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Tag 167 – Fischsuppe

Fischsuppe zum Frühstück, das gibt es auch nicht jeden Tag. Jetzt muss man allerdings dazusagen, dass mein „Frühstück“ heute erst um 12:30 Uhr stattfand. Doch davor konnte ich zum einen nichts runterbringen, weil ich vom gestrigen Abendessen (Rippchen in Brandysauce mit Kartoffeln) noch bis unter die Haarspitzen voll war und zweitens hatte ich dank des Seminars auch gar keine Zeit dazu.

Fischig ging es dann auch weiter im Menu, denn nach der Suppe gab es gegrillten Fisch. Und als Nachtisch eine sechsstöckige Cremetorte (ohne Fisch, aber nichtsdestotrotz erwähnenswert). Von dieser gab es am Nachmittag schließlich noch ein zweites Stück, als Merle und John zum Kaffee vorbeischauten. Und als wäre das noch nicht genug des Guten, stand am Abend noch das WG-Abschlussessen an.

Passend für diesen feierlichen Anlass brachte ich von Dosi einen wunderschönen Strauß Narzissen und Hyazinthen mit nach Hause. Und ein paar (wenn auch ungesegnete) Olivenzweige. Beides gab es die letzten Tage in Hülle und Fülle auf den Märkten – und das natürlich nicht ohne Grund: Gestern war in Kroatien der Tag der Narzissen, heute ist Palmsonntag.

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Tag 166 – Ladung sichern

Packen ist angesagt. Denn auch wenn ich erst am Dienstag aus Rijeka abfahre, so muss ich alles, was ich nicht auf die geplante Osterfahrt mitnehmen möchte (also so ziemlich alles) vorher zu Dosi bringen. Mit etwas Tetris und wortwörtlich gewichtigen Argumenten zwänge ich sechs Monate Freiwilligendienst in meinen knallgrünen Koffer. Kaum draußen auf der Straße rollt er freudig den Berg hinab – um ein Haar kommt er vor mir an Dosis Auto an.

Zusammen fahren wir dann erst einmal einkaufen. Dabei wird mir bewusst, welche Kleinigkeiten ich unbedingt noch irgendwo in meinem Gepäck unterbringen muss.

Zuhause bei Dosi angekommen, machen wir uns an eine vierstöckige Geburtstagstorte und schauen nebenher das in Rijeka stattfindende Länderspiel an. Auf die Frage, ob Kroatien gewinnen wird, kennt Dosi dabei nur eine Antwort: „Sie müssen.“ (Nach der vernichtenden Niederlage gegen das winzige Slowenien noch verschlimmert durch den serbischen Triumph gegen Albanien am gleichen Tag, geht es schließlich nicht nur um die WM-Teilnahme, sondern auch um die Ehre der selbsternannten Fußballnation!) Glücklicherweise schafft Kroatien ein 1:0 und auch die Torte gelingt (das Schiefe lässt sich morgen sicher noch unter einem Berg Buttercreme verbergen 😉 ).

Jetzt noch ein bisschen Bastelaction – Kommentar Dosi: „Du fährst ja mit dem Bus heim, da packen wir dir einfach noch ein Paket!“ – dann nichts wie ab ins Bett. Denn während Sonntag normalerweise ein Ruhetag ist, heißt es morgen wieder: Nachbereitungsseminar. Yeah… Immerhin – heute hatten wir einen echt coolen Tanzworkshop!

Tag 165 – Letztes Manöver

Freitag – Ende der Arbeitswoche und Ende meiner gesamten Arbeitszeit in Kroatien. Eigentlich hatte ich heute sogar schon meinen ersten Tag des Abschlussseminars, aber die Chance auf eine letzte Stunde Unterricht und Nachhilfe wollte ich mir dann doch nicht nehmen lassen. Also vormittags Seminar, nachmittags Unterricht.

Und so schwer es fällt, die verbleibenden Lebensmittel zu verkochen, die Bilder von der Wand abzunehmen und zusammen mit all dem anderen Krempel in den Koffer zu packen – ich freue mich auch ein wenig, wieder „das Weite zu suchen“. Außerdem tröstet mich, dass ein wenig von dem, was ich in Kroatien gemacht habe, meine Zeit hier überdauert. Zum Beispiel Andrejs Challenge Goethe C1 zu erreichen, oder natürlich mein Podcast. Tja, und was gibt es da passenderes, um ebendiesen Podcast zu beenden, als das Thema „Kultur“?!

