehen und dir die Vietnamesisch-Hausaufgabe erklären und dir so viel wie möglich mit großer Begeisterung beibringen wollen. Und auch, wenn dir ein Schüler – ganz geheimnisvoll und flüsternd, damit die Lehrerin davon keinen Wind bekommt – ein wirklich schreckliches Schimpfwort beibringt und begeistert grinst, wenn du es richtig ausgesprochen hast.

Am schönsten war bis jetzt jedoch ein Erlebnis in einer zehnten Klasse und wenn ich daran denke, kommt mir wieder ein Lächeln auf die Lippen: Die Schüler haben eine Stunde lang nach den Semesterprüfungen wiederholt, wie man sich auf Deutsch ordentlich vorstellt mit Name, Alter, Familienmitglieder, Hobbys, …
Nun kann ich das auf Deutsch natürlich auch, aber Deutsch ist ja „langweilig“. Warum also nicht auf Vietnamesisch? Nachdem ich das der Lehrerin vorgeschlagen hatte und ich nach ihrer Erlaubnis aufgestanden war, war der große Moment gekommen und ich fing an mit „tôi tên là Sophie“ und die komplette Klasse jubelte und applaudierte. Die restlichen Sätze ging es so weiter und als ich fertig war und die Stunde zuende, habe ich mich über mehr strahlende Gesichter und einige „Auf Wiedersehen“ ’s mehr als normal freuen dürfen.

Genau das ist die Sache, dass man Respekt für das Land zeigt, in dem man temporär lebt, dessen Kultur man erleben möchte, dessen Menschen man kennenlernen möchte. Ich finde es ist das Mindeste für mich, diese Sprache wenigstens in ihren Grundzügen zu lernen. Wenigstens so weit, dass ich ein wenig Konverstation betreiben kann und der Person gegenüber so mein Interesse und meine Wertschätzung für ihr Land zeigen kann. Und auch meine Liebe für das Land. Ich kann stolz sagen:

Tôi yêu Việt Nam!“

Ich liebe Vietnam!

Liebe Grüße sendet die hart-mit-der-vietnamesischen-Sprache-kämpfende Sophie

 

 

 

Zehntes Türchen – Obamas Liebe

Bestimmt kennst du die große Liebe vom vorherigen Präsidenten der USA: Michelle Obama.
Vielleicht magst du dich jetzt fragen, warum Sophie heute einen Blogeintrag über die ehemalige First Lady schreibt. Aber keine Sorge! Auch wenn der Titel dieses Türchens danach anmuten mag, soll es heute um eine andere Liebe Obamas gehen! Und um meine ebenfalls.

„bún chả“*

Als der damals amtierende Präsident der Vereinigten Staaten nämlich in Vietnam war, verliebte er sich durch ein ganz besonderes Gericht in die vietnamesische Küche. Du magst es schon vermuten, durch eben jene Bun Cha.

Als Sophie damals – naja, vor drei Monaten eben – in Vietnam war, verliebte sie sich unter anderem durch ein ganz besonderes Gericht in die vietnamesische Küche. Du magst es schon vermuten, durch eben jene Bun Cha.

Hanoi ist nicht nur eine Stadt besonderer Sehenswürdigkeiten und Landschaft, sondern auch bekannt als eine Gegend besonderer kulinarischer Genüsse in Vietnam. Dort kannst du so viele verschiedene, leckere Gerichte finden. Ein besonderes, wie du bestimmt schon anhand der ersten Sätze gemerkt hast, ist Bun Cha. Dieses einfache, aber einfach geniale Gericht ist eine tolle Mischung aus herzhaft und frisch. Es hat viele geschmackliche Besonderheiten und begeistert durch die Harmonie von frischem Gemüse und Fleisch.

So genau weiß niemand, wann und von wem Bun Cha „erfunden“ wurde, aber ich kann mit Sicherheit sagen, dass diese Person ziemlich genial war. Mit der Zeit wurde Bun Cha eines der berühmtesten Gerichte in Vietnam und das zu Recht!

Nun kommen wir aber erst mal dazu, was Bun Cha ist und später zu der Frage, warum sie sogar von Obama geliebt wird.

Was ist Bun Cha?

Auf dem Heimweg von der Schule entdeckt, probiert, geliebt: Bun Cha!
Und so sieht sie aus, lecker, oder?

Bun Cha ist ein lokales Gericht aus der Hauptstadt Vietnams, Hanoi. Man findet zwar über ganz Vietnam verteilt viele Gerichte, die in ihrer Zubereitung an Bun Cha erinnern, wie beispielsweise im Süden Vietnams Bun Thit Nuong. Dennoch muss ich sagen, dass Bun Cha einfach unschlagbar ist. Zumal ich ja in Hanoi lebe, wie könnte ich das dann nicht mögen!?

