Vierzehntes Türchen – Der Preis ist heiß

„Puh, 80.000 VND für dieses Essen ist echt zu viel!“

„Sollen wir einfach bei einem anderen Restaurant schauen?“

„Auf jeden Fall! So gut kann das Essen gar nicht sein…“

Ein typisches Gespräch bei der Suche nach einer guten Straßenküche oder einem Restaurant in meiner Zeit in Vietnam.
Nun magst du dich vermutlich fragen – vorausgesetzt du hast das letzte Türchen (aufmerksam) gelesen, wenn nicht, solltest du das zuerst machen – ob das ein Scherz sein soll. Umgerechnet sind 80.000 Dong nicht mal 3€ und das für eine vollwertige Mahlzeit. Und doch ist es kein Witz, sondern ganz ernst gemeint. Die Preise in Vietnam sind nämlich besonders und darum soll es heute gehen.

Fangen wir doch gleich mal mit Essen an. Generell hängen die Kosten für das leibliche Wohl natürlich immer davon ab, wo man isst. Am günstigen und meiner Meinung nach meist am besten speist man in einer der unzähligen Straßen- oder Garküchen. Ab 20.000 VND kann man mit einer leckeren und meist recht großen Mahlzeit rechnen. Eine ordentliche Schüssel Pho gibt es oft für 30.000 VND, was gerade mal 1,20€ entspricht und geschmacklich viel, viel mehr wert ist. Aber auch Gerichte wie Bun Cha oder einen Teller Reis mit verschiedenen Beilagen bekommt man ab 25.000 VND.

Für 30.000 VND pappsatt

Das Bia Ha Noi, also das Hanoier Bier, welches viel besser schmecken soll als das Bia in Saigon, gibt es pro Glas oft schon für 5.000 VND, was circa 20 Cent entspricht. Ausprobiert habe ich nämlich nur das Hanoier Bier, das hat mir als Nicht-Biertrinkerin dann aber schon gereicht. Oft gibt es ganze Läden, die sich „Bia Hoi Ha Noi“ nennen. In diesen sieht man meist männliche Vietnamesen mit ihren Plastikgläsern voll mit Bier auf kleinen Stühlchen sitzen und dabei Erdnüsse knabbern, lachen und lautstark über irgendwas sprechen. Ach ja, Essen gibt es dort auch. Besonders schön war es einmal, als Nour und ich uns in eins dieser Geschäfte gewagt haben und ein älterer Vietnamese mit etwas Englischkenntnissen uns, da wir ja das erste Mal in Vietnam sind, mit einem Bier auf ihn und „Welcome in Vietnam“ freudig in seinem Land willkommen geheißen hat. Das war wirklich ein schönes Erlebnis, wenngleich es 12 Uhr mittags vielleicht nicht die richtige Zeit für Bier war.

Mit Bia und „Welcome in Vietnam“

Besonders schätze ich die Preise für Smoothies. Gegenüber des Literaturtempels, nur 10 Minuten von „meiner“ Wohnung entfernt gibt es frische Smoothies für gerade mal 25.000 VND, also einen Euro und man kann sich drei Obstsorten aussuchen und bei der Zubereitung zusehen. Dir das zu verschweigen, nachdem ich diese Smoothies liebe, wäre eine Schande gewesen.

Der Preis der Getränke ist wie beim Essen aber natürlich davon abhängig, wo man verkehrt. In den ersten Tagen in Hanoi habe ich beispielsweise immer im touristischen Old Quarter gegessen, da die Preise dort auf Plakaten groß präsentiert werden. Der Touri-Zuschlag ist dann natürlich gleich mit inbegriffen. Mit wachsender Erfahrung und wachsendem Vietnamesisch-Wortschatz traue ich mich jedoch inzwischen auch in Straßenküchen, die keine Preise angeschrieben haben.

Obwohl Essen und Trinken meine Haupt-Lebensinhalte in Vietnam sind, ganz ehrlich, gibt es auch andere Dinge, die Geld bedürfen.

Shopping zum Beispiel! Spaziert man fröhlich durch die vollen Straßen Hanois, aber auch Saigons und Hoi Ans, sieht man viele tolle Kleidungsstücke. Sie warten nur darauf, anprobiert und gekauft zu werden. Geht man in einen der „Made in Vietnam“ Läden findet man oft Markenkleidung, die im Land überschüssig produziert wurde, für meist viel weniger als die Hälfte des Originalpreises. Aber auch in den touristischen Gegenden wird viel feilgeboten. Überall sieht man die quadratischen „Fjalkraven“Rucksäcke, die man mit Verhandlungsgeschick für 8€ bekommt und ich darf mich stolze Besitzerin eines eben solchen Rucksacks nennen.

Übrigens: Handeln ist in Vietnam Pflicht. Vor allem in touristischen Gegenden sollte man mit der Hälfte des Preises anfangen und sich dann sehr langsam steigern. Auf einem Markt in Saigon haben Theresa und ich es beispielsweise geschafft, von 500.000 VND auf 250.000 VND für einen Pullover zu gehen. Ziemlich gut wie ich finde.

Aber auch bei Obst und anderen Lebensmitteln, die auf der Straße angeboten werden, ist Handeln angesagt. Es geht nicht darum, den Preis stark zu senken, sondern einfach um das Prinzip. Wie gesagt: Handeln ist Pflicht.

Nicht vergessen sollte man jedoch, dass man beim Handeln den richtigen Ton wählt. Undenkbar für Vietnamesen ist es nämlich, sein Gesicht zu verlieren. Aus diesem Grund sollte man ruhig, aber clever verhandeln. Mit einem Lächeln auf den Lippen wird der Preis übrigens meist noch besser.

Toll sind die Preise, wenn man von einem an einen anderen Ort kommen möchte. Mit Uber oder Grab wird man meist zuverlässig – über das Gegenteil könnte ich dir stundenlang Geschichten erzählen – von A nach B transportiert. Und das für kleines Geld. Innerhalb von 13 Minuten legt man beispielsweise 2,29 Kilometer für gerade mal 22.000 VND zurück. Zusätzliches Plus: So gut wie immer gibt es „Special Promos“, mit denen man mal für den halben Preis, mal für 10.000 VND weniger ans Ziel befördert wird. Das Adrenalin beim Mopedfahren inklusive.

Erfreulich finde ich auch die Eintrittspreise für jegliche Art von Kultur. In viele Museen kommt man schon für 30.000 VND. Die Tatsache, dass Vietnamesen für ihre Eintrittskarten wesentlich weniger als Ausländer bezahlen, ist ein toller Weg, den Leuten vor Ort Kultur attraktiver nahebringen zu können.

Ich könnte dir noch viele andere Preise aufzählen, aber merken kannst du dir sie wahrscheinlich doch nicht. Also lass ich das jetzt lieber sein.

Ein Thema möchte ich jedoch nicht unerwähnt lassen: Das Durchschnittseinkommen in Vietnam liegt bei 173 Dollar pro Monat. Mit diesem Geld müssen Wohnung, Strom, Wasser, Essen, Kleidung und alles andere, was man zum Leben braucht bezahlt werden.

Da wir mit einem ganz anderen Verständnis für Geld aufwachsen, sind für mich 30.000 VND nicht so viel Geld. Für einen Vietnamesen oder eine Vietnamesin jedoch schon.

Und selbst wenn man überall liest, dass Vietnam ein so günstiges Reiseland ist, muss man doch bedenken, dass die Menschen hier von genau diesem Geld überleben müssen.

Mich beschäftigt oft dieser Unterschied, was man dagegen machen kann und wie ich mich damit zu fühlen habe. Die Lösung: Keine Ahnung. Gefunden habe ich sie leider noch nicht.

Viele Grüße aus Hoi An sendet dir

die in-einem-sehr-günstigen-Hostel-lebende Sophie

Dreizehntes Türchen – Wer wird Millionär?

Auf die Frage „Wer wird Millionär?“ kann ich nur antworten „Ich nicht, ich bin es nämlich schon!“

Bestimmt fragst du dich gerade, wie das denn so schnell gehen konnte. Hat Sophie eine so heftige Karriere hingelegt? Oder was ist los?

Leider muss ich diese Frage mit nein beantworten. Das wäre einfach auch zu schön, um wahr zu sein…

Heute soll es um ein ziemlich wichtiges Thema gehen, um Geld, besser gesagt das Geld in Vietnam.

In meinem Geldbeutel finden sich neben verschiedenen Bankkarten, Belegen und unnötigem Zeug viele bunte Papierscheine. Von jedem blickt mir der Landesvater Vietnams, Ho Chi Minh ernst entgegen, auf der Rückseite sind schöne Ansichten von zum Beispiel einer Holzfällerei oder auch einer Konservenfabrik zu sehen.
Von Anfang an unbegreiflich sind die hohen Zahlen, die ich auf den Scheinen lesen darf:
Der niedrigste und seltenste Wert sind 200 Vietnamesische Dong, was umgerechnet weniger als 0,7 Cent sind.
Weiter geht‘s mit 500, 1.000, 2.000, 5.000. Diese Scheine sind meist schon ziemlich alt und instabil. Hält man sie in der Hand, fühlen sie sich wie alte, mehrmals zerknüllte Zeitung an. Wenn man bedenkt, dass sie doch recht oft zum Einsatz kommen, ist das aber auch verständlich.
Mehr wert sind dann aber 10.000, 20.000, 50.000.
Am wertvollsten, aber auch nervenaufreibendsten sind dann aber die 100.000, 200.000 und 500.000. Beim Geldabheben bekommt man nämlich vom Bankautomaten meist diese „großen“ Scheine ausgegeben. Entscheidet man sich nun, mit dem Uber oder Grab zu einem bestimmten Ort gefahren zu werden, kommt es schon mal vor, dass man nichts „kleines“ hat und mit 200.000 oder im schlimmsten Fall sogar 500.000 bezahlen will. Nachdem man für die Fahrten nur kleines Geld bezahlen muss und die Fahrer ein gutes Geschäft wittern (oder es einfach wirklich nicht haben), sagen sie, dass sie so großes Geld nicht wechseln können. Dann hat man den Salat! Entweder man findet jetzt einen Ort, an dem man wechseln kann oder man muss sein gutes Geld dem Fahrer sozusagen spenden. Dann wird die eigentlich günstige Fahrt auf einmal doch etwas teurer. Herzlichen Dank auch.

