Deutschlehrertagung in Kardzhali

Am vergangenen Wochenende fand die Tagung des bulgarischen Deutschlehrerverbands in Kardzhali statt. Ich hatte das Glück, auch mitfahren zu dürfen und dadurch auch mal eine andere Region von Bulgarien zu sehen.

Als ich am Tag zuvor morgens an meinem Schreibtisch saß, kam die Vorstandsvorsitzende mit einer „Frage an die Muttersprachlerin“ zu mir. Oh je, dachte ich mir, jetzt darf ich bloß nichts falsches sagen. Ob „recht getan“ nun groß oder klein geschrieben wird, konnte ich dann nur mit der Aussage „Ich würde denken, es geht beides“ beantworten. Irgendwann sind noch weitere Kolleginnen gekommen und der Duden bestätigte (zum Glück) meine Annahme, dass beides möglich sei.

Als wir dann am nächsten Tag im Hotel in Kardzhali ankamen und ich gesehen habe, dass sie nun wirklich beide Varianten aufgeschrieben hatte, musste ich sehr schmunzeln.

Die Fahrt von Sofia nach Kardzhali dauerte etwa drei Stunden. Da ich von dem Geschaukel im Auto immer wie ein Baby ganz müde werde, habe ich mich erstmal in mein rosa Hotelzimmer gelegt, bevor die Tagung um 17 Uhr beginnen würde.

Bei der Eröffnung gab es zu Beginn neben den Reden auch noch eine musikalische Präsentation von einigen Schülerinnen und Schülern, bevor es einen Plenarvortrag zum Thema der Tagung „Fehler korrigieren – Fehler limitieren. Umgang mit Fehlern“ gab. Danach folgte ein Empfang des Botschafters, bei dem ich auch die Freiwillige getroffen habe, die an einer Schule in Kardzhali eingesetzt ist. Zusammen hatten wir dann das Vergnügen uns mit dem Botschafter zu unterhalten, u.a. über den Begriff „kulturweit“, während unser Gespräch zwischendurch davon unterbrochen wurde, dass einige der anderen Gäste ein Foto mit ihm machen wollten.

Bulgarisches Essen
Traditionelles bulgarisches Essen: Banitsa, gebackener Käse, Baklava und Sarmitchki.

Am Samstag bin ich dann um sechs Uhr aufgestanden und noch eine Stunde lang mit meiner Kamera durch die Stadt spaziert, bevor wir um acht Uhr schon an der Schule sein mussten. Wir haben unseren Tisch mit Flyern geschmückt und waren die nächsten Stunden damit beschäftigt, Plakate und Landkarten aufzurollen.

Nach der Mittagspause bin ich dann noch von Arbeitsgruppe zu Arbeitsgruppe gegangen und habe ein paar Fotos gemacht. Das hat mich jedes mal wieder Überwindung gekostet und ich musste vor jeder Tür ein paar mal durchatmen, bevor ich mich getraut habe hereinzugehen. Aber solange ich es trotzdem hinbekomme, ist es vielleicht auch okay, ein paar mal mehr zu atmen.

Am Abend gab es dann noch ein gemeinsames Abendessen – mit traditionell bulgarischem Schopska-Salat und Palatschinken als Vorspeisen. Schon währenddessen haben sich die ersten Gäste auf die Tanzfläche begeben und sobald die ersten Töne traditioneller Horo-Musik ertönten, erhob sich fast der halbe Saal, um gemeinsam zu tanzen. Ich habe mich erst nicht getraut, mich der Tanzreihe anzuschließen – erst als meine Kolleginnen mitgekommen sind – aber dann hat es sehr viel Spaß gemacht. Zum Abschluss wurden mir noch die Schritte eines griechischen Sirtakis gezeigt und so konnte ich mich auch bei diesem Tanz bei den anderen einreihen.

Am Sonntag gab es dann noch einen Ausflug zum Perperikon. Es gab auch eine Führung durch die Felsenstadt, doch da diese aus einem bulgarischen, nicht endenden Monolog des Führers bestand, beschlossen wir fünf Deutsche und Österreicher uns von der Gruppe zu lösen und unseren eigenen Weg zu gehen (und unsere eigenen archäologischen Deutungen vorzunehmen).

