Heid han i da Weil

Mittlerweile – seit Montag – bin ich ja wieder zurück in Deutschland. Gleich am Mittwoch hat schon das kulturweit-Nachbereitungsseminar am Werbellinsee angefangen. Seit meiner Landung haben mich die alltäglichsten Dinge total geflasht, ich habe mich auf einer gefühlsmäßigen Berg- und Talfahrt befunden.

Inzwischen fühle ich mich immerhin so, als wäre ich tatsächlich schon in Deutschland gelandet.

Auch wenn mein Geist noch ein bisschen hinterherhinkt, wird es so langsam Zeit, das Ganze hier zu einem Ende zu bringen. Im Moment hab i da Weil. Nutze die Gunst der Stunde, han i mir denkt, um ein paar abschließende Worte zu finden. Gerade eben habe ich schon den überfälligen Artikel über meine Winterferien veröffentlicht. Leider habe ich es ja nicht mehr geschafft, über all das zu schreiben, was ich interessant  gefunden hätte. Das ist schade, aber mei…

Vielleicht darf ich ja schon viel früher als ich denke wieder irgendwo einen Blog schreiben – mich würd´s jedenfalls freuen.

In diesem Sinne: Es war mir eine Ehre. Nicht ganz ohne Wehmut sag ich: Ade!

Alfajores – eine Studie

Ok, gelogen. Der Titel ist falsch. Zumindest halb. Wenn man etwas studiert, dann befasst man sich intensiv damit, man setzt sich mit einem Thema auseinander, beleuchtet es von verschiedenen Seiten, denkt darüber nach, lernt es im Optimalfall sowohl in der Theorie als auch in der Praxis kennen.

Das hier ist eher ein persönlicher Eindruck, eine nicht ganz neutrale Bewertung. Meine traumatischen ersten Geschmackserlebnisse und die daraus resultierende Abneigung gegen Alfajores führen zu einem nur kümmerlich ausgeprägten Erfahrungsschatz: Um größere Übel abzuwenden wurde die praktische Experimentierphase, in der exakt drei Alfajores degustiert wurden, vorzeitig abgebrochen…

Zum Mitschreiben: Ganz am Anfang wurde mir ein Alfajor geschenkt. Er war als Spezialität angepriesen worden. Nicht ganz ohne Vorahnung (er war doch verdächtig klebrig) biss ich, die doch sogar bei der ansonsten absolut tadellosen, Eins-A-Bilderbuch-Weincreme-Torte von meiner Oma die Zuckerglasur abkratzt, in das runde Ding hinein… Ein Biss war genug Zucker für die folgenden zwei Wochen.

Mein Alfajor Nummer zwei folgte lange später, irgendwann Mitte Mai: Auf dem Zwischenseminar in Villa General Belgrano. Eines Morgens standen auf unserem Frühstückstisch mehrere Körbe mit Alfajores aus dem Ort – mind. einer für jeden Freiwilligen. Eine nette Geste unserer Gastgeber. Eigentlich wollte ich meinen Alfajor nach Moreno mitnehmen und verschenken. Aber irgendwann hab ich dringend was Süßes gebraucht und es war nix da. Außerdem war ich zugegebenermaßen auch ein bisschen neugierig auf den Geschmack. Die meisten meiner Mit-Freiwilligen waren hin und weg von Alfajores… Vielleicht hatte ich ganz am Anfang einfach einen sehr schlechten probiert… Ja, den VGB-Alfajor hab ich sogar aufgegessen. Ich muss sagen, er war auf jeden Fall viel besser als mein erster (ganz weich der Biskuit und mit Quittenmarmelade statt dulce de leche), aber auch ein Zuckerschock.

Wie so ziemlich überall in ARG, gab es auch in VGB Schaufenster voller Alfajores.

