Punk Bolognese

Wagemutig wie ich bin, habe ich mich in die dröhnenden Tiefen Moskaus gestürzt und natürlich viele spannende und vor allem ungewöhnliche Dinge entdeckt. Aber beginnen wir beim musikalischen Urknall, der in jedem Land gleich zu sein scheint: wenn das Licht ausgeht, fängt die Musik an! Wahnsinn, oder? Ein bisschen Heimat hat der Mensch also überall und wenn ihn schon die Musik alleine nicht glücklich machen kann, dann wenigstens das altbekannte Dimmen des Lichtes.

Ich wusste also wenn das Licht ausgeht, wird es Ernst. Also schnell die kleinen Fäustchen ausgepackt und in Tanzposition gesprungen. Als dann ein riesiger Kuschelhund auf die Bühne gerannt kam und die Meute lauthals losjubelte, war es absolut egal auf welchem Kontinent der Erde ich mich befand. Natürlich hab ich das Geschrei des Sängers nicht verstanden, aber das ist bei Ska-Punk ja auch nicht wirklich elementar. Schon beim aller ersten Lied hat sich so ein Pogokreis gebildet (keine Ahnung wie das spezifische Wort dafür ist) und die tobende Menge ist aufeinander zu gerannt. Auch das ist ein bekanntes Bild, allerdings haben das meine russichen Skafreunde bei jedem Lied mindestens drei Mal gemacht. Das ist auf Dauer wirklich anstrengend und geht sehr auf die Arme ;o) Aber nicht nur den ewig währenden Pogokreis fand ich sehr irritierend, sondern auch die Tatsache, dass sich aus der Punk Bolognese eine Polonaise formte – surreal. Man stelle sich vor, dass sich die Herren von Distemper (so hieß übrigens die Band – ein Urgestein der Moskauer Skapunkszene) auf der Bühne einen abschrammeln und mehr als dreiviertel der Gäste machen eine Polonaise durch den Saal. Sehr gewöhnungsbedürftiges Bild…ebenfalls gewöhnungsbedürftig war die VIP-Lounge. Neben den ganzen biertrinkenden und vom Tanzen verschwitzten Menschen saßen, von einem hellen Zaun abgesperrt, Häppchen essend die Gäste mit doppeltem Ticketpreis und haben ihre Hüften leicht im Rhythmus gewippt. Da es diesen Bereich anscheinend hier in jedem größeren Club gibt, ist das wahrscheinlich kein seltener Anblick, aber ich fand es ähnlich unwirklich wie die Polonaise. Zum Glück war das Licht aber aus und ich wusste, wo ich bin und auch meine Ellenbogen waren sich ihrer Tätigkeit im Klaren…

Größere Identitätsprobleme hatte ich dann auf meiner musikalischen Erkundungstour am Sonntag. Im Bolshoi-Theater wurde „Der Rosenkavalier“ von Strauss aufgeführt und ich muss schon sagen, so viel Gold hab ich noch nie in meinem ganzen Leben gesehen – einen weißen Bechsteinflügel ebenso wenig.

Hier haben wir gesessen:

Also hier hätten wir fast gesessen. Leider hab ich meine Metrodrängelkünste nicht ganz unter Beweis stellen können – meine Schuhe waren auch ein bisschen schmutzig. Deswegen wurde es eine Etage weiter unten. Dafür habe ich aber den schwebenden Kronleuchter vor mir gehabt:

Ein schwebender Kronleuchter - genauso magic wie ich ;o)

Aber ich habe ja noch nichts zum Stück gesagt. Wir waren zur Generalprobe, aber eigentlich war es wie die Uraufführung, denn das gesamte Theater war voll (bis auf die Präsidentenloge, s.o.) und die Oper wurde komplett durchgespielt. Auch ist es die aller erste Oper von Strauss, die jemals in Russland aufgeführt wird. Das war schon ein bisschen sehr beeindruckend. Insgesamt dreieinhalb Stunden hat das ganze gedauert und ich habe materiell gesehen, noch nie eine Oper in der Art erlebt. Die Bühnenbilder waren der Wahnsinn, ebenso die Kostüme. Aber wenn ein Theater innen drinnen fast ganz vergoldet ist, dann muss natürlich auch ein entsprechendes Ambiente am Ort des Geschehens her. Im dritten Akt gab es sogar eine Geisterbahn auf der Bühne und ich wäre schon gerne eine Runde mitgefahren…aber selbst das erste Szenenbild reicht um sich das Ausmaß vorzustellen.

Alles in allem eine sehr geniale Sache, allerdings hat die Chips essende Omi neben mir etwas gestört – hätte es nicht eine leise Banane sein können? Aber auch wenn die Oper auf deutsch war, verstanden hab ich nicht so viel. Zudem waren manche Passagen auf österreichisch und so was ist meinem sächsischen Ohr sehr unbekannt. Ich versteh ja echt viel, aber da hat es aufgehört mit dem Verständnis. Vielleicht lag dies aber auch an dem c“‘ – wer weiß das schon genau.

Zum Schluss der obligatorische Tipp: Wer am Metro Eingang nicht vergisst seine Karte an den Piepser zu halten, ist auch nicht darüber verwundert, dass die Tür nicht aufgeht. Alles klar?

Und noch etwas, ich habe das schönste Arschgeweih der Welt gesehen – ein Fahrrad. Wenn also diese fantastischen Weggefährten schon nicht Moskaus Straßen schmücken, dann wenigstens den Steiß mancher Menschen. In diesem Sinne – Gute Fahrt!

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