Zwanzigstes Türchen – und was machst du da?

„Sag mal, was genau machst du da?“

Eine sehr berechtigte Frage, die ich dir heute beantworten möchte. Denn selbst wenn es nicht so wirkt – bis jetzt wirkt es wahrscheinlich so, als ob ich nur essen und reisen würde, was ja auch wichtig ist – gehe ich einer Arbeit nach. Und das neben der Trung Vuong Mittelschule (nur zweimal pro Woche) hauptsächlich an der Viet Duc Oberschule. Mehr über genau diese Schule und vor allem meine Aufgaben erfährst du heute!

Allgemeines:

Jeden Morgen trete ich durch dieses Eingangstor und starte in den neuen Arbeitstag

So unbelebt ist der Pausenhof normal nie 😉

Die Viet Duc Oberschule hat einen sehr guten Ruf und gehört in Vietnam zu den 100 besten Schulen. Schülerinnen und Schüler, die diese Schule besuchen möchten, müssen ausgezeichnete Zeugnisse aus der Mittelschule mitbringen – oder die richtigen Connections haben. Insgesamt unterrichten aktuell ungefähr 120 Lehrer die 2.200 Schüler.
Die Schüler können hier die Klassen zehn bis zwölf besuchen und sind im Alter von 15 bis 18 Jahren.
Obwohl „Viet Duc“ so viel bedeutet wie „vietnamesisch deutsch“, kann man sich auch für eine andere Sprache entscheiden. Neben Deutsch stehen noch Japanisch und Koreanisch zur Auswahl. Wenn du dich jetzt fragst, was mit Englisch ist: keine Sorge, das ist die erste Fremdsprache, die die Schüler schon seit dem Beginn der Mittelschule lernen.

Der Unterricht:

Die Schüler gehen nicht wie in Deutschland nur von Montag bis Freitag in die Schule, sondern müssen auch am Samstag die Schulbank drücken. Ein Glück muss ich da nicht arbeiten!
Der Unterricht an jedem Tag besteht übrigens immer aus zwei Blöcken: Morgens geht er von 7:15 Uhr bis 10:55 Uhr, dann nachmittags nochmal von 13:55 Uhr bis 17:30 Uhr. Immer nach einer 45minütigen Einheit folgen zehn Minuten Pause, in denen die neuesten Nachrichten auf Facebook gecheckt, im Klassenzimmer getanzt und gesungen oder auf dem Schulhof Basketball oder Badminton gespielt wird. Ich sag’s dir, das ist vielleicht ein Treiben und Lärm.

Fleißig bei einer Gruppenarbeit.

Manchmal tanzen die Schüler vor Freude auch im Unterricht auf den Tischen. Oder schalten einfach den Beamer an, wie man’s sehen will,

 

 

 

Die Geschichte:

In der 47 Ly Thuong Kiet Straße (übrigens Carreau Straße während der französischen Belagerung Vietnams genannt) findet man die Viet Duc Oberschule, die ursprünglich nach dem Bischoff Puginier benannt worden war.
Nach der Befreiung Hanois am zehnten Oktober 1954 wurde die Puginier Schule zu einer allgemeinen Schule, sowohl Junior als auch Senior Secondary School. Im Jahr 1960 entwickelte sie sich dann zu einer Hochschule.
Zwischen 1970 und 1997 wurde die Schule in zwei Teile gespalten: Die Viet Duc Oberschule für Vormittagsunterricht und die Ly Thuong Kiet Hochschule für Nachmittagsunterricht. Im Juli 1997 wurde der Name Viet Duc Oberschule für die wiedervereinten Schulen vergeben.
Die Schule behauptet übrigens stolz von sich, große Persönlichkeiten hervorgebracht zu haben: Mitglieder der Nationalversammlung, Dichter, Komponisten und viele mehr.

Der Deutschunterricht:

Schulleitung und Elternschaft sind sehr engagiert und interessiert daran, den Deutschunterricht zu unterstützen. Da die Deutschklassen einen besonders guten Ruf genießen, ist der Ansturm auf diese Klassen besonders groß.
Pro Klasse können schon mal 45 Schüler zusammenkommen. Für den Deutschunterricht werden diese aber – zum Glück – aufgeteilt. Beim Kampf mit der Aussprache und vor allem der Grammatik ist so ein effektiverer Sprachunterricht möglich. Ziel der (meisten) Schüler ist es, mit den Abschlussprüfungen auch das DSD I zu bestehen und damit die Möglichkeit zu haben, an einem Studienkolleg in Deutschland zu studieren.

