Moskau Off-Topic

Ich habe geostert und mich wunderbar vor der Großstadt versteckt. Am Donnerstag bin ich mit dem Nachtzug in den Norden nach Welikij Nowgorod gefahren und habe Russland fernab von Metro und Metropole genossen. Doch beginnen wir bei der Hinreise. Der Zug – ein allseits beliebtes Vorbewegungsmittel in Russland, denn die Dimensionen von Zeit und Raum sind hier ein wenig anders. Ich sollte mir deshalb unbedingt meine deutsche Denkweise für Distanzen abgewöhnen, dann werden meine Bemerkungen wie „He, lass doch ein Auto mieten und an den Baikalsee fahren“ nicht mehr belächelt (der Baikalsee liegt 4500 km entfernt von hier und ein russisches Sprichwort besagt, dass es in Russland nur zwei Probleme gibt: Straßen und Idioten). Also sollte ich lieber zügig denken…

Im Zug nach Nowgorod: die erste Herausforderung lag schon im Beziehen des Bettes. Clevere Leute wissen zwischen Matratze und Zudeckbett zu unterscheiden – ich nicht. Deswegen wollte ich meine Matratze in die Bettwäsche eintüten und sie zum Zudecken benutzen, nur gab es irgendwie zwei Bettlacken, so dass ich leicht überfordert war. Ein kurzer Blick zu meiner Bettgegenüberschläferin zeigte mir aber, dass ich AUF der Matratze schlafen sollte und nicht unter ihr – logisch, irgendwie. Zu meiner Verteidigung muss ich jedoch sagen, dass die Matratze zusammengerollt und ein Kissen beinhaltend auf dem Zugbett lag, so dass eine Verwechselung Matratze-Decke durchaus möglich ist. Nach längerem hin- und her hab ich aber auch das hinbekommen und versuchte anschließend in einen acht Stunden Schlaf zu verfallen. Leider ist mein Zugschlafgen nicht so ausgeprägt und am Morgen überraschte mich mein Gesicht mit einem Anblick, den ich absolut nicht gutheißen konnte. Absolut verbeult bin ich schließlich um 6.15 Uhr aus dem Zug gefallen und habe gleich 10 Minuten später den „Guten Morgen Humor“ meiner russischen Mitmenschen zu spüren bekommen. Leider habe ich aber für Scherze am Morgen absolut nichts übrig, erst recht nicht wenn ich äußerlich Vitali Klitschko ähnele. Das hat der Witzbold dann auch schnell mitbekommen und hat mich auf die Frage nach dem Weg ins Zentrum einfach in die falsche Richtung geschickt (das fand er wahrscheinlich auch sehr komisch). Aber mit jedem gelaufenen Meter wuchs mein morgendlicher Tatendrang und so fragte ich mich bis zum Kreml durch. Bis Mittag um 12 Uhr hatte ich dann die ganze Stadt auch mindestens dreimal abgelaufen (die Geschäfte öffnen erst 10 Uhr und ich war ja schon seit dem Morgengrauen in der Kleinstadt, was also zu tun außer laufen?) und legte mich irgendwo auf einer Bank in der Sonne zum Schlafen. Nach einer kurzen Erholung ging es dann in die Schule zu Jan-Philipp (ihn hab ich eigentlich in Nowgorod besucht) und dort musste ich mit Entsetzen feststellen, dass es keine Klotüren auf den Schülertoiletten gibt. Aber ich sollte beginnen Andersartigkeiten nicht mehr zu hinterfragen, dann muss ich mich wenigstens auch nicht mehr darüber aufregen, dass die Waschmaschinen hier im Moskauer Gefängnis nachmittags halb vier nicht waschen (Der Grund für das Nicht-Funktionieren der Maschine liegt darin, dass ich die Sprache nicht verstehe. Dies wurde mir zumindest vorhin vorgeworfen, aber ich denke, dass ich hier mehr als nur die Sprache nicht verstehe, besonders nicht die Gründe für bestimmte Handlungsweisen). Zurück zu Nowgorod:

Nowgorod wird auch als die Heimat von Russland bezeichnet, denn immerhin ist es die älteste Stadt hier im Lande. Deswegen gibt es hier natürlich auch die älteste Straße und die sieht ungefähr so aus:

Doch nicht nur das hab ich in Nowgorod gelernt, sondern auch, dass man sich bei vielen Menschen zuhause fühlen kann. Ich habe bei einem wunderbaren jungen Ehepaar Couchsurfing gemacht und ein absolutes Gegenbeispiel für die Moskauer Kühle erhalten, die zumindest in der Öffentlichkeit herrscht. Ich wurde mit Gummibärchentüten überschüttet und die beiden haben mir als Ostergeschenk wunderbare Ohrringe gebastelt. Auch waren sie zu jedem Blödsinn bereit und haben ihre Eltern mit in meinen Monibesuch eingebunden, so dass wir ein persönliches Taxi überall hin hatten (ich kann die Straßenbedingungen einfach nur unterstreichen). Auch scheint Nowgorod mit seinen 200 000 Einwohnern eine sehr angenehme Größe zu besitzen. Mit Bussen, die mehr oder minder regelmäßig fahren, gelangt man schnell von A nach B und innerhalb von 15 Minuten ist auch die Wildnis/Pampa erreicht. Sehr herrlich, deswegen hier ein paar Fotos:

            

Nowgorod ist auch bekannt wegen seiner vielen Kirchen. Ich glaube, so viele Kuppeln habe ich noch nie in meinem Leben in so einer kleinen Stadt gesehen. Früher gab es angeblich doppelt soviel und ich denke, die Stadt hat nur aus Mönchen und Nonnen bestanden. Heute gibt es immerhin ein Kino ;o)

Zurück in Moskau: es regnet in Strömen und die Autoritäten spielen ihre Macht aus. Dass ich als des russischen nicht wirklich mächtiger Mensch im Universitätschor singen möchte, hat den Wachtmenschen unheimlich erheitert und ihn natürlich dazu bewegt, mich NICHT in das Unigebäude zu lassen. Sowieso verstehe ich die Einlasspolitik der meisten Einrichtungen hier eher weniger und das eine universitäre Einrichtung ein Ort der Bildung für alle sein sollte, wird hier anscheinend auch anders gesehen.

Um in Moskau oder Russland nicht zu verzweifeln, hilft nur Humor und jetzt versteh ich auch, warum dieser bei den Menschen bereits am frühen Morgen beginnt.

Ein Gedanke zu „Moskau Off-Topic

  1. Moni das war mal wieder ein sehr informativer und höchst amüsnater Bericht deinerseits! Daumen hoch für die tollen Aufnahmen! Wir senden dir auch nachträglich die liebsten Ostergrüße vom Osterbunny.

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