Heute: Abflug.

Heute letzter Tag in Argentinien, aber nicht letzter Tag dieses Blogs: Eine Woche hab ich noch, um fleißig weiterzuschreiben =)

Mit einem lachenden und einem weinenden Auge sitz ich hier, tippe diese Zeilen und warte, bis der Rest aufsteht, wir frühstücken und dann zum Flughafen fahren.

Jetzt ist es vorbei. U N G L A U B L I C H. Alle haben gesagt, die Zeit vergeht so schnell… Ich bin nie überzeugt von dem, was mir Andere erzählen, wenn ich´s nicht selbst erlebt hab. Aber jetzt muss ich zugeben: Sie hatten Recht. Mit gemischten Gefühlen geht es bald wieder Richtung Heimat.

Was ich auf jeden Fall sehr vermissen werde:

– Die Lockerheit, Ausgelassenheit, diese bestimmte Art, einfach mal wild auf der Straße oder im Gang in der Schule herumzuschreien, sich zu freuen oder jemandem so laut ein Geburtstagsständchen zu singen, dass auch die fünfhundert Personen im näheren Umkreis von einem Kilometer Bescheid wissen.

– Eine Nation voller Nationalstolz. Die Deutschen könnten sich ruhig ein bisschen was abschauen und glücklicher und zufriedener sein mit dem, was Deutschland ausmacht. Alle haben ihre Fehler, Macken, Probleme und Schwächen… aber, hey, im Großen und Ganzen…

– Meine Mädels vom Bikegym und den Sport selber. Das war mein Ausgleich, mein fixes Freizeitprogramm, mein Anschluss zu Gleichaltrigen, immer eine Stunde, in der ich – obwohl ich unter Leuten war – für mich war. Definitiv eins der Dinge, die mir von Moreno am meisten fehlen werden.

– Auch ganz weit vorne auf meiner Liste: Meinen täglichen Gang zur verdulería meines Vertrauens. Auf jeden Fall besser als das unpersönliche Eingekaufe im Supermarkt in Deutschland.

– Lachende Augen, die meinen Namen schreien und mich freundlich grüßen

– Die lieben Menschen, die mir geholfen haben, die meine Zeit zu etwas Besonderem gemacht und mir unvergessliche Erinnerungen beschert haben. Ich bin ihnen unendlich dankbar und wünsche ihnen, dass sie, wenn sie im Ausland sind, auch auf offene Türen treffen.

– Buenos Aires. Die Stadt ist verrückt, schön, groß, irre, laut, nervig, faszinierend, dreckig, arm, reich, glamurös, hektisch, verstopft, chaotisch,… Eine Geschichte für sich. Was für ein Gegensatz mich jetzt erwartet: Finningen ich komme. Werden es wohl vier oder fünf Tage sein, bis ich mir denke: „Oh Mann, aber in Bs As könnt ich jetzt…“

Aber ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich mich nicht auch auf daheim freue – besonders nämlich auf:

– All die lieben Menschen, die auf mich warten. Ich sag´s mal auf Argentinisch: LOS AMO <3.

– Frische Luft und saubere Straßen.

– Die Sicherheit, die bei uns herrscht.

– Ruhe vom täglich nicht abreißenden Lärmpegel und von den Menschenmassen. Ich als Provinztier bin manchmal an meine Belastungsgrenzen gestoßen. Bei allzu großen, dauerhaften Menschenansammlungen war ich manchmal kurz davor, mein Gegenüber oder Nebenan zu fragen, was er hier eigtl. macht – ich will doch allein sein.

– Unser Essen: In den 24 Stunden nach meiner Landung möchte ich mindestens zu mir nehmen: Einen Liter echten Kaffee, ein Kilo echten Jogurt (bitte Gropper), ein Kilo echten Käse (verschiedene Sorten, wenn möglich), ein Kilo Dinkelbrot, siebzehn Butterbrezen, irgendwas Warmes von Mama (Paprikaschoten?!?). In diesem Sinne: See you behind my bauch 😉

Wie gesagt: Nicht die letzte Meldung in diesem Blog, nur die letzte aus Argentinien. Ich schuld euch ja noch Einiges.

Graffiti

Graffiti kann hässlich und anstößlich, sinnfrei und dumm, unverständlich und seltsam, aber auch provokant und intelligent, gewitzt und einleuchtend, schön und berührend sein.