Das einfache Gericht kann man überall und das ganze Jahr über finden.
Egal, ob du in einem edlen Restaurant auf bequemen Stühlen oder an der Straße auf kleinen blauen, weniger bequemen Stühlchen Bun Cha genießt, sind die Zutaten stets die selben:
Serviert werden ein Teller mit Bun (die weißen dünnen Reisnudeln, du siehst, auch hier ist wieder Reis drin), eine Schüssel mit Brühe und gegrilltem Schweinefleisch und ein Schälchen mit frischen Kräutern.

Die Nudeln, Bun genannt, werden als großer Haufen auf einem Teller serviert. Die Hanoier/Hanoianer/Hanoies (ich hab so gar keine Ahnung, wie man sie nennt…) sind sehr anspruchsvoll beim Thema Essen. Das sieht man schon allein bei der Auswahl ihrer Nudeln für das jeweilige Gericht. Bei Bun Cha haben die Bun dünn, weich und kaufähig zu sein.

Der Fokus bei diesem Essen liegt auf Cha, also dem Fleisch. In einer Schüssel werden zwei verschiedene Kocharten von Schweinefleisch serviert: Cha Vien (eine Art Hackfleisch, das zu „Minifleischküchle“ geformt wird) und Cha Mieng (dünn aufgeschnittenes, gegrilltes Fleisch).

Das Highlight von Bun Cha bleibt jedoch die Brühe, welche das Gericht erst besonders macht. Um eine süße und gleichzeitig etwas sauere Brühe zu kreieren, verwendet der Koch Fischsauce, Essig und braunen Zucker. Obwohl die Zutaten simpel sind, schmeckt jede Sauce verschieden. Das Verhältnis der Elemente macht jede Bun Cha anders. Ob eine Bun Cha gut oder schlecht ist, wird also anhand der Brühe bewertet.
In der Brühe sind meist noch hauchdünn geschnittene Karotten- und Papaya-Stückchen, welche die Geschmacksvielfalt nochmals erweitern.

Ohne ein weiteres Schälchen wären vietnamesische Gerichte nicht komplett. Zu finden darin sind frischer Salat, Thai Basilikum, eine besondere Art Minze, Bananenblume und Koriander.

Wann isst man Bun Cha?

In der Vergangenheit wurde dieses Gericht nur zu Mittag gegessen. Heutzutage, nachdem Läden oft von früh morgens bis spät abends geöffnet haben, kann man Bun Cha zu welcher Mahlzeit auch immer essen.

Wie isst man Bun Cha?

Es gibt eigentlich keinen falschen Weg, das zu essen. Hauptsache ist, dass man Bun Cha isst!
Wie auch immer, es gibt zwei verschiedene Möglichkeiten, das Gericht zu verspeisen: die nördliche und die südliche Variante.

Im Süden Vietnams wird generell alles und zwar wirklich so gut wie alles gerollt und „eingepackt“ wie bei einem Wrap.
Wenn du es also magst, dein Essen kompakt einzurollen, nimmst du ein großes Salatblatt, packst das Fleisch, die Nudeln und die Kräuter darauf und rollst das ganze. Jetzt dippst du das Ganze in die Brühe und nimmst einen großen Bissen.
Der größte Vorteil davon ist definitiv, dass du mit deinen Händen essen kannst und es so egal ist, wie gut du mit Essstäbchen umgehen kannst.

Falls du aber zeigen möchtest, welche Essstäbchen-Ess-Fähigkeiten du (entwickelt) hast, solltest du die Hanoier Variante wählen! Die nördliche Art, Bun Cha zu verzehren ist wesentlich einfacher. Alles, was du zu tun hast, ist, Fleisch, Nudeln und Kräuter in die Brühe zu befördern, ordentlich zu mischen und es dann wie eine Schüssel Pho zu essen.
Nachdem die Nudeln in Kombination mit der Brühe glitschig werden, kann dieser Weg sowohl lustig als auch herausfordernd sein, wenn man kein Esstäbchen-Meister ist.
Nun weißt du, wie Profis also Bun Cha essen.
Das kannst du jetzt gleich machen!
Vorausgesetzt du hast gerade eine Portion Bun Cha vor die stehen…

Warum liebt Obama dieses Gericht?

Bun Cha ist ein sehr simples Essen, das man recht schnell zubereiten kann und auch an Straßenküchen und in Restaurants fix serviert bekommt. Schon allein der Geruch der gegrillten Fleischs und der Brühe lassen mir und mit großer Wahrscheinlichkeit Obama das Wasser im Mund zusammenlaufen. Vermutlich genau so sehr, wie wenn er seine Michelle sieht.
Und dann der Geschmack! Unschlagbar, göttlich und so vielfältig.
Ach je, ich komme ins Schwärmen und unter der Annahme, dass du nicht die Möglichkeit hast, jetzt zu einem Restaurant oder einer Straßenküche zu gehen und eine frische Bun Cha zu genießen, beende ich nun mein Plädoyer für dieses Essen.

Zu sagen bleibt nur noch: Wenn du nach Vietnam und (am besten für Bun Cha) Hanoi kommst, führt kein Weg daran vorbei, das Gericht zu probieren!

Ich habe es gemacht und geliebt.
Obama hat es gemacht und geliebt.
Du wirst es (hoffentlich) machen und lieben!

