Überschrift

Da ich nicht so die super Fotografin bin, fotografiere ich jetzt nur noch Landschaftsbilder mit äußert hohem Kitschanteil – das macht mich nämlich echt glücklich und kommt meiner Monikatraumweltblase sehr nah. Mein Können könnt ihr dann gleich in meinen Word Press Fotos 2012 bestaunen. Doch erst noch ein bisschen Alltag bis es an das virtuelle Ergötzen geht.

Moskau ist in voller Aufruh denn in ein paar Tagen, genauer gesagt am 9. Mai ist hier großes Feiern angesagt. Der Sieg im 2. Weltkrieg wird hier ordentlich begangen mit Militärparade und bestimmt 10 verschiedenen Feuerwerken in der ganzen Stadt. Jede zweite Person trägt hier so eine schwarz-orangene Schleife, die den Sieg wohl symbolisieren soll. Ich habe letzte Woche auf dem Friedhof von einem alten Kriegsveteran auch eine geschenkt bekommen, aber so richtig hübsch konnte ich das Band nicht trappieren – jetzt hat es Lesezeichenfunktion. Alle Fahnenmasten sind mit roten, gelben oder orangen Fahnen geschmückt, aber die Bedeutung hab ich noch nicht so ganz herausgefunden. Aber in diesen Tagen geht sowieso viel in Moskau. Für morgen ist eine große Demo – der „Marsch der Millionen“ angesetzt, nur irgendwie ist die Demo von Seiten der Behörden nicht genehmigt. Eigentlich sollte schon letzten Sonntag über die Genehmigung abgestimmt werden, aber der Bürgermeister hat dies einfach auf eine Woche später vertagt und jetzt soll morgen Nachmittag, am Tag der Demonstration selbst, darüber entschieden werden ob sie stattfinden kann oder nicht. Sehr fragwürdige Politik in meinen Augen und irgendwie auch ein Zeichen von Angst wenn der Opposition nicht das Zugeständnis gemacht wird, demonstrieren zu können.


„Er ist müde“ steht auf dem Aufkleber und vielleicht sollte gerade deswegen der Bürgermeister die Demonstration morgen genehmigen, denn immerhin wird Putin am Montag inauguriert und da wäre es doch schon von Vorteil, wenn er ausgeschlafen bzw. wachgerüttelt ist. Vielleicht müsste ich dann auch keine Angst mehr haben von schwarzen Limousinen mit angesteckten Blaulicht überfahren zu werden, wenn ich mir doch erdreiste bei grün über die Ampel zu gehen. Ihr müsst wissen, dass in Moskau Anzug Vorfahrt hat – immer!

Auf was ich mich aber auf alle Fälle verlassen kann, ist die dt. Normalität im Schwimmbad. Jeder zieht seine Züge auf der vorgesehenen Bahn und wehe jemand schwimmt der größe des Beckens geschuldet nicht hin- und her sondern Runden. Böse Blicke können sich auch durch chlorreiches Wasser bohren – ich schwöre.  Doch Sport tut auch in geregelten Räumlichkeiten sehr gut und auf dem Weg von meinem Zuhause zur Schwimmhalle kann ich unendliche viele Kitschbilder machen, da ich den Sonnenuntergang im Rücken habe.

 

Ich habe die Stockwerke des 3. Bildes mit der wunderbaren Überschrift „Hochhausromatik“ gezählt und es sind über 50. Das ist ja an sich nicht so tragisch, nur ist in Russland das Fahrstuhl nicht unbedingt das verlässlichste Fortbewegungsmittel…die Wortverbindung „sich verlassen auf“ aber bestimmt auch nicht sonderlich gebräuchlich.

Aber Moskau hat mittlerweile noch viel mehr grün zu bieten, als die rot-bräunliche Romänzgeschichte oberhalb. So war ich am 1. Mai in Kolomenskaja – der ehemaligen Sommerresidenz des Zarens und da ist es auf alle Fälle sehr schön. Der Park ist nicht vom Konsum überlastet und die Reklameposter fehlen ganz. So viele Parkanlagen es auch hier geben mag, schön sind nicht alle. Meistens reiht sich ein Imbisswürfel an den anderen und der Lärm der Achterbahn und sonstiger anderer „Vergnügungsgeräte“ vertriebt die Lust am Park. Oft dröht auch unschöne laute Musik aus irgendwelchen Lautsprechern und ich frage mich, was daran erholsam sein soll. Aber in Kolomenskaja gab es vorallem eins – viel Wiese.

 

 

 

Der Ausblick geht Richtung Süden der Stadt und man bekommt erstmal einen Eindruck wie groß Moskau eigentlich ist. Vom Zentrum fährt sind es einige Metrostationen bis zum Park und trotzdem hat man das Gefühl, dass man noch ganz weit in der Stadt drin ist. Mein Lieblingsausblick ist aber gleich bei mir um die Ecke – also so ungefähr 3 Kilometer zu Fuß. Die „Sperlingsberge“ geben den besten Blick auf Moskua frei und jeder ergötzt sich auf der Plattform über das schöne Moskau und während einem auf der einen Seite das erwartet,

 

 

 

tummeln sich hinter einem Eisstände, Souvenirverkäufer und sämtliche andere Ess- und Trinkgelegenheiten.

 

 

 

 

 

Aber davon sollte sich in Moskau niemand beirren lassen, immerhin ist das Standartprogramm.

Zum Schluss noch eine ganz fürchterliche Entdeckung, die mich jeden Tag wieder zum Kopfschütteln anregt:

Bügeleisen, Bügelbrett und noch mehr mit Bügel…das ist, was das russische Frauenherz begehrt. Und wehe wenn nicht…mir wurde neulich auch vorgeworfen, das wir Frauen aus dem Westen alle viel zu feministisch wären und das ist ja wohl keine schöne Eigenschaft (O-Ton Mann: I don’t like this!) . Nö stimmt- ich mag das auch nicht, vorallem wenn mein „Nein“ schon als äußert emanizipiert angesehen wird. Zurück zum Plakatt – bei mir regt sich leider nichts in Richtung Freude wenn ich ein heißes Eisen und Wäscheberge sehe und ich denke, dass das vielen anderen genauso geht. Aber immerhin erklärt dies das doch noch recht tradierte Bild von „Wie es zu sein hat“. Meine Gastbabuschka spürt auch, dass ich so gewisse Probleme mit „fraulichem“ Ordnungsverständnis habe, aber sie hat sich schon langsam daran gewöhnt, dass ihr Knopf (mein neuer Spitzname) eher zu chaotischen Aufbewahrungs- und Ordnungsidealen neigt. Aus Liebe durfte ich heute deswegen eine ganze Schüssel Buchweizen mit Milch auslöffeln und ich sage euch, dass will ich nie wieder…Deswegen begebe ich mich jetzt in einen Park mit viel Eis und wenn ich heute Abend zurückkomme, dann erwartet mich immer dieser die fantastische Kreuzung aus Lenin und Lomonossov:

2 Gedanken zu „Überschrift

  1. Ach, ob Textverständnis, Sprachverständnis oder Menschenverständnis – alles nur halb so wichtig, wenn der Ohrwurm an der richtigen Stelle sitzt!

  2. Jetzt lieb ich nicht nur Majakowskij, sondern auch sein Guten-Morgen-Lied! Ich versteh zwar nicht im entferntesten, worum es darin geht, aber das hat den Ohrwurm nicht aufgehalten, als er in mein Ohr gekrabbelt ist. Ein Hoch auf das Frollein Kulturbotschafterin!

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