Hier in Moreno sind besonders viele Wände beschmiert, bekleckst, bemalt.

Gestern hab ich eins gesehen, das mir bisher noch nie aufgefallen ist, obwohl ich jeden Tag auf dem Heimweg daran vorbei komm. Eigentlich ist es nur ein Schriftzug:

El espacio donde se vive la infancia deja huellas en la vida.

(Der Raum, wo man seine Kindheit verbringt, hinterlässt Spuren im Leben.)

Diese Worte sind sicher keine weltbewegende neue wissenschaftliche Erkenntnis. Aber es ist sehr schön, das einfach mal so mitten in der Stadt an einer Mauer zu lesen… Wenn man das sicherlich auch so (der Eine bewusst, der Andere eher irgendwo im Unterbewusstsein) schon weiß, aber im Ausland merkt doch immer besonders, wer man ist, wie man ist und warum…

Straßencharts #3

Unter den inoffiziellen TOP FÜNF der Straßencharts von Moreno ist auch Labios compartidos von Maná. Das heißt „geteilte Lippen“… also die Lippen, die man sich leider mit jemand anderem teilen muss…  Das Lied ist zwar nicht neu, aber es läuft nach wie vor ständig. Danke Maná!

Und noch was: Am Wochenende hab ich mir von der Gruppe Tonimontaña eine CD gekauft. Die standen bzw. hüpften in Bs As auf der Straße rum, haben gefeiert und total witzige Musik gemacht. In etwa so, wie in dem verlinkten Video hier. Fand ich cool. Die CD ist OK. Live waren sie – wie das leider meistens so ist – deutlich besser, weil beeindruckender. Auf der CD bringen sie einfach die gute Laune und alles nicht so rüber. Alles klingt viel ruhiger und unspektakulärer…

Voll der Müll!

Es ist mal wieder Monatsanfang, aber die Story vom Anstehen am Geldautomat usw. wiederholt sich langsam, also fass ich mich kurz: Same Precedure as every year, oder so! =)
Daran hab ich mich schon gewöhnt. Aber es gibt andere Neuigkeiten. Und zwar habe ich am Wochenende mal wieder meinen Foto in Buenos Aires dabei gehabt und ein bisschen rumfotografiert. Am Samstag hab ich ja immer an der UBA (Universidad de Buenos Aires) meinen Portugiesisch-Kurs (Daumen hoch!!! Nur Samba tanzen kann ich noch nicht ;))…Hier eine kleine Kostprobe, was wir so in Portugiesisch machen bzw. wie wir lernen: http://www.youtube.com/watch?v=czDA0EH0Q4A&feature=youtu.be

Und nachmittags spazier ich dann immer durch die Gegend und schau mir was an. Dieses Mal war ich am Überlegen, ob ich mir an der Reserva Ecólogica am Río de la Plata (von der hatte ich am Anfang schon mal geschrieben, als wir nen Sonntagsausflug dahin gemacht haben) ein Radl ausleihen soll und bissl rumfahr. Hab ich dann aber nicht gemacht. Hatte mehr Lust, einfach ein bisschen zu fotografieren… und zwar die tausend Gegensätze, die diese Stadt ausmachen: alt-neu, jung-alt, schön-hässlich, toll-traurig, groß-klein,…

Hier also einfach ein paar Fotos.

Blick auf die Reserva

A Vogerl

Da hinten liegt La Boca

Der schiefe Blick

Imbiss-Buden gibt´s wie Sand am Meer

Hoch hinaus...

A anders Vogerl

An der Promenade sitzen und irgendwas mit FLEISCH essen =)

A schattigs Platzerl

achja, einkaufen...

Die Orangen angefahren?

Autos I

Schnell noch was essen...

Autos II

wie gesagt: Sand/Meer und sooo

Der is doch noch grün hinter den Ohren

Wenn der Benz bremst, brennt das Benz-Bremslicht.

Und mit Fotos mach ich auch weiter. Nämlich mit einem Nachtrag zu den Fotos aus Moreno, von denen es ja letzte Woche schon mal ein paar gab. Das soll dann gleichzeitig Überleitung zum eigentlichen Grund sein, warum ich schreibe: Moreno und meine Schule…

Auf meinem Weg zur Schule

Beide brummen...

Noch ein Haus

Hier ist der Gehweg befestigt. Da, wo ich wohne, nicht.