Der Fahnenappell:

Montagmorgens schlägt die Trommel um 7:05 Uhr. Zeit, die vietnamesische Flagge zu hissen! Zum Fahnenappell versammeln sich die Schüler und auch viele Lehrerinnen und Lehrer auf dem Pausenhof. Für alle gibt es dort kleine Höckerchen, auf denen sie Platz nehmen, Neuigkeiten, Verhaltensanweisungen sowie den Bekanntmachungen der Redner lauschen. Beim Singen der Nationalhymne wird jedoch aufgestanden und aus voller Brust mitgesungen, während die Hand am Herz liegt. Diese „Zeremonie“ findet immer am Wochenanfang vor dem richtigen Unterricht statt. Meist bin ich zu diesem Zeitpunkt aber noch in meinem Bett… 😉

Mit Blick auf diese Fahne wird die Nationalhymne gesungen. Hier aber gerade nicht. Jetzt ist erst mal Pause angesagt!

Die Schuluniform:

In Hanoi ist die Vorgabe für staatliche Oberschulen, dass die Schuluniform die Farben weiß und blau hat. Meiner Meinung nach eine sehr schöne Kombination. Der Dresscode gibt  jedem Schüler und jeder Schülerin ein weißes Hemd mit dem Schullogo auf dem Ärmel vor. Dazu soll eine dunkelblaue Stoffhose getragen werden. Wenn es kälter wird, sieht man die Schüler außerdem mit chicen Sportjacken in weiß und blau durch die Gegend laufen. Das besondere an den Jacken: sie sind beidseitig tragbar, wenn das nicht cool ist!
Für den Sportunterricht – der übrigens nur auf dem Pausenhof wegen fehlender Sporthalle stattfindet – wird das Outfit gewechselt: zu dunkelblauen Sporthosen mit nur zwei Streifen (kein Adidas-Sponsoring) wird ein Poloshirt getragen. Die Farben weiß (12. Klasse), gelb (11. Klasse) und rot (dementsprechend 10. Klasse) erleichtern es mir oft, zu erkennen, in welcher Jahrgangsstufe die Schüler sind.
Während ich als ehemalige Hanni&Nanni-Verehrerin immer von Schuluniformen geträumt habe, wünschen sich die meisten Schüler doch, in anderer Kleidung zum Unterricht kommen zu dürfen.

Meine Kollegen:

Insgesamt gibt es neun Deutschlehrer und -lehrerinnen an der Viet Duc Oberschule. Dazu zählen sieben vietnamesische Deutschlehrerinnen und zwei deutsche Lehrer. Ich genieße den Umgang mit meinen lieben Kollegen sehr: ein Gespräch über die Traditionen zu Weihnachten in Deutschland heute, das gemeinsame Mittagessen gegenüber der Schule, eine Unterhaltung über die Hochzeit in Vietnam und vieles, vieles mehr.
Ohne meine vietnamesischen Kolleginnen hätte ich lang nicht so viel über die vietnamesische Kultur erfahren dürfen wie ich es jetzt konnte. Darüber bin ich sehr froh.
Aber auch die deutschen Lehrer finde ich toll, weil man mit ihnen über Gott und die Welt sprechen kann, einen kleinen Witz machen kann und die Schüler ihn nicht verstehen und einfach nette Gespräche führen kann.

Meine Aufgaben:

Nun geht’s ums Eingemachte, wahrscheinlich wird dich das besonders interessieren!