Ich habe es schon erwähnt, die Währung des vietnamesischen Geldes nennt man „Vietnamesischer Đồng“. Das vietnamesische Wort „Đồng“ bedeutet übersetzt so viel wie „Kupfer“. Bevor die Franzosen nämlich nach Vietnam kamen und eine Kolonie gebildet haben, wurden Münzen aus Kupfer geprägt. Münzen gibt es jetzt aber eigentlich gar keine mehr. Das macht den Geldbeutel leichter, den Überblick jedoch schwerer.

Apropos Überblick: Bei den vielen Nullen, fällt der Überblick oft richtig schwer. Wenn du beispielsweise wie auf dem Bild den 10.000 und den 100.000 Schein ansiehst, merkst du bestimmt schon, dass sie sehr leicht zu verwechseln sind, zumal die Farbe auch ähnlich ist. So verliert man dann gut und gerne mal den Überblick, wie viel Geld sich in seinem Geldbeutel noch befindet. Beim schnellen Blick in den Geldbeutel vor dem Restaurantbesuch sieht man beispielsweise den 100.000er Schein, beim Bezahlen stellt er sich dann als 10.000er heraus. Nicht wünschenswert, aber leider auch nicht ganz selten.

Zurück zur Frage, wer wird Millionär. Aktuell ist der Wechselkurs bei 1:26.700. Für einen Euro bekommt man also knapp 27.000 Vietnamesische Dong. Rechnest du nun weiter, kommst du zu dem Schluss, dass du bereits mit etwas mehr als 37€ zum Millionär wirst. Ziemlich cool!

Zu den Preisen und Kosten in Vietnam jedoch morgen erst mehr.

Viele Grüße von deiner Millionärin Sophie, die sich gerade mit einer Million Dong Luft zufächelt 😉

Zwölftes Türchen – Sonne, Wind und Regen

„Ich wünsche dir besonders gutes Wetter für deine Reise!“

Das war einer der Sätze, den mir ein sehr guter Freund vor meinem Trip nach Zentralvietnam gewünscht hat.
Die Ironie daran war dann leider, dass ich wenige Stunden später, nachdem ich nach dem Lesen der Nachricht mehrere Stunden im Bus geschlafen hatte, graue Wolken und nasse Straßen durch die Fensterscheibe sehen musste.
Geregnet hat es dann zwar wirklich nur einige Stunden, aber davon habe ich mich natürlich nicht abschrecken lassen. Ganz nach dem Motto: Schönes Wetter kann jeder!
Im zwölften Türchen soll es nun um das Wetter in Vietnam gehen:

Das Land kann eine ganze Palette an klimatischen Zonen und Bedingungen vorweisen. Generell sind zwei Winde entscheidend für das Klima im Land:
Zum einen der winterliche Nordostmonsun, der von Oktober bis April der zentralen Küste und dem nördlichen Bergen Regen bringt.
Und zum anderen der von Mai bis September andauernde Südwestmonsun, der für Regen in den beiden Deltas und dem südlichen und zentralen Hochland sorgt.

Auch der Fakt, dass das Land eine Ausdehnung von insgesamt 1.650 Kilometer hat (was Wochenendtrips in den Süden so gut wie unmöglich macht), ist entscheidend für die unterschiedlichen klimatischen Bedingungen.

Im Norden, also auch Hanoi, gibt es sozusagen „Four Seasons“, was jeder Tourguide stets erwähnenswert findet. Hier kann man von wintertrockenem subtropischen Wetter sprechen.
Heiße Sommer, in denen es gut und gerne durchschnittlich 35 Grad hat und „kalte Winter“ mit im Durchschnitt gerade mal fünf bis zehn Grad am Tag (in den Bergen kann es in der Nacht sogar manchmal bis an den Gefrierpunkt gehen) sind im Wechsel an der Macht. Zwischendurch kommen aber auch Frühling und Herbst an die Regentschaft. Im Herbst kann man in Hanoi zum Beispiel durch die mit bunten Blättern verschönerten Straßen spazieren.
Zwischen Juli und September ist im nördlichen Landesteil die „rainy Season“, das heißt zu den sehr hohen Temperaturen kommt oft tagelanger Regen.
Der Tatsache, dass es inzwischen ganz schön kalt in Hanoi wird und man nicht mehr nur mit einer flatterigen Bluse, sondern lieber mit Pullover und Schal in den Gassen Hanois spazieren gehen sollte, entfliehe ich gerade noch. Ich glaube aber, dass die aktuell 16 Grad im Vergleich zu den Minustemperaturen in Deutschland noch ganz akzeptabel sind. Tut mir leid, wenn du gerade mit dicken Socken und einem fetten Schal vor dem Laptop oder am Handy sitzt und zitterst. Ich bin aber echt ganz froh, hier in Hoi An angenehme 23 Grad genießen zu können. ?

Bei schönstem Wetter heute in Hoi An

Im Süden Vietnams bleibt es das ganze Jahr mit Temperaturen zwischen 20 und 40 Grad angenehm warm. Der lokale Guide in Saigon erklärt außerdem stolz, dass es „only two seasons“ gibt. Die „Rainy“ und die „Hot Season“. Im Mekong-Delta, dem zentralen Hochland und Saigon herrscht nämlich von Juli bis Oktober der Südwestmonsun, der die Gegend mit ordentlich Nass von oben beliefert. Meist in Form von nachmittäglichen Wolkeneinbrüchen, mal aber auch als Dauerregen.

Entscheidend für die Temperatur ist natürlich auch die jeweilige Höhenlage: Man kann sagen, dass es an der Küste grundsätzlich zehn Grad wärmer ist als in den Bergen. Besonders auf dem Fan Si Pan kann es richtig frostig werden und im besten oder für Vietnamesen schlimmsten Fall Schnee fallen.
Als ich nämlich im Oktober mit den Schülern der elften Klasse auf Klassenfahrt im nördlich gelegenen Sa Pa war, sind wir auf den Fan Si Pan, den höchsten Berg in Indochina mit der Seilbahn gefahren. Während wir im Tal noch angenehm im T-Shirt herumlaufen konnten, waren wir am Gipfelkreuz (wobei es hier keine Kreuze gibt, also halt dem höchsten Punkt des Berges) alle sehr froh über unsere dicken Pullover, Schals, Jacken und teilweise sogar Handschuhe. Für mich war es schon ziemlich kalt, aber nicht kälter als im deutschen Winter. Doch die Schüler, von denen die meisten eine solche Kälte noch nie erlebt hatten, sprachen davon, dass ihre Finger abfroren und sie sich nicht mehr bewegen konnten. Stolz konnte ich dann erzählen, dass wir in Deutschland ganze Monate haben, in denen es so kalt, wenn nicht sogar noch kälter ist, haben. Die Reaktion der Schüler: Vor Staunen geöffnete Münder und entsetzte Blicke.

Die Weltmeere steigen, Inseln verschwinden im Meer und auch Vietnam wird nicht vom Klimawandel verschont:
Besonders an den nicht stabilen Regenzeiten merkt man das. Wie bei einem Überraschungsei weiß man inzwischen nicht mehr, wie die „Rainy Season“ ausfallen wird. Mal kommt viel zu wenig Nass von oben, mal schlägt das Wetter besonders heftig zu. Die Gefahr von Erdrutschen im Bergland im Norden und Überschwemmungen in den Deltas rühren in den Sommermonaten vom Südwestmonsun.
Aber auch der Nordostmonsun hat es ordentlich in sich: Zwischen November und Januar ist er an seinem Höhepunkt angelangt und kommt teilweise sogar als Taifun angebraust. Dieser betrifft vor allem die zentralen Landesteile von Vietnam. Besonders hart wurde die Gegend von Hoi An, einer Küstenstadt, in der ich gerade in meinem Bett im Hostel liege und diesen Blogartikel schreibe, dieses Jahr Anfang November getroffen. Mindestens 110 Menschen sind zu Tode gekommen, mehr als 80.000 Häuser wurden zerstört und gefährden die Existenz der Einwohner. Und das alles hauptsächlich wegen des Klimawandels. Da steht bei mir – und hoffentlich auch bei dir – die Frage im Vordergrund, was man dagegen machen kann. Ich könnte jetzt einen Artikel gegen die Klimaerwärmung schreiben. Mir fehlt dazu jedoch leider das nötige Fachwissen. Sagen möchte ich trotzdem, dass es wichtig ist, auch als Einzelner gegen den Klimawandel anzukämpfen. Bitte behalte das im Kopf, denn sonst gehen tolle Gebiete in Vietnam und auf dem ganzen Globus verloren!

In einem alten Haus in Hoi Ans Altstadt. Der unterste Balken über den Wasserstand war bei mir etwas über dem Kopf… und doch war das Haus wieder hergerichtet als wäre nichts gewesen.

Nun ist es schwierig, einen passenden Abschluss für dieses Türchen zu finden. Sehr schwierig sogar.

Also sende ich nun – „mitfühlend“ wie ich bin für dich – Grüße aus dem angenehm warmen Hoi An ins kalte Deutschland.
Deine im T-Shirt dasitzende Sophie

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Elftes Türchen – in der Höhle des Drachen

Die Geschichte eines kleinen Hobbits hat vor einigen Jahren alle Fantasyfans und viele, die sich dafür eigentlich nicht interessieren, mitgerissen. Man hat mitgefiebert, wie es ihm ergehen wird, was er erleben wird, ob am Ende alles gut wird und wie sich die Sache mit dem Drachen entwickeln wird.

Eben dieser Drache – Smaug war sein Name – hat den Reiz der dreiteiligen Filmreihe erst ausgemacht. Dieser riesige Drache in seiner Höhle voll von Gold, schimmernd durch die vielen, vielen Lichter, von riesigem Ausmaß.

Kaum vorzustellen, wie das wäre, in dieser Höhle zu stehen. Bestimmt wunderschön, kaum von dieser Erde und atemberaubend.

Hier ein Video vom Film mit dem wunderschönen und ebenso atemberaubenden Lied „I See Fire“ von Ed Sheeran:

Bestimmt fragst du dich schon, was das ganze jetzt mit Vietnam und dem elften Türchen zu tun hat. Natürlich zu recht!

Und doch hat es meiner Meinung nach mit Vietnam zu tun. Ich war zwar nicht in DER Höhle von Smaug im Einsamen Berg, aber es hat sich fast so angefühlt. Wunderschön, kaum von dieser Erde und atemberaubend.