Bunter Herbst

Wenn er noch ein bisschen zunimmt...

Ich hatte ja neulich einen ziemlichen Durchhänger. Da hab ich ja von der Müllsituation hier geschrieben und meine Gedanken dazu geäußert.
Da will ich jetzt was anfügen, denn die letzten Tage sind wir mit unserem Müllprojekt in der Schule doch ein bisschen vorangekommen und ich hab vieles gelernt, was ich hier nicht verschweigen will… So muss man das, was ich in dem Artikel meines Tiefs geschrieben habe, vielleicht nochmal in einem andern Licht sehen.

Mit einer Lehrerin, der das Thema Müll und Umwelterziehung auch am Herzen liegt, habe ich ein Interview mit den Putzfrauen („porteras„) der Schule geführt. Hintergrund: Wir hatten mit den verschiedenen Parteien an der Schule (Schüler, Lehrer, Rektoren, Eltern und Reinigungspersonal) eine Umfrage gemacht und sie zu ihrer Meinung und ihrem Wissen zum Thema Müll befragt, um mehr oder weniger eine Ahnung zu haben, was der aktuelle Stand ist und wo wir ansetzen können.

Die Putzfrauen hatten die Fragen so beantwortet, dass sie uns nicht weiterhalfen, weil sie alle voneinander abgeschrieben hatten und wir so im Endeffekt eine einzige Meinung hatten. Daher haben wir beschlossen, direkt mit ihnen zu reden. Sie sind immerhin diejenigen, die am meisten vom Müll, der in der Schule produziert wird, wissen.
In diesem Gespräch ist herausgekommen, dass das wichtigste Problem, das wir lösen müssen, gar nicht direkt in der Schule ist, sondern draußen. Und deswegen schreibe ich hier auch drüber: Die Putzfrauen bringen abends, wenn die Schule rum ist, die Müllsäcke raus, weil die Müllabfuhr – wenn sie kommt – nachts kommt.

Jetzt gibt es aber Leute, die mit Müll ihr Geld verdienen. Das heißt, diese Menschen kommen dann und leeren die Säcke aus, um im Müll nach Plastikflaschen, nach weißem Papier (ist viel mehr wert als Zeitungspapier) oder was auch immer, zu suchen. Manche haben auch schlicht Hunger. In einer Schulkantine landet halt schon mal ein halbes Sandwich oder eine halbe Flasche Cola im Müll. Andere wiederum wollen einfach nur die großen schwarzen Müllsäcke haben… Diese Menschen warten abends – so die Putzfrauen – teils schon darauf, dass die Müllsäcke auf die Straße gelegt werden, damit sie sie durchsuchen können.

Und am nächsten Morgen schaut es dann vor Schule aus, wie wenn eine Bombe eingeschlagen hätte. Das heißt: Alles nochmal zusammenkehren, in Säcke packen, damit der Eingang wieder sauber ist. Das ist sehr undankbar. Aber was sollen die Putzfrauen machen? Sie können die Müllsäcke ja nicht in der Schule stapeln…

Und jetzt kommt das, was ich eigentlich sagen will: Bei uns an der Schule gibt es jemanden, der den Müll, der über Nacht in der Gegend verteilt wurde, wieder einsammelt. Aber an den meisten anderen Orten, wo der Müll auch durchsucht wird, macht das keiner. Und genau deswegen liegt so viel rum…

Wie wir das Ganze an der Schule lösen? Das kommt auf. Wir wollen ja die Mülltrennung einführen und bemühen uns gerade darum, Unternehmen zu finden, die den Müll getrennt abholen können. Momentan landet alles in einem Sack, alles gemischt. Wie auch immer, es wird nicht einfach. Am Donnerstag haben wir jetzt mal Termin bei so einer Firma hier in der Nähe. Mal schauen, welche Art Müll die uns abnehmen würden. Hoffentlich können die morgens kommen, so dass man den Müll vom Vortag direkt rausbringen kann und die porteras nicht immer doppelte Arbeit haben. Allerdings ist das Ganze ein höchst komplexes Thema, denn man muss ja auch bedenken, dass manche Menschen (die sog. „cartoneros“, die oft mit einem Pferd und einem kleinen Anhänger unterwegs sind) auf den Müll angewiesen sind. All das sollte man auch nicht vergessen.