Dann bin ich natürlich übermütig geworden. Wie man das in Argentinien so macht, wenn man unterwegs ist, hatte ich in Córdoba Alfajores gekauft, um meiner Vermieterin auch was vom Zwischenseminar mitzubringen. Jede Gegend macht die Dinger ja ein bisschen anders und es ist einfach so üblich, dass man, wenn man unterwegs ist, den Daheimgebliebenen eine Kostprobe der örtlichen Alfajores mitbringt. Von den Córdoba-Alfajores musste ich dann auch einen probieren. Aber der war so bäh, dass ich beschlossen hab, mich fortan ausschließlich in der Theorie mit diesen süßen Verirrungen zu beschäftigen.

In den meisten Internetquellen hab ich gelesen, dass der Aljfajor ursprünglich von den Arabern nach Spanien gebracht wurde. Fand ich logisch, heißt ja auch AL- fajor.  Es hieß, in vielen Teilen Spaniens, vor allem in Andalusien seien Alfajores nach wie vor sehr beliebt. Das, was in Spanien als Alfajor galt und gilt, besteht u. a. aus Mandeln und Honig und hat vom Aussehen nicht so wirklich was mit dem argentinischen Alfajor zu tun – außer, dass es süß ist und evtl. zwischen zwei Lagen eine Füllung hat (teils Oblate in der spanischen, immer Keks/Biskuit in der argentinischen Version.)

Das ist wahrscheinlich wie mit dem Käse: Parmesan und Mozzarella gibt es ja auch nur einen. Eigentlich. Und trotzdem werden auf der ganzen Welt zig Käse, die absolut nichts mit dem Original zu tun haben, unter dem gleichen Namen verkauft. Mit der Nachfrage, der geographischen Entfernung, dem Einfallsreichtum der Verkäufer und den jeweils vorhandenen Rohstoffen und Techniken wurde da halt scheinbar immer was erfunden, was sich mehr oder weniger gut verkauft. Anders kann ich es mir nicht erklären.

Wie, wann, wo und von wem der argentinische Aljafor jetzt genau erfunden wurde – kein Plan. Das hier soll ja keine Doktorarbeit werden, sondern einfach ein bisschen was über den Alfajor – dieses faszinierende, runde Ding – erzählen. Die Vergangenheit ist eben eins… Die Gegenwart ist aber auf jeden Fall wichtiger: In den Texten, die im www kursieren, hab ich so liebevolle Formulierungen gelesen, wie „wir Argentinier haben den Alfajor adoptiert.“ Oder „der Alfajor hat auf jeden Fall einen kreolischen DNI.“

Ein typischer Süßigkeiten-Laden. Links vorne/Mitte: verschiedene Alfajores (mit Zucker- oder Schokoglasur, ohne Überzug)

Der Alfajor spielt tagtäglich eine überragende Rolle im Leben abertausender Argentinier – als Frühstück, Zwischenmahlzeit, Mittagessen, Dessert, Nachmittagssnack oder Abendessen, wenn nichts anderes da ist (wobei man da schon drei oder so essen muss). 2004 hat eine Statistik angeblich gezeigt, dass in Argentinien 6 Millionen Alfajores pro Tag gegessen werden.

Jorgelín. Nur eine von gefühlt tausend Marken.

Neben den industriellen gibt es natürlich auch die selbstgemachten Alfajores… in jeder Bäckerei/Konditorei, die was auf sich hält.

Mini-Aljajores aus Maismehl.

Was ich unglaublich witzig find: Im argentinischen Nahrungs-Kodex (Artikel 132 oder doch 761???) ist halt echt geregelt, was ein Alfajor ist! Nämlich: „Ein Produkt, das aus zwei oder mehreren Kekschen, Keksen oder  gebackenen Teigschichten, die voneinander mit Füllungen wie Marmelade, Gelee oder anderen Süßigkeiten getrennt sind, besteht, wobei es eine Glasur haben kann.“  Alfajores werden generell in simples (zwei Kekse, eine Füllung) und triples (drei Keksen, zwei Füllungen) aufgeteilt.

Wie ES heißt, weiß ich nicht. Von der Definition her könnte es allerdings auch ein Aljafor sein: zwei KeKsChEn und ein bisschen Füllung. Der Größe nach, dem geschätzten Zucker- und Kaloriengehalt nach könnte es wohl auch als ganze Torte durchgehen…

Isch bin wiedr daaaa…

Hello again!

