Post ist da! – Eine Diagnose

Lieber Leser, Liebe Leserin,

erst merkst du davon gar nichts.

Langsam nähert es sich auf Zehenspitzen an.

Du hörst es kaum.

Es kommt näher.

Du hörst seine Schritte deutlicher.

Es klopft an deinen Kopf.

Du kannst nichts tun.

Jetzt kommt es durch die Tür.

Selbst obwohl du es vielleicht nicht willst.

Es ist da.

Es wird immer größer.

Immer massiver.

Du denkst immer öfter an es.

Bis es nicht mehr verschwindet.

Dieses Gefühl.

Es zeigt sich durch ein leichtes Kribbeln im Bauch.

Du schweifst zu Tagträumen.

Träumen von fremden Gegenden.

Von neuen Menschen.

Von Begegnungen.

Von besonderem Essen.

Von unvergesslichen Erlebnissen.

Von Abenteuern.

Ein weiteres Symptom ist Unruhe.

Der Wunsch, Neues zu erleben.

Deine Füße wollen nicht mehr stillhalten.

Sie wollen los.

Es brennt dir unter den Fingern.

Kaum auszuhalten.

Diagnose:

Fernweh

Was kann man dagegen machen?

Reisen!

 

 

So oder so ähnlich hat sich vor meinem FSJ der Wunsch entwickelt, in die Ferne zu reisen, Neues zu erleben, Erfahrungen zu sammeln. Fernweh, die Sehnsucht nach der Ferne. Mich hat diese Sucht schon lange vor meiner Abreise „geplagt“. Sie war einer der Hauptgründe, warum ich mich für ein halbes Jahr im Ausland entschieden habe. Es ist jedoch eine Sucht, eine Sehnsucht, die behandelt werden kann und bei der die Symptome nicht allzu schlimm sind, die Vorfreude gleicht alles wieder aus.

Dieses Gefühl ist keine neuzeitige Erscheinung.

„In meinem Hirne rumort es und knackt, ich glaube da wird ein Koffer gepackt, und mein Verstand reist ab – o wehe – noch früher als ich selber gehe.“ – Heinrich Heine (1779 – 1856)

Toll beschrieben hat das Gefühl von Fernweh auch :

„Heimweh? … Nein, wahrlich, ich glaube, ich habe gerade das Gegenteil, ich habe „Fernweh“. Zehn Jahre bin ich schon hier, und es ist mir liebe Heimat gewesen; aber ich möchte hinaus: der Boden brennt mir unter den Füßen. O, einmal wieder andere Menschen, andere Gegenden sehen, einmal wieder ein Pferd besteigen, frisch in die Weite zu sprengen!“ Und sie streckte die Arme sehnsüchtig aus. – Ferdinande Freiin von Brackel  (1835 – 1905)

 

Natürlich kann ich nicht behaupten, dass ich gerade eben Fernweh habe. Das wäre wirklich sehr seltsam. Mehr als 8.000 Kilometer entfernt von der Heimat.

Aber – fies wie ich bin – möchte ich dir anhand zweier Videos zeigen, wie schnell man Fernweh für Vietnam bekommen kann. Ich bin mir sicher, danach verstehst du, was für ein tolles Land Vietnam ist und wie vieles zu bieten hat. Du wirst dann bestimmt mit dem Gedanken spielen, vielleicht auch mal zu kommen. In die Kultur dieses Landes einzutauchen, die landschaftliche Vielfalt zu sehen und einzigartige Erfahrungen zu machen.

 

 

Das erste Video hat mich überzeugt, weil man viele „normale“ Orte in Vietnam sieht und nicht „nur“ (aber natürlich auch) die typischen Touristenorte. Besonders schön finde ich dabei, dass man verschiedene Menschen zu Gesicht bekommt und Geräusche, wie ich sie jeden Tag wahrnehme, hören kann.