Bei einem Schüleraustausch mit dem Barnimgymnasium Berlin war ich aktiv an der Planung und Durchführung beteiligt. So habe ich das Programmheft (ist meiner Meinung nach echt gut geworden) erstellt, die Schüler begleitet und sogar einen Tanz für die Abschiedsparty mit gutem Erfolg mit den Schülern einstudiert.
Außerdem war ich bei einer Klassenfahrt ins nördliche Sapa dabei. Zwar eher wie eine Schülerin, die mitfuhr, aber doch irgendwie als Aufgabe für mich. Das war ein wirklich toller Ausflug, bei dem ich richtig viel gelernt habe und noch mehr Kontakt mit den Schülern knüpfen konnte.
Meine Hauptaufgabe ist jedoch definitiv die Unterrichtsassistenz, egal ob ich bei den deutschen oder den vietnamesischen Lehrern bin. Natürlich unterscheiden sich die Tätigkeiten dann sehr: Während ich bei den vietnamesischen Lehrerinnen viel Phonetik mit den Schülern mache und bei grammatischen Unsicherheiten zu Rate gezogen werde, gilt es bei den deutschen Kollegen Gruppen bei Gruppenarbeiten zu betreuen und Dialoge zu üben.
Bei Einzelarbeiten darf ich bei allen Lehrern in den Reihen herumgehen und die Lösungen kontrollieren, bei Dialogen eingreifen und auch mal Fragen stellen und vor allem viel mit den Schülern sprechen.
Denn – das muss ich mir eingestehen – eine andere „besondere Fähigkeit“ als Deutsch als Muttersprache habe ich nicht vorzuweisen:
Bevor ich nämlich abgeflogen bin, hatte ich die Vorstellung, richtig aktiv Unterricht halten zu dürfen und nicht „nur“ zu assistieren und mit im Unterricht zu sitzen. Geworben wurde mit „Auf der anderen Seite des Klassenzimmers“ und doch fühle ich mich eher dazwischen. Irgendwo zwischen Lehrer und Schüler. Hängen geblieben zwischen der Lernenden und der Lehrenden. Oft sitze ich nämlich tatsächlich so im Unterricht, als ob ich in der nächsten Stunde den Test schreiben und richtig aufpassen müsste. Und in solchen Momenten frage ich mich wirklich, ob das einen Sinn hat.
Doch dann kommen wieder andere Aufgaben und tolle Begegnungen: Die Schülerin, die sich erfreut bedankt, dass ich ihr den Akusativ erklärt habe und nun eine gute Note im Test hat. Der Schüler, dem ich beim Test unauffällig die richtige Lösung zugeflüstert habe und der sich dann mit einem Kopfnicken und Lächeln bedankt. Die Klasse, mit der ich spontan tanzen durfte und aus der sich danach viele Schüler mit einem „Auf Wiedersehen“ und einem breiten Grinsen am Ende der Stunde verabschieden. Die jubelnden Schüler, wenn ich ins Klassenzimmer komme. Die Schüler auf dem Pausenhof, die mich anlächeln und „hallo Sophie“ sagen. Und über all diese Situationen freue ich mich so sehr, dass ich über meine teilweise doch recht langweilige Tätigkeit als Unterrichtsassistenz hinwegblicken kann und mich früh morgens, wenn ich mich aus dem Bett quäle, auf den Tag an der Viet Duc Schule freue.

Ich hoffe, das ganze hat dir einen guten Einblick in „meine“ Schule und meine Aufgaben dort gegeben!

Alles Liebe der Fan-der-Viet-Duc-Oberschule Sophie

Achtes Türchen – Traditionell. Und doch modern

Gibt man bei Google „Vietnamesinnen“ ein, so bekommt man auf acht der ersten zwanzig vorgeschlagenen Bilder vietnamesische Frauen im Ao Dai zu sehen. Denkt man an die Kultur und die traditionelle Kleidung Vietnams, kommen mir aber ehrlich gesagt auch ziemlich bald die Bilder vom Ao Dai und dem Non La (dem Kegelhut, den ich im siebten „Türchen“ genauer thematisiert habe) in den Kopf.

Nachdem du dich nun schon mit dem besonderen vietnamesischen Hut auskennst und wir gerade so gut im Thema Kleidung und Kultur sind, geht es heute um das Kleidungsstück, das die Grazie und Schönheit der vietnamesischen Frau unterstreicht:

Der Ao Dai, zu Deutsch „langes Kleid“.

Ausgesprochen wird das Wort – wie so oft im Vietnamesischen – aber etwas anders: Im Norden spricht man von dem Gewand als „Ao Sai“, im Süden dagegen als „Ao Jai“. So nebenbei: Wenn ich mich während eines Gesprächs schon einige Minuten mit Vietnamesen über den Ao Dai unterhalten habe (natürlich auch zur Recherche für dieses „Türchen“) und dann eine Frage mit dem Wort stelle, versteht man mich nicht. Ziemlich enttäuschend. Ich glaube, irgendwas mache ich ziemlich falsch. Aber darum soll es jetzt nicht gehen!

Der Vorläufer diseses Kleidungsstückes war der Ao tu than, ein langes Kleid bestehend aus vier Teilen. Im 17. Jahrhundert wurde dieses von den Cham inspirierte Gewand auch von vietnamesischen Frauen getragen. Diese Art von Kleidern gibt es zwar immer noch, allerdings werden sie nur noch bei Bühnenauftritten und auf Festen der Öffentlichkeit präsentiert.

Im Vietnamesischen Frauenmuseum in Hanoi ist ein ganzer Teil der traditionellen Kleidung in Vietnam gewidmet. Hier ein Bild von verschiedensten Ao Dais.