Jetzt bin ich wieder in Moreno. Gestern aus den Winterferien zurückgekommen – mit tausend neuen Geschichten…
Jetzt geht’s rund =)
Aber vorab noch kurz was anderes – geht ruckzuck… Auf Nachfrage, hier nochmal ein paar so tsch-tsch-tschumm-Lieder:

Siente – J King & Maximan Ft. Ñengo Flow

Que Quieres Me Mi – Ñengo Flow Ft. Gotay

Llegamos A La Disco – Daddy Yankee Ft. Varios

Desde Que Te Vi – J-Alvarez

[Ich kann übrigens weder was dafür, was die in ihren Liedern sagen, noch, was die in ihren Videos machen!]

Und noch ein Hinweis: Es gibt einen neuen Wochenbericht im pasch-net von mir. Gucksch du: Es ist ruhig geworden.

Schlagerparade (Fortsetzung)

Vielleicht sind es doch mehr als nur fünf Lieder, die man immer und immer und immer wieder auf der Straße hört…

Sicher sogar.

Hier kommt das nächste. Heute – ausnahmsweise – mal eine weibliche Stimme: Jesse & Joy, Corre (Lauf).

Wir sind damit bei Lied Nummer fünf angekommen. Das Letzte wird´s aber noch nicht gewesen sein…

Graffiti

Graffiti kann hässlich und anstößlich, sinnfrei und dumm, unverständlich und seltsam, aber auch provokant und intelligent, gewitzt und einleuchtend, schön und berührend sein.

Hier in Moreno sind besonders viele Wände beschmiert, bekleckst, bemalt.

Gestern hab ich eins gesehen, das mir bisher noch nie aufgefallen ist, obwohl ich jeden Tag auf dem Heimweg daran vorbei komm. Eigentlich ist es nur ein Schriftzug:

El espacio donde se vive la infancia deja huellas en la vida.

(Der Raum, wo man seine Kindheit verbringt, hinterlässt Spuren im Leben.)

Diese Worte sind sicher keine weltbewegende neue wissenschaftliche Erkenntnis. Aber es ist sehr schön, das einfach mal so mitten in der Stadt an einer Mauer zu lesen… Wenn man das sicherlich auch so (der Eine bewusst, der Andere eher irgendwo im Unterbewusstsein) schon weiß, aber im Ausland merkt doch immer besonders, wer man ist, wie man ist und warum…

Läggr schmäggr

Um alle Spannung direkt rauszunehmen: Es folgt ein Artikel über positive kulinarische Erlebnisse. Hierin wird unterdurchschnittlich oft von Fleisch und mehrheitlich von Grünzeug die Rede sein.
Had to notice: A verwöhnts deutschs Mägale kommt ned immer ganz so gut mit unterbrochenen Kühlketten beim (Frisch)-Fleisch klar (Klammer wurde hier gesetzt, da Zusatz Definitions- und Ansichtssache). Vor allem nicht, wenn es tendenziell auch eher nicht so gaaanz durchgebraten ist. Besides, Gemüse is auf jeden tastier.

OK, as a starter, have a smoothie. Gucksch du, GRÜN is die Farbe der Saison. Grün, wie Gurke, Minze, Limone.

Gurke-Limone-Minze-Smoothie

Muss ich noch mehr sagen, außer: AAAHHH! * Mampf* ????  [Zufrieden grins]

Aber jetzt will ich hier ja nicht mit Coktails o. ä. aus Bars angeben, sondern vom Essensalltag erzählen. Den Smoothie (Wer hätt´s gedacht!?) hab ich nämlich gar nicht selber gemacht und gönn ich mir ja auch nicht ständig.

