Heute: Abflug.

Heute letzter Tag in Argentinien, aber nicht letzter Tag dieses Blogs: Eine Woche hab ich noch, um fleißig weiterzuschreiben =)

Mit einem lachenden und einem weinenden Auge sitz ich hier, tippe diese Zeilen und warte, bis der Rest aufsteht, wir frühstücken und dann zum Flughafen fahren.

Jetzt ist es vorbei. U N G L A U B L I C H. Alle haben gesagt, die Zeit vergeht so schnell… Ich bin nie überzeugt von dem, was mir Andere erzählen, wenn ich´s nicht selbst erlebt hab. Aber jetzt muss ich zugeben: Sie hatten Recht. Mit gemischten Gefühlen geht es bald wieder Richtung Heimat.

Was ich auf jeden Fall sehr vermissen werde:

– Die Lockerheit, Ausgelassenheit, diese bestimmte Art, einfach mal wild auf der Straße oder im Gang in der Schule herumzuschreien, sich zu freuen oder jemandem so laut ein Geburtstagsständchen zu singen, dass auch die fünfhundert Personen im näheren Umkreis von einem Kilometer Bescheid wissen.

– Eine Nation voller Nationalstolz. Die Deutschen könnten sich ruhig ein bisschen was abschauen und glücklicher und zufriedener sein mit dem, was Deutschland ausmacht. Alle haben ihre Fehler, Macken, Probleme und Schwächen… aber, hey, im Großen und Ganzen…

– Meine Mädels vom Bikegym und den Sport selber. Das war mein Ausgleich, mein fixes Freizeitprogramm, mein Anschluss zu Gleichaltrigen, immer eine Stunde, in der ich – obwohl ich unter Leuten war – für mich war. Definitiv eins der Dinge, die mir von Moreno am meisten fehlen werden.

– Auch ganz weit vorne auf meiner Liste: Meinen täglichen Gang zur verdulería meines Vertrauens. Auf jeden Fall besser als das unpersönliche Eingekaufe im Supermarkt in Deutschland.

– Lachende Augen, die meinen Namen schreien und mich freundlich grüßen

– Die lieben Menschen, die mir geholfen haben, die meine Zeit zu etwas Besonderem gemacht und mir unvergessliche Erinnerungen beschert haben. Ich bin ihnen unendlich dankbar und wünsche ihnen, dass sie, wenn sie im Ausland sind, auch auf offene Türen treffen.

– Buenos Aires. Die Stadt ist verrückt, schön, groß, irre, laut, nervig, faszinierend, dreckig, arm, reich, glamurös, hektisch, verstopft, chaotisch,… Eine Geschichte für sich. Was für ein Gegensatz mich jetzt erwartet: Finningen ich komme. Werden es wohl vier oder fünf Tage sein, bis ich mir denke: „Oh Mann, aber in Bs As könnt ich jetzt…“

Aber ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich mich nicht auch auf daheim freue – besonders nämlich auf:

– All die lieben Menschen, die auf mich warten. Ich sag´s mal auf Argentinisch: LOS AMO <3.

– Frische Luft und saubere Straßen.

– Die Sicherheit, die bei uns herrscht.

– Ruhe vom täglich nicht abreißenden Lärmpegel und von den Menschenmassen. Ich als Provinztier bin manchmal an meine Belastungsgrenzen gestoßen. Bei allzu großen, dauerhaften Menschenansammlungen war ich manchmal kurz davor, mein Gegenüber oder Nebenan zu fragen, was er hier eigtl. macht – ich will doch allein sein.

– Unser Essen: In den 24 Stunden nach meiner Landung möchte ich mindestens zu mir nehmen: Einen Liter echten Kaffee, ein Kilo echten Jogurt (bitte Gropper), ein Kilo echten Käse (verschiedene Sorten, wenn möglich), ein Kilo Dinkelbrot, siebzehn Butterbrezen, irgendwas Warmes von Mama (Paprikaschoten?!?). In diesem Sinne: See you behind my bauch 😉

Wie gesagt: Nicht die letzte Meldung in diesem Blog, nur die letzte aus Argentinien. Ich schuld euch ja noch Einiges.

Gute Zeiten, schlechte Zeiten

Tage wie dieser sind nicht für Blogeinträge gemacht. Warum ich trotzdem einen schreibe?
Ich hab ein dringendes Mitteilungsbedürfnis, kein Mensch ist in Skype und mit der Wand reden ist irgendwie auch komisch. Außerdem soll das hier ja auch kein Blog voller aufgehübschter Erzählungen und Reiseberichte werden. Ein möglichst authentisches Bild von meiner Zeit hier entsteht erst aus der Summe einer Vielzahl unterschiedlicher Erlebnisse und Eindrücke. Dazu gehören auch die weniger tollen.