Am Donnerstag kann ich leider nicht dabei sein, denn mein kulturweit-Zwischenseminar geht ja schon am kommenden Mittwoch an. Aber ich bleib am Ball. Zum Zwischenseminar muss ich übrigens nach Villa General Belgrano, sowas wie Little Germany/Austria/Switzerland. Aber dazu dann ein anderes Mal!

Einfach abgedrückt…

… in Moreno.

Inzwischen hat mein Handy nun den Kampf gegen den Wackelkontakt endgültig verloren: Ich kann den Akku nicht mehr aufladen, denn, wenn ich das Netzteil anschließe, passiert gar nix. Das heißt ich bin ohne subtile Fotografier-Möglichkeit (übrigens auch ohne Wecker). Ich wollte aber gerne noch ein paar mehr Alltagsfotos machen, denn bisher gab´s ja größtenteils Fotos von anderen Orten/ Ausflügen.

Also hab ich letzte Woche doch (gewagt?!) meinen normalen Foto mit in die Arbeit genommen und auf meinem Weg zur Schule einfach mal hier und da abgedrückt. Mit dem Handy ging das immer Ruck-Zuck: Zack, Handy gezückt, abgedrückt und Handy zurück in die Jackentasche. Hier in Moreno gibt es nicht so viele Touris wie in Bs As, die ständig alles fotografieren. Dementsprechend bin ich mit meinem Foto in der Hand dann auch aufgefallen =)

Auf dem Weg zu meiner Bushaltestelle

Autowerkstatt nebenan

An der Kreuzung vorne rechts: Meine Bushalte

Moreno in der Früh

Asphalt-Deko "Zebrastreifen"

Baustelle

Nachschub! ALFAJOOOORES!

noch alles dicht

Links in der Panchería gibt´s Hot Dogs

Einer der Gründe, warum ich zum Teilzeit-Vegetarier mutiert bin...

Im Land der "galletitas": Kekse en masse

In die Apotheke rein fotografiert

Schaut überall gleich aus

(Bus-)Bahnhof

Sportläden gibt´s total viele

Und Alle so: "Was bitte fotografiert die?"

Zu den Gleisen (Bahnhof)

Hinten (Mitte), wo der Bus steht: Meine Bushalte im Zentrum, um wieder heim zu kommen

Hab ich schon erwähnt, dass ich ein bisschen aufgefallen bin? =)

Bahnschranken

O´gmauld

Gute Zeiten, schlechte Zeiten

Tage wie dieser sind nicht für Blogeinträge gemacht. Warum ich trotzdem einen schreibe?
Ich hab ein dringendes Mitteilungsbedürfnis, kein Mensch ist in Skype und mit der Wand reden ist irgendwie auch komisch. Außerdem soll das hier ja auch kein Blog voller aufgehübschter Erzählungen und Reiseberichte werden. Ein möglichst authentisches Bild von meiner Zeit hier entsteht erst aus der Summe einer Vielzahl unterschiedlicher Erlebnisse und Eindrücke. Dazu gehören auch die weniger tollen.

Heute also der Durchhänger.

An Tagen wie diesem sieht man die Dinge in anderem Licht. Was an guten Tagen, wenn ich selbst glücklich und zufrieden bin, wie die Leichtigkeit und die Unbekümmertheit des Lebens wirkt, kann mir an anderen Tagen, an denen ich mich irgendwie neutral fühle, wie Machtlosigkeit und Bescheidenheit vorkommen. An miesen Tagen, an denen mich alles einfach nur nervt, kommt es mir wie pure Gleichgültigkeit und noch irgendetwas anderes, das ich nicht definieren kann, vor.

Manchmal denke ich, es ist so schön und bewundernswert, so unbekümmert zu sein, das Leben leicht zu nehmen, sich nicht so viele Sorgen um Kleinigkeiten zu machen und vor allem im Hier und Jetzt zu leben. Manchmal denke ich, dass viele Menschen sich wohl teilweise machtlos fühlen und daher mit dem zufrieden sind, was sie haben. Manchmal aber kommt es mir so vor, wie wenn sich alle einfach nur in einem Sud aus Gleichgültigkeit, Abgeschlagenheit, Faulheit und Desinteresse an allem und der Welt treiben lassen. Ich weiß, das klingt böse, aber ich verstehe Manches einfach nicht.