Alles Liebe von Sophie mit Liebe zu Bun Cha

*Eins darf bei Bun Cha nicht unerwähnt bleiben: Obwohl die Rechtschreibung und das komplette Schriftbild mit den Haken und den Tönen, wie ich es einmal oben verwendet habe, sehr kompliziert aussieht, ist das nicht der Fall. Wenn ich also in der Starßenküche „Bun Tscha“ bestelle, versteht man mich ohne Problem. Wie könnte ich Bun Cha dann nicht lieben!?

Siebtes Türchen – Mein Hut, der hat drei Ecken

Ich gebe dir eine Aufgabe, keine Angst, sie ist nicht schwierig:
Stelle dir einen Timer für eine Minute. Nun schließe eine Minute lang deine Augen und stell dir Vietnam vor! Öffne deine Augen nach dem Signal, komm wieder in der Realität an und lies weiter!

Bestimmt hast du in dieser Minute eine Reise durch Vietnam gemacht.
Vielleicht hast du Reisterrassen gesehen. Vielleicht bist du durch die engen Gässchen Hanois gewandert.
Vielleicht hast du dir einen wunderschönen Strand mit Palmen vorgestellt.
Vielleicht bist du durch die Berglandschaften Vietnams geklettert.
Vielleicht hast du ein Museum besucht oder einen der vielen Tempel oder Pagoden.
Vielleicht hast du an die vielen Höhlen und Grotten gedacht.
Vielleicht hast du auch das leckere Essen in Vietnam vor dir auf einem Tisch stehen sehen.

Und vielleicht hast du an eines der Symbole Vietnams gedacht: den Nón Lá. Einen dreieckigen Hut, wenn man von einer Kinderzeichnung ausgeht (natürlich weiß ich, dass er nicht wirklich drei Ecken hat 😉 ), die den Hut vereinfacht darstellt:

Man könnte nun zu singen beginnen „Mein Hut, der hat drei Ecken. Drei Ecken hat mein Hut. Und hätte er nicht drei Ecken, so wär er nicht mein Hut“. Natürlich kannst du das gerne machen, abhängig davon wie hoch deine Gesangskünste sind und wo du dich befindest.

Aber um deutsche Kinderlieder soll es nun nicht gehen. Dieses „Türchen“ soll von DEM traditionellen Hut Vietnams gehen. Einen konisch geformten Hut aus getrockneten Blättern. Ich habe es vorhin schon erwähnt, er heißt Nón Lá.

Schon auf antiken Gegenständen wie dem Hap Dong Dao Thinh (einem großen Zylinder aus Bronze von Dao Thinh) und der Trong Dong Lu Ngoc (der Ngoc Lu Trommel aus Bronze) kann man den Nón Lá sehen. Da diese Gegenstände ein Alter von 2.500 bis 3.000 Jahre verzeichnen, zeigt es, dass der Hut bereits zu diesem Zeitpunkt, wenn nicht sogar noch früher entstand.
Und tatsächlich findet sich der besondere Hut seit mehreren Tausend Jahren auf dem Kopf der Vietnamesen. Zudem kommt er in vielen, alten Legenden und Märchen vor, die bis heute von einer Generation zur nächsten weitergegeben werden.

Der Erzählung nach hat der Nón Lá seinen Ursprung, wie er legendenhafter nicht sein könnte:
Während einer langen und heftigen Sintflut kam eine riesige Frau vom Himmel und schützte die Menschen vor dem Regen. Dafür trug sie einen Hut aus vier, runden Blättern, die den Regen abweisen sollten. Nachdem die Sintflut also abgewendet war und die Göttin zurück im Himmel war, wurde ein Tempel gebaut, um der regen-schützenden Göttin zu danken und ihr zu gedenken.
Es wurde dann versucht, den Hut der Göttin mit Palmenblättern nachzubauen. Das Ergebnis davon sieht man bis heute in ganz Vietnam auf den Köpfen vieler Vietnamesen, aber auch Touristen.

Mit dem Nón Lá auf dem Kopf auf dem Fahrrad unterweg.

Die Modernisierung schreitet weiter voran und immer mehr Maschinen vereinfachen auch in Vietnam die Produktion von Gütern, die Herstellung des Nón Lá jedoch bleibt rein handwerklich. Es schafft wohl doch keine Maschine, die über Jahrhunderte entwickelte und ausgebaute Technik, diesen feinen und eleganten Hut herzustellen, zu ersetzen.