Perperikon

Perperikon

Perperikon

Das war ein sehr schöner Tag. Der Ausblick und die Natur sind immer wieder faszinierend und ich habe schon lange nicht mehr so viel gelacht, wie in diesen Stunden. Das hat mir sehr gut getan.

Bulgarische Spezialitäten

In letzter Zeit bekomme ich immer häufiger die Frage gestellt, wie das so ist, sich in Bulgarien vegetarisch zu ernähren. Da Fotos von Essen für die meisten wohl eh interessanter sind als viele Worte, folgen nun einige Essensbilder, die sich in den letzten Monaten angesammelt haben.

Das erste woran ich denke ist Баница (Banitza) – Filoteig gefüllt mit сирене (bulgarischer, weißer Käse). Auch die Variante mit Käse und Spinat esse ich sehr gerne. Zu kaufen gibt es sie vor allem an kleinen Ständen in den Metro-Unterführungen.

Баклава (Baklava) – bulgarische Baklava sind mit Walnüssen gefüllt, das schmeckt mir auch besser als mit Pistazien.

Чебурек (Tscheburek) – eine Teigtasche, hier in der vegetarischen Variante mit Käse gefüllt.

Сирене (bulgarischer Käse) ist überall – in allen möglichen Teigwaren, auf Pommes, auf Salat.

Шопска салата (Schopska-Salat) – ein Salat, der farblich die bulgarische Flagge widerspiegelt: rote Tomaten, grüne Gurken und obendrauf weißer Käse.

Таратор (Tarator) – eine kalte Gurkensuppe, die mir aber überhaupt nicht geschmeckt hat.

Качамак със сирене (Katschamak mit Käse) – Maisgrieß geschichtet mit bulgarischem Käse.

Ich liebe Waffel-Riegel, am liebsten noch, wenn sie mit Schokolade überzogen sind. Davon könnte ich jeden Tag welche essen – mache ich deswegen häufig auch.

Auch ein typischer Snack: Халва (Halva).

Fazit: Man findet auch viele vegetarische Leckereien! ?

Lieblingstasse & Origami

Seit Stunden sitze ich nun schon vor dieser leeren Seite hier und weiß nicht, mit was für Worten ich sie füllen möchte. Vielleicht liegt es daran, dass ich während der letzten Woche verstärkt in negativen Gedanken und (Selbst-)Zweifeln versunken bin.

Da momentan das Sofia Film Fest stattfindet, war ich in den letzten Wochen ein paar mal im Kino. Leider war das für mich mehr Stress als Freude. In dem Kinosaal zu sitzen hat irgendwie Angstgefühle in mir ausgelöst, sodass es von mal zu mal schwieriger wurde überhaupt hinzugehen und schon der Weg zum Kino durch die volle Einkaufsstraße ein beklemmendes Gefühl in mir ausgelöst hat. Deshalb werde ich wohl so schnell nicht mehr ins Kino gehen. Auch zum Yoga werde ich wohl nicht mehr gehen – da habe ich mich diese Woche nun auch endgültig gegen entschieden. Eigentlich gefällt es mir, doch das entspannte, ruhige Liegen am Ende löst auch jedes mal stärkere Angstgefühle aus und ist für mich kein bisschen entspannend.

Ich ärgere mich sehr darüber, dass mir meine Angsterkrankung bei so vielen Dingen im Weg steht. Das macht es wohl auch nicht besser, aber irgendwie weiß ich momentan auch gar nicht, woran es liegt und dadurch auch nicht, was ich dagegen tun kann. Das bringt mich momentan sehr zum verzweifeln.

Aber um auch etwas positives festzuhalten: Am Freitag habe ich eine der neuen Freiwilligen kennengelernt. Wir waren in meinem Lieblingscafé und haben eine heiße Schokolade getrunken, Origami-Vögel gefaltet, viel gelacht und nach Erlaubnis der Bedienung deren schöne Tassen mitgehen lassen. Anscheinend haben wir uns die Tassen der anderen Menschen so auffällig angeschaut, dass der Mann vom Nebentisch auf uns zu kam, um uns zu fragen, ob wir auch seine Tasse haben wollen. So konnten wir beide eine der schöneren mitnehmen und meine Lieblingstasse meines Lieblingscafés ziert jetzt mein Regal. Darüber hängt einer der Vögel.