Der Ao Dai, wie man ihn heute kennt und bestaunen kann, wurde im Hanoi des frühen 20. Jahrhunderts kreiert. Wie die Männer, die sich immer westlicher kleideten, änderten auch die vietnamesischen Frauen ihren Kleidungsstil. Die Art einiger junger Frauen, sich aufreizend zu kleiden, war den  meisten Vietnamesen aber viel zu vulgär und widersprach oben drein auch der konfuzianischen Lehre. Die Weiblichkeit der Frau durfte nämlich keinesfalls zu sehr im Vordergrund stehen. Der Ao Dai war da genau die richtige Lösung: Ein am Oberkörper eng anliegendes Oberteil, das über eine locker sitzende Hose fällt, die meist bis zum Boden reicht. Das Design des Kleidungsstücks scheint, den kompletten Körper in sanft fließende Stoffe zu hüllen. Die Mischung aus Eng und Weit setzt den Körper in Szene, wenn auch sehr dezent. Gesäumt von langen seitlichen Schlitzen, die bis über die Hüfte reichen, ermöglicht das Kleid gleichermaßen einfaches Bewegen und einen hohen Tragekomfort.
Mit disem Langkleid ist es für die vietnamesische Frau möglich, anmutig, aber nicht freizügig ihre körperliche Schönheit zu präsentieren.

„Der Ao Dai ist geschlossen, kann aber die schönsten Züge des Körpers der Frauen zeigen. Man kann sagen, dass der Ao Dai die eigene Schönheit der Kostüme der vietnamesischen Frauen zeigen.“

Zu Beginn trugen nur mit Franzosen verheiratete Vietnamesinnen den Ao Dai. Aber schon Ende der 1930er Jahre konnte man das neue Gewand an den meisten Stadtfrauen bewundern. Besonders französische Seide in den Farben Violett und Dunkelrot sowie bunt gefärbte, leichte, indische Stoffe waren als Materialien besonders beliebt.

Übrigens wurde das Ao Dai der städtischen Frauen zu diesem Zeitpunkt aus fünf Stoffbahnen geschnitten. Die vier Hauptstoffbahnen stehen für die Eltern und die Schwiegereltern. Die restliche Stoffbahn bezeichnet die Trägerin. Die fünf Haken entlang der Tracht symbolisieren menschliches Verhalten nach den Regeln des Konfuzianismus: Redlichkeit, Höflichkeit, Treue, Klugheit und Zuverlässigkeit.

Die Zeit der schönen Kleider endete jedoch mit dem Krieg. So sah man die eleganten Gewänder nur noch bei formalen Anlässen. Aber auch nach dem Kriegsende war es nicht üblich,  sich derart hübsch anzuziehen.

Zum Glück ist diese Zeit vorbei. Heute ist der Ao Dai nämlich wieder eine tolle Variante, wenn frau sich chic machen will.

Je nach der Farbe eines Ao Dais kann man tatsächlich auf das Alter und den sozialen Status der Trägerin des Kleidungsstückes schließen. Jüngere Frauen wollen beispielsweise mit ihren weißen Ao Dais Jugend und Reinheit versinnbildlichen. Werden sie älter, bleiben aber weiter unveheiratet, wählt man für seinen Ao Dai mehr Pastell-Töne. Kräftige Farben lassen vermuten, dass die Trägerin verheiratet ist.
Außerdem gibt es für religiöse und rituelle Zeremonien ausgewählte Farben wie beispielsweise braun, blau und lila.
Bei besonderen Anlässen wählt man Ao Dais mit aufwendigeren Designs und Mustern. Bei Hochzeiten, nationalen Festen und vor allem dem Tet-Fest (dem höchsten vietnamesischen Fest) sieht man die beeindruckenden Kleidungsstücke überall.

Am Hoan Kiem-See kann man täglich viele Vietnamesinnen in ihren hübschen Ao Dais sehen, die sich vor dem See platzieren und ablichten lassen. In „normalen“ Outfits wird – soweit ich das mitbekommen habe – eigentlich gar kein Shooting gemacht. Der Ao Dai sieht einfach zu gut aus.

Früher trugen sowohl Männer als auch Frauen das Kostüm. Heutzutage sieht man Männer im Ao Dai jedoch nur noch sehr selten, meist zu wichtigen Anlässen wie Hochzeiten und Beerdigung.

Besonders verzierte Arten des Ao Dais, hier für eine Hochzeit.

Aber auch in der Viet Duc Oberschule, in der ich arbeite, freue ich mich jeden Montag  – an diesem Tag ist der Fahnenappell – wenn ich die Mädchen im weissen Ao Dai bewundern kann.
Ein Schuldirektor in Ca Mau hatte dieses Kleidungsstück im Jahr 1983 nämlich als Schuluniform eingeführt, nachdem er Grazie, aber auch Konformität an seine Schule bringen wollte.
In den folgenden Jahren nahmen immer mehr weiterführende Schulen den Ao Dai als Schuluniform auf. Und so wohl auch die Viet Duc Oberschule.