Was ich dagegen ziemlich oft mach: Zapallito (Wer erinnert sich an die grünen Kugeln?), Spinat und Mangold. Noch nie hab ich davon so viel gegessen wie hier. Aber meine Gemüsefrau des Vertrauens (sie hat mir noch nie verschimmelte Sachen verkauft, sucht mir immer genau die Größe und den Reifegrad raus, den ich will) hat da immer so schön saftig grüne Lieferungen…

Leider hat mein verhasster Carrefour schon vor geraumer Zeit beschlossen, dass er den guten Ricotta aus dem Sortiment nimmt und nur noch dieses Brösel-Zeug verkauft, das schmeckt wie… Naja, da müsste ich jetzt wieder ausfallend werden, um das passend zu beschreiben.

Achso, und was ich auch noch kurios finde: Empanadas-Füllungen. Empanadas sind kleine Teigtaschen mit Füllung (siehe Titelbild). Normal sind die mit Hackfleisch gefüllt. Wenn man fragt, was denn in den Empanadas drin ist, weil man auf der Suche nach was Fleischlosem ist, dann kommt meistens folgende Aufzählung: Fleisch, Hühnchen (Ist das kein Fleisch?!?), Schinken und Käse, Thunfisch und – ganz selten – Mangold. Die empanadas schmecken meistens ganz passabel bis sehr lecker. Leider habe ich bislang noch KEINE empanada mit herkömmlicher Fleischfüllung gegessen, die mir gut bekommen ist. Mir ist dann immer schlecht. Bei der Hühnchenfüllung hab ich auch ein Problem: und zwar, wenn das Fleisch noch so ein bisschen rosa ist. Könnte man sagen: Wenigstens nicht zu trocken. Aber hierbei möchte ich schlicht auf Absatz eins (*ähm*Kühlkette*) verweisen. Bleiben die anderen drei Varianten, von denen ich ab und zu Mal eine ess. Mein Problem mit den Dingern: Die sind so klein, wie viele von denen muss man denn essen, bis man satt ist? Neben den normalen empanadas, die im Ofen gemacht werden, gibt es auch fritierte. Hab ich noch nie probiert. Es gibt nicht so viele Sachen, die ich echt nicht probieren will, aber die gehören dazu. Der Anblick reicht. Achso, ich war ja bei den leckeren Sachen. Hups, kleiner Ausschweifer… Jetzt weiter im Text.

Da ich sandwich de milanesa, also Schnitzelsemmel, nicht so toll finde, dass ich es mehrmals in der Woche essen muss und die Auswahl in unserer Schulküche ansonsten sehr beschränkt ist, gibt es bei mir, wenn ich mir in der Schule was kaufe, quasi immer eine Portion tarta. Was ist das? Eine tarta sieht von der Form her aus wie ein großer, aber flacher, runder Kuchen. Der gleiche Teig wie für Empanadas wird dafür auch verwendet. Ganz dünn oben und unten eine Schichte Teig und in der Mite die jeweilige Füllung. Und da wird dann eben eine Portion abgeschnitten. Bei uns gibt’s das mit Mais oder Mangold oder Zapallito.

Meine heutige Portion „tarta de zapallito“. Leider mittlerweile (da wir mit dem Umweltprojekt angefangen haben?!?) immer auf Pappteller mit Plastikfolie und Plastikbesteck serviert. Am Anfang gab es immer noch echtes Teller und Besteck…

Wieso kein Fleisch? Ja, die tartas sind quasi fleischfreie Zone. Keine Ahung, wieso. Außerhalb der Schule gibt es auch noch andere Füllungen, z.B. mit Schinken und Käse – nicht zu empfehlen, da ist nämlich echt nix anderes mehr drin und dementsprechend ist das auch ne Bombe.

Manchmal, so wie gestern, kauf ich mir auch in der Früh auf der Straße chipa. Wasn dat nu wieder? Das kommt aus Paraguay, ist ne Art Brot bzw. eher Semmel und echt voll guuuud. Aber, ich hab mir einmal so kleine Bobbels in der Bäckeri gekauft und das hat mir nicht besonders geschmeckt. Wenn ich aber in Moreno bei so ner Frau, die immer auf meinem Schulweg an der Straße steht, chipa mitnimm: Ganz anders. Da schmeckt´s. Ich hab mir mal von nem Taxifahrer sagen lassen, dass die Paraguayer essenstechnisch nichts außer ihrer chipa und der sopa paraguaya (auch echt gut) haben. Sagen wir´s mal so: Außer diesen zwei Sachen kenn ich nichts. Aber um so einer Aussage zuzustimmen, müsste ich da schon erst mal selber hin.