Aber jetzt erst mal von Anfang an:

Nachdem ich in Hue eine Free Walking Tour am ersten Tag gemacht und am darauf folgenden Tag im Rahmen einer ganztägigen City Tour gefühlt ganz Hue kennengelernt hatte, entschied ich mich, am dritten Tag etwas außerhalb zu unternehmen.

Nach langem Hin und Her – es gibt so viele lockende Angebote und Touren, da ist die Entscheidungsfindung wirklich hart – habe ich mich für eine Ganztagestour in die Paradieshöhle entschieden. Kleiner Spoiler: Es hat sich wirklich gelohnt!

Mit dem Bus ging es um 6:30 Uhr los, was angesichts der Tatsache, dass ich mich am Abend zuvor (oder sollte ich in der Nacht sagen!?) sehr gut mit einem Chilenen und einem Mexikaner im Hostel unterhalten habe, schon recht früh war.

Nach eineinhalb Stunden Busfahrt hielten wir bei der „Lady of La Vang“ an, einer ziemlich verrückten Kirche und Gedenkstätte. Der Legende nach sollen katholische Gläubige im Jahr 1798 wegen religiöser Verfolgungen Unterschlupf im Wald von La Vang gesucht haben. Eines Tages, als die Gläubigen Rosenkränze beteten und um den Schutz Gottes baten, erschien ihnen „the virgin mother in her extreme beauty and splendour“. Nachdem sie den Menschen Schutz und Hilfe ausgesprochen hatte, wurde sie verehrt und der Ort gilt nun als Pilgerstätte. Vor allem optisch ist der Open-Air-Altar sehr, naja, wie soll man sagen, experimentell!? Aber sieht selbst:

 

Nach zwei weiteren Stunden Busfahrt gab es Mittagessen. Besonders gefreut hat mich, abgesehen davon, dass es echt lecker war, die Tatsache, dass wir „typisch Vietnamesisch“ gegessen haben. Das bedeutet: Man hat viele kleine Teller mit köstlichen (natürlich vietnamesischen) Speisen auf dem Tisch stehen. Jeder kann sich von den Tellern nehmen, wonach ihm gerade ist, befördert dieses Essen erst in sein Schüsselchen und danach in seinen Mund. Wichtig dabei: Der Zwischenschritt, dass man erst alles in die kleinen Schüsseln legt, bevor man isst. Gleich zu essen, gilt als absolutes No-Go! Ein klarer Vorteil dieser Tradition ist außerdem, dass man mit den Mitessern, nein, also den Menschen, die auch an der Mahlzeit teilnehmen, durchgehend redet. Schon allein deshalb, weil man sonst keinen Teller gereicht bekommt.

Wenig später sind wir nach insgesamt vier Stunden Busfahrt durch die wunderschöne, jedoch durch die grauen Wolken nicht ganz so strahlende Landschaft am Ziel angekommen, dem Ticketschalter am Eingangsbereich in mitten des Phong Nha-Ke Bang Nationalparks. Mit einem „Buggie“ ging‘s zehn Minuten bis zu dem Punkt, wo man mit einem solchen Gefährt nicht mehr weiterkommt. Zu Fuß stapften wir angeblich 570 Meter bis zum Höhleneingang, angefühlt hat es sich jedoch nach einigem mehr, da es stets bergaufwärts ging. Dafür wurde man schon beim „Wandern“ mit einer tollen Aussicht auf den Park belohnt.

 

Endlich war der Zeitpunkt gekommen, es ging in die Höhle! Und nach einigen Stufen abwärts könnte man einen ersten Blick auf die lang erwartete Höhle werfen.

Der Name eben dieser, Thiên-Đường-Höhle, bedeutet so viel wie Paradieshöhle und diesem wird die Höhle definitiv gerecht.

Je weiter man hinabsteigt, desto mehr Sicht bekommt man auf die mehrere Millionen Jahre alten Stalaktiten und Stalagmiten. Verschiedenste Formationen erinnern an Dinge aus dem alltäglichen Leben und doch fühlt es sich an wie in einer anderen Welt. Den Kopf legt man in den Nacken und mit offenem Mund läuft man den insgesamt einen Kilometer zugänglichen Weg durch die Höhle. Geredet wird dabei fast gar nicht, die Atmosphäre ist zu besonders und die Aussicht wirklich atemberaubend.

Ganz ehrlich, mir fehlen die Worte, selbst jetzt einige Stunden nachdem ich die Höhle wieder verlassen habe. Mir fehlen die Worte, der Schönheit dieser Höhle in irgendeiner Weise in Worten Ausdruck zu verleihen. Und alles, was ich hier schreiben würde, würde einfach nicht reichen.

Aus diesem Grund habe ich dir hier einige Bilder aus der Höhle zusammengestellt und außerdem ein Video von der Höhle.

Natürlich weiß ich, dass auch die Bilder nicht alles zeigen, bei weitem nicht. Und doch möchte ich sie mit dir teilen, damit du wenigstens ein bisschen Einblick in meine Faszination für diese Höhle bekommst und dir dieses „Paradies“ vorstellen kannst.

Nun mach nochmal das Lied vom Anfang an und sieh dir die Bilder in aller Ruhe an. Stell dir vor, dass du gerade durch die steilen Treppen am Einfang trittst und Stufe für Stufe mehr von dieser Höhle zu sehen bekommst. Und am Ende der Höhle triffst du vielleicht den Drachen, der majestätisch seine Flügel aufschlägt und durch die Höhle fliegt. Durch die paradiesische Höhle des Drachen!


Viele Grüße von der immer noch staunenden Sophie

Zehntes Türchen – Obamas Liebe

Bestimmt kennst du die große Liebe vom vorherigen Präsidenten der USA: Michelle Obama.
Vielleicht magst du dich jetzt fragen, warum Sophie heute einen Blogeintrag über die ehemalige First Lady schreibt. Aber keine Sorge! Auch wenn der Titel dieses Türchens danach anmuten mag, soll es heute um eine andere Liebe Obamas gehen! Und um meine ebenfalls.

„bún chả“*

Als der damals amtierende Präsident der Vereinigten Staaten nämlich in Vietnam war, verliebte er sich durch ein ganz besonderes Gericht in die vietnamesische Küche. Du magst es schon vermuten, durch eben jene Bun Cha.

Als Sophie damals – naja, vor drei Monaten eben – in Vietnam war, verliebte sie sich unter anderem durch ein ganz besonderes Gericht in die vietnamesische Küche. Du magst es schon vermuten, durch eben jene Bun Cha.

Hanoi ist nicht nur eine Stadt besonderer Sehenswürdigkeiten und Landschaft, sondern auch bekannt als eine Gegend besonderer kulinarischer Genüsse in Vietnam. Dort kannst du so viele verschiedene, leckere Gerichte finden. Ein besonderes, wie du bestimmt schon anhand der ersten Sätze gemerkt hast, ist Bun Cha. Dieses einfache, aber einfach geniale Gericht ist eine tolle Mischung aus herzhaft und frisch. Es hat viele geschmackliche Besonderheiten und begeistert durch die Harmonie von frischem Gemüse und Fleisch.

So genau weiß niemand, wann und von wem Bun Cha „erfunden“ wurde, aber ich kann mit Sicherheit sagen, dass diese Person ziemlich genial war. Mit der Zeit wurde Bun Cha eines der berühmtesten Gerichte in Vietnam und das zu Recht!

Nun kommen wir aber erst mal dazu, was Bun Cha ist und später zu der Frage, warum sie sogar von Obama geliebt wird.

Was ist Bun Cha?

Auf dem Heimweg von der Schule entdeckt, probiert, geliebt: Bun Cha!
Und so sieht sie aus, lecker, oder?

Bun Cha ist ein lokales Gericht aus der Hauptstadt Vietnams, Hanoi. Man findet zwar über ganz Vietnam verteilt viele Gerichte, die in ihrer Zubereitung an Bun Cha erinnern, wie beispielsweise im Süden Vietnams Bun Thit Nuong. Dennoch muss ich sagen, dass Bun Cha einfach unschlagbar ist. Zumal ich ja in Hanoi lebe, wie könnte ich das dann nicht mögen!?

Das einfache Gericht kann man überall und das ganze Jahr über finden.
Egal, ob du in einem edlen Restaurant auf bequemen Stühlen oder an der Straße auf kleinen blauen, weniger bequemen Stühlchen Bun Cha genießt, sind die Zutaten stets die selben:
Serviert werden ein Teller mit Bun (die weißen dünnen Reisnudeln, du siehst, auch hier ist wieder Reis drin), eine Schüssel mit Brühe und gegrilltem Schweinefleisch und ein Schälchen mit frischen Kräutern.

Die Nudeln, Bun genannt, werden als großer Haufen auf einem Teller serviert. Die Hanoier/Hanoianer/Hanoies (ich hab so gar keine Ahnung, wie man sie nennt…) sind sehr anspruchsvoll beim Thema Essen. Das sieht man schon allein bei der Auswahl ihrer Nudeln für das jeweilige Gericht. Bei Bun Cha haben die Bun dünn, weich und kaufähig zu sein.

Der Fokus bei diesem Essen liegt auf Cha, also dem Fleisch. In einer Schüssel werden zwei verschiedene Kocharten von Schweinefleisch serviert: Cha Vien (eine Art Hackfleisch, das zu „Minifleischküchle“ geformt wird) und Cha Mieng (dünn aufgeschnittenes, gegrilltes Fleisch).

Das Highlight von Bun Cha bleibt jedoch die Brühe, welche das Gericht erst besonders macht. Um eine süße und gleichzeitig etwas sauere Brühe zu kreieren, verwendet der Koch Fischsauce, Essig und braunen Zucker. Obwohl die Zutaten simpel sind, schmeckt jede Sauce verschieden. Das Verhältnis der Elemente macht jede Bun Cha anders. Ob eine Bun Cha gut oder schlecht ist, wird also anhand der Brühe bewertet.
In der Brühe sind meist noch hauchdünn geschnittene Karotten- und Papaya-Stückchen, welche die Geschmacksvielfalt nochmals erweitern.

Ohne ein weiteres Schälchen wären vietnamesische Gerichte nicht komplett. Zu finden darin sind frischer Salat, Thai Basilikum, eine besondere Art Minze, Bananenblume und Koriander.