Immer wieder wurde das Gewand dem Zeitgeist angepasst. So wurden moderne Modeideen mit dem traditionellen Gewand verbunden. Die vietnamesische Kultur, die das Kleidungsstück transportiert, ging dabei jedoch nie verloren. Unabhängig davon, wie viele Versuche gestartet werden, den Ao Dai neu zu erfinden oder zu modernisieren, der traditionelle Ao Dai ist und bleibt eines der bequemsten und beeindruckendsten Kleidungsstücke Vietnams.

Und selbst wenn er vielleicht konsevativ aussehen mag, kann ich dem folgenden Sprichwort doch nur voll zustimmen:

„Der Ao Dai bedeckt alles, aber versteckt nichts.“

Ab 30€ kann man sich in Vietnam einen eigenen Ao Dai schneidern lassen – natürlich ohne Limit nach oben. Ob mir das so steht, weiß ich noch nicht. Eine Überlegung ist es aber allenfalls wert…

Wenn man ihn nur für einen bestimmten Anlass benötigt, kann man sich in speziellen Läden auch einen Ao Dai mieten.

Wichtig zu bedenken ist aber, dass jeder Ao Dai nur für eine bestimmte Frau geschneidert ist. Geliehen wird er also nie so gut aussehen wie nur für dich geschneidert. Zusatzinfo: Obwohl der Ao Dai genau auf einen Körper zugeschnitten ist, wird immer an der Naht Platz für eine Ausweitung des Gewandes gemacht. Selbst wenn Vietnamesinnen generell sehr dünn sind, kann es ja vorkommen, dass sie zunehmen. Bei dem Angebot von leckerem Essen und Trinken hier nicht ganz unverständlich. 😉

Zu hoffen bleibt, dass der Ao Dau auch in Zukunft viel auf den Straßen Vietnams vertreten sein wird. Selbst wenn er sich verändert und moderne Modedesigns miteinfließen bleibt er doch ein traditionelles Kleidungsstück Vietnams.

Ich wünsche mir, dass ich in einigen Jahren immer noch nach „Vietnamesinnen“ googlen kann und mindestens genau so viele Bilder von Vietnamesinnen in Ao Dais (und auch den Non Las) wie heute finden werde!

Viele Grüße von deiner Ao-Dai-Bewundererin Sophie

Siebtes Türchen – Mein Hut, der hat drei Ecken

Ich gebe dir eine Aufgabe, keine Angst, sie ist nicht schwierig:
Stelle dir einen Timer für eine Minute. Nun schließe eine Minute lang deine Augen und stell dir Vietnam vor! Öffne deine Augen nach dem Signal, komm wieder in der Realität an und lies weiter!

Bestimmt hast du in dieser Minute eine Reise durch Vietnam gemacht.
Vielleicht hast du Reisterrassen gesehen. Vielleicht bist du durch die engen Gässchen Hanois gewandert.
Vielleicht hast du dir einen wunderschönen Strand mit Palmen vorgestellt.
Vielleicht bist du durch die Berglandschaften Vietnams geklettert.
Vielleicht hast du ein Museum besucht oder einen der vielen Tempel oder Pagoden.
Vielleicht hast du an die vielen Höhlen und Grotten gedacht.
Vielleicht hast du auch das leckere Essen in Vietnam vor dir auf einem Tisch stehen sehen.

Und vielleicht hast du an eines der Symbole Vietnams gedacht: den Nón Lá. Einen dreieckigen Hut, wenn man von einer Kinderzeichnung ausgeht (natürlich weiß ich, dass er nicht wirklich drei Ecken hat 😉 ), die den Hut vereinfacht darstellt:

Man könnte nun zu singen beginnen „Mein Hut, der hat drei Ecken. Drei Ecken hat mein Hut. Und hätte er nicht drei Ecken, so wär er nicht mein Hut“. Natürlich kannst du das gerne machen, abhängig davon wie hoch deine Gesangskünste sind und wo du dich befindest.

Aber um deutsche Kinderlieder soll es nun nicht gehen. Dieses „Türchen“ soll von DEM traditionellen Hut Vietnams gehen. Einen konisch geformten Hut aus getrockneten Blättern. Ich habe es vorhin schon erwähnt, er heißt Nón Lá.

Schon auf antiken Gegenständen wie dem Hap Dong Dao Thinh (einem großen Zylinder aus Bronze von Dao Thinh) und der Trong Dong Lu Ngoc (der Ngoc Lu Trommel aus Bronze) kann man den Nón Lá sehen. Da diese Gegenstände ein Alter von 2.500 bis 3.000 Jahre verzeichnen, zeigt es, dass der Hut bereits zu diesem Zeitpunkt, wenn nicht sogar noch früher entstand.
Und tatsächlich findet sich der besondere Hut seit mehreren Tausend Jahren auf dem Kopf der Vietnamesen. Zudem kommt er in vielen, alten Legenden und Märchen vor, die bis heute von einer Generation zur nächsten weitergegeben werden.

