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Eine ganz normale Woche

Anfangs war es sehr ungewohnt, nach Feierabend keine Termine mehr zu haben und einfach alleine in meinem Zimmer zu sitzen. Ich bin schnell in negativen Gedanken versunken und war irgendwie einfach nur unzufrieden. Jetzt kann ich sagen, dass sich das zum Glück geändert hat und ich eine gute Menge an festen Freizeitterminen für mich gefunden habe.

Letzte Woche Sonntag bin ich mal nicht wie sonst zum Balletttraining gegangen, sondern habe an einem 5km Lauf teilgenommen. Bei 20 Grad und Sonnenschein, war das echt schön und ich habe gemerkt, wie sich das Wetter auch positiv auf meine Stimmung ausgewirkt hat.

Am Montag war ich dann zum zweiten Mal bei dem bulgarischen Volkstänze-Kurs. Da es beim ersten Mal nicht ganz so super war, habe ich sehr lange darüber nachgedacht, ob ich wirklich hingehen möchte und war sehr aufgeregt. Aber es war gut! Ich war sehr überrascht von mir selbst, dass ich bei den meisten Tänzen den Schritten folgen konnte. »Man muss über die Schritte eine Nacht drüber schlafen und dann klappt es nächste Woche schon viel besser«, habe ich in all den Jahren im Ballettsaal schon häufig gehört und noch nie so einen starken, positiven Effekt bemerkt wie jetzt. So hat es dann auch gleich mehr Spaß gemacht und ich bin sehr froh, dass ich mich nicht von dem schlechten Start hab entmutigen lassen.

Am Dienstag war ich mit dem Praktikanten im Kino, da diesen Monat das Sofia International Film Festival stattfindet. Wir haben uns den Film »Free Solo« angeschaut, eine National Geographic Dokumentation über den Kletterer Alex Honnold, der den 3,000 ft El Capitan im Yosemite National Park ungesichert hochklettert.

Am Mittwoch und Donnerstag findet nun immer unser Bulgarisch-Sprachkurs statt. Die Freiwillige Elli und ich hatten uns entschieden, nach Ende des ersten Kurses noch weiterzumachen. Auch wenn man ständig die Aussage hört »Wieso lernst du denn Bulgarisch? Das wirst du nie wieder brauchen«, finde ich es doch ganz schön noch mehr von der Sprache zu lernen, die in dem Land gesprochen wird, in dem ich für ein Jahr lebe.

Am Freitag hatte ich nach der Arbeit nichts vor und konnte in Ruhe mit einem Kakao und einer Banitza ins Wochenende starten, bevor ich dann den Samstag damit verbracht habe, meine im Laufe der Woche immer länger werdende To-Do-Liste abzuarbeiten und ganz viel Tee zu trinken. Denn während es am letzten Wochenende 20 Grad warm war, hat es am Montag schon wieder geschneit. Was für ein Wetter! Aber wie mir gesagt wurde ist es in Bulgarien der März in dem das Wetter verrückt spielt. Abends ging es dann schon wieder ins Kino, dieses Mal in den Film »Green Book«

Heute Mittag geht es für mich dann endlich wieder zum Ballett, danach skype ich mit meiner Familie, koche schon mal für die nächsten beiden Tage mein Mittagessen vor und heute Abend schauen wir uns noch einen Film vom Film Festival an. Vielleicht ist es also doch nicht wie im Titel geschrieben eine ganz normale Woche, denn normalerweise gehe ich nur sehr selten ins Kino, aber so ist es auch mal ganz schön.

Neue Herausforderung: Bulgarische Volkstänze

Schon bevor ich nach Bulgarien gereist bin, hatte ich den Wunsch, zu einem bulgarischen Volkstänze-Kurs zu gehen. Schließlich ist es immer spannend, etwas Neues zu lernen und wenn es ums Tanzen geht erst recht. Ob ich mich das vor Ort dann wirklich trauen würde, war eine andere Sache.

Nachdem ich mich zum Glück recht schnell überwinden konnte, zu einem Dance Center zu gehen, um dort (anfangs Contemporary und jetzt nur noch) Ballett zu tanzen, lag es nahe mich nun an die nächste Herausforderung heranzutrauen und einen народни танци Kurs zu besuchen. Leider war der aber zur selben Zeit wie unser Bulgarisch-Sprachkurs.  Ehrlich gesagt fand ich das nicht immer wirklich schade, denn mir steht auch dabei viel Angst im Weg. Jetzt war es aber so, dass wir den Sprachkurs auf einen anderen Tag legen konnten, also gab es für mich keine Ausrede mehr, es nicht wenigstens einmal auszuprobieren.

Ich war schon den ganzen Tag über sehr aufgeregt und habe die ganze Zeit überlegt, ob ich wirklich hingehen soll oder nicht. »Ich kann auch noch nächste Woche damit anfangen«, habe ich versucht die Situation mal wieder zu verschieben und zu vermeiden. Ich bin dann aber doch hingegangen. Als ich das Tanzstudio betreten habe, sah ich auch noch meine Ballettlehrerin im Aufenthaltsbereich sitzen. »Oh je, wie unangenehm, dass sie mich sieht.« Ich setzte mich an die Seite und schaute der Gruppe zu, die sich gerade aufzuwärmen schien. Aber der Kurs sollte doch erst in zehn Minuten beginnen?! Unfähig nachzufragen oder irgendetwas zu tun, saß ich einfach nur da. Ich spürte, wie die Ängste immer stärker wurden und wünschte mir, einfach irgendwie zu verschwinden. Irgendwann sprach mich die vom Empfang an und sagte mir, ich solle einfach zu der Gruppe hinzu gehen. Wenn das so einfach wäre. Aber mir blieb wohl nichts anderes übrig, denn jetzt war ich in der Situation gefangen.  Was für eine blöde Idee, hier herzukommen.

