Achtes Türchen – Traditionell. Und doch modern

Gibt man bei Google „Vietnamesinnen“ ein, so bekommt man auf acht der ersten zwanzig vorgeschlagenen Bilder vietnamesische Frauen im Ao Dai zu sehen. Denkt man an die Kultur und die traditionelle Kleidung Vietnams, kommen mir aber ehrlich gesagt auch ziemlich bald die Bilder vom Ao Dai und dem Non La (dem Kegelhut, den ich im siebten „Türchen“ genauer thematisiert habe) in den Kopf.

Nachdem du dich nun schon mit dem besonderen vietnamesischen Hut auskennst und wir gerade so gut im Thema Kleidung und Kultur sind, geht es heute um das Kleidungsstück, das die Grazie und Schönheit der vietnamesischen Frau unterstreicht:

Der Ao Dai, zu Deutsch „langes Kleid“.

Ausgesprochen wird das Wort – wie so oft im Vietnamesischen – aber etwas anders: Im Norden spricht man von dem Gewand als „Ao Sai“, im Süden dagegen als „Ao Jai“. So nebenbei: Wenn ich mich während eines Gesprächs schon einige Minuten mit Vietnamesen über den Ao Dai unterhalten habe (natürlich auch zur Recherche für dieses „Türchen“) und dann eine Frage mit dem Wort stelle, versteht man mich nicht. Ziemlich enttäuschend. Ich glaube, irgendwas mache ich ziemlich falsch. Aber darum soll es jetzt nicht gehen!

Der Vorläufer diseses Kleidungsstückes war der Ao tu than, ein langes Kleid bestehend aus vier Teilen. Im 17. Jahrhundert wurde dieses von den Cham inspirierte Gewand auch von vietnamesischen Frauen getragen. Diese Art von Kleidern gibt es zwar immer noch, allerdings werden sie nur noch bei Bühnenauftritten und auf Festen der Öffentlichkeit präsentiert.

Im Vietnamesischen Frauenmuseum in Hanoi ist ein ganzer Teil der traditionellen Kleidung in Vietnam gewidmet. Hier ein Bild von verschiedensten Ao Dais.

Der Ao Dai, wie man ihn heute kennt und bestaunen kann, wurde im Hanoi des frühen 20. Jahrhunderts kreiert. Wie die Männer, die sich immer westlicher kleideten, änderten auch die vietnamesischen Frauen ihren Kleidungsstil. Die Art einiger junger Frauen, sich aufreizend zu kleiden, war den  meisten Vietnamesen aber viel zu vulgär und widersprach oben drein auch der konfuzianischen Lehre. Die Weiblichkeit der Frau durfte nämlich keinesfalls zu sehr im Vordergrund stehen. Der Ao Dai war da genau die richtige Lösung: Ein am Oberkörper eng anliegendes Oberteil, das über eine locker sitzende Hose fällt, die meist bis zum Boden reicht. Das Design des Kleidungsstücks scheint, den kompletten Körper in sanft fließende Stoffe zu hüllen. Die Mischung aus Eng und Weit setzt den Körper in Szene, wenn auch sehr dezent. Gesäumt von langen seitlichen Schlitzen, die bis über die Hüfte reichen, ermöglicht das Kleid gleichermaßen einfaches Bewegen und einen hohen Tragekomfort.
Mit disem Langkleid ist es für die vietnamesische Frau möglich, anmutig, aber nicht freizügig ihre körperliche Schönheit zu präsentieren.

„Der Ao Dai ist geschlossen, kann aber die schönsten Züge des Körpers der Frauen zeigen. Man kann sagen, dass der Ao Dai die eigene Schönheit der Kostüme der vietnamesischen Frauen zeigen.“

Zu Beginn trugen nur mit Franzosen verheiratete Vietnamesinnen den Ao Dai. Aber schon Ende der 1930er Jahre konnte man das neue Gewand an den meisten Stadtfrauen bewundern. Besonders französische Seide in den Farben Violett und Dunkelrot sowie bunt gefärbte, leichte, indische Stoffe waren als Materialien besonders beliebt.

Übrigens wurde das Ao Dai der städtischen Frauen zu diesem Zeitpunkt aus fünf Stoffbahnen geschnitten. Die vier Hauptstoffbahnen stehen für die Eltern und die Schwiegereltern. Die restliche Stoffbahn bezeichnet die Trägerin. Die fünf Haken entlang der Tracht symbolisieren menschliches Verhalten nach den Regeln des Konfuzianismus: Redlichkeit, Höflichkeit, Treue, Klugheit und Zuverlässigkeit.

Die Zeit der schönen Kleider endete jedoch mit dem Krieg. So sah man die eleganten Gewänder nur noch bei formalen Anlässen. Aber auch nach dem Kriegsende war es nicht üblich,  sich derart hübsch anzuziehen.

Zum Glück ist diese Zeit vorbei. Heute ist der Ao Dai nämlich wieder eine tolle Variante, wenn frau sich chic machen will.

