Anarchie als Überlebensstrategie

Dreiteilungen hören sich immer gut an: Farbe, Pinsel und Eimer oder Sommer, Sonne und Strand (hier sogar mit Alliteration) oder auch Selbstverständnis, Moskau und ich – doch halt, letzteres klingt vielleicht gut, ist aber in der Umsetzung nicht so einfach wie die Sache mit der Farbe oder dem Sommer. Aber dazu vielleicht ein andermal mehr.

Vor über einer Woche wurde in Russland Ostern gefeiert. Leider habe ich die nächtliche Prozession verpasst, durfte aber trotzdem vom Osterbrot probieren. Dieses wird gewöhnlich am Samstag in die Kirche gebracht um es dort mit heiligem Wasser bespritzen zu lassen. Unser Osterbrot hatte kein heiliges Wasser – war trotzdem lecker. Gebacken hat es meine neue Gastomi – Fazit: ich bin raus aus dem Knast. Juhu! Doch was im Obscheschidje (meine eigens kreierte Schreibweise des Wortes) zu wenig mit mir gesprochen wurde, wird hier bei Irina nachgeholt. Bereits früh am Morgen kämpfe ich mir ein paar russische Brocken ab und wer weiß, wie meine Laune am frühen Morgen in Deutschland ist, der weiß dann auch, wie sich meine morgendliche russische Laune anfühlt ;o)

Aber zurück zur verpassten Osterprozession – die hab ich gestern nachgeholt. Unwissentlich (wie eigentlich alles was ich hier so anstelle) bin ich in einen riesigen Umzug der russisch-orthodoxen Kirche geraten, der zum Schutz der Heiligtümer und des heiligen Glaubens stattgefunden hat. Grund war der angeblich steigende Vandalismus in der Kirche – Pussy Riot ist hier das Stichwort. Vielleicht sollte aber eher eine klare Trennlinie zwischen politischem Protest und Vandalismus gezogen werden, dann kann man auch in Ruhe an einem schönen Sonntag Nachmittag Windbeutel mit geiler Puddingfüllung in der Nähe der Erlöserkathedrale essen. Aber dies war nicht die einzige Menschenmasse an diesem Tag. Zwei Straßen weiter sind wir in einen ebenfalls riesigen Flashmob geraten, der die ganze Fußgängerzone der Innenstadt mit Seifenblasen gefüllt hat. Leider waren es zu viele Menschen, so dass die Seifenblasen ganz untergegangen sind – war wohl eher weniger ein Dreamflash!

Sonst habe ich noch einen wunderbaren Ausflug nach Vladimir und Suzdal gemacht und festgestellt, dass es sich in Vladimir bestimmt sehr schön wohnen lässt. Ich würde euch ja sehr gerne Fotos zeigen, leider habe ich diese in meinem Übermut gelöscht…Aber google kann euch bestimmt mit netten Eindrücken versorgen. Auf dem Weg nach Vladimir hab ich wieder russische Straßen zu spüren bekommen und diese sind echt kein Highlight, vor allem nicht, wenn man in einem Lada Baujahr voriges Jahrhundert sitzt, dessen Gurte lediglich Attrappenfunktion besitzen und nur zum Wohlgefallen der Polizei umgelegt werden, die sich im Übrigen überhaupt nicht für Gurte interessiert (Mein neues Hobby ist jetzt auch bei rot über die Ampel zu gehen, wenn Polizisten zusehen. Das gibt so einen kleinen Kick, weil man ja doch ab- und an noch deutsche Erwartungen an die hiesigen Ordnungshüter hat ;o) ).

Des Weiteren hab ich am Wochenende mit unbekannten Aktivisten Blumensträuße gebunden und diese zum Schutze der Umwelt an Parkbesucher verkauft, habe angetrunkenen Omis und Opis beim Singen und Tanzen zugesehen, habe unterschiedliche Parkanlagen Moskaus erkundet, habe den verschiedensten Bands beim Musizieren zugehört und mich insgesamt am wunderbaren Wetter erfreut. Auch wenn es hier nicht so richtig frühlingsgrün wird, so ist es doch zumindest sehr warm und ich schwitze mich jetzt schon in der Metro kaputt (ich will nicht wissen, wie der Sommer wird).

Mir ist noch aufgefallen, dass Augenbrauenzupfen in der U-Bahn für andere Mitfahrende nicht sonderlich attraktiv anzusehen ist. Auch habe ich Angst, dass sich die männlichen Mitfahrer inspiriert fühlen ihre morgendliche Rasur im Untergrund abzuhalten. Jeder male sich doch bitte das Szenario aus, wenn die Metro um eine scharfe Kurve fährt oder plötzlich bremst – Klingenfallalarm! Doch vielleicht fehlt mir einfach nur das Verständnis dafür.

Weiter geht’s im skurrilen Alltag:

Ich habe in Moskau ein neues Hochzeitsformat entdeckt – Trashhochzeit mit Freibier für alle Parkbesuchenden. Dazu absolut schreckliche und schräge Livemusik und ein Hochzeitsfoto mit vielen grünen Flaschen. Vielleicht überlege ich mir das nochmal mit meinem Hippiekram… Worüber ich nicht länger nachdenken muss ist, ob ich diese ganzen gefüllten Brötchen hier mag: JA! Egal ob Brötchen gefüllt mit Kartoffelbrei, Brötchen gefüllt mit Sauerkraut oder Brötchen gefüllt mit Pilzgedöns…ich mag Füllung, denn mit lecker gefülltem Magen lebt es sich gleich sehr viel besser…

Anarchie kommt dann später!