Intro/Outro-Musik: Hope (2015) – GEMA freie Musik von https://audiohub.de

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Tag 164 – Sonnenbrand

Katharina hat DSD-Prüfungen auf Krk, Merle und ich haben Urlaub. Während Katharina in das dunkle, kalte Schulgebäude verschwindet, trinken wir einen Morgenkaffee am Hafen von Krk, schlendern durch die kleinen Gässchen bis zum Stadtstrand und rüsten uns im Supermarkt für eine Wanderung ins Landesinnere.

Schon während wir die Straßen Krks hinaufgehen, wird uns warm. Die erste Schicht, die Jacken, sind bald in unseren Rucksäcken verstaut, die Pullover folgen wenig später. Keine einzige Wolke ist am Himmel zu sehen.

Nicht lange, dann haben wir auch die letzten Häuser hinter uns gelassen, der Asphalt weicht Schotterwegen. Oder besser gesagt: Vielen, sich verzweigenden Schotterwegen. Folglich erweißt es sich auch als ein wenig kompliziert, den richtigen Weg zu finden. Einmal biegen wir falsch ab. Aber das ist kein Drama, schließlich bietet uns die Sackgasse einen schönen Blick zurück auf Krk. Ohne weitere Umwege erreichen wir Vrh (heißt „oben“ und ist es auch). Leider hat das einzige Cafe im Örtchen zu, doch die Bäckerei ist geöffnet und so decken wir uns mit einem verspäteten Frühstück ein.

Verspeist wird es allerdings erst, als das nächste Dörfchen, Kosic, in Blickweite kommt. Und das dauert ein wenig länger als geplant, da wir uns ein zweites Mal verlaufen. In Kosic angekommen, werden wir von den Hunden des Orts mehr oder weniger freudig begrüßt und von den ersten Osterlämmern skeptisch beäugt.

Im Tal geht es anschließend wieder zurück nach Krk (wobei wir das erste Mal richtig von meiner Wander-App geortet werden – ich bin ehrlich überrascht). Wir klettern einen klapprigen Hochsitz hinauf und entdecken nicht nur die überwachsenen Ruinen aus der Wegbeschreibung (der eigentliche Grund für die Wanderung), sondern noch ein weiteres verfallenes Haus.

Mit etwa zwei Stunden Verspätung erreichen wir Krk (oder wie @arne sagen würde: Samo malo). Dort, am Hafen, erwartet uns bereits John, der mit seinem „Auto“ nachgekommen ist. Zusammen mit ihm und Katharina setzen wir uns ein zweites Mal ins Hafencafe, dann ist es Zeit für den krönenden Abschluss des Tages: Baska!

Im November bin ich bereits mit Yvonne auf das gleichnamige Bergplateau hinauf gewandert, nun wollen wir uns auch die Stadt im dahinterliegenden Tal anschauen. Unter Kroaten*innen ist sie vor allem für ihren langen Strand bekannt. Ich bin hingegen vor allem auf die Berge gespannt. Denn fährt man (so wie wir) von Krk nach Baska, kommt das Auto erst einmal ins Schnaufen. Steil geht es hoch und steil geht es danach wieder runter. Auf der Bergkuppe dazwischen hat man jedoch einen wunderschönen Blick. Dort anzuhalten ist meiner Meinung nach also ein absolutes Muss!

Und das, wie ich später von meinen Mitbewohnerinnen erfahre, nicht nur wegen der fabelhaften Aussicht, sondern auch wegen des Monuments: Was für Laien wie mich wie eine etwas überdimensionierte Gabel aussieht, ist der Buchstabe A in einer historischen, kroatischen Schriftart. Doch seelig sind die Unwissenden: Wir steigen zügig wieder ins Auto – denn noch liegt Baska im Sonnenschein!

