Und dann haben wir einfach das Schachlik gedisst!

Letzten Montag sind wird ziemlich krass gegen russische Tradition vorgegangen und haben orginial thüringer Bratwürste auf einem Schachlickgrill gegrillt – leider hatte ich kein revolutionär aussehendes T-Shirt an, was die Verrücktheit unseres Treibens noch unterstrichen hätte, aber auch so war es glaub ich ziemlich rebelisch. Ihr dürft euch nämlich den russischen Grill nicht wie unseren Grill vorstellen, denn der russische Grill ist ohne Grill, also ohne Rost. Diesen Fakt hatten wir leider aus Unwissenheit ausser Acht gelassen, wodurch wir letztendlich trotz unglaublich herrlicher Seeromantik vor einem Problem standen. Wir braten ohne Rost? Aber da wir ja hier in Russland und demzufolge im Land der unbegrenzten Natur und Möglichkeiten sind, haben wir die Würste auf wunderbare Stöcke aufgezogen und survival mässig auf unserem Feuer mehr oder minder gleichmässig schwarz getönt. Ich kann euch versichern, so lecker hat noch nie eine Roster geschmeckt. Das einzige was in den Bereich grenzwärtig fiel, war das Aufspießen an sich. Immerhin ist es schon komisch so einen lapprigen langen Schlauch der Länge nach auf einen Holzspieß zu wursten (im wahrsten Sinne des Wortes) ohne das nebenbei das ganze Brät herausrutscht. Leider habe ich wie immer keine Fotos…aber ich bin sicher, auf youtube findet ihr bestimmt kleine Filmchen über ungesittetes Grillen – ich hoffe der Inhalt ist in deinem Land verfügbar.

Ansonsten hab ich mich gestern mit einem Kilo Himbeeren glücklich gekauft und hab sie, voll draufgängerisch wie ich eben bin, ohne zu waschen in meinen Mund gestopft. Daheim wollte ich diesen sagenhaft vergnüglichen Vorgang wiederholen, aber da kam ein böser Blick meines Ziehopas und schwups – in die Schüssel und unter den Hahn. Vielleicht bekommt man hier in Moskau so einen Reinlichkeitsfimmel weil alles immer so schmutzig ist – Hände am Tag mindestens 20 Mal waschen ist auf alle Fälle so sicher wie die Qualität von Russian Standard (hoffe ich zumindest). Aber wo freut man sich mehr über von Himbeern rotverschmierte und klebende Finger als in einer Großstadt? Ich wette nirgends, aber ich glaub ich bin auch nicht so gut im Wetten, obwohl ich natürlich täglich mit mir selbst wette. Eigentlich ist es auch kein richtiges Wetten, sondern eher so ein Hoffen mit dem Abwiegen vom Gegenteil und dem stetige Kampfkrampf dazwischen.

Heute früh wurde ich von einem Kollegen mit Kuss auf die Wange begrüßt und bei meiner letzten Busfahrt hat mir mein Sitznachbar eine Dose Energiegetränk gekauft und als ich neulich…nein, hören wir lieber auf über die Mentalität zu schreiben, sondern freuen uns daran, dass es in Moskau auch noch herzlich zugehen kann. Ich wurde sogar gestern in der Metro angelächelt, ohne Grund wohlgemerkt, und für manche von euch mag das normal sein, aber eines meiner ersten Lektionen in Moskau war: erwarte nie, dass Menschen freundlich zu dir sind. Nicht wirklich so die schönste Eigenheit, aber wenn man selbst freundlich ist, kann man aus Menschen ungeahnte Fähigkeit herauskitzeln und unbenutze Muskelpartien zur Kontraktion führen – toll, nicht?

Einen Monat hab ich genau noch Zeit um alles zu machen, was ich bis jetzt noch nicht in Moskau gemacht hab. Ich schätze, dass es unglaublich viel ist und ich es mit größter Wahrscheinlichkeit nicht schaffen werde, aber ein Versuch ist es wert. In diesem Sinne versuche ich heute meine alten Joggingschuhe auf Moskaus Straßen einzuweihen und begebe mich hoffentlich heute noch für eine Runde aufs Pflaster. Immerhin bin ich sicher in einer Stunde schon daheim und Zeit kennt bekanntlich keine Grenzen, zumindest nicht in diesem Land.

 

gezeichnet von einem ausländischen nicht Agenten