Der Erzählung nach hat der Nón Lá seinen Ursprung, wie er legendenhafter nicht sein könnte:
Während einer langen und heftigen Sintflut kam eine riesige Frau vom Himmel und schützte die Menschen vor dem Regen. Dafür trug sie einen Hut aus vier, runden Blättern, die den Regen abweisen sollten. Nachdem die Sintflut also abgewendet war und die Göttin zurück im Himmel war, wurde ein Tempel gebaut, um der regen-schützenden Göttin zu danken und ihr zu gedenken.
Es wurde dann versucht, den Hut der Göttin mit Palmenblättern nachzubauen. Das Ergebnis davon sieht man bis heute in ganz Vietnam auf den Köpfen vieler Vietnamesen, aber auch Touristen.

Mit dem Nón Lá auf dem Kopf auf dem Fahrrad unterweg.

Die Modernisierung schreitet weiter voran und immer mehr Maschinen vereinfachen auch in Vietnam die Produktion von Gütern, die Herstellung des Nón Lá jedoch bleibt rein handwerklich. Es schafft wohl doch keine Maschine, die über Jahrhunderte entwickelte und ausgebaute Technik, diesen feinen und eleganten Hut herzustellen, zu ersetzen.

Obwohl allein getrocknete Blätter und ein Rahmen in der Form eines Kegels nötig sind, ist die Herstellung des Nón Lá wesentlich komplizierter als man denken mag.
Am besten funktioniert die Herstellung mit getrockneten Bambusblättern und einem aus Bambus gebogenen Rahmen.
Unter der Sonne werden die frischen, grünen Palmenblätter getrocknet. Mithilfe einer heißen Stahlstange werden die Blätter dann von Handwerkern geglättet. Hierbei ist Können gefragt: Ist das Eisen zu kalt, lassen sich die Blätter nicht bearbeiten. Wenn es bei der Berührung der Blätter unkontrolliert abkühlt oder von Beginn an zu kalt ist, kräuseln sich die Blätter und können nicht wieder verwendet werden.
Ist es jedoch zu heiß, entstehen gelbe Flecken auf den Blättern und sie verbrennen.
Wenn der Prozess des Glättens erfolgreich beendet ist, geht es mit dem Benähen des Hutes weiter. Auf den kegelförmigen Rahmen, bestehend aus 16 runden Bambusstücken, werden nun die geglätteten Bambusblätter genäht.
Nach vielen Versuchen hat sich die Anzahl von 16 Bambusstücken als perfekt erwiesen. Mit einer festen Technik werden nun gut sitzende Hüte nach einem bestimmten Schema hergestellt.
Bestimmt merkst du schon, dass die Herstellung eines Nón Lá wesentlich komplizierter ist, als man auf den ersten Blick denken mag. Er bedarf höchster Präzision und dem handwerklichen Geschick eines erfahrenen Handwerkers.
Faszinierend finde ich, dass jede einzelne Naht ohne Lineal – ich frage mich wirklich, wie das geht – in gleichen Abständen genäht wird. Wegen dieser Regelmäßigkeit ist der dünne Nylonfaden kaum mehr zu erkennen.
Nun wirst du dir bestimmt vorstellen können, wie zeitaufwendig die Herstellung eines Nón Lá ist und vor allem wie viel Geduld man dafür braucht.

Obwohl das Grundgerüst und die Form des Nón Lá durch die 16 Bambussegmente feststeht, gibt es viele Varianten, den Hut noch schöner und besonderer zu machen.
Das wohl berühmteste Beispiel ist das sogenannte Muster „Non Bai Tho“, durch welches der Hut zum „poetischen Hut“ wird. Entstanden in der alten Kaiserstadt Hue zeigt dieser Hut Bilder, die für diese Region in Zentralvietnam stehen. Die Muster werden zwischen zwei Blätterschichten eingenäht. Das Besondere: Sichtbar wird die spezielle Verzierung erst, wenn man den Hut gegen die Sonne hält.

Eine einfachere Methode, den Hut zu schmücken, ist das Anheften von Papierblumen. Schön sind aber auch aufgestickte Bilder wie beispielsweise von Reisfeldern oder anderen landschaftlichen Augenweiden Vietnams.

Nun ist der Hut hergestellt und verziert, aber so hält er noch nicht auf dem Kopf. Mit einem farbigen Seidentuch oder -Netz, das an beiden Seiten des Hutes befestigt wird, wird das Verrutschen von eben diesem unterbunden.