Der "Gehweg" auf meinem täglichen Weg zur Bushaltestelle

Auf dem gleichen "Gehweg", 100 Meter von meinem Haus entfernt. Hier gehen täglich zig Menschen vorbei. Nebenan spielen kleine Kinder. Mein bisher grausigster Anblick: Eine stinkende Hunde-Leiche, die von anderen Straßenhunden gefressen wird. Aber auch dieser Anblick gehört zur Realität.

Wieso werfen die Menschen ihren Müll weg, wo sie stehen und gehen?

Wieso scheint es so vielen schlicht EGAL zu sein, dass es rund um sie herum dreckig ist und stinkt?

Da kommt keiner und räumt auf! Das Naherholungsgebiet hier in der Nähe heißt Grünstreifen an der Autobahn. Da herrscht vor allem am Sonntagnachmittag reges Treiben: Picknick, Fußball spielen, Radfahren, Drachen steigen lassen, was man halt am Sonntagnachmittag so macht – und alles inmitten vom Müll. Wenn ich an einem Ort sein möchte, wieso passe ich dann nicht auf ihn auf? Wieso lerne ich meinem Kind nicht, dass man Müll nicht einfach wegschmeißt, sondern lache es an und gebe ihm auch noch meinen Müll, damit es ihn aus dem Fenster werfen kann?

Weil ich es selbst nie gelernt habe?

Ist das wirklich ein Argument? Wenn der Mensch nie mehr gelernt hätte als die jeweilige Elterngeneration von ihren Eltern vermittelt bekommen hat, wären wir dann da, wo wir heute sind?

Oder wären wir noch in der Steinzeit?

Die Konstruktion der hiesigen "Mülltonnen", der Wind und die hungrigen Straßenhunde, die immer auf der Suche nach etwas Essbarem sind und deswegen die Müllsäcke aufreißen, tun ihr Übriges, dass überall Müll verstreut liegt.

Das Ergebnis sieht dann so aus.

Das Thema Müll beschäftigt mich. Deswegen mache ich an meiner Schule bei dem Projekt Usá la Basura, das wir zusammen mit der Stiftung Manos Verdes aus Buenos Aires aufziehen wollen, mit. Ziel ist es, den Müll in unserer Schule zu trennen und die Umwelterziehung als festen Bestandteil in die Lehrpläne zu integrieren. Wir stehen noch ganz am Anfang, haben erst im März angefangen, aber es liegt mir echt am Herzen. Dazu habe ich auch im kulturweit-Newsletter einen kleinen Beitrag geschrieben… Hoffentlich geht da was!

PS: Ich habe doch länger überlegt, ob ich diesen Artikel veröffentlichen kann. Am Ende habe ich mich dafür entschieden. Da dieser Beitrag ja doch recht persönlich und emotionsgeladen ist, zum Schluss noch ein kleiner Hinweis: Es geht um MEINE Erlebnisse, in Moreno (ARG), die ICH gerade (April/Mai 2012) in MEINER Gastfamilie und in MEINEM Alltag mache. Es geht nicht um Verallgemeinerungen a là die Argentnier-die Deutschen. Es geht lediglich darum, dass manche Sachen, die ich erlebe und beobachte, nicht mit meinem Grundverständnis übereinstimmen. Ich will hier niemanden angreifen. Ich schildere aus MEINER Perspektive – auch ein Stück weit, um das Ganze ein bisschen zu verdauen.

Eine Zugfahrt, die ist lustig, eine Zugfahrt, die macht Spaß…

Mal wieder ein Samstag auf Reisen, mal wieder ein Samstag in der großen Stadt, mal wieder ein Samstag ohne Ausschlafen, Faulenzen, Nichtstun… Und, vor allem, mal wieder ein Samstag im Zug… Der übliche Wahnsinn!

Die Fahrt im Zug, dem berüchtigten Sarmiento alias Fleischtransport alias Massenmenschen-Transport, ist jedes Mal wieder ein Erlebnis. Die Tasche fest umklammert oder den Rucksack vor den Bauch gepanzert, quellen erst die ganzen Menschen, die aus Richtung Once (Bahnhof in Bs As) kommen, raus… und dann besteigen die, die nach Once wollen/müssen, in einer Mischung aus drücken und gedrückt werden, den Zug. Mein Glück ist nur, dass Moreno der Endbahnhof ist. Das heißt, wenn ich einsteige, ist der Zug leer. Meistens bin ich schnell und bekomme auch einen Sitzplatz. Wer an anderen Stationen zusteigt, hat eher Pech, außer er hat mind. ein Kind dabei, dann steht irgendjemand auf und räumt den Sitzplatz.

