Merkwürdigkeiten des Alltags – Kunst aus Sauerteig

9 05 2010

Per Zufallsgenerator entstanden: Sauerteigpfütze aufm Tisch weil der kleine definitiv sehr aktiv ist.

Angebissener Apfel? Sanduhr? Nur der Sauerteig weiß es.





Who’ll Stop The Rain?

5 11 2009

[youtube lIPan-rEQJA]

Creedence Clearwater Revival natürlich. Aber egal.

Liebe Clara, du solltest mit deiner Ankündigung recht behalten. Es ist tatsächlich kälter geworden. Viel kälter. Und nasser. Ich habe mich mal bei den Argentiniern umgehört; man erzählt sich, es habe das letzte Mal vor 15 Jahren im November geschneit. Es scheint jedenfalls, dass es von mir aus ein wenig verfrüht war, dir einen vom schönen Sommer hier vorzujubeln. Jedenfalls regnet/schneit es wieder seit einigen Tagen ununterbrochen. Leider ist es zu warm und zu nass, als das irgendetwas davon liegen bleiben würde. Ich habe einmal versucht, dass fotografisch ein wenig zu dokumentieren.

Ansonsten passiert hier das tägliche Leben. Leute kommen und gehen, bleiben stehen, gucken sich um, gehen wieder weiter und so fort. Gekommen ist beispielsweise Lene, unsere neue Praktikantin für den Kindergarten. Aber auch Caitlinn ist seit einigen Wochen an der Schule. Sie ist gebürtige Engländerin, hat aber bisher in den Niederlanden gelebt und dort Deutsch gelernt. Was sie jetzt hier macht ist mir auch nicht so recht klar geworden. Kommen wird außerdem Hannah am Samstag, aber ich fürchte, unsere Pläne fürs gemeinsam Reiten gehen müssen wir über den Haufen werfen. Erstens schneits, als würd sonst die Welt untergehen und zweitens machts dabei auch nich so viel Spaß. Lotte geht es zur Zeit nicht so furchtbar gut, weswegen wir im Privatkrankenhaus waren, welches einfach besser zu erreichen ist als das öffentliche. Nach dem Besuch dort allerdings werde ich mich hüten, jemals wieder über das deutsche Gesundheitssystem zu lästern.
Unser Spanisch macht langsam Fortschritte und das liegt natürlich zum großen Teil an unserer fantastischen Lehrerin Fernanda, die uns beide zusammen für jeweils anderthalb Stunden unter ihre Fittiche nimmt. Erstens spricht sie nicht so ein Kauderwelsch wie die meisten Argentinier, sodass ich sie auch verstehen kann und zweitens freut sie sich jedesmal total darüber, wenn ich etwas richtig mache. Das freut mich dann wieder 😀
Zu guter letzt, liebe Clara, finden natürlich auch meine Kochkünste verstärkten Anklang: Vorgestern habe ich Polenta mit Tomatensoße dazu gemacht und wurde dafür sowohl von Lotte als auch von Lene („Also deine Polenta mit der Soße dazu … kann was!“) gelobt. Damit aber nicht genug. Letztens habe ich für Irene und ihre Familie, die vor einigen Wochen mit Kind und Kegel von Berlin nach hier (ihr Mann wurde in Bariloche geboren) gezogen sind ein leckeres Roggenmischbrot mit Sauerteig gebacken. Ich habs ihrem Sohn Pablo mit in die Schule gebracht. Irene erzählte mir heute, dass es das Brot kaum nach Hause geschafft habe, da sie unterwegs drüber hergefallen wären. Das sagt jetzt entweder was über die hiesige Brotsituation aus oder über meine Backkünste. Ich überlasse es dir, darüber zu urteilen. Nicht dass es nachher heißt, ich brächte die argentinischen Bäcker in Misskredit 😉

Brot mal so.

Und mal von näher dran





Total blogwürdig

30 10 2009

… ist es zwar nicht, aber schließlich will ich euch auch auf dem Laufenden halten, was meine nebenschulischen Tätigkeiten angeht. Hannes, der kleine Bruder vom verstorbenen Erwin, hat mir mein erstes eigenes richtiges Sauerteigbrot beschert. War gar nicht so einfach, denn das Backen mit Sauerteig stellt sich als etwas schwieriger heraus als das mit Hefe. Ich finde dennoch, dass sich das Ergebnis für einen ersten Versuch sehen lassen kann. Leider war ich ein wenig großzügig mit der Zugabe von Sauerteig, sodass das Brot an sich jetzt wirklich sehr kräftich geworden ist. Naja, macht nichts, ich hab ja noch ne ganze Weile hier in Argentinien vor mir, um Ketex‚ Rezepte durchzuprobieren und zu perfektionieren. Wenn Hannah mir nächste Woche ein oder zwei leckere Köstritzer mitbringt (weil hier nicht geben tut), gibt es als nächstes das Schwarzbierbrot.