Wann isst man Bun Cha?

In der Vergangenheit wurde dieses Gericht nur zu Mittag gegessen. Heutzutage, nachdem Läden oft von früh morgens bis spät abends geöffnet haben, kann man Bun Cha zu welcher Mahlzeit auch immer essen.

Wie isst man Bun Cha?

Es gibt eigentlich keinen falschen Weg, das zu essen. Hauptsache ist, dass man Bun Cha isst!
Wie auch immer, es gibt zwei verschiedene Möglichkeiten, das Gericht zu verspeisen: die nördliche und die südliche Variante.

Im Süden Vietnams wird generell alles und zwar wirklich so gut wie alles gerollt und „eingepackt“ wie bei einem Wrap.
Wenn du es also magst, dein Essen kompakt einzurollen, nimmst du ein großes Salatblatt, packst das Fleisch, die Nudeln und die Kräuter darauf und rollst das ganze. Jetzt dippst du das Ganze in die Brühe und nimmst einen großen Bissen.
Der größte Vorteil davon ist definitiv, dass du mit deinen Händen essen kannst und es so egal ist, wie gut du mit Essstäbchen umgehen kannst.

Falls du aber zeigen möchtest, welche Essstäbchen-Ess-Fähigkeiten du (entwickelt) hast, solltest du die Hanoier Variante wählen! Die nördliche Art, Bun Cha zu verzehren ist wesentlich einfacher. Alles, was du zu tun hast, ist, Fleisch, Nudeln und Kräuter in die Brühe zu befördern, ordentlich zu mischen und es dann wie eine Schüssel Pho zu essen.
Nachdem die Nudeln in Kombination mit der Brühe glitschig werden, kann dieser Weg sowohl lustig als auch herausfordernd sein, wenn man kein Esstäbchen-Meister ist.
Nun weißt du, wie Profis also Bun Cha essen.
Das kannst du jetzt gleich machen!
Vorausgesetzt du hast gerade eine Portion Bun Cha vor die stehen…

Warum liebt Obama dieses Gericht?

Bun Cha ist ein sehr simples Essen, das man recht schnell zubereiten kann und auch an Straßenküchen und in Restaurants fix serviert bekommt. Schon allein der Geruch der gegrillten Fleischs und der Brühe lassen mir und mit großer Wahrscheinlichkeit Obama das Wasser im Mund zusammenlaufen. Vermutlich genau so sehr, wie wenn er seine Michelle sieht.
Und dann der Geschmack! Unschlagbar, göttlich und so vielfältig.
Ach je, ich komme ins Schwärmen und unter der Annahme, dass du nicht die Möglichkeit hast, jetzt zu einem Restaurant oder einer Straßenküche zu gehen und eine frische Bun Cha zu genießen, beende ich nun mein Plädoyer für dieses Essen.

Zu sagen bleibt nur noch: Wenn du nach Vietnam und (am besten für Bun Cha) Hanoi kommst, führt kein Weg daran vorbei, das Gericht zu probieren!

Ich habe es gemacht und geliebt.
Obama hat es gemacht und geliebt.
Du wirst es (hoffentlich) machen und lieben!

Alles Liebe von Sophie mit Liebe zu Bun Cha

*Eins darf bei Bun Cha nicht unerwähnt bleiben: Obwohl die Rechtschreibung und das komplette Schriftbild mit den Haken und den Tönen, wie ich es einmal oben verwendet habe, sehr kompliziert aussieht, ist das nicht der Fall. Wenn ich also in der Starßenküche „Bun Tscha“ bestelle, versteht man mich ohne Problem. Wie könnte ich Bun Cha dann nicht lieben!?

Neuntes Türchen – Der Weg ist das Ziel

685 Kilometer – liegen zwischen Hanoi und Hue
199.000 Vietnam Dong – sind für die Fahrt zu bezahlen, was ungefähr 8 Euro entspricht
13 Stunden – dauert die Fahrt vom nördlich gelegenen Hanoi nach Zentralvietnam, voraussichtlich
14 Packungen Kekse – sind zum Verzehr bereit
1 Sophie – macht sich auf die Reise nach Hue, der alten Kaiserstadt Vietnams.

Nun sitze ich endlich im Schlafbus und bin bereit für die Fahrt. Wie es dazu kam? Der Entschluss zu verreisen rührt daher, dass an der Viet Dũc Oberschule nächste Woche Zwischenprüfungen geschrieben werden. Und das in jeder Klasse in jeder Jahrgangsstufe. Die Konsequenz: Kein Deutschunterricht für mich.
Während mir die Schüler mehr oder weniger leid tun, weil die Prüfungen wichtig sind und viel Lernen bedürfen, mache ich mich auf den Weg Richtung Hue.

17:44 Endlich beim Reisebüro. Ich frage mich, warum ich nicht früher daran gedacht habe, dass eine Uber-Fahrt um kurz vor sechs abends in der Rushhour etwas länger dauern kann. Offiziell im Büro sein sollen hätte ich schon 14 Minuten früher. Während ich mir Panik gemacht habe, hat die Frau hinterm Schreibtisch mir nur gelangweilt das Ticket in die Hand gedrückt und mich gebeten, neben den anderen Gästen zu warten.

17:51 Noch mal schnell auf Toilette. Obwohl die Fahrt 13 Stunden dauern soll, sind nur zwei Stopps eingeplant. Keine Frage, nochmal die Blase entleeren ist da bestimmt keine schlechte Idee.

18:21 Mit lautem Hupen und einiger Verspätung – jetzt ärgere ich mich noch mehr, weshalb ich mir Stress gemacht habe – fährt der Bus endlich ein. Das Gepäck ist verladen, die Schuhe müssen am Eingang zum Bus in eine Plasitktüte gepackt werden. Mithilfe des Tickets ist das richtige „Bett“ beziehungsweise die richtige Liege schnell gefunden. Der Platz hält sich in Grenzen. Aber trotzdem ist mehr als erwartet.

Mein Schlafplatz für 13 Stunden. Was für ein schönes Bett! Oder so ähnlich…

18:36 Endlich setzt sich der Bus in Bewegung. Wenig später hält er wieder an. Fahrgäste werden von einem anderen Reisebüro abgeholt.

Zu Beginn der Fahrt – relativ frisch, aber bereit für einen ausführlichen Schlaf. Ob das so klappen wird.

18:53 Der Bus stoppt längere Zeit. Ist alles okay? Ja, nur eine Tankpause. Bestimmt noch keine 2 Kilometer gefahren, aber schon tanken!? Vermutlich ist das aber immer noch besser, als wenn wir auf offener Strecke liegen bleiben.

21:02 Nach wenig entspanntem Dösen wache ich wieder auf und prüfe, ob Geldbeutel und Handy noch da sind. Ich hätte im Internet zuvor wohl keine Gruselgeschichten (beziehungsweise Rezensionen) über Nachtbusse lesen sollen.

21:14 Wir biegen auf einem Rasthof ein. Der Busbegleiter weckt alle mit einem lauten „Bus Stop 30 Minutes“ aus dem Schlaf. Mein Abendessen ist Pho. Obwohl ich Pho wirklich liebe (was ich dir ja schon ausführlich erklärt habe), muss ich ernüchtert feststellen, dass diese hier einfach nicht wirklich schmeckt. Nett dafür war das Gespräch mit zwei Reisenden von den Malediven.

Sieht zwar lecker aus. Diese Pho schmeckt leider aber nicht so toll wie gehofft. Aber besser als nichts!

21:49 Der Bus setzt sich wieder in Bewegung. Zeit, die vielen ungelesenen Nachrichten auf WhatsApp zu beantworten (es tut mir nach wie vor wirklich leid, dass mein Antwortverhalten noch seltener als in Deutschland ist. Es fehlt die Zeit…). Aus meinen Ohrstöpseln kommt ein wilder Mix aus modernem Pop, Klassik, Jazz und undefinierbarem Zeug. Meine Hanoi-Playlist ist aber genau richtig für meine Stimmung, mit den Gedanken ständig woanders.

23:30 Zeit zu schlafen, hoffentlich klappt das auch.

23:34 Plötzlich ertönt Helene Fischer in meinen Ohren. Wie hat sich die denn in meine Playlist geschlichen? Und noch viel wichtiger: Wie soll ich jetzt noch – ohne Albträume – schlafen können? Schrecklich!

1:52 Das Licht des Busses wird angemacht und er bleibt stehen. Warum? Dieses Mal wird nicht mal laut geschrien, dass jetzt Klopause angesagt ist. Nachdem aber jeder geht, packe ich meine Schuhe aus der Tüte und vertrete mir die Beine.

Nochmal eine Pause – zum Glück gibt es doch mehr als zwei Stopps

2:01 Während der Bus weiter vor sich hin zuckelt, gönne ich mir eine Packung Kekse. Und werde immer müder.

7:19 Ich konnte tatsächlich bis gerade eben schlafen. Hätte ich nicht gedacht. Leider wurde es im Bus richtig kalt und auch das Wetter außen hat sich verschlechtert. Durch die mit Regentropfen benetzen Scheiben sehe ich den grauen Himmel und die nasse Welt, nasse Bäume, nasse Straßen, nasse Häuser und leider viel Nass von oben.

7:21 Ähnlich müde wie ich mich fühle – und auch aussehe, aber darauf will ich nicht näher eingehen – sehen auch die anderen Reisenden bei der Klopause aus. 11 Stunden effektiv im Bus sind geschafft. Ich hoffe, dass wir bald ankommen…

8:19 Der Bus kommt in Hue an. Nachdem ich meine sieben Sachen gepackt habe, steige ich aus dem Bus und werde von vielen Taxifahrern empfangen. Obwohl noch so nette dabei sind, entscheide ich mich für Laufen. 6 Minuten sind ja wirklich nicht lang.

8:34 Im Hostel angekommen, werde ich freundlich empfangen und plane meinen Aufenthalt in Hue genauer. Bei dem großen Angebot an Touren und Aktivitäten fällt die Entscheidung schwer.

Somit endet meine Busfahrt. Im Internet „angepriesen“ als „Trip as Hell“. Mit der Empfehlung „Don‘t do that!“ hat sich meine Fahrt also doch ganz angenehm herausgestellt. Wider Erwarten konnte ich gut schlafen. Geld und Handy sind noch da.