Obwohl allein getrocknete Blätter und ein Rahmen in der Form eines Kegels nötig sind, ist die Herstellung des Nón Lá wesentlich komplizierter als man denken mag.
Am besten funktioniert die Herstellung mit getrockneten Bambusblättern und einem aus Bambus gebogenen Rahmen.
Unter der Sonne werden die frischen, grünen Palmenblätter getrocknet. Mithilfe einer heißen Stahlstange werden die Blätter dann von Handwerkern geglättet. Hierbei ist Können gefragt: Ist das Eisen zu kalt, lassen sich die Blätter nicht bearbeiten. Wenn es bei der Berührung der Blätter unkontrolliert abkühlt oder von Beginn an zu kalt ist, kräuseln sich die Blätter und können nicht wieder verwendet werden.
Ist es jedoch zu heiß, entstehen gelbe Flecken auf den Blättern und sie verbrennen.
Wenn der Prozess des Glättens erfolgreich beendet ist, geht es mit dem Benähen des Hutes weiter. Auf den kegelförmigen Rahmen, bestehend aus 16 runden Bambusstücken, werden nun die geglätteten Bambusblätter genäht.
Nach vielen Versuchen hat sich die Anzahl von 16 Bambusstücken als perfekt erwiesen. Mit einer festen Technik werden nun gut sitzende Hüte nach einem bestimmten Schema hergestellt.
Bestimmt merkst du schon, dass die Herstellung eines Nón Lá wesentlich komplizierter ist, als man auf den ersten Blick denken mag. Er bedarf höchster Präzision und dem handwerklichen Geschick eines erfahrenen Handwerkers.
Faszinierend finde ich, dass jede einzelne Naht ohne Lineal – ich frage mich wirklich, wie das geht – in gleichen Abständen genäht wird. Wegen dieser Regelmäßigkeit ist der dünne Nylonfaden kaum mehr zu erkennen.
Nun wirst du dir bestimmt vorstellen können, wie zeitaufwendig die Herstellung eines Nón Lá ist und vor allem wie viel Geduld man dafür braucht.

Obwohl das Grundgerüst und die Form des Nón Lá durch die 16 Bambussegmente feststeht, gibt es viele Varianten, den Hut noch schöner und besonderer zu machen.
Das wohl berühmteste Beispiel ist das sogenannte Muster „Non Bai Tho“, durch welches der Hut zum „poetischen Hut“ wird. Entstanden in der alten Kaiserstadt Hue zeigt dieser Hut Bilder, die für diese Region in Zentralvietnam stehen. Die Muster werden zwischen zwei Blätterschichten eingenäht. Das Besondere: Sichtbar wird die spezielle Verzierung erst, wenn man den Hut gegen die Sonne hält.

Eine einfachere Methode, den Hut zu schmücken, ist das Anheften von Papierblumen. Schön sind aber auch aufgestickte Bilder wie beispielsweise von Reisfeldern oder anderen landschaftlichen Augenweiden Vietnams.

Nun ist der Hut hergestellt und verziert, aber so hält er noch nicht auf dem Kopf. Mit einem farbigen Seidentuch oder -Netz, das an beiden Seiten des Hutes befestigt wird, wird das Verrutschen von eben diesem unterbunden.

Endlich kann der Hut aufgesetzt werden. Aber nein! Es gibt noch viel mehr Möglichkeiten zur Verwendung des Nón Lá!

Natürlich schützt der Hut auf dem Kopf vor den Sonnenstrahlen im Sommer und auch vor der Hitze. Denn während der Trockenzeit kann es gut und gerne mal 40 Grad werden und dann ist man froh über jeden Zentimeter Schatten.
Umfunktioniert zum Fächer, spendet der Hut durch seine Größe Luft. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass das wirklich ein toller Nebeneffekt ist.
Aber auch in der Regenzeit muss der Hut nicht im Keller verstauben. Bei dem monatelangen und oft sintflutartigen Regen kann man über seinen Hut froh sein, da er den Kopf trocken hält. Ja, er ist wirklich wasserfest, denn die Herstellung des Hutes mit mehreren Schichten von Blättern lässt so keinen Tropfen Wasser mehr durch.
Aber auch für den Transport von Obst, Essen oder vielen anderen Dingen ist der Hut zu gebrauchen.
Zu beobachten damit sind auch Mütter, die ihre Kinder vor dem Lärm und dem Staub der Straße schützen.
Man sieht lächelnde Händlerinnen auf den Märkten, die den Hut auf dem Kopf tragen.
Die Verkäuferinnen von frischem Obst, ganzen Gerichten und verschiedenen anderen Waren auf den Straßen erkennt man auch an ihrem kegelförmigen Hut.

Auf dem Heimweg gerade: Eine Frau, die mit dem Hut auf dem Kopf BHs auf der Straße verkauft.

Und es gibt Touristen, die damit viele viele Bilder damit machen, ihren Hut mit auf eine Reise in die Heimat nehmen und irgendwo aufhängen.

Und selbst wenn wahrscheinlich jeder Vietnam-Tourist sich vor dem Abflug sorgt, wie sein kegelförmiger Hut den Flug sicher überleben soll und ihn am Ende gut mit in seine Heimat bringt, wird mein Nón Lá mich an meine besondere Begebenheiten mit dem Nón Lá erinnern:

Zum Beispiel an eine zweistündige Bootsfahrt auf dem Tam Coc Fluss, bei der es bis auf die letzte Viertel Stunde ununterbrochen und gewissermaßen sintflutartig geregnet hat. Die Göttin aus der Legende hatte wohl nochmal prüfen wollen, ob ihre Erfindung, der Nón Lá, immer noch gut vor Regen schützt.