 

Dieses zweite Video ist ein Musikvideo der vietnamesischen Band Da LAB, die ich bei einem dreitägigen Festival in Hanoi gehört habe. Sowohl die Musik der Band (nur zu empfehlen!) als auch die tollen landschaftlichen Bilder, geben einen tollen Einblick. Besonders schön finde ich, dass es sich bei diesem Lied um eine Liebeserklärung an Vietnam handelt. Beispielsweise wird gesungen:

„Ich bin Vietnamesisch. Ich ging von Norden nach Süden. Vietnamesische Augen freuen sich. Ich trage einen Rucksack auf der Schulter. Das alleine reicht mir auf dem Weg, herauzufinden, wer ich bin, woher ich komme.

Aus dem Land, das ich noch lange liebe.

Việt Nam

Nun sage ich nur noch: Viel Spaß und Film ab. Gleich ist das Gefühl da und du kannst es nur stillen, wenn du deine Reise nach Vietnam beginnst!

Alles Liebe, Sophie (deine Fernweh-Vermittlerin)

 

 

Meine Sammlung kleiner Glücksmomente

Hallo da draußen!

Vor ein paar Tagen bin ich lächelnd durch die Straßen Hanois getänzelt, habe mich über den Sonnenschein und die letzten Wochen (morgen ist es ein Monat, irgendwie kann ich es gar nicht fassen!?) in Hanoi gefreut. Inzwischen regnet es jeden Tag, aber das mit dem Lächeln und Tanzen wird so beibehalten.

„Ich bin wirklich glücklich!“

Man mag es nicht glauben, aber es stimmt. Ich bin glücklich.

In den letzten vier Wochen habe ich so viel erlebt, was ich hier alles gar nicht niederschreiben kann oder will. Ich hoffe mal, ihr verzeiht mir das; aber alles ausführlich zu schildern würde für mich Ewigkeiten zum schreiben dauern und für euch mindestens genau so lang zum Lesen. Also hier ein kurzer Überblick über mein Leben in Hanoi, meine Erfahrungen und vor allem meine Sammlung kleiner Glücksmomente:

Gerade denke ich an meine ersten Studen in Hanoi:

Die Freude, durch die Pass- und noch viel spannender – die Visumskontrolle gekommen zu sein.

Der Moment, mit dem zum Glück heil angekommenen Gepäck aus dem Flughafengebäude zu treten und von einem Schwall feucht-warmer Luft erschlagen zu werden.

Die erste Fahrt durch die Straßen dieser summenden, surrenden und hupenden Stadt.

Das erste vietnamesische Essen in einem kleinen Lokal auf einem Balkon, bis ein heftiger Regenschauer unsere sehr leckere Mahlzeit störte und wir innen weiteressen mussten. Und übrigens später auch durch diesen strömenden Regen zurück zum Hostel rennen mussten.

 

Die nächsten Tage habe ich mit der Wohnungssuche verbracht:

Nach gefühlten 30.000 Besichtigungen haben Nour, Theresa und ich doch noch ein ganz akzeptables Haus gefunden. Jede von uns drei Mädels hat ein Schlafzimmer und ein kleines Badezimmer. Wir haben eine schöne Küche und zu allem Luxus sogar zwei Dachterrassen. So kann man es sich gut gehen lassen. Bedenklich sind die Vermieterin und die Eidechsen, die sich als Mitbewohner herausgestellt haben. Mal sehen, wie sich das entwickeln wird.

Das Haus ist in einer kleine Gasse und in einem Hof mit verschiedenen anderen Häusern und Mitbewohnern. Diese grüße ich jeden Morgen und Abend mit einem Lächeln und einem „xin chao“. Sehr viel mehr als diese Standardfloskeln und bis 10 zählen kann ich in Vietnamesisch leider noch nicht. Trotz dem Interesse an dieser Sprache, hält mich die Intonation schon wirklich ab… hoffentlich, ändert sich das bald. Mit Englisch kommt man nämlich in den Nicht-Touri-Gegenden nicht sonderlich gut weiter.