Je nach der Farbe eines Ao Dais kann man tatsächlich auf das Alter und den sozialen Status der Trägerin des Kleidungsstückes schließen. Jüngere Frauen wollen beispielsweise mit ihren weißen Ao Dais Jugend und Reinheit versinnbildlichen. Werden sie älter, bleiben aber weiter unveheiratet, wählt man für seinen Ao Dai mehr Pastell-Töne. Kräftige Farben lassen vermuten, dass die Trägerin verheiratet ist.
Außerdem gibt es für religiöse und rituelle Zeremonien ausgewählte Farben wie beispielsweise braun, blau und lila.
Bei besonderen Anlässen wählt man Ao Dais mit aufwendigeren Designs und Mustern. Bei Hochzeiten, nationalen Festen und vor allem dem Tet-Fest (dem höchsten vietnamesischen Fest) sieht man die beeindruckenden Kleidungsstücke überall.

Am Hoan Kiem-See kann man täglich viele Vietnamesinnen in ihren hübschen Ao Dais sehen, die sich vor dem See platzieren und ablichten lassen. In „normalen“ Outfits wird – soweit ich das mitbekommen habe – eigentlich gar kein Shooting gemacht. Der Ao Dai sieht einfach zu gut aus.

Früher trugen sowohl Männer als auch Frauen das Kostüm. Heutzutage sieht man Männer im Ao Dai jedoch nur noch sehr selten, meist zu wichtigen Anlässen wie Hochzeiten und Beerdigung.

Besonders verzierte Arten des Ao Dais, hier für eine Hochzeit.

Aber auch in der Viet Duc Oberschule, in der ich arbeite, freue ich mich jeden Montag  – an diesem Tag ist der Fahnenappell – wenn ich die Mädchen im weissen Ao Dai bewundern kann.
Ein Schuldirektor in Ca Mau hatte dieses Kleidungsstück im Jahr 1983 nämlich als Schuluniform eingeführt, nachdem er Grazie, aber auch Konformität an seine Schule bringen wollte.
In den folgenden Jahren nahmen immer mehr weiterführende Schulen den Ao Dai als Schuluniform auf. Und so wohl auch die Viet Duc Oberschule.

Immer wieder wurde das Gewand dem Zeitgeist angepasst. So wurden moderne Modeideen mit dem traditionellen Gewand verbunden. Die vietnamesische Kultur, die das Kleidungsstück transportiert, ging dabei jedoch nie verloren. Unabhängig davon, wie viele Versuche gestartet werden, den Ao Dai neu zu erfinden oder zu modernisieren, der traditionelle Ao Dai ist und bleibt eines der bequemsten und beeindruckendsten Kleidungsstücke Vietnams.

Und selbst wenn er vielleicht konsevativ aussehen mag, kann ich dem folgenden Sprichwort doch nur voll zustimmen:

„Der Ao Dai bedeckt alles, aber versteckt nichts.“

Ab 30€ kann man sich in Vietnam einen eigenen Ao Dai schneidern lassen – natürlich ohne Limit nach oben. Ob mir das so steht, weiß ich noch nicht. Eine Überlegung ist es aber allenfalls wert…

Wenn man ihn nur für einen bestimmten Anlass benötigt, kann man sich in speziellen Läden auch einen Ao Dai mieten.

Wichtig zu bedenken ist aber, dass jeder Ao Dai nur für eine bestimmte Frau geschneidert ist. Geliehen wird er also nie so gut aussehen wie nur für dich geschneidert. Zusatzinfo: Obwohl der Ao Dai genau auf einen Körper zugeschnitten ist, wird immer an der Naht Platz für eine Ausweitung des Gewandes gemacht. Selbst wenn Vietnamesinnen generell sehr dünn sind, kann es ja vorkommen, dass sie zunehmen. Bei dem Angebot von leckerem Essen und Trinken hier nicht ganz unverständlich. 😉

Zu hoffen bleibt, dass der Ao Dau auch in Zukunft viel auf den Straßen Vietnams vertreten sein wird. Selbst wenn er sich verändert und moderne Modedesigns miteinfließen bleibt er doch ein traditionelles Kleidungsstück Vietnams.

Ich wünsche mir, dass ich in einigen Jahren immer noch nach „Vietnamesinnen“ googlen kann und mindestens genau so viele Bilder von Vietnamesinnen in Ao Dais (und auch den Non Las) wie heute finden werde!

Viele Grüße von deiner Ao-Dai-Bewundererin Sophie

2 responses to “Achtes Türchen – Traditionell. Und doch modern

  1. Ernst Pehl

    Die investition solltest Du wagen.

  2. Linde Strass

    Liebe Sophie,

    ich bin mir nahezu sicher, dass die Investition in einen Ao Dais sicherlich lohnt und Dir bestimmt ausgezeichnet stehen würde 🙂

    Deine Dich dazu ermutigende Linde

Zur Werkzeugleiste springen