Bei einer Bootsfahrt in Ninh Bin, als es gerade nicht mehr regnete.

An eine etwas kürzere Fahrt mit einem kleinen Bötchen im Mekongdelta, bei der jeder Tourist für die Photos einen eben solchen Hut ausgeliehen bekommen hat.

Und als Symbol für meinen Vietnamaufenthalt insgesamt wird er an die Wand gehängt und er wird mich dann zum Träumen bringen:

Vielleicht von Reisterrassen. Vielleicht von den engen Gässchen Hanois. Vielleicht von einem wunderschönen Strand mit Palmen. Vielleicht von Berglandschaften. Vielleicht von Museen und Tempeln und Pagoden. Vielleicht von den vielen Höhlen und Grotten. Vielleicht von dem leckeren Essen in Vietnam.

Aber ganz bestimmt von einer aufregenden und unvergesslichen Zeit!

Alles Liebe,

die stolze Besitzerin eines Nón Lá – Sophie

Nour und ich – stolz wie Oskar mit unseren neuen Hüten.

Sechstes Türchen – Kaffee oder Tee!?

Man trifft sich gerne auf einen Kaffee oder einen Tee. Manche plaudern. Manche sehen dem Gegenüber verliebt in die Augen. Manche lesen ein spannendes Buch. Manche schauen verträumt durch die Gegend. Und manche genießen einfach ihr Getränk.

Vietnam ist stolz auf seine lange Kaffee- und Teekultur. Was es dazu zu wissen gibt und welche Varianten man im gemütlichen Café oder auf einem der kleinen blauen Stühlchen am Straßenrand probieren kann, möchte ich dir heute vorstellen.

Kaffee

Der Kaffee in Vietnam ist ein Genuss, egal ob heiß oder eisgekühlt (im Sommer richtig erfrischend!), dickflüssig oder mit süßer Kondensmilch für den doppelten Zucker-Koffein-Kick. Selbst für mich, die vor drei Monaten bei einem kleinen Schluck Espresso in Mamas Tiramisu die Nase gerümpft hat. Einen Blogartikel über das schwarze Gebräu zu schreiben, hätte ich mir im Traum nicht vorstellen können. Und das soll dann schon was heißen, dass ich es jetzt tue! Ich stelle dir also verschiedene Arten von Kaffee vor und meinen absoluten Lieblingskaffee. Sei gespannt…

Obwohl Vietnam mittlerweile der zweitgrößte Kaffee-Exporteur Asiens (hinter Indonesien, falls du dich das gerade gefragt hast) ist, nimmt die Kaffeeproduktion weiter zu. Übrigens hat in Vietnam erste Starbucks-Filiale erst im Jahr 2013 geöffnet. Sieht man mal, wie stolz die Vietnamesen auf ihre Kaffeekultur sind.

In Kaffeehäusern wird sich schon in den frühen Morgenstunden auf ein Tässchen Kaffee getroffen, eine Zigarette geraucht und geplaudert. So wird der Tag gestärkt begonnen, selbst ohne richtiges Frühstück. Der Kaffee allein bringt nämlich schon genügend Energie für einen guten Start in den Tag. Kaffeehäuser findet man in Vietnam gefühlt an jeder Straßenecke. Auf riesigen Plakaten, die oft größer als das eigentliche Café sind  – und das ist nun wirklich nicht übertrieben – werben die Vietnamesen mit „Ca Phe“. Durch seine unverkennbare Ähnlichkeit mit dem deutschen „Kaffee“ konnte ich stolz behaupten, dieses Wort sofort verstanden zu haben und es sogar als eines der ersten Worte in meinen immer noch ziemlich bescheidenen Vietnamesisch-Wortschatz aufnehmen.

In vielen Cafés wird heißes Wasser tatsächlich noch durch einen wie vor langer Zeit in Frankreich üblichen Kaffeefilter gegossen und in hübschen Tässchen wird das leckere und gut duftende Gebräu aufgefangen.

Der Kaffee wird aber nicht nur „schwarz und ohne alles“ getrunken (ca phe genannt), sondern oft auch mit süßer Milch (caphe sua). Besonders gut finde ich die Variante caphe (sua) da. Dann nämlich wird der Kaffee kalt mit Eiswürfeln serviert.

Mit süßer Kondensmilch und Eiswürfeln war der starke Kaffee ein guter Start für einen anstrengenden Tag in Saigon.

Auch ca phe sua chua ist eine Versuch wert. Hier wird der starke, vietnamesische Kaffee nämlich mit Joghurt und Eiswürfeln vermischt, was einen ganz besonderen Geschmack erzeugt.

Egal ob nun im Sommer oder im Winter gibt es also viele verschiedene Varianten, die sich lohnen, alle ausprobiert zu werden.

Schlag ein Ei auf und los geht’s!