Nicht ganz so toll ist höchstens die Entfernung zur Altstadt und meiner Schule, weshalb ich jeden Tag mindestens 7 km Strecke zurücklege. Mein Rekord waren 17,2 km. Das Fitnessstudio kann ich mir so auf jeden Fall schenken.

 

Ich denke zurück an viele Glücksmomente:

Die erste Fahrt auf einem Moped. Zugegeben, selbst gefahren bin ich nicht. Das würde ich mich bei dem verrückten Verkehr in Hanoi aber ehrlich gesagt auch nicht trauen. In meinem Reiseführer steht bei den Tipps für den Aufenthalt in Vietnam beispielsweise: „Auf den chaotischen Verkehr samt Motorradschwärmen biblischen Ausmaßes muss man sich einstellen. Ruhe bewahren und tief durchatmen!“. Zuerst habe ich das nicht geglaubt, aber inzwischen habe ich wirklich sehr großen Respekt vor den vielen Mopeds und Autos, die über die oft engen, aber definitiv immer vollgestopften Straßen sausen. Meine Taktik: nicht auf die Ampeln vertrauen, sondern lieber auf erfahrene Vietnamesen, die mit die die Straße überqueren und hoffen, dass sie sich besser mit dem Verkehr auskennen. Und sich nach jeder geglückten Straßen-Überquerungs-Mission wie eine Schneekönigin freuen.
Bei einer Wohnungsbesichtigung fand also unsere erste Mopedfahrt statt. Eine Maklerin wollte uns an einer bestimmten Adresse treffen. Wir haben diese Adresse trotz einiger Hilfe durch diverse Apps nicht finden können. Zum Glück hat uns dann die Maklerin gefunden. Kurzerhand saßen wir dann zu dritt auf dem Moped und sind durch sehr enge Gassen einer etwas abgelegenen Siedlung gedüst. Vor jeder Kreuzung hat die Dame gehupt und so signalisiert, dass ihr niemand einfach so entgegenkommen darf. In dieser Siedlung waren aber wirklich viele Schlaglöcher und Beulen, wodurch das Fahrterlebnis nochmal gesteigert wurde. Die Angst, dass etwas passiert jedoch auch.
Inzwischen gehört das Moped-Beifahrer-Sein zu meinem Alltag. Wenn man etwas spät dran ist oder sehr weite Entfernungen zu bewältigen hat, helfen Uber oder Grab super. Trotz großer Verständigungsschwierigkeiten – die wenigsten Fahrer verstehen Englisch – bin ich immer am gewünschten Ziel angekommen. Mal früher, mal später.

Ein Basketballspiel von Hanoi gegen Saigon: Ein Vietnamese, den ich durch ein Inserat auf Facebook kennengelernt habe, hat mich und meine Mitbewohnerinnen kurzerhand zu einem Basketballspiel eingeladen. Er hat Freikarten bekommen und wollte uns mitnehmen. Es war ein Spiel wie im Bilderbuch. Hanoi lag das ganze Spiel knapp vorm Rivalen Saigon. 14 Sekunden vorm Spielende hat Saigon dann die Führung erlangen könne. Innerhalb der letzten 13 Sekunden hätte Hanoi also einen Korb für den Sieg werfen müssen. Alle Hanoier – inklusive uns neuen Hanoiern – haben so mitgefiebert und fast wäre der Sieg geglückt. Leider hat sich der entscheidende Spieler zu viel Zeit gelassen und so hat Hanoi verloren. 72:73, denkbar knapp. Dennoch war es ein Spiel voll von Energie und Begeisterung. Ich muss sagen, ich habe zuvor noch nie ein Basketballspiel erleben können und dachte auch nicht, dass mich sowas interessieren würde. Nach den ersten Sekunden war ich aber Feuer und Flamme für die Hanoi Buffallos, habe „Let’s Go, Hanoi, let’s go!“ mitgeschrien und bei jedem Korb mitgejubelt.
Erstaunt bei diesem Spiel hat mich einfach, wie verbunden ich mich dabei mit Hanoi gefühlt habe. Noch keinen Monat in der Stadt und schon vollauf begeistert.