Eine ganz normale Woche

Anfangs war es sehr ungewohnt, nach Feierabend keine Termine mehr zu haben und einfach alleine in meinem Zimmer zu sitzen. Ich bin schnell in negativen Gedanken versunken und war irgendwie einfach nur unzufrieden. Jetzt kann ich sagen, dass sich das zum Glück geändert hat und ich eine gute Menge an festen Freizeitterminen für mich gefunden habe.

Letzte Woche Sonntag bin ich mal nicht wie sonst zum Balletttraining gegangen, sondern habe an einem 5km Lauf teilgenommen. Bei 20 Grad und Sonnenschein, war das echt schön und ich habe gemerkt, wie sich das Wetter auch positiv auf meine Stimmung ausgewirkt hat.

Am Montag war ich dann zum zweiten Mal bei dem bulgarischen Volkstänze-Kurs. Da es beim ersten Mal nicht ganz so super war, habe ich sehr lange darüber nachgedacht, ob ich wirklich hingehen möchte und war sehr aufgeregt. Aber es war gut! Ich war sehr überrascht von mir selbst, dass ich bei den meisten Tänzen den Schritten folgen konnte. »Man muss über die Schritte eine Nacht drüber schlafen und dann klappt es nächste Woche schon viel besser«, habe ich in all den Jahren im Ballettsaal schon häufig gehört und noch nie so einen starken, positiven Effekt bemerkt wie jetzt. So hat es dann auch gleich mehr Spaß gemacht und ich bin sehr froh, dass ich mich nicht von dem schlechten Start hab entmutigen lassen.

Am Dienstag war ich mit dem Praktikanten im Kino, da diesen Monat das Sofia International Film Festival stattfindet. Wir haben uns den Film »Free Solo« angeschaut, eine National Geographic Dokumentation über den Kletterer Alex Honnold, der den 3,000 ft El Capitan im Yosemite National Park ungesichert hochklettert.

Am Mittwoch und Donnerstag findet nun immer unser Bulgarisch-Sprachkurs statt. Die Freiwillige Elli und ich hatten uns entschieden, nach Ende des ersten Kurses noch weiterzumachen. Auch wenn man ständig die Aussage hört »Wieso lernst du denn Bulgarisch? Das wirst du nie wieder brauchen«, finde ich es doch ganz schön noch mehr von der Sprache zu lernen, die in dem Land gesprochen wird, in dem ich für ein Jahr lebe.

Am Freitag hatte ich nach der Arbeit nichts vor und konnte in Ruhe mit einem Kakao und einer Banitza ins Wochenende starten, bevor ich dann den Samstag damit verbracht habe, meine im Laufe der Woche immer länger werdende To-Do-Liste abzuarbeiten und ganz viel Tee zu trinken. Denn während es am letzten Wochenende 20 Grad warm war, hat es am Montag schon wieder geschneit. Was für ein Wetter! Aber wie mir gesagt wurde ist es in Bulgarien der März in dem das Wetter verrückt spielt. Abends ging es dann schon wieder ins Kino, dieses Mal in den Film »Green Book«

Heute Mittag geht es für mich dann endlich wieder zum Ballett, danach skype ich mit meiner Familie, koche schon mal für die nächsten beiden Tage mein Mittagessen vor und heute Abend schauen wir uns noch einen Film vom Film Festival an. Vielleicht ist es also doch nicht wie im Titel geschrieben eine ganz normale Woche, denn normalerweise gehe ich nur sehr selten ins Kino, aber so ist es auch mal ganz schön.

Neue Herausforderung: Bulgarische Volkstänze

Schon bevor ich nach Bulgarien gereist bin, hatte ich den Wunsch, zu einem bulgarischen Volkstänze-Kurs zu gehen. Schließlich ist es immer spannend, etwas Neues zu lernen und wenn es ums Tanzen geht erst recht. Ob ich mich das vor Ort dann wirklich trauen würde, war eine andere Sache.