An Bord wird´s nie langweilig. Es gibt allerhand zu sehen, zu hören und vor allem zu kaufen: Von Socken, über Kaugummis, Kekse, Schokolade, Englischbücher, über DVDs und CDs, über Plastikhüllen, Collegeblöcke, Stifte, Taschenlampen, Lupen, Haargummis… Eigentlich so ziemlich alles. Abwechselnd kommen die laufenden Händler nacheinander in jeden Wagon… Mir scheppern die Ohren und mittlerweile kann ich ihre Texte schon so gut, dass ich selber heiß ins Geschäft einsteigen könnte. Eine kleine Kostprobe? Gerne! Wenn ich´s aufschreibe, dann geht´s vielleicht aus meinem Kopf…

„Buenos, pero muuuuy buenos días, señores y señoras. Antes de todo les pido disculpas por las molestias. Les voy a robar tan sólo tres minutitos de su tiempo. Hoy les traigo la lupa de cristal. Para la dama, para el caballero, para el escolar, para el estudiante. Para toda aquella persona que quiera leer mapas, contratos, textos con letra chica. La lupa de cristal. Diez pesos es lo que vale en librerías. Hoy y únicamente hoy para ustedes señores y señoras, se la voy a dejar en tan sólo cinco pesos, na´más. Pueden mirar, pueden revisar, sin compromiso. La lupa de cristal. Cinco pesos es lo que vale. Cinco pesitos, na´más.”

“Hay alfajooooores triples. Alfajores triiiiiiiiples. Hoy es para aprovechar. Un paquete vale dos, tres valen cincooooo. Uno dos, tres cinco. Para aprovechaaaar, señores y señoras, para llevar a casa, para regalar, para degustar en el viajeeeee.”

“Panchooooooooooooooooooooooooooooo! Panchooooooooooooooooooooooooooooo! Panchoooooooooooooooooooooo!” Der Text der Hotdog-Verkäufer ist am einfachsten. Aber man muss ein bestimmtes musikalisches Gespür mitbringen, um die für den erfolgreichen Verkauf nötige Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen: Die Aussprache und Betonung des Os, das kurz vor dem Atemholen in ein U übergeht, muss sich sirenenartig ans Wortende verschieben.

Blub, Bla und so weiter. Ein Spektakel der besonderen Art =) Mein Kopf brummt. Meine Sinne sind überstrapaziert und das, obwohl ich immer nur samstags nach Capital fahre. Ich will nicht wissen, wie es unter der Woche zugeht! 🙂

Handy-Fotos

Endlich konnte ich die Fotos, die sich mit der Zeit auf meinem sehr in Mitleidenschaft gezogenen hochmodernen Handy angesammelt haben, auf den Computer ziehen. Ich habe den Kampf gegen den Wackelkontakt endlich gewonnen. Schon lange wollte ich auch mal ein paar Fotos von Moreno und dem Alltag hier reinstellen. Hier also ungeschönt und ungeordnet.

Warten auf den Bus 57 (Once,Bs As, nach Moreno)

Aus dem Bus fotografiert

Eine weitere beliebige Straßenecke

So offen sind die Fenster in der U-Bahn in Buenos Aires

Aufräumarbeiten nach dem Sturm

Viele Kabel wurden von herabfallenden Ästen in Mitleidenschaft gezogen

Sie hängen seither einfach so rum...

... auch auf Augenhöhe (Paso del Rey, 14.04.12)

In Paso del Rey ist mehr passiert

Anstehen, warten und Tasche festhalten

Eine Schlange vor einem Geldautomat

Immer schön in Reih und Glied

Nochmal warten

Eine weitere Schlange an derselben Kreuzung

Rechts: An dieser Kreuzung gibt es an jeder Ecke die Möglichkeit sich anzustellen