685 km – sind gut geschafft und es hat sich nach weitaus weniger angefühlt
199.000 Vietnam Dong – waren ihren Preis total wert.
13 Stunden – es sind doch etwas mehr als diese gewesen. Angefühlt hat es sich jedoch wirklich nicht danach. Ein Glück!
14 Packungen Kekse – sind es jetzt nicht mehr. Einige wurden geöffnet und verspeist. Lecker waren sie definitiv.
1 Sophie – ist froh, die Busfahrt so gut überstanden zu haben. Nun kann Hue besichtigt werden. Mit leichten Rückenschmerzen, aber dafür sogar erstaunlich ausgeruht.

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Achtes Türchen – Traditionell. Und doch modern

Gibt man bei Google „Vietnamesinnen“ ein, so bekommt man auf acht der ersten zwanzig vorgeschlagenen Bilder vietnamesische Frauen im Ao Dai zu sehen. Denkt man an die Kultur und die traditionelle Kleidung Vietnams, kommen mir aber ehrlich gesagt auch ziemlich bald die Bilder vom Ao Dai und dem Non La (dem Kegelhut, den ich im siebten „Türchen“ genauer thematisiert habe) in den Kopf.

Nachdem du dich nun schon mit dem besonderen vietnamesischen Hut auskennst und wir gerade so gut im Thema Kleidung und Kultur sind, geht es heute um das Kleidungsstück, das die Grazie und Schönheit der vietnamesischen Frau unterstreicht:

Der Ao Dai, zu Deutsch „langes Kleid“.

Ausgesprochen wird das Wort – wie so oft im Vietnamesischen – aber etwas anders: Im Norden spricht man von dem Gewand als „Ao Sai“, im Süden dagegen als „Ao Jai“. So nebenbei: Wenn ich mich während eines Gesprächs schon einige Minuten mit Vietnamesen über den Ao Dai unterhalten habe (natürlich auch zur Recherche für dieses „Türchen“) und dann eine Frage mit dem Wort stelle, versteht man mich nicht. Ziemlich enttäuschend. Ich glaube, irgendwas mache ich ziemlich falsch. Aber darum soll es jetzt nicht gehen!

Der Vorläufer diseses Kleidungsstückes war der Ao tu than, ein langes Kleid bestehend aus vier Teilen. Im 17. Jahrhundert wurde dieses von den Cham inspirierte Gewand auch von vietnamesischen Frauen getragen. Diese Art von Kleidern gibt es zwar immer noch, allerdings werden sie nur noch bei Bühnenauftritten und auf Festen der Öffentlichkeit präsentiert.

Im Vietnamesischen Frauenmuseum in Hanoi ist ein ganzer Teil der traditionellen Kleidung in Vietnam gewidmet. Hier ein Bild von verschiedensten Ao Dais.

Der Ao Dai, wie man ihn heute kennt und bestaunen kann, wurde im Hanoi des frühen 20. Jahrhunderts kreiert. Wie die Männer, die sich immer westlicher kleideten, änderten auch die vietnamesischen Frauen ihren Kleidungsstil. Die Art einiger junger Frauen, sich aufreizend zu kleiden, war den  meisten Vietnamesen aber viel zu vulgär und widersprach oben drein auch der konfuzianischen Lehre. Die Weiblichkeit der Frau durfte nämlich keinesfalls zu sehr im Vordergrund stehen. Der Ao Dai war da genau die richtige Lösung: Ein am Oberkörper eng anliegendes Oberteil, das über eine locker sitzende Hose fällt, die meist bis zum Boden reicht. Das Design des Kleidungsstücks scheint, den kompletten Körper in sanft fließende Stoffe zu hüllen. Die Mischung aus Eng und Weit setzt den Körper in Szene, wenn auch sehr dezent. Gesäumt von langen seitlichen Schlitzen, die bis über die Hüfte reichen, ermöglicht das Kleid gleichermaßen einfaches Bewegen und einen hohen Tragekomfort.
Mit disem Langkleid ist es für die vietnamesische Frau möglich, anmutig, aber nicht freizügig ihre körperliche Schönheit zu präsentieren.

„Der Ao Dai ist geschlossen, kann aber die schönsten Züge des Körpers der Frauen zeigen. Man kann sagen, dass der Ao Dai die eigene Schönheit der Kostüme der vietnamesischen Frauen zeigen.“

Zu Beginn trugen nur mit Franzosen verheiratete Vietnamesinnen den Ao Dai. Aber schon Ende der 1930er Jahre konnte man das neue Gewand an den meisten Stadtfrauen bewundern. Besonders französische Seide in den Farben Violett und Dunkelrot sowie bunt gefärbte, leichte, indische Stoffe waren als Materialien besonders beliebt.

Übrigens wurde das Ao Dai der städtischen Frauen zu diesem Zeitpunkt aus fünf Stoffbahnen geschnitten. Die vier Hauptstoffbahnen stehen für die Eltern und die Schwiegereltern. Die restliche Stoffbahn bezeichnet die Trägerin. Die fünf Haken entlang der Tracht symbolisieren menschliches Verhalten nach den Regeln des Konfuzianismus: Redlichkeit, Höflichkeit, Treue, Klugheit und Zuverlässigkeit.

Die Zeit der schönen Kleider endete jedoch mit dem Krieg. So sah man die eleganten Gewänder nur noch bei formalen Anlässen. Aber auch nach dem Kriegsende war es nicht üblich,  sich derart hübsch anzuziehen.

Zum Glück ist diese Zeit vorbei. Heute ist der Ao Dai nämlich wieder eine tolle Variante, wenn frau sich chic machen will.

Je nach der Farbe eines Ao Dais kann man tatsächlich auf das Alter und den sozialen Status der Trägerin des Kleidungsstückes schließen. Jüngere Frauen wollen beispielsweise mit ihren weißen Ao Dais Jugend und Reinheit versinnbildlichen. Werden sie älter, bleiben aber weiter unveheiratet, wählt man für seinen Ao Dai mehr Pastell-Töne. Kräftige Farben lassen vermuten, dass die Trägerin verheiratet ist.
Außerdem gibt es für religiöse und rituelle Zeremonien ausgewählte Farben wie beispielsweise braun, blau und lila.
Bei besonderen Anlässen wählt man Ao Dais mit aufwendigeren Designs und Mustern. Bei Hochzeiten, nationalen Festen und vor allem dem Tet-Fest (dem höchsten vietnamesischen Fest) sieht man die beeindruckenden Kleidungsstücke überall.

Am Hoan Kiem-See kann man täglich viele Vietnamesinnen in ihren hübschen Ao Dais sehen, die sich vor dem See platzieren und ablichten lassen. In „normalen“ Outfits wird – soweit ich das mitbekommen habe – eigentlich gar kein Shooting gemacht. Der Ao Dai sieht einfach zu gut aus.

Früher trugen sowohl Männer als auch Frauen das Kostüm. Heutzutage sieht man Männer im Ao Dai jedoch nur noch sehr selten, meist zu wichtigen Anlässen wie Hochzeiten und Beerdigung.

Besonders verzierte Arten des Ao Dais, hier für eine Hochzeit.

Aber auch in der Viet Duc Oberschule, in der ich arbeite, freue ich mich jeden Montag  – an diesem Tag ist der Fahnenappell – wenn ich die Mädchen im weissen Ao Dai bewundern kann.
Ein Schuldirektor in Ca Mau hatte dieses Kleidungsstück im Jahr 1983 nämlich als Schuluniform eingeführt, nachdem er Grazie, aber auch Konformität an seine Schule bringen wollte.
In den folgenden Jahren nahmen immer mehr weiterführende Schulen den Ao Dai als Schuluniform auf. Und so wohl auch die Viet Duc Oberschule.

Immer wieder wurde das Gewand dem Zeitgeist angepasst. So wurden moderne Modeideen mit dem traditionellen Gewand verbunden. Die vietnamesische Kultur, die das Kleidungsstück transportiert, ging dabei jedoch nie verloren. Unabhängig davon, wie viele Versuche gestartet werden, den Ao Dai neu zu erfinden oder zu modernisieren, der traditionelle Ao Dai ist und bleibt eines der bequemsten und beeindruckendsten Kleidungsstücke Vietnams.

Und selbst wenn er vielleicht konsevativ aussehen mag, kann ich dem folgenden Sprichwort doch nur voll zustimmen:

„Der Ao Dai bedeckt alles, aber versteckt nichts.“

Ab 30€ kann man sich in Vietnam einen eigenen Ao Dai schneidern lassen – natürlich ohne Limit nach oben. Ob mir das so steht, weiß ich noch nicht. Eine Überlegung ist es aber allenfalls wert…

Wenn man ihn nur für einen bestimmten Anlass benötigt, kann man sich in speziellen Läden auch einen Ao Dai mieten.

Wichtig zu bedenken ist aber, dass jeder Ao Dai nur für eine bestimmte Frau geschneidert ist. Geliehen wird er also nie so gut aussehen wie nur für dich geschneidert. Zusatzinfo: Obwohl der Ao Dai genau auf einen Körper zugeschnitten ist, wird immer an der Naht Platz für eine Ausweitung des Gewandes gemacht. Selbst wenn Vietnamesinnen generell sehr dünn sind, kann es ja vorkommen, dass sie zunehmen. Bei dem Angebot von leckerem Essen und Trinken hier nicht ganz unverständlich. 😉

Zu hoffen bleibt, dass der Ao Dau auch in Zukunft viel auf den Straßen Vietnams vertreten sein wird. Selbst wenn er sich verändert und moderne Modedesigns miteinfließen bleibt er doch ein traditionelles Kleidungsstück Vietnams.

Ich wünsche mir, dass ich in einigen Jahren immer noch nach „Vietnamesinnen“ googlen kann und mindestens genau so viele Bilder von Vietnamesinnen in Ao Dais (und auch den Non Las) wie heute finden werde!

Viele Grüße von deiner Ao-Dai-Bewundererin Sophie

Siebtes Türchen – Mein Hut, der hat drei Ecken

Ich gebe dir eine Aufgabe, keine Angst, sie ist nicht schwierig:
Stelle dir einen Timer für eine Minute. Nun schließe eine Minute lang deine Augen und stell dir Vietnam vor! Öffne deine Augen nach dem Signal, komm wieder in der Realität an und lies weiter!