Nachdem ich mich zum Glück recht schnell überwinden konnte, zu einem Dance Center zu gehen, um dort (anfangs Contemporary und jetzt nur noch) Ballett zu tanzen, lag es nahe mich nun an die nächste Herausforderung heranzutrauen und einen народни танци Kurs zu besuchen. Leider war der aber zur selben Zeit wie unser Bulgarisch-Sprachkurs.  Ehrlich gesagt fand ich das nicht immer wirklich schade, denn mir steht auch dabei viel Angst im Weg. Jetzt war es aber so, dass wir den Sprachkurs auf einen anderen Tag legen konnten, also gab es für mich keine Ausrede mehr, es nicht wenigstens einmal auszuprobieren.

Ich war schon den ganzen Tag über sehr aufgeregt und habe die ganze Zeit überlegt, ob ich wirklich hingehen soll oder nicht. »Ich kann auch noch nächste Woche damit anfangen«, habe ich versucht die Situation mal wieder zu verschieben und zu vermeiden. Ich bin dann aber doch hingegangen. Als ich das Tanzstudio betreten habe, sah ich auch noch meine Ballettlehrerin im Aufenthaltsbereich sitzen. »Oh je, wie unangenehm, dass sie mich sieht.« Ich setzte mich an die Seite und schaute der Gruppe zu, die sich gerade aufzuwärmen schien. Aber der Kurs sollte doch erst in zehn Minuten beginnen?! Unfähig nachzufragen oder irgendetwas zu tun, saß ich einfach nur da. Ich spürte, wie die Ängste immer stärker wurden und wünschte mir, einfach irgendwie zu verschwinden. Irgendwann sprach mich die vom Empfang an und sagte mir, ich solle einfach zu der Gruppe hinzu gehen. Wenn das so einfach wäre. Aber mir blieb wohl nichts anderes übrig, denn jetzt war ich in der Situation gefangen.  Was für eine blöde Idee, hier herzukommen.

Ich ging ein paar Schritte weiter Richtung Tanzsaal und jetzt bemerkte mich der Lehrer zum Glück auch. Nachdem eine Teilnehmerin gefunden wurde, die für mich dolmetschen konnte, durfte ich an der Stunde teilnehmen und mich in die Tanzgruppe einreihen. Schon völlig geschafft von der Aufregung und dem blöden Start folgte eine Stunde der völligen Überforderung. Die anderen Kursteilnehmer*innen waren alles Bulgar*innen, die schon seit über einem Jahr diesen Kurs besuchen. Deshalb sagte der Lehrer auch nur kurz den Tanz an, stellte sich an die Spitze der Tanzreihe, machte die Schrittfolge zweimal mit und danach waren alle auf sich allein gestellt. Mir blieb also nichts anderes übrig, als irgendwie zu versuchen, mitzuhüpfen und irgendwelche Schritte zu machen. Erleichtert war ich, als zwischendurch ein neuer Tanz gelernt wurde, bei dem der Lehrer die Schritte gezeigt hat. So hatte ich auch eine Chance wenigstens bei einem Tanz mal mit meinen Füßen hinterherzukommen. Als dann aber die Musik angemacht wurde, kamen leider plötzlich noch ganz andere Schritte hinzu und ich hatte wieder keine Ahnung, was ich tun soll.

Als die anderen Teilnehmer*innen gehört haben, dass ich aus Deutschland komme, wirkten sie sehr begeistert davon und ich sollte versprechen, beim nächsten Mal wiederzukommen. Ich ließ den Lehrer fragen, ob das okay sei und hoffe, dass sein »Добре« auch wirklich so gemeint war. Auch der Kommentar meiner Ballettlehrerin, dass sie beeindruckt von mir sei, machte mir etwas Mut, nicht direkt nach dem ersten Versuch aufzugeben. Ich bin da wohl (viel) zu kritisch mit mir, denn wie hätte man es besser machen sollen, wenn man ohne Erklärungen direkt in die Tänze hineingeworfen wird.

Ich gebe dem ganzen auf jeden Fall noch eine Chance. Mal schauen, wie es morgen wird. Da ich jetzt weiß, dass sie immer eine Viertelstunde früher anfangen als auf dem Plan steht, werde ich dieses Mal auf jeden Fall schon mal pünktlich kommen. Also kann es ja nur besser werden.

Ein Schritt ins zweite halbe Jahr

»Die sechs Monate sind ganz schön schnell vergangen«, denke ich, während ich meinen Koffer packe. Es geht nach Hause, aber nur für ein paar Tage. Denn während der Freiwilligendienst für viele nun bereits geendet hat und ein neues Buch auf sie wartet, darf ich noch weitere Kapitel füllen, hier in Bulgarien.