Endlich kann der Hut aufgesetzt werden. Aber nein! Es gibt noch viel mehr Möglichkeiten zur Verwendung des Nón Lá!

Natürlich schützt der Hut auf dem Kopf vor den Sonnenstrahlen im Sommer und auch vor der Hitze. Denn während der Trockenzeit kann es gut und gerne mal 40 Grad werden und dann ist man froh über jeden Zentimeter Schatten.
Umfunktioniert zum Fächer, spendet der Hut durch seine Größe Luft. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass das wirklich ein toller Nebeneffekt ist.
Aber auch in der Regenzeit muss der Hut nicht im Keller verstauben. Bei dem monatelangen und oft sintflutartigen Regen kann man über seinen Hut froh sein, da er den Kopf trocken hält. Ja, er ist wirklich wasserfest, denn die Herstellung des Hutes mit mehreren Schichten von Blättern lässt so keinen Tropfen Wasser mehr durch.
Aber auch für den Transport von Obst, Essen oder vielen anderen Dingen ist der Hut zu gebrauchen.
Zu beobachten damit sind auch Mütter, die ihre Kinder vor dem Lärm und dem Staub der Straße schützen.
Man sieht lächelnde Händlerinnen auf den Märkten, die den Hut auf dem Kopf tragen.
Die Verkäuferinnen von frischem Obst, ganzen Gerichten und verschiedenen anderen Waren auf den Straßen erkennt man auch an ihrem kegelförmigen Hut.

Auf dem Heimweg gerade: Eine Frau, die mit dem Hut auf dem Kopf BHs auf der Straße verkauft.

Und es gibt Touristen, die damit viele viele Bilder damit machen, ihren Hut mit auf eine Reise in die Heimat nehmen und irgendwo aufhängen.

Und selbst wenn wahrscheinlich jeder Vietnam-Tourist sich vor dem Abflug sorgt, wie sein kegelförmiger Hut den Flug sicher überleben soll und ihn am Ende gut mit in seine Heimat bringt, wird mein Nón Lá mich an meine besondere Begebenheiten mit dem Nón Lá erinnern:

Zum Beispiel an eine zweistündige Bootsfahrt auf dem Tam Coc Fluss, bei der es bis auf die letzte Viertel Stunde ununterbrochen und gewissermaßen sintflutartig geregnet hat. Die Göttin aus der Legende hatte wohl nochmal prüfen wollen, ob ihre Erfindung, der Nón Lá, immer noch gut vor Regen schützt.

Bei einer Bootsfahrt in Ninh Bin, als es gerade nicht mehr regnete.

An eine etwas kürzere Fahrt mit einem kleinen Bötchen im Mekongdelta, bei der jeder Tourist für die Photos einen eben solchen Hut ausgeliehen bekommen hat.

Und als Symbol für meinen Vietnamaufenthalt insgesamt wird er an die Wand gehängt und er wird mich dann zum Träumen bringen:

Vielleicht von Reisterrassen. Vielleicht von den engen Gässchen Hanois. Vielleicht von einem wunderschönen Strand mit Palmen. Vielleicht von Berglandschaften. Vielleicht von Museen und Tempeln und Pagoden. Vielleicht von den vielen Höhlen und Grotten. Vielleicht von dem leckeren Essen in Vietnam.

Aber ganz bestimmt von einer aufregenden und unvergesslichen Zeit!

Alles Liebe,

die stolze Besitzerin eines Nón Lá – Sophie

Nour und ich – stolz wie Oskar mit unseren neuen Hüten.

Erstes Türchen – Magst du Phở mit Zwiebeln?

Vor einigen Wochen in der zehnten Klasse (die Schüler lernen erst seit September Deutsch) hat mich plötzlich ein Schüler gefragt:

„Magst du Pho mit Zwiebeln?“

Diese Frage klingt erst mal einfach und belanglos, aber es geht um viel mehr.  Bei Pho scheiden sich die Geister.

Aber nun erst mal von Anfang an:

Pho ist das Nationalgericht Vietnams. Wirklich so gut wie jeder Vietnamese – ich habe erst einen getroffen, der sie nicht mag – liebt Pho.

Die Erfolgsgeschichte der vietnamesischen Küche begann genau mit dieser Suppe:
Viele von Vietnam Ausgewanderte ließen sie in ihren riesigen Töpfen in Paris, Los Angeles oder sonst wo blubbern und machten damit die Pho zum internationalen Vorzeigegericht Vietnams. Man mag jetzt denken, naja, ist ja langweilig. Immer das gleiche. Aber weit gefehlt: Pho gibt es in vielen verschiedenen Varianten. Besonders bekannt ist die Pho ga mit Huhn.