Bestimmt hast du in dieser Minute eine Reise durch Vietnam gemacht.
Vielleicht hast du Reisterrassen gesehen. Vielleicht bist du durch die engen Gässchen Hanois gewandert.
Vielleicht hast du dir einen wunderschönen Strand mit Palmen vorgestellt.
Vielleicht bist du durch die Berglandschaften Vietnams geklettert.
Vielleicht hast du ein Museum besucht oder einen der vielen Tempel oder Pagoden.
Vielleicht hast du an die vielen Höhlen und Grotten gedacht.
Vielleicht hast du auch das leckere Essen in Vietnam vor dir auf einem Tisch stehen sehen.

Und vielleicht hast du an eines der Symbole Vietnams gedacht: den Nón Lá. Einen dreieckigen Hut, wenn man von einer Kinderzeichnung ausgeht (natürlich weiß ich, dass er nicht wirklich drei Ecken hat 😉 ), die den Hut vereinfacht darstellt:

Man könnte nun zu singen beginnen „Mein Hut, der hat drei Ecken. Drei Ecken hat mein Hut. Und hätte er nicht drei Ecken, so wär er nicht mein Hut“. Natürlich kannst du das gerne machen, abhängig davon wie hoch deine Gesangskünste sind und wo du dich befindest.

Aber um deutsche Kinderlieder soll es nun nicht gehen. Dieses „Türchen“ soll von DEM traditionellen Hut Vietnams gehen. Einen konisch geformten Hut aus getrockneten Blättern. Ich habe es vorhin schon erwähnt, er heißt Nón Lá.

Schon auf antiken Gegenständen wie dem Hap Dong Dao Thinh (einem großen Zylinder aus Bronze von Dao Thinh) und der Trong Dong Lu Ngoc (der Ngoc Lu Trommel aus Bronze) kann man den Nón Lá sehen. Da diese Gegenstände ein Alter von 2.500 bis 3.000 Jahre verzeichnen, zeigt es, dass der Hut bereits zu diesem Zeitpunkt, wenn nicht sogar noch früher entstand.
Und tatsächlich findet sich der besondere Hut seit mehreren Tausend Jahren auf dem Kopf der Vietnamesen. Zudem kommt er in vielen, alten Legenden und Märchen vor, die bis heute von einer Generation zur nächsten weitergegeben werden.

Der Erzählung nach hat der Nón Lá seinen Ursprung, wie er legendenhafter nicht sein könnte:
Während einer langen und heftigen Sintflut kam eine riesige Frau vom Himmel und schützte die Menschen vor dem Regen. Dafür trug sie einen Hut aus vier, runden Blättern, die den Regen abweisen sollten. Nachdem die Sintflut also abgewendet war und die Göttin zurück im Himmel war, wurde ein Tempel gebaut, um der regen-schützenden Göttin zu danken und ihr zu gedenken.
Es wurde dann versucht, den Hut der Göttin mit Palmenblättern nachzubauen. Das Ergebnis davon sieht man bis heute in ganz Vietnam auf den Köpfen vieler Vietnamesen, aber auch Touristen.

Mit dem Nón Lá auf dem Kopf auf dem Fahrrad unterweg.

Die Modernisierung schreitet weiter voran und immer mehr Maschinen vereinfachen auch in Vietnam die Produktion von Gütern, die Herstellung des Nón Lá jedoch bleibt rein handwerklich. Es schafft wohl doch keine Maschine, die über Jahrhunderte entwickelte und ausgebaute Technik, diesen feinen und eleganten Hut herzustellen, zu ersetzen.

Obwohl allein getrocknete Blätter und ein Rahmen in der Form eines Kegels nötig sind, ist die Herstellung des Nón Lá wesentlich komplizierter als man denken mag.
Am besten funktioniert die Herstellung mit getrockneten Bambusblättern und einem aus Bambus gebogenen Rahmen.
Unter der Sonne werden die frischen, grünen Palmenblätter getrocknet. Mithilfe einer heißen Stahlstange werden die Blätter dann von Handwerkern geglättet. Hierbei ist Können gefragt: Ist das Eisen zu kalt, lassen sich die Blätter nicht bearbeiten. Wenn es bei der Berührung der Blätter unkontrolliert abkühlt oder von Beginn an zu kalt ist, kräuseln sich die Blätter und können nicht wieder verwendet werden.
Ist es jedoch zu heiß, entstehen gelbe Flecken auf den Blättern und sie verbrennen.
Wenn der Prozess des Glättens erfolgreich beendet ist, geht es mit dem Benähen des Hutes weiter. Auf den kegelförmigen Rahmen, bestehend aus 16 runden Bambusstücken, werden nun die geglätteten Bambusblätter genäht.
Nach vielen Versuchen hat sich die Anzahl von 16 Bambusstücken als perfekt erwiesen. Mit einer festen Technik werden nun gut sitzende Hüte nach einem bestimmten Schema hergestellt.
Bestimmt merkst du schon, dass die Herstellung eines Nón Lá wesentlich komplizierter ist, als man auf den ersten Blick denken mag. Er bedarf höchster Präzision und dem handwerklichen Geschick eines erfahrenen Handwerkers.
Faszinierend finde ich, dass jede einzelne Naht ohne Lineal – ich frage mich wirklich, wie das geht – in gleichen Abständen genäht wird. Wegen dieser Regelmäßigkeit ist der dünne Nylonfaden kaum mehr zu erkennen.
Nun wirst du dir bestimmt vorstellen können, wie zeitaufwendig die Herstellung eines Nón Lá ist und vor allem wie viel Geduld man dafür braucht.

Obwohl das Grundgerüst und die Form des Nón Lá durch die 16 Bambussegmente feststeht, gibt es viele Varianten, den Hut noch schöner und besonderer zu machen.
Das wohl berühmteste Beispiel ist das sogenannte Muster „Non Bai Tho“, durch welches der Hut zum „poetischen Hut“ wird. Entstanden in der alten Kaiserstadt Hue zeigt dieser Hut Bilder, die für diese Region in Zentralvietnam stehen. Die Muster werden zwischen zwei Blätterschichten eingenäht. Das Besondere: Sichtbar wird die spezielle Verzierung erst, wenn man den Hut gegen die Sonne hält.

Eine einfachere Methode, den Hut zu schmücken, ist das Anheften von Papierblumen. Schön sind aber auch aufgestickte Bilder wie beispielsweise von Reisfeldern oder anderen landschaftlichen Augenweiden Vietnams.

Nun ist der Hut hergestellt und verziert, aber so hält er noch nicht auf dem Kopf. Mit einem farbigen Seidentuch oder -Netz, das an beiden Seiten des Hutes befestigt wird, wird das Verrutschen von eben diesem unterbunden.

Endlich kann der Hut aufgesetzt werden. Aber nein! Es gibt noch viel mehr Möglichkeiten zur Verwendung des Nón Lá!

Natürlich schützt der Hut auf dem Kopf vor den Sonnenstrahlen im Sommer und auch vor der Hitze. Denn während der Trockenzeit kann es gut und gerne mal 40 Grad werden und dann ist man froh über jeden Zentimeter Schatten.
Umfunktioniert zum Fächer, spendet der Hut durch seine Größe Luft. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass das wirklich ein toller Nebeneffekt ist.
Aber auch in der Regenzeit muss der Hut nicht im Keller verstauben. Bei dem monatelangen und oft sintflutartigen Regen kann man über seinen Hut froh sein, da er den Kopf trocken hält. Ja, er ist wirklich wasserfest, denn die Herstellung des Hutes mit mehreren Schichten von Blättern lässt so keinen Tropfen Wasser mehr durch.
Aber auch für den Transport von Obst, Essen oder vielen anderen Dingen ist der Hut zu gebrauchen.
Zu beobachten damit sind auch Mütter, die ihre Kinder vor dem Lärm und dem Staub der Straße schützen.
Man sieht lächelnde Händlerinnen auf den Märkten, die den Hut auf dem Kopf tragen.
Die Verkäuferinnen von frischem Obst, ganzen Gerichten und verschiedenen anderen Waren auf den Straßen erkennt man auch an ihrem kegelförmigen Hut.

Auf dem Heimweg gerade: Eine Frau, die mit dem Hut auf dem Kopf BHs auf der Straße verkauft.

Und es gibt Touristen, die damit viele viele Bilder damit machen, ihren Hut mit auf eine Reise in die Heimat nehmen und irgendwo aufhängen.

Und selbst wenn wahrscheinlich jeder Vietnam-Tourist sich vor dem Abflug sorgt, wie sein kegelförmiger Hut den Flug sicher überleben soll und ihn am Ende gut mit in seine Heimat bringt, wird mein Nón Lá mich an meine besondere Begebenheiten mit dem Nón Lá erinnern:

Zum Beispiel an eine zweistündige Bootsfahrt auf dem Tam Coc Fluss, bei der es bis auf die letzte Viertel Stunde ununterbrochen und gewissermaßen sintflutartig geregnet hat. Die Göttin aus der Legende hatte wohl nochmal prüfen wollen, ob ihre Erfindung, der Nón Lá, immer noch gut vor Regen schützt.

Bei einer Bootsfahrt in Ninh Bin, als es gerade nicht mehr regnete.

An eine etwas kürzere Fahrt mit einem kleinen Bötchen im Mekongdelta, bei der jeder Tourist für die Photos einen eben solchen Hut ausgeliehen bekommen hat.

Und als Symbol für meinen Vietnamaufenthalt insgesamt wird er an die Wand gehängt und er wird mich dann zum Träumen bringen:

Vielleicht von Reisterrassen. Vielleicht von den engen Gässchen Hanois. Vielleicht von einem wunderschönen Strand mit Palmen. Vielleicht von Berglandschaften. Vielleicht von Museen und Tempeln und Pagoden. Vielleicht von den vielen Höhlen und Grotten. Vielleicht von dem leckeren Essen in Vietnam.

Aber ganz bestimmt von einer aufregenden und unvergesslichen Zeit!

Alles Liebe,

die stolze Besitzerin eines Nón Lá – Sophie

Nour und ich – stolz wie Oskar mit unseren neuen Hüten.

Sechstes Türchen – Kaffee oder Tee!?

Man trifft sich gerne auf einen Kaffee oder einen Tee. Manche plaudern. Manche sehen dem Gegenüber verliebt in die Augen. Manche lesen ein spannendes Buch. Manche schauen verträumt durch die Gegend. Und manche genießen einfach ihr Getränk.