Chipa: Das Gelbe.

Das andere auf dem Foto, links oben, ist übrigens kein Vollkornbrot, sondern dulce de maní, eine Süßigkeit aus Zucker und Erdnuss. Und ja, das schmeckt gut. Bombig, aber gut.

Und weil wir gerade schon bei süß sind: Marmelade aus cayote. Mhm. Muss recht aufwendig sein, die zu machen, aber *mhm*.

Und, grübel, grübel, that´s about it… nada más.

Straßencharts #3

Unter den inoffiziellen TOP FÜNF der Straßencharts von Moreno ist auch Labios compartidos von Maná. Das heißt „geteilte Lippen“… also die Lippen, die man sich leider mit jemand anderem teilen muss…  Das Lied ist zwar nicht neu, aber es läuft nach wie vor ständig. Danke Maná!

Und noch was: Am Wochenende hab ich mir von der Gruppe Tonimontaña eine CD gekauft. Die standen bzw. hüpften in Bs As auf der Straße rum, haben gefeiert und total witzige Musik gemacht. In etwa so, wie in dem verlinkten Video hier. Fand ich cool. Die CD ist OK. Live waren sie – wie das leider meistens so ist – deutlich besser, weil beeindruckender. Auf der CD bringen sie einfach die gute Laune und alles nicht so rüber. Alles klingt viel ruhiger und unspektakulärer…

Cristina

Schwarz – weiß, rechts – links, oben – unten, vorne – hinten…

Es gibt so viele verschiedene Meinungen zur und Sichtweisen auf die Welt, da verschiedene Interessengruppen, Überzeugungen und Prägungen, Erfahrungen, Einkommensschichten, …

Ein Punkt zum Beispiel: Die Regierung.

Momentan ist Cristina Fernández de Kirchner, zum zweiten Mal, Präsidentin. Von 2003 bis 2007 war schon ihr Ehemann, Nestor Kirchner, Präsident.

Neulich beim Friseur hat meine Sitznachbarin mich aufgeklärt: „Mit dieser Regierung geht das ganze Land den Bach runter. Das ist ein Haufen Verbrecher!“ Immer wenn ich mit dem Zug ins Zentrum fahre, dann lese ich Graffitis wie: „Los Kirchner a la cárcel.“ Also: Die Kirchners ins Gefängnis.
In meinem Lonely Planet steht: „Im März 2008 setzte Kirchner die Ausfuhrsteuer für Sojabohnen herauf; Farmer demonstrierten aufgebracht gegen dieses Handelshindernis und blockierten Autobahnen. Die Steuererhöhung wurde kurz darauf stillschweigend zurückgenommen. […] [Sie erließ] eine höchst umstrittene Verfügung zur Zerschlagung der Medienholding Clarín; Journalisten aus diesem Haus hatten sich besonders oft kritisch über ihre Amtsführung ausgelassen.“ (Lonely Planet (2010): Argentinien, S. 43f.)

Schon von mehreren Leuten habe ich gehört, dass die Regierung was gegen die Berichterstattung der Zeitung Clarín hat. Mir wurde gesagt, dass Clarín kritisch berichtet. Es sei manchmal auch zweifelhaft, ob alles exakt so stimme, wie es in Clarín stehe, aber immerhin hinge die Zeitung nicht wie andere an den Lippen der Regierung, sondern hinterfrage auch bestimmte Aspekte kritisch. Ich persönlich will dazu gar keine Meinung abgeben. Kann ich auch nicht, dafür bin ich noch nicht lange genug hier.

