Sechszehntes Türchen – Chè is love

Sie sitzt vor mir, sieht mich mit einem riesigen Grinsen im Gesicht an und beginnt damit, zu erklären:
„If this were all foods in Vietnam“ (nun streckt sie mir eine ihrer Hände mit gespreizten Fingern entgegen)
Weiter geht‘s mit „that would be all kinds of Che“ und klappt nun zwei Finger zu.
Man sieht nur noch drei ausgestreckte Finger und sie schaut mich fragend an, ob ich das verstanden habe.
Meinem Blick kann sie Überraschung entnehmen. Damit hätte ich nämlich wirklich nicht gerechnet.

Nun aber mal von Anfang an. Wovon eine meiner Schülerinnen da begeistert spricht und warum sich bei mir ziemlich viel darum dreht, was es mit Weihnachten zu tun hat und vieles mehr findest du im heutigen, sechszehnten Türchen heraus.

Ach, wo soll ich anfangen, ohne gleich ins Schwärmen zu kommen? Vielleicht erst mal bei einer Definition.
Von was denn? Na von Chè, denn darum geht es heute!

Natürlich könnte ich dir jetzt meine recht einfache Definition von Chè liefern: „Chè is love“, aber vermutlich hilft dir das nicht sonderlich weiter.
Erst mal solltest du wissen, dass es sich bei Chè um Nahrung geht – wie in den meisten Türchen, wie mir jetzt aufgefallen ist.
Never mind, jetzt geht‘s wirklich los:
Chè ist ein Begriff für eigentlich jedes Getränk, jede Dessertsuppe und jede Art Pudding. Wichtig dabei ist, dass das Produkt süß schmeckt und eben noch aus Vietnam kommt, was jedoch nicht sonderlich verwunderlich sein sollte.
Varianten von Chè gibt es so viele, dass man sie gar nicht mehr zählen kann. Wie oben schon gesagt: 3 von 5 „Gerichte“ in Vietnam sind Chè.
Bei so vielen Arten ist auch mit vielen verschiedenen Zutaten zu rechnen:
Mungbohnen, Klebreis, Nüsse, Mandeln, Lotuskerne, Tapioka, schwarze Bohnen, Kidneybohnen, Jelly (in allen möglichen Formen und Farben), frische Früchte wie Mango, Durian, Jackfrucht, Litschi oder auch getrocknete Früchte und getoppt wird es oft mit einem Löffel Kokosnussmilch. Im Prinzip kann eigentlich alles in Chè hinein, Hauptsache es schmeckt!
Die wohl wichtigste Zutat ist jedoch mal mehr, mal weniger Zucker, damit es seinen süßlichen Geschmack erhält.

„A kaleidoscopic world of luminous colours, shifting shapes, unfamiliar textures, esoteric ingredients, and rich flavours“

so wird Chè auf einer anderen Website beschrieben. Klingt probierenswert, oder?

 

Vielleicht fragst du dich jetzt, wie du weißt, was in deinem Chè drin sein wird, wenn du einfach nur „Chè“ bestellst. Jede Art von Chè hat zum Glück seinen eigenen Namen. Hinter den generell bedeutungslosen Begriff Chè wird ein beschreibendes Wort oder eine Phrase angehängt. Beispielsweise kann man oft „chè đậu đỏ“ bestellen, was wörtlich soviel wie „Rote Bohnen Chè“ bedeutet und übrigens richtig lecker ist.

Und da sind wir auch schon beim nächsten Thema: der Geschmack.
Nachdem man oft aus einer Vielzahl von verschiedenen Chès auswählen kann und es doch überall verschieden schmeckt, wird das Probieren nie langweilig. Mal heiß aus dem Topf, mal kalt mit Eiswürfeln. Mal als Getränk mit Strohhalm, mal puddingartig zum Löffeln. Mal das perfekte Dessert, mal super für zwischendurch. Mal sehr süß, mal erfrischend fruchtig mit leichter Süße. Aber immer richtig lecker.
Wenn schon die Definition von Chè mir so schwerfällt und für mich immer noch nicht 100% passt (besser kann ich es trotzdem nicht machen), dann kannst du dir bestimmt vorstellen, wie schwierig es ist, den Geschmack wenigstens annähernd zu erklären, bedenkt man die vielen Variationen.

Nun hatte ich angekündigt zu erklären, was Chè für mich mit Weihnachten zu tun hat. Selbst wenn das Fest in Vietnam in religiöser Hinsicht nicht praktiziert wird, sieht man in den Geschäften die Weihnachtsbäume stehen. Man hört Variationen von traditionellen Weihnachtsliedern durch Lautsprecher erklingen und irgendwie stellt sich bei mir doch langsam etwas Weihnachtsstimmung ein. Nur ein Funken, aber der ist genug, dass ich weiß, was ich an Weihnachten besonderes essen will. Es wird kein leckeres drei-oder-vier-oder-fünf-Sterne-und-Gänge-Menü von Mama geben, keinen Weihnachtsgittesdienst und so ziemlich alles wird anders sein. Für dieses kleine bisschen Weihnachten wünsche ich mir aber wie gesagt ein besonderes Essen: Chè Khoai.
An einer schönen spätsommerlichen Mittagspause war ich mit zwei Kolleginnen in einem Restaurant und habe kurzerhand (am Tag zuvor hatte ich mein erstes Chè gegessen) eine Schüssel Chè Khoai bestellt. Serviert wurden mir heiß gedämpfte Süßkartoffeln, die mit Zimt gekocht wurden und nun in warmem Kokosnussmilch-Pudding schwammen. Nach dem ersten Löffel wusste ich, das werde ich an Weihnachten essen! Die Kombination aus den weichen Süßkartoffeln, dem weihnachtlichen Zimt und anderen Gewürzen und die heiße Kokosnussmilch, wer könnte da schon widerstehen?

Meine Passion für Chè verbreite ich übrigens auch außerhalb dieses Blogs ordentlich:
Gestern beispielsweise – es insgesamt so ein schöner Tag – bin ich mit einem 26jährigen Kanadier auf dem Moped eine Stunde auf die Suche nach Chè gegangen. Als Essensexpertin für Vietnam (just kidding, ich kenne lang noch nicht alles. Leider…) habe ich ihm von meinen Erfahrungen mit Chè erzählt und kurzerhand wurde gemeinsam beschlossen, das süße Gericht in Da Nang irgendwo zu finden. Es war schon etwas später und viele Straßenläden hatten schon geschlossen, aber einer war noch geöffnet und hatte drei verschiedene Chès. Kurzerhand wurden alle drei bestellt und das Ergebnis lässt sich sehen:

Drei waren aber dann doch etwas viel. Aber wer würde einfach Chè wegwerfen? Das wäre ein Sakrileg! Mit vielen Pausen haben wir es doch noch geschafft.
Übrigens hat es ihm zu meiner Freude – nach meinem vielen Schwärmen wäre es peinlich gewesen, wenn nicht – super geschmeckt.

Ich bin mir sicher, dass es auch dir schmecken wird! Solltest du also mal nach Vietnam kommen, kann ich dir gerne noch ausführlichere Informationen zu Chè bereitstellen, aber für heute reicht es glaube ich. Genug geschwärmt!

Viele Grüße aus dem Nachtbus zurück nach Hanoi,
die nach-dem-Motto-Chè-is-Love-lebende Sophie

PS: Hier noch ein paar Bilder von Chè. Je komischer es aussieht, desto besser schmeckt es!

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