Vietnam ist stolz auf seine lange Kaffee- und Teekultur. Was es dazu zu wissen gibt und welche Varianten man im gemütlichen Café oder auf einem der kleinen blauen Stühlchen am Straßenrand probieren kann, möchte ich dir heute vorstellen.

Kaffee

Der Kaffee in Vietnam ist ein Genuss, egal ob heiß oder eisgekühlt (im Sommer richtig erfrischend!), dickflüssig oder mit süßer Kondensmilch für den doppelten Zucker-Koffein-Kick. Selbst für mich, die vor drei Monaten bei einem kleinen Schluck Espresso in Mamas Tiramisu die Nase gerümpft hat. Einen Blogartikel über das schwarze Gebräu zu schreiben, hätte ich mir im Traum nicht vorstellen können. Und das soll dann schon was heißen, dass ich es jetzt tue! Ich stelle dir also verschiedene Arten von Kaffee vor und meinen absoluten Lieblingskaffee. Sei gespannt…

Obwohl Vietnam mittlerweile der zweitgrößte Kaffee-Exporteur Asiens (hinter Indonesien, falls du dich das gerade gefragt hast) ist, nimmt die Kaffeeproduktion weiter zu. Übrigens hat in Vietnam erste Starbucks-Filiale erst im Jahr 2013 geöffnet. Sieht man mal, wie stolz die Vietnamesen auf ihre Kaffeekultur sind.

In Kaffeehäusern wird sich schon in den frühen Morgenstunden auf ein Tässchen Kaffee getroffen, eine Zigarette geraucht und geplaudert. So wird der Tag gestärkt begonnen, selbst ohne richtiges Frühstück. Der Kaffee allein bringt nämlich schon genügend Energie für einen guten Start in den Tag. Kaffeehäuser findet man in Vietnam gefühlt an jeder Straßenecke. Auf riesigen Plakaten, die oft größer als das eigentliche Café sind  – und das ist nun wirklich nicht übertrieben – werben die Vietnamesen mit „Ca Phe“. Durch seine unverkennbare Ähnlichkeit mit dem deutschen „Kaffee“ konnte ich stolz behaupten, dieses Wort sofort verstanden zu haben und es sogar als eines der ersten Worte in meinen immer noch ziemlich bescheidenen Vietnamesisch-Wortschatz aufnehmen.

In vielen Cafés wird heißes Wasser tatsächlich noch durch einen wie vor langer Zeit in Frankreich üblichen Kaffeefilter gegossen und in hübschen Tässchen wird das leckere und gut duftende Gebräu aufgefangen.

Der Kaffee wird aber nicht nur „schwarz und ohne alles“ getrunken (ca phe genannt), sondern oft auch mit süßer Milch (caphe sua). Besonders gut finde ich die Variante caphe (sua) da. Dann nämlich wird der Kaffee kalt mit Eiswürfeln serviert.

Mit süßer Kondensmilch und Eiswürfeln war der starke Kaffee ein guter Start für einen anstrengenden Tag in Saigon.

Auch ca phe sua chua ist eine Versuch wert. Hier wird der starke, vietnamesische Kaffee nämlich mit Joghurt und Eiswürfeln vermischt, was einen ganz besonderen Geschmack erzeugt.

Egal ob nun im Sommer oder im Winter gibt es also viele verschiedene Varianten, die sich lohnen, alle ausprobiert zu werden.

Schlag ein Ei auf und los geht’s!

Eine besondere Spezialität in Hanoi ist der sogenannte Egg Coffee. In einem kleinen Café in Saigon haben wir einen nach „besonderer Art“* zubereiteten Eierkaffee probiert und dazu das folgende Infoblatt bekommen. Ich habe das nun nach bestem Wissen und Gewissen für dich übersetzt:

Die Beschreibung von Egg Coffee in einem kleinen Cafe in Saigon

Egg Coffee ist ein traditionelles Getränk in Hanoi, der Hauptstadt Vietnams. Er wurde im Jahr 1940 von einem französischen Barista kreiert, der in einem französischen Restaurant arbeitete.

Besonders vor dem Jahr 1975, Vietnam war in Nord und Süd aufgeteilt, was herzzerbrechend für die vietnamesische Nation war. In Sai Gon, und natürlich wegen der amerikanischen Armee, war Milch sehr gut erhältlich. Milchkaffee wurde besonders im Süden Vietnams berühmt. Im Gegensatz dazu waren die Einwohner Hanois sehr arm und Kondensmilch war zu diesem Zeitpunkt zu teuer für sie. Die Konsequenz davon war, dass die Mehrzahl der Menschen in Nordvietnam Ei anstatt von Kondensmilch verwendete.

Über den Dächern Hanois wird dieses Egg Coffee mit tollem Blick auf die Altstadt und den Hoan Kiem-See serviert.

Der Egg Coffee wurde – und wird meist immer noch – aus Eigelb gemischt mit Zucker gemacht. Die Kombination aus Zucker, Eigelb und schwarzem Kaffee erzeugte unbeabsicht einen unglaublich speziellen Geschmack für die einzigartige Kultur der Menschen in Hanoi.

Heute ist Egg Coffee sowohl bei Vietnamesen als auch bei Touristen sehr bekannt.

*Kurze Anmerkung: Jeder Laden, in dem ich bis jetzt war und in welchem Egg Coffee angeboten wurde, hat seine ganz „besondere Art“, Egg Coffee zuzubereiten, die sich von den anderen „sehr“ unterscheidet und sowieso „ganz anders“ ist. Diese Unterschiede habe ich bis jetzt noch nicht geschmeckt. Dennoch kann ich sagen, dass Eierkaffee zurecht als Spezialität in Hanoi gilt und meiner Meinung nach eine super Alternative zu normalem Kaffee ist.

Coffee meets Coconut

Lieber Egg Coffee, es tut mir sehr leid. Du bist und bleibst einfach nicht mein Lieblingsgetränk mit Kaffee. Du kannst nichts dafür, aber die Konkurrenz ist einfach zu stark!
Alles Liebe, die Kokosnuss-Kaffee-Verehrerin Sophie

Wenn ich mich für den Rest meines Lebens nur noch von einer bestimmten Art von Kaffee ernähren müsste, würde meine Wahl ohne Zweifel auf Coconut Coffee fallen. Dieses besondere Getränk hat mein Herz im ersten Moment erobert, ganz ehrlich.

Aus Kondensmilch, Eiswürfeln und Kokosnussmilch wird im Mixer eine Art Slusheis hergestellt. In ein halb mit vietnamesischem Kaffee gefülltes Glas wird dieses Eis behutsam gesetzt. Man selbst hat so die Wahl, beides getrennt zu verzehren oder durch Rühren eine Mischung herzustellen. Beides ist sehr empfehlenswert und suuuuuper lecker!

Ich habe zufällig ein Rezept dafür gefunden, das ich dir nicht vorenthalten möchte:

Für zwei große Tassen/Gläser Kokosnuss Kaffee

Zutaten:

1 ½ Tassen Crushed Ice
200ml Kokosnussmilch
6 Esslöffel Kondensmilch
100ml kalter, starker, vietnamesischer Kaffee

Zerkleinere das Eis zusammen mit der Kokosnuss- und der Kondensmilch in einem Mixer, bis es die Konsistenz von Slusheis hat.

Diese Mischung wird nun im Gefrierschrank so lang gelagert, bis sie gefroren, aber nicht komplett fest ist. Mit einer Gabel mischst du alles ein oder zweimal durch.

Nun füllst du den kalten (!) Kaffee in die beiden großen Gläser und setzt die Kokosnussmischung vorsichtig auf den Kaffee. Dabei sollte sich beides jedoch nicht zu sehr mischen.

Mit einem langen Löffel und einem Strohhalm serviert kann ich jetzt nur noch eins sagen: Genießen bitte!

Einfach göttlich! Mal sehen, ob du den Coconut Coffee auch so lecker hinbekommst.

 

Tee

Am West Lake kann man mit schöner Sicht auf den See ein leckeres Tässchen Tee genießen.

Neben dem Kaffee ist Vietnam auch für seine alte Teekultur bekannt. Vor allem in Norden des Landes und im zentralen Hochland sind die größten Anbaugebiete für Tee vorzufinden.

Hauptsächlich grüner Tee wird in Vietnam produziert. Getrunken wird er dann entweder pur oder mit dem Aroma von Jasmin oder Lotus.

Bei vielen Restaurants wird tra, kostenloser grüner Tee angeboten. Da ist zugreifen angesagt, da grüner Tee den Durst löscht und wohl auch den Hunger stoppen soll. Man sollte jedoch aufpassen, wie sauber die eigene Tasse ist, da diese oft nur wenig oder überhaupt nicht abgespült werden.

Wird man privat eingeladen, bekommt man ebenfalls grünen Tee serviert. Bereits fertig zum Trinken in kleinen Kännchen oder als Teesud, der mit dem schon hingestellten Wasser verdünnt wird, kann man diesen genießen.

In einem kleinen Dorf in Ha Giang wurde bei einer privaten Feier ebenfalls grüner Tee angeboten.

Besonders delikat soll übrigens mit Regen- oder noch besser Tauwasser gebrühter Tee schmecken. Der Grund dafür? Im Wasser ist kein Kalk enthalten, wodurch der Tee noch sanfter schmeckt.

Abgesehen vom „traditionellen“ Tee findet man in Hanoi überall BubbleTea- beziehungsweise wie man ihn hier nennt MilkTea. Oft für viel Geld bekommt man einen mit Milch gemischten Tee, nach Wunsch aromatisiert und verfeinert mit den glitschigen, aber leckeren Geleebällchen. Besonders bei den Schülern an der Oberschule steht im Unterricht oft ein Plastikbecher mit eben solchem Tee auf dem Tisch.

Du siehst, in Vietnam ist die Redewendung „Abwarten und Tee trinken“ nicht nur ein guter Tipp, um keine vorschnellen Entscheidungen zu treffen, sondern auch noch lecker!

Hier zwei Varianten von MilkTea mit Matcha und Passionsfrucht.

 

 

Neben dem Geschmack des Tees oder Kaffees finde ich aber den Kontakt zu anderen Menschen besonders, den man bei einer Tasse eines dieser Getränke hat.