Und tatsächlich: Unsere Eile zahlt sich aus! Gerade so noch ein Fingerbreit Sonne blinzelt über den Bergrücken, als wir den Strand betreten. Kurzentschlossen zieht John sich aus und geht (trotz unzähliger Seeigel) ins Wasser. Respekt – heute wäre es sogar mir zu kalt gewesen. Wieder trocken und angezogen schlendern wir noch die Hafenpromenade entlang: Zuerst zum kleinen Hafen, dann durch die Tetris-mäßig übereinander gestapelten Häuser zurück zum Auto und weiter entlang am Strand. John lässt einen Stein unglaubliche zehn Mal (oder noch mehr) übers Wasser hüpfen. Und auch Merle und ich heben ein paar Steine auf. Allerdings nicht, um sie ins Wasser zu werfen, sondern weil sie so schön sind – jede Farbe und Form ist vertreten. Etwa in der Mitte des Strandes stolpern wir über die „Erste Badeanstalt der Insel Krk“. 1904 wurde sie erbaut und ganz ehrlich: So sieht sie auch aus. Das, was uns am Gebäude jedoch am Meisten fasziniert, ist nicht sein Alter, sondern das Holzkreuz auf seiner Terrasse.

Mittlerweile hat sich die Sonne auch von den ihr zugewandten Berghängen verabschiedet, die Inseln sind in kühles Licht getaucht und auch uns zieht es Richtung Westen. Zeit, den Rückweg anzutreten. Noch auf der Fahrt hinaus aus dem Tal werden wir von einem traumhaften Sonnenuntergang überrascht.

Als wir schließlich die Brücke aufs Festland erreichen, strahlen uns die Lichter Rijekas entgegen. Besonders das rießige Containerschiff, das ich heute Morgen beim Anlegen beobachtet habe, funkelt wie ein Christbaum. Und auch mein Gesicht leuchtet, als ich es wenig später im Spiegel betrachte – allerdings nicht nur wegen des schönen Tages, sondern auch aufgrund der vielen Sonne: Es ist soweit, ich habe meinen ersten Sonnenbrand 2021.

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Tag 163 – Schiffe versenken

Nach Lieblingsplatz Nummer zwei war heute meine Nummer eins an der Reihe: Torpedo.

Wunderbar ausgeschlafen (wobei ich, wie ich später von Dosi erfuhr, vor lauter Stundenplanchaos eine Stunde verdusselt hatte) mache ich mich vormittags auf den Weg zu Merle. Dort erwartet mich nicht nur ein Hammer-Ausblick vom Balkon, sondern auch ein super Frühstück.

Nach diesem guten Start kann es ja nur gut weitergehen und so machen wir uns auf die Socken. Ich begrüße den kleinen Leuchtturm, die Ölraffinerie und schließlich den versteckten Hafen wie alte Bekannte. Als dann die Torpedo-Abschussrampe vor uns auftaucht, ein löchriges, vor sich hin rostendes Etwas, ist der Tag perfekt noch bevor er überhaupt richtig begonnen hat.

Ein wenig juckt es mir in den Fingern, schon jetzt meine Kleider abzustreifen und ins türkisblaue, kristallklare Wasser einzutauchen. Aber das spare ich mir heute lieber für einen anderen Ort auf. Und so bewundern wir stattdessen die morschen Holzkonstruktionen, die altersschwach in ihren Scharnieren hägen. John klettert eine gefährlich aussehende Sprossenleiter hoch, Merle beobachtet ein paar sich tummelnde Fische und ich starre für einige kostbare Minuten hinaus aufs Meer.

Dann kehren wir Torpedo den Rücken und machen uns an den Aufstieg zum Haupteingang der lediglich einen Katzensprung entfernten Werft. Doch so ehrfürchtig die Statue dort auch auf uns herabblickt, mit der Werft ist es wie mit der gesamten Industrie Rijekas: Es geht bergab.

Für uns geht es das dann auch (und zwar wortwörtlich), den unser nächstes Ziel für den Mittag ist Kantrida. Wir schlendern den Strand entlang bis zu einem weiteren kleinen Hafen. Und dort steht sie: Die Rutsche!