Ein Taxifahrer. Während meiner Zeit im Hostel, bin ich jeden Morgen an der gleichen Kreuzung kurz vor der Viet Duc Schule vorbeigelaufen. Nach einer Straßenüberquerung und circa vierzig Metern war ich dann bei der Schule. An jener Kreuzung lag jedoch nun jeden Tag ein Taxifahrer auf seinem Moped und hat mich gefragt „Taxi!?“. Ich habe ihm beim ersten Mal erklärt, dass mein Arbeitsplatz nicht mal eine Minute zu Fuß entfernt sei. Das hat er dann eingesehen und mich weitergehen lassen.
Am nächsten Morgen bin ich wieder an die Kreuzung gekommen und er hat erneut „Taxi!?“ gefragt. Ich wollte ihm wieder erklären, dass die Schule nur wenige Schritte weiter sei. Er hat mich aber wiedererkannt und wissend gelächelt.
Den Morgen danach musste ich das gar nicht mehr erklären, was mir sein lustiges Lächeln schon gezeigt. hat.

Mein Alltag in Hanoi wird genau durch solche tollen Erfahrungen und Begegnungen bereichert.

Sei es ein anderer Taxifahrer, der mir trotz meines „No, thank you“ zum Angebot für eine Taxifahrt ein „I love you“ hinterherruft. Sei es ein Schüler, der mit mir eine Brieffreundschaft begonnen hat, bei der ich seine Briefe korrigiere und ihm dann mit einem eigenen Brief antworte. Sei es ein Schüler, der mir stolz seine Tanzgruppe in der Schule zeigt und mir mit eben dieser eine Privataufführung liefert. Sei es ein Abend im Open-Air-Jazz-Club, der wegen strömenden Regens zu einer nassen Angelegenheit wurde, bei der wir im bis zu unseren Knöcheln reichenden Wasser getanzt haben. Sei es ein Mann am Hoan-Kiem-See, der mich wegen einer Mopedtour durch Hanoi anspricht, ich wegen der Arbeit ablehnen muss und er mir trotzdem eine wundervolle Zeit und einen vietnamesischen Freund wünscht, weil ich ja „so beautiful“ sei. Seien es zwei vietnamesische Studenten, die sich mit mir in der Mittagspause nett unterhalten, um ihre Englisch-Kenntnisse zu vebessern. Sei es ein Treffen mit einem Vietnamesen, der mich mit dem Moped durch Hanoi fährt und zu einem leckeren kleinen Restaurant mit Pho, welche im Wohnzimmer der Familie serviert wird, einlädt und mir danach sein Lieblings-Cafe zeigt. Sei es eine vietnamesische Lehrerin, die mir von ihren Plänen, nach Deutschland auszuwandern, erzählt und mir ihre Hilfe bei allen Problemen anbietet. Sei es der Geburtstag eines Schülers, der eine Torte geschenkt bekommen hat, diese mit allen geteilt hat und sich sehr über meinen deutschen Glückwunsch „Alles Gute zum Geburtstag“ sehr gefreut hat. Sei es ein Schüler, der mir erklärt hat, ich sei eine Berühmtheit in der Viet Duc Schule und sogar seine Literaturlehrerin hätte gesagt, ich sei so hübsch.

Ihr seht schon, so könnte es noch ewig weitergehen. Ich möchte jetzt aber niemandes Zeit weiter in Anspruch nehmen und werde mich (hoffentlich) bald wieder melden.

Bis dahin sage ich „Tam Biet“ und wünsche euch eine genau so aufregende Zeit, wie ich sie erleben darf.

Eure Sophie

 

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