Das krasse Gegenteil dazu ist die Meinung eines Markthändlers, mit dem ich mich bestimmt über eine halbe Stunde unterhalten habe. Hier folgt, wie er das Ganze sieht… Eins gleich vorab: Er ist ein absoluter Fan von Cristina.

Endlich geht es mit diesem Land voran. Endlich tut eine Regierung auch etwas für die Armen. Endlich setzt sich jemand für Bildung und Gesundheit ein. Endlich…

Der Mann kam vor 15 Jahren aus Peru. Er sagte, er hat zuvor auch schon in Japan und in Holland gearbeitet. In Argentinien ist er dann hängen geblieben. Er lebt in einem sehr armen Viertel. Am Anfang, als er dorthin zog, gab es kein Abwassersystem, keinen Strom, nichts. Die vorigen Regierungen haben sich immer nur um die Reichen in der Hauptstadt gekümmert, bei den Armen kam nie etwas an. Frühere Regierungen hätten einfach das Land der Menschen verkauft, so dass diese von heute auf Morgen nicht mehr Herr des Bodens waren, auf dem sie wohnten und den sie seit zig Jahren bebauten.

Jetzt mit Cristina sei alles anders. Sie hat das Kindergeld eingeführt. [Ich habe übrigens nichts nachgeprüft, ich gebe alles so wieder, wie er es mir erzählt hat.] Bereits wenn man schwanger ist, kann man monatlich eine Unterstützung von  180 Pesos bekommen. Wenn das Kind dann da ist, hat es bis zu seinem 18ten Geburtstag Anspruch auf dieses Kindergeld. Er meinte, dass Viele sagen, dieses Kindergeld sei falsch, weil die Väter damit Wein kauften. Er sehe das anders, weil ja schließlich die Mütter das Geld bekämen. Und zwar müssten sie nachweisen, dass sie während der Schwangerschaft regelmäßig zur Vorsorgeuntersuchung gehen und später dann, dass ihr Kind alle Impfungen hat und dass es zur Schule geht. Und erst dann bekämen sie das Geld. Also könne der Vater das Geld nicht einfach für Alkohol hernehmen.

In armen Vierteln, wie dem seinen, zahle die Regierung die Hälfte der Gas-, Strom- und Wasserkosten. Wenn man sehr bedürftig ist, baue die Regierung einem sogar ein Haus: Man habe Anspruch auf zwei Zimmer, mit Bad und Küche. Er als Markthändler, ohne festes Geschäft, hat einen kostenlosen Stand, denn die Regierung bezahlt alles, was er braucht: Strom, Licht (Die Stände sind ja auch spät abends noch offen.)

Seit Cristina Präsidentin ist, sagt er, ist das Land viel offener geworden. Anders als in anderen südamerikanischen Ländern dürften nach Argentinien alle kommen, seien es Chilenen, Bolivianer, Peruaner,… Und alle hätten Anspruch auf staatliche Hilfen. Das Land sei außerdem liberaler geworden. Homosexuelle Partnerschaften seien akzeptiert, wenn jemand sich eine Geschlechtsumwandlung machen lassen wollte, dann zahle dafür sogar die Regierung…

Cristina bringe Argentinien voran. Endlich gebe es grundlegende soziale Veränderungen. Und die Leute, also, die Armen, wie er, seien zufrieden mit ihr, nicht umsonst hätte sie bei der letzten Wahl 53 Prozent der Stimmen erhalten.
Diese Meinung wird auch von den – übrigens deutlich mehr – Graffitis wie „Vamos Cristina“ in etwa: „Auf geht´s, Cristina“ unterstützt. [Was aber auffällt: All diese Schriftzüge sehen immer ziemlich gleich aus. Mal von den Farben abgesehen – hellblau und weiß, wie die argentinische Flagge, sind sie alle – ist die Schrift immer gleich.]