Ein bisschen größer als in meiner Erinnerung erscheint sie mir (Höhenangsthäschen, das ich nun einmal bin) und kritisch nehmen wir die Wassertiefe davor in Augenschein – aber: Sto u redu (alles in Ordnung). Für das perfekte Rutscherlebnis stakse ich also in das arschkalte Nass, klettere wieder auf den Steg und erklimme die Leiter. Die Aussicht von ganz oben ist wunderbar, der Blick nach unten einfach nur furcheinflößend. Doch nach ein paar Minuten fasse ich mir ein Herz, stoße mich ab, rutsche – und komme kurz vor dem Ende der Bahn quietschend zum Sitzen. Lachend stehe ich auf und springe ins Wasser. Tja, da war wohl noch zu wenig Wasser im Spiel. Also noch ein Versuch! Und noch einmal bleibe ich kläglich stecken. Wahrscheinlich würde ich immer noch auf dieser Rutsche stehen, doch Gott sei dank gibt es Leute, die mitdenken. Und Gott sei dank gehören Merle und John dazu. So wird die gemeinsame Wasserflasche für den höheren Zweck geopfert und mit Meereswasser gefüllt zu mir nach oben gereicht. Was dann folgt ist der ultimative Kick – ich glaube noch einen Kilometer weiter hat man mein halb panisches, halb jauchzendes „Arrrgh!“ gehört, gefolgt von einem lauten Platschen. Ganz undamenhaft plumpse ich ein ums andere Mal ins Wasser.

Danach schnell abgetrocknet, einen wärmenden Kaffee im ebenfalls wärmenden Sonnenschein und nichts wie am Stadion vorbei hinauf zum Bus. Ein schnelles, verspätetes Mittagessen und schon geht es in die Schule. Heute haben wir wortwörtlich Spätschicht.

 

PS: Wer sich für die Torpedo-Rampe und ihre Geschichte interessiert, der/die sollte sich unbedingt einmal die Online-Ausstellung dazu anschauen: https://www.muzej-rijeka.hr/en/zbirke/torpedo-of-rijeka/

Eigentlich wollte ich ja selbst noch in das dazugehörige Museum. Aber das hat wegen „Kälte“ bis Mai geschlossen. Auch einmal ein spannender Grund 😉

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Tag 162 – Abfieren

Nachdem der Countdown meiner Rijeka-Tage unerbitterlich voranschreitet, gilt auch weiterhin das Motto: „Seize the day“. Oder wie im Fall von heute: „Seize the half-day“. Denn als ich endlich das Haus verlasse, ist es schon früher Nachmittag. Dabei bin ich mir immer noch nicht sicher, was ich mit dem wunderbaren Sonnentag eigentlich anfangen sollen. Nach Meinung meiner Mama: Egal was, aber Hauptsache nicht in den Schatten gehen. Was tue ich also? Ich gehe in den Schatten – oder genauer gesagt: Ins Tal.

Der Grund dafür: Ich möchte mich von all meinen Lieblingsplätzen in Rijeka verabschieden. Und dazu gehört eben auch die Hartera-Fabrik. Auf dem Weg dorthin verewige ich noch fix ein paar Gebäude und bunte Wände auf Fotos (und damit in meinem und eurem Gedächtnis).

An meinem Lieblings-Lost-Place Nummer zwei angekommen, drehe ich eine kurze Runde durch die verfallenen Hallen. Dann geht es weiter – hinein ins Tal.

Denn wenn ich schon einmal ins Landesinnere stiefel, dann kann ich auch gleich einen anderen Lieblingsort von meiner Abschieds-To-Do-Liste streichen: Die Ruinen im Tal. Doch noch bevor ich sie erreiche, verzaubert mich der Blick zurück: Trasat, Hartera, Rijeka – ein Bild und zugleich so viele schöne Plätze und Erinnerungen.

Und obwohl der Weg beim zweiten Mal schon vertraut ist, so gibt es auf ihm (bzw. auf kleinen Abwegen von ihm) trotzdem immer wieder etwas Neues zu entdecken: Zum Beispiel die Badestelle in der Felsspalte.

Nach diesem kurzen Abstecher überquere ich das Flüsschen und tauche wieder in meinen persönlichen Dschungelbuch-Moment ein: „Ich bin der König der Affenstadt, der größte Klettermax…“ dudelt es in meinem Kopf, während ich unter wackeligen Torbögen und umgekippten Baumstämmen hindurchtauche. Ja, ich weiß, kein Tempel und keine Lianen – aber genauso wie im Dschungelbuch bestehen auch die Ruinen der Mühlen aus saftigem, wildem Grün und mächtigen, bröckeligen Mauern.