Ich ging ein paar Schritte weiter Richtung Tanzsaal und jetzt bemerkte mich der Lehrer zum Glück auch. Nachdem eine Teilnehmerin gefunden wurde, die für mich dolmetschen konnte, durfte ich an der Stunde teilnehmen und mich in die Tanzgruppe einreihen. Schon völlig geschafft von der Aufregung und dem blöden Start folgte eine Stunde der völligen Überforderung. Die anderen Kursteilnehmer*innen waren alles Bulgar*innen, die schon seit über einem Jahr diesen Kurs besuchen. Deshalb sagte der Lehrer auch nur kurz den Tanz an, stellte sich an die Spitze der Tanzreihe, machte die Schrittfolge zweimal mit und danach waren alle auf sich allein gestellt. Mir blieb also nichts anderes übrig, als irgendwie zu versuchen, mitzuhüpfen und irgendwelche Schritte zu machen. Erleichtert war ich, als zwischendurch ein neuer Tanz gelernt wurde, bei dem der Lehrer die Schritte gezeigt hat. So hatte ich auch eine Chance wenigstens bei einem Tanz mal mit meinen Füßen hinterherzukommen. Als dann aber die Musik angemacht wurde, kamen leider plötzlich noch ganz andere Schritte hinzu und ich hatte wieder keine Ahnung, was ich tun soll.

Als die anderen Teilnehmer*innen gehört haben, dass ich aus Deutschland komme, wirkten sie sehr begeistert davon und ich sollte versprechen, beim nächsten Mal wiederzukommen. Ich ließ den Lehrer fragen, ob das okay sei und hoffe, dass sein »Добре« auch wirklich so gemeint war. Auch der Kommentar meiner Ballettlehrerin, dass sie beeindruckt von mir sei, machte mir etwas Mut, nicht direkt nach dem ersten Versuch aufzugeben. Ich bin da wohl (viel) zu kritisch mit mir, denn wie hätte man es besser machen sollen, wenn man ohne Erklärungen direkt in die Tänze hineingeworfen wird.

Ich gebe dem ganzen auf jeden Fall noch eine Chance. Mal schauen, wie es morgen wird. Da ich jetzt weiß, dass sie immer eine Viertelstunde früher anfangen als auf dem Plan steht, werde ich dieses Mal auf jeden Fall schon mal pünktlich kommen. Also kann es ja nur besser werden.

Die Tage am See

Gerade liege ich in meinem Bett, höre meiner Schwester beim Klavier spielen zu und schiebe es schon seit Stunden vor mir her, mit dem Koffer packen zu beginnen.

Morgen um diese Zeit werde ich wahrscheinlich gerade mein Zimmer betreten, das für die kommenden 12 Monate mein Zuhause sein wird. Irgendwie kann ich mir das jetzt gerade noch nicht so ganz vorstellen. Es wirkt noch so unwirklich, morgen ins Flugzeug zu steigen und dann in einem fremden Land zu leben. Vielleicht wäre es einfacher, wenn der Tag einfach so kommen würde, ganz plötzlich, ohne sich schon in den letzten zehn Tagen mit dem Freiwilligendienst beschäftigt zu haben.

Das Vorbereitungsseminar war interessant und ich nehme bestimmt einige neue und kritische Denkweisen mit auf meinen Weg. Doch für mich persönlich war es auch eine ziemlich anstrengende Zeit – die Konfrontation mit vielen Ängsten und die Zeit, sich immer weiter in die Sorgen reinzusteigern. Da tat es mir oft gut, einen Spaziergang im Wald und am See zu machen und in der Freizeit die Ruhe dort zu genießen.

Was ich abgesehen vom inhaltlichen aus den zehn Tagen mitgenommen habe ist vor allem, wie Kraft gebend es sein kann, mit anderen über seine Sorgen und Ängste zu sprechen. Und dass es ein schönes Gefühl ist, all seinen Mut zusammenzunehmen und z.B. vor all den anderen 300 Freiwilligen am letzten Abend ein kurzes Solo zu tanzen.

Bald beginnt das Abenteuer!

Nun sind es nur noch 15 Tage, bis das Vorbereitungsseminar beginnt. Ich muss gestehen, ich bin schon ganz schön aufgeregt. Und noch wirkt es ziemlich unwirklich. Ein Jahr weg. Raus aus dem gewohnten Alltag. 12 Monate in Bulgarien.

Die ersten Abschiede liegen bereits hinter mir und mehrere liegen noch vor mir. Da graut es mir ein bisschen vor – Abschiede mag ich nicht. Aber gleichzeitig bedeutet das auch, dass es Zeit ist für neue Erlebnisse. Neue Menschen. Neue Erfahrungen. Neue Abenteuer.

Und darauf bin ich schon sehr gespannt. Voller Vorfreude – auch wenn ich die vor Aufregung noch nicht immer wirklich spüren kann.