Bin ich froh darüber oder wäre ich auch lieber jetzt schon mit all meinen Sachen zurück nach Hause geflogen? Mit dieser Frage werde ich momentan ständig konfrontiert. Für mich war von Anfang an klar, dass ich nur 12 Monate machen möchte, keine 6. Doch in letzter Zeit habe ich doch häufig darüber nachgedacht, ob es die richtige Entscheidung war. Ende Dezember kam es mir so vor, als würde die Zeit überhaupt nicht vergehen. Das lag wahrscheinlich daran, dass ich mich zu dem Zeitpunkt besonders einsam gefühlt habe, weil alle anderen bei ihren Familien in der Heimat waren. Auch in meinem Zimmer habe ich mich zuletzt nicht mehr wirklich wohl gefühlt. Es kommt mir zu groß und leer und trostlos vor.

Vor meiner Ausreise war mir klar, dass es für mich und meine Ängste sicherlich irgendwie schwieriger wird als für manch andere. Dass es größere und mehr Herausforderungen geben wird. Dass es schwieriger sein wird, mich wohl zu fühlen und dass ich dafür mehr Zeit brauche. Ein bis maximal zwei Monate wollte ich mir Zeit geben, bis die Ängste weniger werden. »Das bereitet mir etwas Bauchschmerzen«, hatte meine Therapeutin daraufhin gesagt, »Sie sollten sich schon drei Monate geben.« Oh je, habe ich gedacht, drei Monate wären ja eine schrecklich lange Zeit. Aber es hat wirklich so lange gedauert, noch länger sogar. Mittlerweile, nach sechs Monaten, kann ich sagen, dass die Tage, an denen mich auf dem Weg zur Arbeit Angstgedanken überfallen, zur Seltenheit geworden sind. Das ist doch eine gute Voraussetzung für ein gutes weiteres halbes Jahr.

Außerdem steht in den nächsten Monaten noch einiges an! Auch in meiner Freizeit habe ich einige Pläne: Die bulgarische Sprache wird fleißig(er) weitergelernt. Ich möchte ein bisschen reisen und mehr von Bulgarien kennenlernen. Und weil es ohne weitere Herausforderungen auch irgendwie langweilig werden würde, war ich am Montag das erste Mal bei einem Kurs für bulgarische Volkstänze. »Das braucht schon ein Jahr, bis du ein paar Tänze kannst«, erzählte mir eine Bulgarin aus dem Kurs. Mal schauen, wie viel ich in den sechs Monaten noch lernen kann.

Meine Antwort auf die Anfangsfrage ist also: Ich bin auf jeden Fall froh darüber, noch zu bleiben bzw. am Mittwoch wieder zurück nach Sofia zu reisen und in die zweite Hälfte meines Freiwilligendienstes zu starten.

Eine Reise nach Istanbul

Letztes Wochenende habe ich mich zusammen mit der Freiwilligen Pia auf den Weg nach Istanbul gemacht. Am Freitagabend sind wir in Sofia in den Nachtzug gestiegen und am nächsten Morgen in Istanbul angekommen. Vier Tage haben wir dann dort verbracht – bei blauem Himmel, Sonnenschein, Baklava und Tee – bevor es am Dienstagabend wieder zurück nach Sofia ging.

Ich habe die kurze Reise sehr genossen. (Und bin überrascht davon, wie ich es geschafft habe aus den 900 Fotos 46 für diesen Beitrag auszuwählen, um ein paar Eindrücke zu teilen.)

Die Sache mit der Angst

„Du kannst dann ja die Rallye mit den iPads durchführen. Es werden 9 Lehrer kommen“, lese ich in meinen E-Mails. Ich merke, wie sich das Gefühl von Aufregung schon ein bisschen in mir ausbreitet. „Ich muss nur höchstens zwei Minuten lang sagen, was sie machen sollen. Es sind nur neun Personen“, versuche ich mich zu beruhigen und die Aufregung beiseite zu schieben. Das klappte sogar erstaunlich gut und sie kam erst am Abend vorher wieder. Dieses mal stärker, obwohl ich mittlerweile sogar wusste, dass nur vier Personen kommen würden.