Nach Mühle Nummer eins, geht es zu Nummer zwei, dann den Berg hinauf. Etwas nervös schiele ich dabei immer wieder auf mein Handy-Display. Denn zum einen würde ich heute (zur Abwechslung) gerne mit etwas Akku nach Hause kommen, zum anderen bei Tageslicht. Eiligen Schrittes erklimme ich also die bekannten Pfade. Oben angekommen sehe diesmal sogar auch den Wegweiser, den ich im Januar so gekonnt ignoriert hatte. Und so geht es auf neuen Wegen weiter – die Entdeckerin in mir ist überglücklich!

Am Ziel der Reise, der Kapelle des Veli Vrh, gönne ich mir das erste Mal, seit ich aufgebrochen bin, eine Pause. Und dann werde ich übermütig:

Zuerst einmal setze ich mir in den Kopf, den großen Bunker hochzuklettern. Die Aussicht, so bin ich überzeugt, muss einfach gut sein von dort oben! Tastend setze ich einen Fuß nach dem anderen in die Ritzen des rauen Putzes und ziehe mich hoch. Soweit so gut. Und die Aussicht ist wirklich nicht zu verachten. Richtig spannend wird es allerdings (wie jeder Kletterer zu Genüge weiß) beim Abstieg. Und natürlich hänge ich dabei erst für ein paar Momente in der Luft. Aber am Ende stehe ich doch wieder mit beiden Beinen auf festem Boden. Die ältere Dame mit Pudel, die natürlich genau im passenden Moment herbeispaziert kam, scheint zumindest sichtlich beeindruckt (oder doch eher verwirrt?).

Als wäre das an Abenteuer für heute nicht bereits genug, beschließe ich, den Heimweg etwas abzukürzen. Nun, sagen wir so: Ich erreiche mein Zuhause weder mit funktionierendem Handy, noch bei Tageslicht. Denn wer Rijeka kennt, der weiß, dass die Autobahn sich wie eine Schnur durch die Stadt zieht. Und das blöderweise genau auf halber Höhe. Wer also (wie ich) von hoch oben am Berg nach unten in die Stadt möchte, der muss an irgendeiner Stelle drüber hinweg oder drunter durch. Doch von diesen Stellen gibt leider wenige – oder um es etwas genauer zu sagen: Zwei in annehmbarer Entfernung. Ich entscheide mich für Option Nummer zwei – die große Unbekannte – und scheitere dementsprechend kläglich: Nach rund 30 Minuten stehe ich (wenn auch an einem Ort mit ausnehmend schöner Aussicht) direkt vor der Autobahn.

Natürlich steht genau in diesem Moment auch mein Handy-Akku kurz vor dem Kollaps während sich die Sonne stoisch hinter Ucka verabschiedet. Glücklicherweise ist der Rückweg bis zur letzten (und wie sich herausstellt falschen) Abzweigung nicht allzu weit und keine Viertelstunde später befinde ich mich auf der richtigen Seite der Autobahn. Von dort ist der Rest nur noch ein Klacks.

Mit Füßen so platt wie Pfannkuchen (@arne das zum Thema Pfannkuchen sind das Gleiche wie „Berliner“) und einem schwarzen Loch in meinem Bauch betrete ich meine WG – nur um in der Küche auf einen großen Teller voll „Armer Ritter“ und ein Glas mit Schoko-Vanillepudding (@arne übrigens unverbrannt 😉 ) zu stoßen. Noch bevor meine Müdigkeit die leiseste Chance hat, sich in schlechte Laune zu verwandeln, bin ich somit satt, glücklich und geborgen. „Seize the day?“ – Ich würde sagen: Mehr geht nun wirklich nicht.

PS: Hier der passende Soundtrack zum Motto

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Tag 161 – Backfisch

„Frische Fische“ gibt es heute in Rijeka und damit meine ich – naravno – Merle (und John).

Meine letzte Arbeitswoche (und zugleich auch letzte Woche in Rijeka) bricht an und das heißt in erste Linie eines: Wissenstransfer ist angesagt. Denn durch das Corona-Chaos und die in Folge etwas verspätete Ausreise im Oktober haben wir jetzt den Vorteil, dass „Alt“ und „Neu“ sich begegnen und austauschen können.