Einmal ein Artikel zu einem Feiertag

Feiertage gab´s ja wirklich schon einige, seit ich hier bin. An Ostern war der Gründonnerstag und der Karfreitag frei. Nichts Unbekanntes. Was ich ein bisschen komisch fand: Der Ostermontag ist hier gar kein Feiertag. Am 2. April war der Día de las Malvinas, ein Gedenktag für die im Falkland-Krieg Gefallenen. Der 1. Mai – international – Tag der Arbeit. Und der 25. Mai, Tag der Mai-Revolution, um an den Aufstand gegen Spanien 1810 zu erinnern. In meinen Blog hat´s bisher noch kein Feiertag geschafft. Wie gesagt, BISHER…

Heute ist der Día de la Bandera, also der Tag der Nationalfahne, bzw. Todestag von Manuel Belgrano, der die Flagge entworfen hat. Das bedeutet: Heute ist schulfrei.

Gestern hätten wir eigentlich einen acto, eine Art Aufführung, an der Schule gehabt. Der wurde leider verschoben bzw. gestrichen. Man weiß nicht, was jetzt genau und wieso. Jedenfalls ist das hier – normalerweise – so üblich, wenn ein wichtiger Feiertag ansteht. Bei einem acto wird immer an die Geschichte erinnert und es gibt irgendeine Aufführung.

Auch anlässlich des 25. Mai gab es sowohl in der Primaria als auch in der Secundaria im Pausenhof so einen Festakt. Da wurde dann zusammen die Hymne gesungen, die Geschichte kurz nacherzählt, eine Kapelle spielte, einzelne Klassen führten ihre Tänze auf und auch von außerhalb waren Tänzer eingeladen (Folklore aus Salta – SEHR GENIAL! Argentinien hat nämlich tänzerisch VIEL mehr zu bieten als nur Tango. Und, nein, bei weitem nicht alle Argentinier können toll Tango tanzen). Eine Klasse verkaufte Kuchen und Empanadas. Nicht nur die Schüler selber, sondern auch die Familien durften kommen. Alle bekamen kleine Argentinien-Flaggen, die sie sich stolz auf die Brust steckten. Das war für mich etwas völlig Neues. Total schön. Einfach nur sein Land feiern. In Deutschland geht das ja irgendwie nur zur WM und EM…

Aber zurück zum heutigen Tag: Heute jährt sich der Todestag von Manuel Belgrano zum 192ten Mal. Vor 200 Jahren, am 27. Februar 1812, hat der gute Mann, auch maßgeblich an der Unabhängigkeit Argentiniens beteiligt, in der Stadt Rosario, Provinz Santa Fe, zum ersten Mal das gehisst, was heute die Nationalflagge Argentiniens ist. Belgrano war Intelektueller, Militärführer, Journalist, Anwalt und Politiker. Er hatte in Spanien studiert. Schon mit 23 Jahren, wieder in Bs As, verbesserte er das Bildungswesen, baute Schulen,… Soweit hab ich das mal nachgelesen. Das soll hier aber auch reichen. Wer´s genauer wissen will, schaut z. B. hier.

Jedes argentinische Kind lernt solche Sachen in der Grundschule. Noch was Kurioses: Jeden Tag, wenn die Schule aus ist, grüßen die Kleinen (Grundschule) die bandera
Außerdem gibt es noch viele andere Lieder für, über oder an die Flagge: http://www.me.gov.ar/efeme/20dejunio/canmibandera.html.

Etwas ganz Typisches, was auch an meiner Schule letztes Jahr beim acto gemacht worden ist: Es werden gaaaaaanz viele hellblaue und weiße Stofffetzen gesammelt und die werden dann zu einer Mega-Flagge zusammengenäht. Letztes Jahr sind unsere Schüler beim acto anscheinend mit der Flagge einmal um den Block gezogen. Und dieses Jahr hat eine Klasse unsere Flagge eingepackt und ist nach Rosario zur großen Gedenkfeier gefahren. Da kommt auch die Präsidentin usw. Auch andere Schulen bringen ihre Flaggen mit, die werden alle zusammengenäht und – ja genau – es entsteht eine UUUULTRAAAA-Flagge. Das kommt auch im Fernsehen. Nur schade, dass ich hier keinen habe…

Eigentlich müsste ich…

… jeden Tag einen Artikel schreiben, damit ich das alles hier halbwegs festhalten kann. Stattdessen ist hier ein bisschen der Schludrian reingekommen. Naja, aber ich bin weiterhin am Lernen, Schauen, Gucken, Beobachten, Staunen, mich Wundern – aber ich gelobe Besserung und will mal versuchen, ein bisschen regelmäßiger zu schreiben.