Am Nachmittag war es dann soweit. Auf wackligen Beinen stand ich neben meiner Kollegin vor den vier Lehrer*innen und konnte mich nicht entscheiden, ob ich mir lieber wünschen sollte, dass diese nur kurz etwas sagt und ich meinen Part schnell hinter mich bringen kann oder dass sie möglichst lange redet, um meinen Teil noch etwas hinauszuzögern. Zu Beginn gab es eine kurze Vorstellungsrunde, bei der auch ich mich vorstellen sollte. Man sollte meinen, da sei nichts schwieriges bei. Kurz meinen Namen sagen, woher ich komme und wie lange ich hier sein werde. Aber irgendwie fällt mir das doch immer sehr schwer. Mein Kopf schaltet sich aus, ich spüre, wie mir viel zu warm wird, wie mein Herz schnell und laut gegen meine Brust hämmert und mir die Luft zum Atmen nimmt. Das einzige was ich in solchen Momenten denken kann ist: „Ich muss hier weg, sonst macht mein Körper das nicht mit. Man merkt mir meine Angst so stark an und alle denken schlecht über mich.“

Ich habe es dann wohl doch irgendwie geschafft, meinen Namen und ein paar Sätze zu stammeln, kurz danach die Tablets zu verteilen und die Aufgabenstellung zu erklären. Es hat noch einige Zeit gedauert, bis die Angstsymptome wieder abgeklungen waren, aber ganz langsam konnte ich mich wieder entspannen.

Was nehme ich aus der Situation mit? Vor allem, dass die Angst doch wieder abklingt, auch wenn ich das in der Situation selbst meistens nicht glauben kann, und auch, dass ich solche Situationen trotz Angst überstehen kann und nicht die Flucht ergreife. Aber trotzdem hat es mich sehr verunsichert und die Selbstzweifel sehr verstärkt, weil ich gehofft hatte, dass die Ängste nicht mehr so stark sind, dass ich nicht mehr so stark von den körperlichen Angstsymptomen erschlagen werde und ich große Sorgen habe, dass mir das für immer im Weg stehen wird.

Immer wieder sonntags

Ich sitze auf meiner Fensterbank, beobachte die Bauarbeiter, die auf der gegenüberliegenden Straßenseite schon seit Monaten dabei sind, ein Haus zu bauen, und stecke mir meine Haare mit etlichen Haarnadeln zu einem Dutt zusammen. Wie jeden Sonntag warte ich darauf, dass es 13 Uhr ist und ich mich auf den Weg zum Balletttraining machen kann.

Dort angekommen werde ich von einem freundlichen Здравей begrüßt und während die Gruppe vorher noch ihre révérence macht, bleibe ich am Rand stehen und dehne mich ein bisschen.  Die anderen Tänzer*innen aus meiner Gruppe sitzen meistens schon hinten im Tanzsaal, dehnen und unterhalten sich. Das würde es Zuhause nicht geben. Von klein auf hat man an meiner Ballettschule gelernt, dass man nicht spricht, weil es den Unterricht stört. Was für mich auch befremdlich wirkt ist, dass die anderen während kurzer Dehnpausen oder auch zwischen den Übungen zur Seite gehen, um ihre Nachrichten am Handy zu checken. So etwas würde es Zuhause erst recht nicht geben.

In den vergangenen Monaten fand das Training immer in einem Tanzsaal in der dritten Etage des Gebäudes statt. Der Raum war schön groß und hell und aus den Fenstern konnte man die Berge sehen. Leider ist das Training mit Beginn des neuen Jahres ins Erdgeschoss umgezogen. Der Raum ist kleiner, die Ballettstangen wackliger, es gibt keinen Tanzteppich und der Ausblick beschränkt sich auf einen Parkplatz. Ein Glück, dass wir meistens nur zu viert sind.

Der Unterricht beginnt, die Musik erklingt und sofort breitet sich ein positives Gefühl in mir aus. Auch wenn ich vorher nicht immer wirklich motiviert bin, verfliegt das sofort, sobald ich die ersten plié und tendu gemacht habe. Es ist schön, in einem fremden Land in einem fremden Tanzsaal zu stehen und trotzdem ein vertrautes Gefühl zu haben.