Und das nützen wir natürlich nicht nur auf Arbeitsebene aus: Nach einem Crash-Kurs in Deutschunterricht à la Sonja ziehen wir weiter in die Stadt. Merle wechselt ihr Geld und ist schwuppdiwupp (was für ein schönes Wort – sollte man echt öfters benutzen) um einiges reicher (zumindest auf dem Papier). Wir laufen an der Schule vorbei (denn die ruft erst später) und pilgern zum Hafen. Der erste Kaffee steht an.

Dort stößt schließlich auch John zu uns, gerade rechtzeitig für Stopp Nummer zwei: Das Mittagessen. Ich entscheide mich für Hai, John nimmt ein Thunfischsteak und Merle einen (wenn auch eher Sandwich-förmigen) Burger. So gestärkt gilt es das bewährte Sportprogramm Rijekas zu bewältigen: Trsat. Ein wenig ins Schnaufen kommen wir alle und doch bemerke ich, dass das Training der vergangene Wochen und Monate bei mir nicht ganz ohne Effekt geblieben ist. Oben angekommen bläßt der Bora die Wolken hinaus aufs Meer; die Sonnenstrahlen glitzern auf Rječina und Meer.

In Poleposition genießen wir Kaffee (bzw. Schokolade) Nummer zwei, dann geht es auf diesmal verwinkelten Pfaden wieder hinab. Kaffee Nummer drei steht an, diesmal in Gesellschaft von Dosi. Und dann ist es soweit: Merle betritt das erste Mal unsere Schule, die Arbeit beginnt. Wobei „Arbeit“ heute fast der falsche Begriff ist: In der ersten Stunde planen wir mit den Abiturient*innen eine Reise, dann zeige ich Merle die Schule und abschließend gibt es eine Stunde zum Thema „Deutsche Musik“. Klingt eher nach Vergnügen und ist es auch. Ein letztes Gespräch mit dem Schulleiter – der mir ein paar warme Worte zum Abschied mitgibt – und etwas melancholisch geht es nach Hause (ja Dosi, man kann hier „gehen“ sagen 😉 ). Ein paar Wolken heben sich effektvoll vom nachtblauen Himmel ab; ich bin müde, aber glücklich.

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Tag 160 – Treibholz

Wie beginnt man einen sonnigen Sonntag? Natürlich am besten mit Chocolate Chip Cookies. Dabei habe ich die nicht ohne Hintergedanken gebacken: Zum einen steht heute Abend ein WG-Essen an, zum anderen gilt es Merle zu begrüßen.

Da sich meine Nachfolgerin allerdings noch ein wenig Zeit lässt, beschließe ich den schönen Tag für einen Spaziergang zum Strand zu nutzen – das Ziel: Treibholz sammeln*.

Und Treibholz lautet dann auch das Motto des Tages – denn noch bevor ich meinen Lieblingsstrand erreiche, biege ich einem Impuls folgend Richtung Meer ab. Ein Weg ist es nicht, aber mit etwas Balance und viel kindlichem Spaß lässt sich auch über die  Hafenbefestigung das Wasser erreichen. Unbeschwert springe ich von Stein zu Stein und entdecke dabei einen wahren Schatz an angespülten Hölzern. Noch dazu eröffnet sich mir ein immer besserer Blick auf den Container-Hafen in den – was für ein Timing – gerade ein Schiff einfährt.

Ich bahne mir meinen Weg auf dem Steinwall bis ganz zur Spitze, dann biege ich nach rechts gen Hafen ab. Ein löchriger Zaun läd mich ein hindurchzutauchen und ich entdecke Reste bemalter und mit Mosaiken dekorierter Betonwände. Ein ausnahmsweise nicht-löchriger Zaun setzt meinem Entdeckerdrang am Hafengelände allerdings vorerst ein Ende. Auch sehe ich einen Wachmann in der Ferne auf mich zulaufen und beschließe besser umzukehren. Auf dem Rückweg sammel ich fleißig meine Hölzchen ein und lasse mich an einer windgeschützen Stelle nieder. Was für ein schönes Plätzchen, um ein Buch zu lesen…

Allzu lange kann ich jedoch nicht bleiben, denn der Kaffee ruft! Dosi holt mich Zuhause ab und zusammen sammeln wir Merle an ihrem neuen Domizil ein. Keine fünf Minuten später sind wir in Rijekas zweitem Einkaufszentrum, dem ZTC, wo Dosi uns auf eine verborgene Terrasse mit wunderschönem Ausblick auf Ucka oder den Hafen führt. Bei Kaffee und Cedevita lernen wir uns kennen – kroatischer geht es wohl nicht. Und damit Merle nicht nur von uns, sondern auch von ihrer zukünftigen Heimat einen (guten) ersten Eindruck erhält, nehmen wir uns im Anschluss noch Zeit für einen Spaziergang von der Schule über den Korzo zum Hafen.