Eine besondere Spezialität in Hanoi ist der sogenannte Egg Coffee. In einem kleinen Café in Saigon haben wir einen nach „besonderer Art“* zubereiteten Eierkaffee probiert und dazu das folgende Infoblatt bekommen. Ich habe das nun nach bestem Wissen und Gewissen für dich übersetzt:

Die Beschreibung von Egg Coffee in einem kleinen Cafe in Saigon

Egg Coffee ist ein traditionelles Getränk in Hanoi, der Hauptstadt Vietnams. Er wurde im Jahr 1940 von einem französischen Barista kreiert, der in einem französischen Restaurant arbeitete.

Besonders vor dem Jahr 1975, Vietnam war in Nord und Süd aufgeteilt, was herzzerbrechend für die vietnamesische Nation war. In Sai Gon, und natürlich wegen der amerikanischen Armee, war Milch sehr gut erhältlich. Milchkaffee wurde besonders im Süden Vietnams berühmt. Im Gegensatz dazu waren die Einwohner Hanois sehr arm und Kondensmilch war zu diesem Zeitpunkt zu teuer für sie. Die Konsequenz davon war, dass die Mehrzahl der Menschen in Nordvietnam Ei anstatt von Kondensmilch verwendete.

Über den Dächern Hanois wird dieses Egg Coffee mit tollem Blick auf die Altstadt und den Hoan Kiem-See serviert.

Der Egg Coffee wurde – und wird meist immer noch – aus Eigelb gemischt mit Zucker gemacht. Die Kombination aus Zucker, Eigelb und schwarzem Kaffee erzeugte unbeabsicht einen unglaublich speziellen Geschmack für die einzigartige Kultur der Menschen in Hanoi.

Heute ist Egg Coffee sowohl bei Vietnamesen als auch bei Touristen sehr bekannt.

*Kurze Anmerkung: Jeder Laden, in dem ich bis jetzt war und in welchem Egg Coffee angeboten wurde, hat seine ganz „besondere Art“, Egg Coffee zuzubereiten, die sich von den anderen „sehr“ unterscheidet und sowieso „ganz anders“ ist. Diese Unterschiede habe ich bis jetzt noch nicht geschmeckt. Dennoch kann ich sagen, dass Eierkaffee zurecht als Spezialität in Hanoi gilt und meiner Meinung nach eine super Alternative zu normalem Kaffee ist.

Coffee meets Coconut

Lieber Egg Coffee, es tut mir sehr leid. Du bist und bleibst einfach nicht mein Lieblingsgetränk mit Kaffee. Du kannst nichts dafür, aber die Konkurrenz ist einfach zu stark!
Alles Liebe, die Kokosnuss-Kaffee-Verehrerin Sophie

Wenn ich mich für den Rest meines Lebens nur noch von einer bestimmten Art von Kaffee ernähren müsste, würde meine Wahl ohne Zweifel auf Coconut Coffee fallen. Dieses besondere Getränk hat mein Herz im ersten Moment erobert, ganz ehrlich.

Aus Kondensmilch, Eiswürfeln und Kokosnussmilch wird im Mixer eine Art Slusheis hergestellt. In ein halb mit vietnamesischem Kaffee gefülltes Glas wird dieses Eis behutsam gesetzt. Man selbst hat so die Wahl, beides getrennt zu verzehren oder durch Rühren eine Mischung herzustellen. Beides ist sehr empfehlenswert und suuuuuper lecker!

Ich habe zufällig ein Rezept dafür gefunden, das ich dir nicht vorenthalten möchte:

Für zwei große Tassen/Gläser Kokosnuss Kaffee

Zutaten:

1 ½ Tassen Crushed Ice
200ml Kokosnussmilch
6 Esslöffel Kondensmilch
100ml kalter, starker, vietnamesischer Kaffee

Zerkleinere das Eis zusammen mit der Kokosnuss- und der Kondensmilch in einem Mixer, bis es die Konsistenz von Slusheis hat.

Diese Mischung wird nun im Gefrierschrank so lang gelagert, bis sie gefroren, aber nicht komplett fest ist. Mit einer Gabel mischst du alles ein oder zweimal durch.

Nun füllst du den kalten (!) Kaffee in die beiden großen Gläser und setzt die Kokosnussmischung vorsichtig auf den Kaffee. Dabei sollte sich beides jedoch nicht zu sehr mischen.

Mit einem langen Löffel und einem Strohhalm serviert kann ich jetzt nur noch eins sagen: Genießen bitte!

Einfach göttlich! Mal sehen, ob du den Coconut Coffee auch so lecker hinbekommst.

 

Tee

Am West Lake kann man mit schöner Sicht auf den See ein leckeres Tässchen Tee genießen.

Neben dem Kaffee ist Vietnam auch für seine alte Teekultur bekannt. Vor allem in Norden des Landes und im zentralen Hochland sind die größten Anbaugebiete für Tee vorzufinden.

Hauptsächlich grüner Tee wird in Vietnam produziert. Getrunken wird er dann entweder pur oder mit dem Aroma von Jasmin oder Lotus.