Heute also der Durchhänger.

An Tagen wie diesem sieht man die Dinge in anderem Licht. Was an guten Tagen, wenn ich selbst glücklich und zufrieden bin, wie die Leichtigkeit und die Unbekümmertheit des Lebens wirkt, kann mir an anderen Tagen, an denen ich mich irgendwie neutral fühle, wie Machtlosigkeit und Bescheidenheit vorkommen. An miesen Tagen, an denen mich alles einfach nur nervt, kommt es mir wie pure Gleichgültigkeit und noch irgendetwas anderes, das ich nicht definieren kann, vor.

Manchmal denke ich, es ist so schön und bewundernswert, so unbekümmert zu sein, das Leben leicht zu nehmen, sich nicht so viele Sorgen um Kleinigkeiten zu machen und vor allem im Hier und Jetzt zu leben. Manchmal denke ich, dass viele Menschen sich wohl teilweise machtlos fühlen und daher mit dem zufrieden sind, was sie haben. Manchmal aber kommt es mir so vor, wie wenn sich alle einfach nur in einem Sud aus Gleichgültigkeit, Abgeschlagenheit, Faulheit und Desinteresse an allem und der Welt treiben lassen. Ich weiß, das klingt böse, aber ich verstehe Manches einfach nicht.

Der "Gehweg" auf meinem täglichen Weg zur Bushaltestelle

Auf dem gleichen "Gehweg", 100 Meter von meinem Haus entfernt. Hier gehen täglich zig Menschen vorbei. Nebenan spielen kleine Kinder. Mein bisher grausigster Anblick: Eine stinkende Hunde-Leiche, die von anderen Straßenhunden gefressen wird. Aber auch dieser Anblick gehört zur Realität.

Wieso werfen die Menschen ihren Müll weg, wo sie stehen und gehen?

Wieso scheint es so vielen schlicht EGAL zu sein, dass es rund um sie herum dreckig ist und stinkt?

Da kommt keiner und räumt auf! Das Naherholungsgebiet hier in der Nähe heißt Grünstreifen an der Autobahn. Da herrscht vor allem am Sonntagnachmittag reges Treiben: Picknick, Fußball spielen, Radfahren, Drachen steigen lassen, was man halt am Sonntagnachmittag so macht – und alles inmitten vom Müll. Wenn ich an einem Ort sein möchte, wieso passe ich dann nicht auf ihn auf? Wieso lerne ich meinem Kind nicht, dass man Müll nicht einfach wegschmeißt, sondern lache es an und gebe ihm auch noch meinen Müll, damit es ihn aus dem Fenster werfen kann?

Weil ich es selbst nie gelernt habe?

Ist das wirklich ein Argument? Wenn der Mensch nie mehr gelernt hätte als die jeweilige Elterngeneration von ihren Eltern vermittelt bekommen hat, wären wir dann da, wo wir heute sind?

Oder wären wir noch in der Steinzeit?

Die Konstruktion der hiesigen "Mülltonnen", der Wind und die hungrigen Straßenhunde, die immer auf der Suche nach etwas Essbarem sind und deswegen die Müllsäcke aufreißen, tun ihr Übriges, dass überall Müll verstreut liegt.

Das Ergebnis sieht dann so aus.

Das Thema Müll beschäftigt mich. Deswegen mache ich an meiner Schule bei dem Projekt Usá la Basura, das wir zusammen mit der Stiftung Manos Verdes aus Buenos Aires aufziehen wollen, mit. Ziel ist es, den Müll in unserer Schule zu trennen und die Umwelterziehung als festen Bestandteil in die Lehrpläne zu integrieren. Wir stehen noch ganz am Anfang, haben erst im März angefangen, aber es liegt mir echt am Herzen. Dazu habe ich auch im kulturweit-Newsletter einen kleinen Beitrag geschrieben… Hoffentlich geht da was!

PS: Ich habe doch länger überlegt, ob ich diesen Artikel veröffentlichen kann. Am Ende habe ich mich dafür entschieden. Da dieser Beitrag ja doch recht persönlich und emotionsgeladen ist, zum Schluss noch ein kleiner Hinweis: Es geht um MEINE Erlebnisse, in Moreno (ARG), die ICH gerade (April/Mai 2012) in MEINER Gastfamilie und in MEINEM Alltag mache. Es geht nicht um Verallgemeinerungen a là die Argentnier-die Deutschen. Es geht lediglich darum, dass manche Sachen, die ich erlebe und beobachte, nicht mit meinem Grundverständnis übereinstimmen. Ich will hier niemanden angreifen. Ich schildere aus MEINER Perspektive – auch ein Stück weit, um das Ganze ein bisschen zu verdauen.