Alles andere muss hingegen bis morgen warten, denn das Abendessen will vorbereitet werden: Rinderbraten mit Semmelknödeln, Pilzrahmsoße und Salat – all das braucht nicht nur Liebe, sondern auch etwas Zeit. Doch als alles endlich dampfend und duftend auf dem festlich gedeckten Tisch steht, bekomme ich einen Anruf von Merle: Ihr neuer Mitbewohner hat sie versehentlich eingeschlossen, sie können nicht hinaus. Tja, was kann man da tun? Wir fangen schon einmal an mit essen. Glücklicherweise werden Merle und ihr Kumpel John bald von der Mitbewohnerin befreit und stoßen zu unserem Festgelage dazu. Und den großzügigen Portionen sei dank, ist auch noch genug von allem übrig, sodass jede*r nicht nur satt wird, sondern kugelrund und glücklich in den Stühlen hängt. Um darüber hinaus auch den Abend noch schön abzurunden, verlagern wir unsere trägen Leiber auf die Couch und spielen ein paar Runden Karten. Wer hätte das gedacht: Da erlebe ich in meinen letzten Tagen doch noch eine Premiere!

 

*Wofür ich das Treibholz brauche? Lasst euch überraschen 😉

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Tag 159 – Galionsfigur

„La Traviata“ – eigentlich hatte ich meine Opernkarte schon für vergangenen Dienstag gekauft. Nur leider bekam ich an besagtem Vormittag eine Mail mit der Nachricht, die Solistin sei krank. Tja, da blieb mir doch glatt die Arie im Halse stecken. Dabei hatte ich die letzten zwei Tage immer wieder die Melodie von „Libiamo, ne‘ lieti calici“ vor mich hingesummt.

Was für ein schönes Lied für eine Hedonistin wie mich – oder was meint ihr?

With you, with you I’ll be able to share
my cheerful times.
Everything is foolish in the world
which is not pleasure.
Let’s enjoy ourselves, for fleeting and quick
the delight of love is:
it’s a flower that blooms and dies
and can no longer be enjoyed.
Let’s enjoy ourselves, fervent
flattering voice invites us!
Ah! Let’s enjoy the cup, the cup and the chants,
the embellished night and the laughter;

let the new day find us in this paradise.

Der Text hier ist übrigens wohlweislich auf Englisch – für alle Banausen wie ich, die kein Italienisch verstehen. Gesungen wird er – auch (oder besser gerade auch) in Rijeka – natürlich auf Italienisch. Schließlich ist es kein Zufall, dass in Rijeka angesichts der Historie der Stadt und dem in Sichtweite liegenden, stiefelförmigen Land traditionell vor allem italienische Opern aufgeführt werden.*

Doch falls ihr weder mit dem Lied, noch „La Traviata“, noch Opern im Allgemeinen etwas anfangen könnt – ich muss zugeben, der eigentliche Grund, warum ich in die Oper wollte, war schlichtweg das Gebäude: Schon von außen ist die Rijeka-Ausgabe des Kroatischen Nationaltheaters ein absoluter Hingucker. Jetzt wollte ich es also auch von innen betrachten! Und ich muss sagen: Erwartungen übertroffen!

Natürlich hatte ich auch keine Kosten gespart: Ganze 120 Kuna (also etwas über fünzehn Euro) habe ich in meine Karte für meine eigene Loge investiert. Während das Orchester seine Instrumente stimmt, ergötze ich mich an dem Traum aus Weiß und Gold. Besonders hat es mir der beeindruckende Kronleuchter angetan. Aber auch die halbnackten Galionsfiguren** fallen mir ins Auge. Nach fünfzehn Minuten hat sich der Saal gut gefüllt – trotz obligatorischem Abstand: Im Parkett sind einige Plätze freigelassen worden, in den Rängen trennen Plexiglasscheiben die Logen voneinander ab.