Es fährt, solange es fährt

Eine von vielen Bushaltestellen

Immer schön die Hand rausstrecken, wenn man will, dass der Bus anhält und einen mitnimmt. Macht man das nicht, fährt er einfach vorbei. Hier gibt es so viele colectivos (Busse) und jeder hat seine Route. Sehr viele Menschen fahren jeden Tag Bus. Wenn jeder Bus jeder Linie immer an jeder Bushaltestelle anhalten würde, auch wenn keiner der Wartenden Zeichen gibt, dann Mahlzeit =)

Der Pausenhof in der Primaria

Eine meiner Lieblingsphrasen: Fuera de servicio

Und schon wieder Pech mit den Geldautomaten

(K)ein Tornado

Das Thema bleibt der Sturm. Heute war ich in der Schule und es war wieder Unterricht. Zwar nicht normal, aber es waren – wenn auch nicht alle – Schüler und Lehrer da. Alle hatten enormen Redebedarf. Vielen geht es gut, viele sind sehr müde, weil sie am Wochenende aufgeräumt haben, viele haben kein Licht, Wasser, Internet, Telefon, Fernsehen und bekommen daher nichts von außen mit.

Jeder hat seine Geschichte und DIE Frage heute war: „Und bei dir daheim?“ Ja, heute wurde hauptsächlich geredet, denn alle wollen sich austauschen, sind verunsichert, verärgert, verzweifelt, traurig – manche auch lustig und unbeschwert, weil sie nach Bariloche auf Abschlussfahrt gehen.
Es ist schwer, alles zu beschreiben. Ich will aber auf jeden Fall ein bisschen von meinem Tag erzählen, die Fotos vom Ostertrip müssen warten!

Heute Morgen schien alles mehr oder weniger normal. Es waren weniger Schüler gekommen, aber es fand Unterricht statt. Alle Prüfungen für diese Woche waren abgesagt und die Lehrer haben auch mit den Schülern gesprochen, wenn Redebedarf war. Manche Kinder kamen ganz besorgt in den Unterricht: „Ich hab meine Hausaufgaben nicht machen können, unser Dach fehlt und ich schlafe gerade bei meinem Opa.“ So oder so ähnlich. Dafür hatte heute jeder Verständnis. Von den Lehrern sind ja auch manche recht betroffen.
Nicht alle, die hier arbeiten und zur Schule gehen, wohnen auch in Moreno. Manche kommen aus Ituzaingó, Merlo… Dort war es teils auch wirklich schlimm. Wie schon beschrieben, gab es einzelne Straßen, in denen nicht passiert  ist, außer ein paar umgeknickten Zweigen. Aber in anderen Teilen muss es wie im Film gewesen sein. Teilweise haben die Leute anscheinend ihre Stühle und andere Dinge, wie Waschmaschinen, auf den Bäumen wieder gefunden.
Viele Häuser hier haben Dächer aus einer Art Wellblech, das sich der Wind geholt hat. In Ituzaingó waren davon viele betroffen. Die Menschen sind dann losgezogen und haben ihr (rotes oder grünes oder wie auch immer) Dach gesucht. Teilweise haben sie es wieder gefunden, teils nicht.

Ob es nun ein Tornado war oder irgendein anderes komisches und seltenes Wetterphänomen, sei dahingestellt. Ich bin kein Metereologe und ich hab das alles hier auch nicht selber erlebt. Es war auf jeden Fall wild für das, wie die Häuser gebaut sind.
Zu den meist gehörten Sätzen heute gehörte auch: „Dieses Land ist auf so etwas nicht vorbereitet.“ Die Menschen wissen nicht, wie sie mit der Situation umgehen sollen und befürchten, dass es Jahre dauern wird, bis sie sich wieder davon erholt haben, vor allem aus finanzieller Sicht, denn es ist sehr teuer, alles zu reparieren.

Das mit den Preisen ist eine andere Geschichte: Alle horten Wasser und Kerzen, es gibt dann kein Wasser und keine Kerzen, warum auch immer. Die Preise sind verrückt. Die Leute brauchen die Dinge und bezahlen welchen Preis auch immer. Bei uns hier ist das Wasser auch etwas teurer als vorher, aber manche sagen, dass die sechs Liter Wasser, die normal zwischen 10 und 12 Pesos kosten, bei ihnen 50 Pesos kosten. Genauso mit den Kerzen (20 statt 2 Pesos) und den Generatoren (3000 oder mehr Pesos statt 1500).