Der Klassiker ist und bleibt aber Pho Bo, welche aus einer kräftigen, klären Rindfleischbrühe besteht.
In riesigen Töpfen werden dafür kiloweise Knochen und Suppenfleisch gekocht. Mit Zwiebeln und Ingwer – beide dunkel geröstet – und Gewürzen wie Koriander, Zimt und Sternanis entsteht jedoch erst der unverkennbare Geschmack dieser Brühe.
Kochend heiß wird die Suppe dann mit dünn aufgeschnittenem Rindfleisch und Reisnudeln serviert.

Seinen Ursprung fand dieses Gericht sehr wahrscheinlich in der Anfangszeit der französischen Kolonialherrschaft in der Gegend um Hanoi. Von Experten wird vermutet, dass dabei auch die Vorliebe der Franzosen zu Rindfleisch mit reingespielt hat. Zuvor waren Rinder in Vietnam nämlich hauptsächlich Arbeitstiere. Die vornehmen Kolonialherren gönnten sich exquisite Rindsteaks. Währenddessen kreierten Straßenköche aus den weniger wertvollen Fleischteilen eine leckere und dazu noch erschwingliche Suppe.

Noch heute wird dieses Gericht von Vietnamesen gern zum Frühstück gegessen. Ja, du hast richtig gelesen! Beim Thema „Essen und Trinken“ im Deutschunterricht heute hat sich nochmals bestätigt, dass es sich um kein Gerücht handelt, dass Pho zum Frühstück, aber auch zum Mittag- und Abendessen verzehrt wird.
Zu finden ist sie an fast jeder Straßenecke. Auf winzigen Stühlchen und fast genauso kleinen Tischen kann man Platz nehmen und eine große Schüssel Pho meist für etwas mehr als einen Euro. Dabei schmeckt Pho überall anders, weshalb es sich lohnt, immer wieder verschiedene Straßenstände und Rezepturen zu probieren!

Nun zur Anfangsfrage: „Magst du Pho mit Zwiebeln?“.
Man unterscheidet in Vietnam zwei Arten von Menschen. Die, die Pho mit Zwiebeln mögen und die, die Pho ohne Zwiebeln mögen.
Als ich nun dem Schüler auf seine Frage antwortete, dass sie mit Zwiebeln schon schmeckt, haben viele Schüler begeistert gejubelt, einige waren aber auch richtig enttäuscht über meine Antwort. Ehrlich gesagt hatte ich noch nie sonderlich auf Zwiebeln in dieser Suppe geachtet. Dass meine Antwort jedoch so eine starke Reaktion ausgelöst hat, zeigt schon, welche Rolle Pho im Leben vieler Vietnamesen spielt.

Mein größtes Problem mit Pho:
Ich kann jetzt schon behaupten, dass ich Pho wirklich liebe: Das gute Rindfleisch, die frischen Kräuter, die leckeren Nudeln und vor allem die tolle und geschmacksintensive Rinderbrühe sind einfach richtig toll!

Mein Problem besteht in der Aussprache dieses Wortes. Aus Gründen der Einfachheit habe ich Pho ohne Betonung geschrieben, was aus vietnamesischer Sicht ein Sakrileg ist.
So, Pho. Diese drei Buchstaben können MIT den Tönen (wie französischen Akzente) ganz verschieden ausgesprochen werden.

Phố zum Beispiel bedeutet Straße, Distrikt oder auch Haus oder Apartment. Ausgesprochen wird diese Pho als wie man es liest, also ‚Foooh‘.

Wenn man von ‚Phaa‘ spricht, wird die Suppe schnell mal zur „Schlampe“. Peinlich, sich vorzustellen, eine „heiße Schlampe“ bestellt zu haben.

Hier mein Tipp, dieses doch so komplexe Wort richtig auszusprechen:
Am besten spricht man es wie das englische Fell, „Fur“ tief aus dem Hals heraus, aber das ‚r‘ wird verschluckt. *Kommentar von Theresa: Das ‚r‘ wird verschluckt, weil das Rind ja in der Suppe ist! Höhö…

Bei diesem Link kann man das ganz schön hören und du bekommst einen ganz guten Eindruck, wie man das Wort richtig ausspricht:
http://www.lovingpho.com/pho-opinion-editorial/how-to-pronounce-pho/

 

Was ich dir jetzt nicht vorenthalten möchte: Wie schreibt man Pho, also diese leckere Nudelsuppe nun richtig? Hier die Antwort:

Phở

Ich kann nur sagen, selbst wenn das Bestellen dieses Nationalgerichts Vietnams sehr tückenhaft ist, ist der Genuss dessen allen Aufwand wert und sollte unbedingt ausprobiert werden!

Alles Liebe und bis Morgen,
deine Phở – Liebhaberin Sophie

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