Und auch auf der Bühne zeigt sich ein etwas ungewohntes Bild: Das Orchester trägt Maske, die Solisten*innen haben alle ihren eigenen Plexiglasbereich. Um trotzdem ein „Zusammenspiel“ zu ermöglichen, werden die Szenen über Stühle „verbunden“. Sie wirken als Ankerpunkte im Raum, wann immer nicht schmachtend an den Scheiben geklebt wird. Der Chor taucht nach wenigen Minuten in den Prinzenlogen auf, mit Visier vor dem Gesicht und lila Luftballons in der Hand (der Sinn von Ersterem ist mir klar, das Zweite werte ich mal als künstlerische Freiheit). Und auch sonst verstehe ich zunächst nicht viel. Denn obwohl ich „La Traviata“ schon einmal gesehen habe, ist das doch schon eine ganze Weile her. Auch die kroatischen Übertitel helfen mir nicht wirklich. Trotzdem habe ich kaum das Verlangen, den Inhalt der Oper zu googeln – die Musik transportiert die Gefühle und das ist das Wichtigste: Ohne die Worte zu verstehen, weiß ich, dass es um Amore (alias „ljubav“) geht, Sehnsucht und Leid. In der dritten Pause bemühe ich schließlich doch Wikipedia und das Puzzle fügt sich zusammen.

Als „La Traviata“ („die vom Wege Abgekommene“) am Ende an der Tuberkulose stirbt (übrigens auch eine Atemwegserkrankung – ich hoffe, das ist kein unheilvolles Zeichen), kullern mir ein paar Tränchen aus den Augen. Fleißig spende ich Applaus, bis sich meine Hände ganz taub anfühlen. Beim Betrachten des „Abspanns“ fällt mir ein Name besonders ins Auge: Valentin Egel – der Dirigent. Tja, dann war ich wohl nicht die Einzige „Tedeschi“ an diesem Abend. Nur, dass er mit verwegen wehendem Haar das Orchster durch die Partitur geführt hat, während ich entspannt in meinem Polstersessel lümmelte. Und das mit – ebenfalls – 26 Jahren! Vielleicht sollte ich auch so langsam in die Puschen kommen? In jedem Fall: Ein inspirierender Abend!

 

 

*Ganz abgesehen davon, dass meines (zugegebenermaßen sehr beschränkten) Wissens fast alle Opern von italienischen Komponisten stammen (oder – siehe Mozart – in italienischer Sprache verfasst sind). Die deutschen Opern (also zumindest die von Wagner) sind außerdem nicht nur von grausamer Länge, sondern auch deprimierend düster (ich hatte da mal ein Schnäppchen-Ticket (ich meine: Zehn Euro für fünf Stunden!) und bin bereits nach einer Stunde freiwillig gegangen). Wer kann es Rijeka da verdenken, dass nicht „Siegfried“ auf dem Programm steht? Also ich nicht…

**Wusstet ihr, dass „Galion“ von Balkon kommt? Passt also genauso ins Theater wie an den Bug eines Schiffs 😉

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Tag 158 – An Bug und Heck

Arne zählt Botschaften, ich Autokennzeichen. Zum einen, da ich die meisten davon mittlerweile schon ganz stolz an Orte zurückverfolgen kann, die ich bereits besucht habe: RI, ZG, PU, GS, ZD, SI, ST, DU, MA, DE, KA, VZ, OS – so liest sich mein Kroatienaufenthalt in Kennzeichen. Und zu denen kann ich bald auch noch BJ, SK, SB, VU, DA, KV hinzufügen – gar nicht mal so schlecht für sechs Monate.

Der zweite Grund ist, dass man hier in Rijeka bzw. in Kroatien unglaublich viele deutsche Kennzeichen zu Gesicht bekommt. Allein auf meinem Weg zum Supermarkt bin ich heute an acht Autos mit deutscher Zulassung vorbeigelaufen (und an diesem bezaubernden Garten).

Spring in the City

Klar, es gibt auch ein paar italienische, slowenische, ungarische, tschechische, serbische und einige österreichische, bosnische und mazedonische Autos auf den Straßen (ich hoffe, ich habe jetzt keinen vergessen). Aber die besondere Beziehung Kroatiens zu Deutschland spiegelt sich eben auch auf vier Rädern wieder.