Am Ende spricht jeder deutsch…

Bitte entschuldigt meine Nachlässigkeit, aber ich hatte eine sehr erlebnisreiche Woche von der es jetzt zu berichten gilt:

Am Dienstag war ich in der Residenz des deutschen Botschafters und habe Film geschaut. Das Haus war schon ein bisschen sehr schick, voll abgefahrene Möbel in sämtlichen Farben und überall so Kronleuchter an der Decke – Museumscharakter irgendwie. Deswegen haben Katrin und ich voll russianlike Poserfotos gemacht, denn das macht hier jeder: posen auf der Bushaltestellenbank, posen vor dem Dixieklo, posen vor dem Wurstregal im Supermarkt (ok, das will vielleicht nur ich machen) und einfach posen überall. Wenn ich wieder komme, werdet ihr nur noch ein Fotoobjekt haben…tatata, I proudly present Posermonisuperstar! Naja, ansonsten gabs voll leckeren, Themen bezogenen Krams zu essen (der Film hieß Almanya – Willkommen in Deutschland) und was zu schlürfen und viele angeschickte Menschen zu beobachten. Ein bisschen deplatziert war ich schon mit meinem Loch im Pulli, aber das konnte ich gut ausblenden. Ach, das Beste hab ich vergessen. Wisst ihr was der typisch deutsche Duft ist? Kölnisch Wasser – 47 11 I call you!!! Ich hab mich schlapp gelacht, aber auf der Toilette von genanntem Objekt stand eine Schale mit ganz vielen Kölnisch Wasser Fläschen und jede konnte sich ein bisschen Heimatduft einstecken. Ich glaub, dass mach ich jetzt immer ran wenn in der Metro der Platz eng wird, so was hält sicherlich niemand lange aus. So viel Ironie hab ich der Botschaft nicht zugetraut, ich befürchte auch, dass es keine ist…Für die Länge des Filmes hab ich sogar ausblenden können, dass ich in Russland bin. Erst als das Licht anging wurde mir wieder bewusst, dass mir die Arktis zu Füßen liegt.

Am Donnerstag habe dich dann von Jan-Philipp, einem anderen Freiwilligen, der in der Nähe von St. Petersburg lebt, Besuch bekommen. Das war absolut toll, aber auch mit großen Hürden verbunden. Nach langem hin- und her durfte er mit bei uns im Wohnheim übernachten, aber nur für den 4-fachen Preis und natürlich in einem anderen Zimmer. Uns war das ja total egal, aber erkläre das mal bitte Wohnheimsfeldwebel Tatjana Konstatina, unangefochtene Autorität von Studentenwohnheimdistrict. Ich habe also einen bösen Zeigerfingerwink bekommen, aber das war noch harmlos. Die nächste Hürde war Pizza im Ofen machen, denn die Backbleche fehlen im Ofen. Also wieder zu der Wachtfrau rennen (man muss jeden Mist bei der Wachtfrau erfragen – sicher brauch ich bald noch eine Kloerlaubnis) und ihr irgendwie erklären, dass es kein Blech im Ofen gibt. Dort wurde mit mitgeteilt, dass es ein Blech erst ab 21 Uhr gibt. Keine Ahnung womit diese bekackte Regel schon wieder zu begründen ist, aber wer um 19 Uhr einfach mal Pizza essen will, ist der absolute Loser vom Flur. Also wieder endloses hin- und her – am Ende haben wir ein Blech bekommen, dass natürlich viel zu klein für den Ofen war. Zudem ging der Gasherd nicht an und ich war schon kurz vor Pippi in den Augen. Jede Selbstverständlichkeit wird zum Problem im Gefän…ähh Wohnheim und das macht keinen Spaß. Natürlich wollten wir am Abend dann weggehen, aber die angebliche Sonderregelung, dass ich bis 24 Uhr wegbleiben dürfen, wurde kurzerhand wieder außer Kraft gesetzt und somit sind wir mit Bier in meinem Bezirk spazieren gegangen. Blöderweise haben wir mit Wegbier in der Hand das Wohnheim verlassen und die Wachfrau hat es gesehen und Tatjana Konstantina gepetzt (sowieso alles voll die Petzen hier). Das gab vielleicht Ärger am nächsten Tag…ich, der personifizierte Teufel verleite arme, kleine Studenten zum Alkohol (Alkohol ist sowieso das absolut schlimmste was es gibt auf der Welt) und wie ich den so was machen könnte. Natürlich hab ich nur die Hälfte des Geschreis verstanden, das Lachen musste ich mir auch verkneifen. Ich hab alles auf meine Unwissenheit geschoben und jetzt besitze ich die Hausordnung – den Punkt Alkohol rot angestrichen ;o) Die Jungs fanden unsere Feierbereitschaft aber sehr gut und haben uns für den nächsten Abend zum Vodkatrinken eingeladen.