Ich erzähle hier Ausschnitte von dem, was ich heute gehört habe. Ich bezweifle nicht, dass das ein oder andere Detail im Laufe wiederholter Erzählungen oder aufgrund des Schocks dazu erfunden wurde. Ich selbst habe es nicht erlebt, finde es aber wichtig, dass darüber gesprochen wird. Die Leute hier fühlen sich nämlich auch im Stich gelassen. Eine Frau hat zum Beispiel einen Kameramann vom Fernsehen bei ihr in der Nähe gesehen, der irgendwas Unbedeutendes gefilmt hat, während nebenan Chaos pur herrschte. Auf die Frage, wieso er nicht da drüben filmt, meinte er, er habe die Anweisung, den kleinsten Schaden zu zeigen. Die Leute denken, dass man die Nachrichten am Anfang zurückhalten wollte, damit man nicht sieht, wie groß das Ausmaß ist.

Das sind alles Spekulationen, aber wenn man das hört, dann fragt man sich schon Sachen… Genauso auch, dass viel gestohlen und eingebrochen wird. Ich selbst habe nichts mitbekommen, aber alle sind verunsichert und vorsichtig. Deswegen war der Unterricht heute Nachmittag auch schon nicht mehr ganz so normal. Nach und nach kamen immer mehr besorgte Eltern und haben ihre Kinder direkt aus dem Unterricht geholt, um sie mit nachhause zu nehmen. Im Zentrum von Moreno, so hieß es, haben sie nämlich die Straßen abgesperrt und protestiert, damit ihnen Wasser gebracht wird und ihr Licht gerichtet wird. Ich habe nichts gesehen. Normalerweise nehme ich den Bus in der Nähe vom Bahnhof. Aber mir wurde empfohlen, lieber nicht allein heim zu gehen… und nicht den Bus zu nehmen, weil er bestimmt nicht ankommt, weil die Straße gesperrt wurde. Ich hab mich dann umgehört und eine Frau, die auch in der Schule arbeitet, hat uns mit dem Auto mitgenommen und ganz Nähe von unserem Haus abgesetzt.

Mittlerweile ist es ganz ruhig auf der Straße. Irgendwie sind alle daheim. Auch wenn es teils Panikmache ist, will doch keiner einfach so sorglos durch die Gegend laufen… Und die Sirenen der Feuerwehr und Polizei gehen auch die ganze Zeit. Tja, ansonsten ist bei mir eigtl. alles wie immer, aber auch doch nicht: Heute Abend sind wir hier daheim – nur, dass drei von fünf Leuten um halb neun immer noch nicht heimgekommen sind, obwohl sie normal schon um sechs daheim sind. Naja, sie werden wohl irgendwo steckengeblieben sein. Ich halt euch auf dem Laufenden.

Ausnahmezustand in Moreno

Am Mittwochabend hat hier in Moreno gegen 20 Uhr ein Tornado gewuetet.

Daher herrscht momentan Ausnahmezustand. Es geht – Gott sei Dank – allen gut und es ist nichts Schlimmeres passiert. Auf das andere Haus auf unserem Grundstueck ist ein Baum gefallen. Verletzt wurde hier bei mir niemand.

Momentan gibt es kein Telefon und kein Internet bei mir daheim (Ich bin im Internetcafe). Seit Freitag geht immerhin Licht und Wasser wieder.

Ich wollte euch nur kurz informieren, in Deutschland kam davon – soweit ich weiss – nichts an. Es geht mir gut. Ich kann mich gerade eben nur nicht so oft melden, weil ich ein bisschen abgeschnitten bin. Mal sehen, wie lange die Aufraeum- und Reparaturarbeiten dauern. Auf der Strasse und den Grundstuecken liegen immer noch lauter Baueme kreuz und quer. Teils wurden ganze Haeuser vom Wind abgedeckt oder von herabfallenden Aesten zweigeteilt.

Die Zugverbindungen gehen mittlerweile wieder… Naja, war jedenfalls echt wild.

Ob ich morgen ganz normal arbeite, weiss ich momentan nicht, denn von der Schule ist ein Maedchen umgekommen und der Schulfhof ist scheinbar auch verwuestet. Ich war noch nicht dort. Ich melde mich wieder.

Trotz frohe Ostern euch allen! Esst ein Stueck Osterlamm und ein paar Eier fuer mich mit (Hab meine verschenkt! Soll dir Danke sagen, Mama! =) Die Eier kamen TOP an :))