Bei vielen Restaurants wird tra, kostenloser grüner Tee angeboten. Da ist zugreifen angesagt, da grüner Tee den Durst löscht und wohl auch den Hunger stoppen soll. Man sollte jedoch aufpassen, wie sauber die eigene Tasse ist, da diese oft nur wenig oder überhaupt nicht abgespült werden.

Wird man privat eingeladen, bekommt man ebenfalls grünen Tee serviert. Bereits fertig zum Trinken in kleinen Kännchen oder als Teesud, der mit dem schon hingestellten Wasser verdünnt wird, kann man diesen genießen.

In einem kleinen Dorf in Ha Giang wurde bei einer privaten Feier ebenfalls grüner Tee angeboten.

Besonders delikat soll übrigens mit Regen- oder noch besser Tauwasser gebrühter Tee schmecken. Der Grund dafür? Im Wasser ist kein Kalk enthalten, wodurch der Tee noch sanfter schmeckt.

Abgesehen vom „traditionellen“ Tee findet man in Hanoi überall BubbleTea- beziehungsweise wie man ihn hier nennt MilkTea. Oft für viel Geld bekommt man einen mit Milch gemischten Tee, nach Wunsch aromatisiert und verfeinert mit den glitschigen, aber leckeren Geleebällchen. Besonders bei den Schülern an der Oberschule steht im Unterricht oft ein Plastikbecher mit eben solchem Tee auf dem Tisch.

Du siehst, in Vietnam ist die Redewendung „Abwarten und Tee trinken“ nicht nur ein guter Tipp, um keine vorschnellen Entscheidungen zu treffen, sondern auch noch lecker!

Hier zwei Varianten von MilkTea mit Matcha und Passionsfrucht.

 

 

Neben dem Geschmack des Tees oder Kaffees finde ich aber den Kontakt zu anderen Menschen besonders, den man bei einer Tasse eines dieser Getränke hat.

Sei es der Ausblick über den West Lake in Hanoi und das Sprechen über die Highlights des Tages mit Theresa heute.
Seien es zwei junge, vietnamesische Ärzte, die mich beim Mittagessen auf ein Glas kalten, grünen Tee einladen und wir so ins Gespräch kommen.
Oder sei es das Gespräch mit einem sehr guten, vietnamesischen Freund, der mich in ein verstecktes Café mitten in der Altstadt Hanois führt und meinen ersten und ich glaube auch besten Kokosnusskaffee bestellt.

Über jeden dieser besonderen Tee- oder Kaffee-Momente und das jeweilige Getränk an sich bin ich glücklich und sage dir:

Wenn ich zurück in Deutschland bin, treffen wir uns auf einen Tee oder einen Kaffee, einverstanden?

Alles Liebe, deine Inzwischen-Kaffee-UND-Tee-Fanatikerin Sophie

Drittes Türchen – Essstäbchen, die Geheimwaffe

Messer und Gabel? Die bekomme ich in so gut wie keinem Restaurant und in Straßenküchen kann ich darauf wirklich gar nicht bauen.

Wie ich dann esse? Mit einem Paar gleichlanger Stäbchen aus Holz oder Bambus.

Genau wie auch in China, Korea und Japan verwendet man in Vietnam für die Essenszufuhr Essstäbchen. Diese Tradition ist schon mehr als 3.500 Jahre alt.

Das war zu einer Zeit, als unsere Vorfahren in Europa noch mit den Fingern aßen. Messer und Gabel, welche wichtiger Bestandteil unserer europäischen Esskultur sind, haben sich erst vor ungefähr 500 Jahren durchgesetzt. Sogar für die hohen Adeligen wie beispielsweise den Sonnenkönig Frankreichs, Ludwig den Vierzehnten, war es normal, sich das Essen mit den Händen zu Munde zu führen.
Christen sahen die Gabel mit ihren drei Zinken als Teufelswerkzeug an. Wenn man darüber nachdenkt – mehr oder weniger – verständlich, da sie wirklich etwas wie ein Teufels-Dreizack aussieht.

Vietnam war lange Zeit von China besetzt und somit wurde auch die Sitte, mit Stäbchen zu essen, übernommen.

Natürlich magst du dich jetzt fragen, wie man denn jedes Essen nur mit Essstäbchen zu sich nehmen soll. Generell lässt sich das gut an der englischen Übersetzung zeigen. Das in „Chopsticks“ enthaltene Wort „chop“ bedeutet im Deutschen so viel wie zerkleinern.
Mit einem guten deutschen Schnitzel (kurze Anmerkung: darauf freue ich mich in Deutschland schon wieder) wäre dies undenkbar. Um zu begreifen, wie das in Vietnam möglich ist, muss man die vietnamesische Essenskultur kennen:
Fleisch, Gemüse und andere größere Zutaten sind entweder so zart gegart oder zubereitet, dass sie mit den Stäbchen mundgerecht zerkleinert werden können oder sie sind bereits klein geschnitten.
Bei Suppen und anderen flüssigen Nahrungsmitteln wird noch ein tiefer Löffel zusätzlich zu den Stäbchen serviert.