Heute gibt´s mal wieder einen kleinen Einblick in den Schulalltag, und zwar in all die Dinge, die es bei uns – meines Wissens nach – nicht so gibt:

  • porteras: Das sind die Frauen, die Pförtner, Putz- und Aufräumdienst, Aufsicht und Schlüsselservice in Einem sind. Sie haben ihr Büro am Schuleingang. Jeden Morgen sind sie ganz am Anfang da und lassen die Schüler rein. Das Tor muss nämlich immer geschlossen sein. Man kann nicht einfach ein- und ausgehen. Morgens stehen die porteras also an der Türe und warten geduldig, bis alle Schüler gekommen sind. Dann machen sie das Tor zu. Wer dann ein und aus will, muss klingeln. Mittags bzw. abends, wenn der Unterricht vorbei ist, dann wieder dasselbe Spiel.
  • preceptores haben auch Aufsichtspflicht. Sie sind dafür da, dass die Schüler in der Pause auf den Hof gehen und nicht im Klassenzimmer bleiben, sie kontrollieren die Anwesenheit am Anfang jeder Stunde und sie haben die libretas der Schüler. Libretas sind Bücher, über die die Schule mit den Eltern kommuniziert. Wenn es also irgendetwas gibt, was die Eltern wissen müssen, dann wird das in der libreta vermerkt und die preceptores sind dafür zuständig, dass der Schüler seine libreta auch mit heim nimmt. Wenn die Schüler eine Freistunde haben, dann kommt ein preceptor zu ihnen ins Klassenzimmer und sie schauen z. B. einen Film mit ihm an.
  • Schuluniformen: In ganz Argentinien haben die Schüler Uniformen an. An den staatlichen Schulen sind das schlichte weiße Schürzen. Die Escuela Técnica Alemana de Moreno, kurz ETAM, allerdings ist eine private Schule. Unsere Farben für die Uniformen sind grün-gelb für T-shirts und Pullis und grün-rot für Röcke. Hier sind ein paar Fotos, auf denen man die Uniformen sieht: http://deutscheschulemoreno2011.blogspot.com.ar/
  • Stundenpläne sind in unserer Secundaria, also siebte bis zwölfte Klasse, ganz individuell. Das heißt, die Stunden gehen nicht wie bei uns immer gleich lang, sondern können irgendwas zwischen 50 Minuten und zwei Stunden dauern. Ich weiß nicht, woran das liegt… Aber dementsprechend sehen die Stundenpläne halt auch kunterbunt aus. Ein Lehrer fängt z. B. um 13.05 Uhr an, der Andere um 13.10Uhr und der Nächste um 13.20 Uhr. Beim Einen dauert der Unterricht eine Stunde, beim Anderen 70 Minuten, beim Dritten 110. Und in Deutsch zum Beispiel sind auch nicht alle Schüler, die eigentlich in der gleichen Klasse wären, in der gleichen Gruppe, weil sie verschiedene Niveaus haben… was das Ganze dann auch nochmal komplizierter macht. Ich kann mir das auch bis heute noch nicht merken, wann was losgeht, sprich  ich muss immer wieder nachschauen.
  • Sehr viele Lehrer arbeiten außerdem an mindestens zwei Schulen. Das heißt, sie kommen zum Beispiel Dienstag und Donnerstag an die ETAM und sind an den anderen Tagen an einer anderen Schule.

Ja, so isch des. Scho mea was glernt!

Zum Schluss noch was völlig ausm Kontext Gerissenes: ICH VERMISS MEIN FAHRRAD! Und dementsprechend hab ich schon seit ner Woche oder so nen Ohrwurm =)