Vodka braucht keine Grammatik

Leider mussten wir das Wohnheim schon um 21 Uhr wieder verlassen, da Jan-Philipp für diese Nacht nicht bezahlt hatte und als Gast spätestens zu diesem Zeitpunkt gehen muss. Für Freitag hatten wir nämlich den Plan bis früh um 6, halb 7 feiern zu gehen und dann nach Hause Schlafen zu fahren. Fataler Fehler, denn Besuchszeit ist nur von 17 bis 21 Uhr – wir standen also halb 8 vor der Wachtfrau und sie hat uns nicht rein gelassen. Ahhhh…also haben wir an unsere ausgedehnte Partynacht noch ein ausgedehntes Sightseeingprogramm heran gehangen. Zwar haben wir versucht in der Ringbahn der Metro zu schlafen, aber das hat nicht so gut funktioniert. Nach 3-Mal rumringen, sind wir ausgestiegen und in die Kirche, auf den Roten Platz und ins Kaufhaus Gum gegangen und haben schön rumgeränzt. Insgesamt hat meine Nichtschlafzeit 40 Stunden betragen, die von Jan-Philipp war glaub ich noch länger, da er denn Nachtzug nach St. Petersburg nehmen wollte und verpasst hat.

Alles in allem eine sehr witzige Aktion. Wir waren in einem echt coolen Club und am Ende des Abends bzw. am Morgen wusste jeder das wir Deutsche sind und plötzlich konnte auch jeder deutsch sprechen. Unzählige neue Freunde haben wir gewonnen, zumindest für die paar Stunden, und jeder betrunkene Mensch wollte uns noch zur Metro begleiten. Natürlich wäre es schöner gewesen, wenn es ein bisschen Wärmer gewesen wäre, aber wer will schon Plusgrade im Frühling – Kälte in der Nacht macht müde Partygäste wach.

Blick auf…keine Ahnung – ist aber schön! Hätten wir verpasst, wenn wir schlafen gegangen wären…

Für die Wohnheimsspäße bin ich auf alle Fälle zu alt oder auch zu deutsch – wie man es nimmt. Ich will so schnell wie möglich ausziehen, denn soweit kann ich mich nicht runter regulieren lassen. Genießt also euer Leben in Freiheit und ich hoffe, dass der nächste Blogeintrag auch aus eben dieser stammen wird. David Hasselhoff wusste es auch schon…

I’ve been looking for freedom!

 

4 Gedanken zu „Am Ende spricht jeder deutsch…

  1. Hey, ich finde deinen Blog echt super, sehr unterhaltsam und witzig geschrieben. Ich gehe ab August 2012 auch nach Moskau, allerdings für 11 Monate und mit der Organisation AFS. Hoffentlich hab ich genauso lustige Erlebnisse wir du 😉 Liebe Grüße

    • Hallo Britta,
      ich wünsche dir auf alle Fälle eine gute Zeit in Moskau und nicht den Kopf verlieren, wenn alles nicht so funktioniert, wie du es gern möchtest. Ich glaube in Russland gibt es mehr Lösungen als Probleme, auch wenn es nicht so scheint ;o)

  2. hallo,
    ich verfolge deinen blog schon lange und muss sagen, dass er mir sehr gefällt. vorallem dein stil sagt mir zu. überaus keck und belebend ungestüm. schönen gruß aus china

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