Sei es der Ausblick über den West Lake in Hanoi und das Sprechen über die Highlights des Tages mit Theresa heute.
Seien es zwei junge, vietnamesische Ärzte, die mich beim Mittagessen auf ein Glas kalten, grünen Tee einladen und wir so ins Gespräch kommen.
Oder sei es das Gespräch mit einem sehr guten, vietnamesischen Freund, der mich in ein verstecktes Café mitten in der Altstadt Hanois führt und meinen ersten und ich glaube auch besten Kokosnusskaffee bestellt.

Über jeden dieser besonderen Tee- oder Kaffee-Momente und das jeweilige Getränk an sich bin ich glücklich und sage dir:

Wenn ich zurück in Deutschland bin, treffen wir uns auf einen Tee oder einen Kaffee, einverstanden?

Alles Liebe, deine Inzwischen-Kaffee-UND-Tee-Fanatikerin Sophie

Fünftes Türchen – Home Sweet Home

„Wann kommst du denn nach Hause?“
„Sollen wir uns Zuhause treffen?“
„Ach, das brauchen wir jetzt nicht zu kaufen, haben wir doch schon daheim“

Das sind einige der Whatsappnachrichten, die ich mit meinen beiden Mitbewohnerinnen Nour und Theresa geschrieben habe.

Ungefähr 3 Monate – ja, es ist schon Halbzeit und ich kann es selbst nicht fassen – bin ich hier und spreche von „meiner“ Wohnung als „Zuhause“. Als mir das zum ersten Mal aufgefallen ist, war ich richtig schockiert.
Mein Zuhause ist doch in Lehrberg, im schönen Frankenland und nirgends sonst!

Irgendwie stimmt das aber doch nicht so ganz. Klar, Lehrberg ist und bleibt mein Zuhause Nummer eins, aber die Wohnung in Hanoi ist ja doch mein temporäres Zuhause.

Heute möchte ich dir vorstellen, wo ich in Hanoi wohne.
Auf Vietnamesisch heißt das: „Toi song o dau Nguyen Thai Hoc“. Ich wohne in der Nguyen Thai Hoc Straße.

Früher haben wir in der Schule oft Traumreisen gemacht, dass man sich entspannt und danach motivierter weiterlernen kann. Ich möchte mit dir heute eine Traumreise durch das Haus, in dem ich wohne, machen:

Du wirst ganz still und entspannst dich. Du atmest tief durch und beginnst deine Reise, indem du deine Augen schließt. Nein Stopp, das ist mit Lesen etwas blöd! Also mach deine Augen bitte wieder auf! Jetzt kann deine Reise beginnen…

Stell dir vor, du bist in Hanoi. Du bist nach einem anstrengenden Arbeitstag 40 Minuten zu (d)einer Wohnung gelaufen (so lang ist mein Arbeitsweg jeden Tag), über holprige Gehwege, hast verschiedene gefährliche Straßen erfolgreich passiert und kommst dann in die Nguyen Thai Hoc Straße kurz vor dein Ziel.

Wenn du vom Gehweg der Nguyen Thai an einer Straßenküche vorbei in eine schmale Gasse einbiegst, kommst du zu einem dreistöckigen Haus. Jeden Tag läufst du an der Straßenküche vorbei. Du grüßt die Leute, die dort arbeiten mit einem freundlichen „xin chao“ und hast dort auch schon einige Male gut gegessen. Trotzdem fühlst du dich etwas schlecht, weil du doch meistens keine My Van Tan Suppe bei deinen Nachbarn isst.

Verriegelt mit einem Eisenvorhang, für den du eine Fernbedienung brauchst, erkennst du den Eingang zu diesem dreistöckigen Haus fast gar nicht.

Da du eine eben solche Fernbedienung hast, rattert der Eisenvorgang langsam nach oben und du kannst nach dem Öffnen der Tür in den Eingangsbereich treten, der zugleich die Küche ist.

Du ziehst deine Schuhe aus und siehst dir die Küche an. Auf der linken Seite direkt neben der Tür steht ein moderner Kühlschrank. Leider ist er meist nicht so toll bis gar nicht gefüllt, wie man sich das wünschen würde. Die Bewohner dieses Hauses, drei kulturweit-Freiwillige namens Nour, Theresa und Sophie, essen einfach zu gern vietnamesisches Essen und dieses selbst zu kochen, wäre mit Sicherheit nicht so lecker wie von einem der vielen Straßenstände in Vietnams Hauptstadt.
Rechts neben dem Kühlschrank befindet sich ein kleiner Raum mit Toilette, die aber nur in den dringendsten Fällen benutzt wird.
Daneben ist die große Küchenanlage in dunkelbraunem Holz. Sie sieht zwar gut aus, aber leider ist sie nicht sonderlich gut bestückt. Hättest du zum Beispiel dran gedacht, zuerst in der nach Aussagen unserer Vermieterin „Fully Equiped Kitchen“ nach Gabeln und Löffeln zu suchen, wenn du spontan für eine ganze Gruppe von Leuten kurz nach dem Einzug Spaghetti kochst? Erstaunlicher- und glücklicherweise lassen sich diese auch gut mit Essstäbchen essen…
Ein großer Esstisch mit Glasplatte und sechs Stühlen lädt dazu ein, sich für einen Filmeabend mit Snacks zu setzen und gemeinsam über die gleichen Witze zu lachen.

Du willst aber nicht in der Küche bleiben, denn du willst weiter in eines der Zimmer. Nachdem du die engen Stufen zum ersten Stock erklommen hast, stehst du vor der Tür zu Theresas Zimmer.
Meiner Meinung nach ist das Zimmer von Sophie aber irgendwie interessanter, also laufe nochmal einige Stufen nach oben.
Im zweiten Stockwerk zu linker Hand siehst du noch eine Tür, die zu Nours Zimmer führt.

Aber wie gesagt – da möchtest du gerade nicht hin. Du nimmst also die Tür geradeaus und trittst in ein ziemlich kleines, aber durchaus nettes Zimmer.
Die Wände sind weiß gestrichen und auch sonst ist das Zimmer schlicht gehalten. Ein großes Kingsizebett, dessen Matratze nicht mal 10 Zentimeter dick ist und by the way dadurch ziemlich unbequem, steht in der einen Ecke des Zimmers. Ein weisses Moskitonetz hängt darüber und wie es da so hängt, denkst du dir, dass es ein bisschen an einen Baldachin oder ein Himmelbett erinnert.
Ein großer weisser Schrank mit aufgedruckten grünen und blauen Fischchen nimmt sehr viel Platz im Zimmer ein, es beinhaltet aber auch einige Kleidung, von daher ist das okay. Dieser Stoffschrank soll dagegen helfen, dass die Kleidung während der feuchten Jahreszeit nicht anfängt zu schimmeln. Ob das so klappt, mal sehen.
Auf dem Schreibtisch steht ein Laptop, der nur darauf wartet, einen neuen Blogartikel eingetippt zu bekommen, Nachrichten zu recherchieren oder E-Mails zu versenden.
Die drei Vietnam-Reiseführer auf dem Schreibtisch sind bereit, dass sie aufgeschlagen werden und das nächste Reiseziel gewählt wird.
Der meist unordentliche Schreibtisch wimmelt außerdem von Erinnerungen an ein Musik-Festival, einen Ausflug nach Ninh Bin, nach Sapa, Saigon oder einen Kochkurs.
Dir fällt eine kleine, unscheinbare Tür auf. Du öffnest sie und stehst in einem kleinen Räumchen. Ein Schritt und du bist bei der Toilette. Ein Waschbecken fehlt. Die Dusche lässt sich nur nach langem Hinsehen definieren, indem du den Duschkopf erkennst. Wenn du dich hier duschst, ist danach der ganze Raum nass, aber so groß ist er ja schließlich nicht.
An der Wand hängt eine Art Plastik Regal, welches verschiedene Hygieneartikel wie Shampoo, Zahnpasta, Lippenpflegestifte und vieles mehr trägt.

Du gehst zurück in den größeren Raum und von diesem aus wieder ins Treppenhaus, wo du nochmal einige Treppenstufen hinaufsteigst. Oben findest du eine Waschmaschine, die zwar wohl Heißwasser haben soll, aber dennoch nicht gut wäscht, und zwei Metalltüren. Hinter jeder Tür verbirgt sich eine Dachterrasse, auf der man gut und gerne entspannen könnte – würde man sich die Zeit dafür nehmen. Praktisch sind die Terrassen aber allenfalls, da man dort die nasse Wäsche aufhängen kann.

Nun kennst du die Räume in dem Haus, in dem ich mit Theresa und Nour wohne.

Aber halt! Das sind noch nicht alle Mitbewohner. Nour und Theresa habe ich ja schon erwähnt. Wir haben in unserem Haus aber noch einige andere unerwünschte Kameraden. Wie wahrscheinlich in jedem südostasiatischen Land dürfen wir eine hohe Zahl von Stechmücken vermelden. Fast noch schlimmer finde ich jedoch Kakerlaken. Bis jetzt war es nur eine und ich wäre froh, wenn es auch bei dieser einen bleiben würde. Theresa hat sie eines Morgens auf dem Rücken liegend entdeckt und todesmutig – wie ich finde – in einem Essschälchen gefangen. Mit einem speziellen Mittel und viel Ekel haben wir das Tier erfolgreich bekämpft und aus dem Haus befördert. Obwohl das Vieh so winzig ist und eigentlich nichts fatales machen kann, war die Furcht unsererseits bestimmt genau so groß wie ihrerseits.
Die aber wohl unangenehmste Mitbewohnerin ist unsere Vermieterin, die trotz ihres stetigen Abstreitens im Gebäudeteil direkt neben uns wohnt und unsere Küche und sogar die Waschmaschine fleißig mitverwendet. Natürlich auf unsere Kosten.

Und doch – so ekelhaft und nervenaufreibend diese Mitbewohner auch sind – fühlt es sich wie mein „Zuhause“ auf Zeit an. Ich bin mir sicher, ich will hier nicht für immer bleiben. Bestimmt nicht. Aber für die Zeit ist es perfekt. Perfekt mit all seinen Besonderheiten, perfekt mit dem leeren Kühlschrank, mit der unausgestatteten Küche, mit dem winzigen Bad ohne Waschbecken, mit den vielen Mitbewohnern und der schlecht waschenden Waschmaschine.
Perfekt für die nächsten knapp drei Monate.

Aber ich kann jetzt schon sagen. Auf mein richtiges Zuhause freue ich mich viel mehr!

Viele Grüße nach Hause sendet
Sophie

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