Selbst wenn gesagt wird, dass für Vietnamesen nichts mit Essstäbchen unmöglich ist, habe ich noch keinen gesehen, der eine Suppenbrühe damit essen kann.

Bei einem vietnamesischen Kochkurs habe ich zum Beispiel gelernt, dass man mit diesen langen Stäbchen erkennen kann, ob Hühnerfleisch schon fertig gegart ist.

Hier noch ein interessantes Video von YouTube, welches nochmals bestätigt, dass mit Chopsticks wirklich fast alles möglich ist. Auf die Idee, mit Stäbchen einen Geldbeutel aus der Hosentasche zu ziehen, muss man auch erst kommen… Der Kerl mit der blauen Jacke zeigt aber, dass man sowas ziemlich gut machen kann.

Wie ich selbst erkennen musste beziehungsweise durfte, hat das Essen mit Chopsticks einen entscheidenden Effekt: Man isst generell sehr viel langsamer als mit Messer und Gabel. Zwischen den Stäbchen ist es – zumindest für mich – unmöglich, viel Essen auf einmal zum Mund zu transportieren. Dazu kommt leider noch, dass mir viel auch auf dem Weg zum Verzehr wieder auf den Teller fällt. Positiv daran ist definitiv, dass man so sehr langsam und gesund isst, da man das Essen schon im Mund länger vorverdaut und den Magen so weniger beanspruchen muss. Hinzukommt, dass man wegen des langen Prozesses nach weniger Essen schneller satt ist. Zugegebenermaßen kann ich diese positiven Aspekte jedoch nicht erkennen, wenn ich mich beeilen muss. 😉

Meine Essstäbchenkünste verbessern sich von Tag zu Tag. Während meiner ersten Tage in Hanoi habe ich es nur mühsam geschafft, Essen in meinen Mund zu führen und schließlich satt zu werden. Während ich in Deutschland in asiatischen Restaurants die Stäbchen aus Spaß einfach mal ausprobiert habe und danach wieder auf Gabel und Messer umsteigen konnte, besteht in Vietnam diese Möglichkeit nicht. Also musst ich mich mit viel Übung daran gewöhnen. Meine Mitfreiwillige Theresa meinte nach wenigen Tagen in Hanoi „Mir war gar nicht so bewusst, dass man wirklich alles mit Essstäbchen isst. Das hätte ich Zuhause nochmal üben sollen.“

Zu Beginn wurde mir dann oft noch ein Löffel oder – falls das Restaurant welche hatte – eine Gabel gebracht, ohne dass ich darum gebeten habe. Mich mit Essstäbchen essen zu sehen, sah wohl wirklich seltsam aus. Inzwischen darf ich stolz behaupten, dass mir sowas nicht mehr passiert und ich manchmal sogar gelobt werde, wie toll ich mit Stäbchen essen kann. Dann bin ich stolz wie Oskar und im nächsten Moment fällt das Essen doch wieder von den Stäbchen.

Hier ein Bild von Essstäbchen und dem erwähnten Löffel mit übrigens sehr leckerem Essen.

Hier noch einige lustige Infos und Hinweise zu Essstäbchen:

Es gilt als absolut unhöflich, mit den Stächen auf eine Person zu zeigen. Dies ist mit einem schlechten Omen verbunden, was Vietnamesen wegen ihres Aberglaubens vermeiden wollen.

Die Stäbchen nach dem Essen im Topf mit Reis stecken zu lassen bringt ebenfalls Unglück. Ebenso gilt es als Tabu, die Stäbchen nach dem Essen auf dem Schälchen in „V“-Form liegen zu lassen, da dies Unglück bringen soll.

Ein vietnamesisches Sprichwort sagt:

„Wer mit Schale und Essstäbchen umzugehen versteht, weiß auch mit Worten umzugehen.“

Besonders spannend finde ich, was mir eine Kollegin an der Viet Duc Oberschule beim Mittagessen über das Halten der Essstäbchen erzählt hat. Jeder hält seine Stäbchen nämlich verschieden und auch auf verschiedenen Höhen. Wenn ich meine Finger nun beispielsweise sehr nah an den Spitzen der Stäbchen, also nah am Essen halte, bedeutet dies, dass mein zukünftiger Partner oder meine zukünftige Partnerin nah bei mir wohnt. Halte ich die Stäbchen eher am Ende, wird er oder sie weit entfernt von meiner Heimat wohnen.
Ich halte die Essstäbchen meist mittig. Mal sehen, ob sich die Aussage bestätigen wird und ich einen mittel-weit von Lehrberg entfernten Mann heiraten werde.

Viele Grüße und einen schönen ersten Advent wünscht

die Jeden-Tag-Essstäbchen-Taktik-Übende Sophie

PS: Natürlich könnte ich dir jetzt noch ein Tutorial über die richtige Benutzung von Essstäbchen als Youtube-Video zeigen. Aber ganz ehrlich, die Hauptsache ist, dass du das Essen von deinem Teller in deinen Mund bekommst. Wenn man dazu gezwungen wird, dann geht das auch!

 

 

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