Die dunkle Farbe ist nicht etwa durch die Zugabe von Schoki entstanden ...

Die dunkle Farbe ist nicht etwa durch die Zugabe von Schoki entstanden ...

... sondern durch die fast ausschließliche Verwendung von VK-Roggenmehl.

... sondern durch die fast ausschließliche Verwendung von VK-Roggenmehl.

Und damit jetzt hier keiner denkt, ich würde meine Tage ausschließlich mit dem Backen von Brot verbringen: Ich muss gleich unbedingt noch einmal Hausputz machen, denn hier sieht es wieder aus wie Sau (weil ich soviel mit Backen beschäftigt war :D). Abgesehen davon sammeln Lotte und ich unsere ersten Erfahrungen darin, was es bedeutet vor einer Klasse zu stehen. Manche Klassen sind trotz ihrer Größe sehr angenehm und man kann dann problemlos mit den Kindern arbeiten, andere Klassen sind halb so groß und doch hat man das Gefühl, jeder zweite sei ein Rabauke. So lernen wir beständig dazu. Auch hat unser Sprachkurs angefangen, sodass wir langsam aber sicher auch erklären können, was wir grade auf Deutsch von uns gegeben haben. Das Geilste überhaupt ist nämlich diese merkwürdig Kopfnick-Dynamik, die in zumindest im Deutschunterricht zu herrschen scheint:

„… also zuerst werden wir diese Geschichte hier lesen, jeder liest dabei einen Satz. Dann basteln wir noch etwas und wenn dann noch Zeit ist, spielen wir ein Spiel. Habt ihr das alles verstanden?“

Allgemeines Kopfnicken zeigt Bestätigung an.

Auf einmal brüllt einer derjenigen, die sehr gut Deutsch können, die komplette Übersetzung dessen, was ich grade erzählt habe, in einem atemberaubenden Tempo durch den Klassenraum und als er bei „… vamos a jugar!“ ankommt, erhellen sich die Mienen und Jubelrufe brechen aus. Manchmal frag ich mich ja schon, ob das Absicht ist 😀

In other news: Die Regenzeit hat (scheinbar) aufgehört! Seit unserem Aufbruch nach Chile vor 8 acht Tagen hat es unaufhörlich „Elefanten geregnet“, wie der lokale Euphemismus ist. Mir hat das nicht sooo arg viel ausgemacht, ich habs viel den Pflanzen nachgetan und mich dran gefreut. Dass heute morgen dann doch mal wieder die Sonne schien, war aber auch schön. Die Temperaturen für die nächsten Tage bewegen sich zwar immer noch in äußerst überschaubaren Grenzen, aber was solls. Hauptsache, ich kann meine Sonnenbrille wieder auspacken 😀

So. Am Sonntag findet das Jubiläum zu 10 Jahren gotitas de esfuerzo statt, also der KiTa-Einrichtung im Armenviertel. Dort werden wir natürlich erscheinen und möglichst eine Spende hinterlassen. Nächstes Wochenende dann kommt Hannah, wir gehen zusammen aufs Hosen-Konzert (wobei mir einfällt, dass ich mir noch dringend sowas wie ne Best-Of besorgen muss, damit ich auch standesgemäß mitgrölen kann) und dann am Sonntag wieder mal reiten (wenn alles nach Plan läuft).





In Gedenken an Erwin

20 10 2009

Erwin, der allseits beliebte Kuschelsauerteig aus heimischer Haltung ist leider einer heimtückischen Tropenkrankheit auf der doch etwas zu heiß eingestellten Heizung zum Opfer gefallen. Seine erste und letzte große Tat soll damit das Roggenvollkornbrot bleiben, dass er sehr schmackhaft versäuert hat.

Ich habe übrigens rausgefunden, wie sich das mit dem Brot hierzulande so verhält: Es gibt einfach keinen Sauerteig hier. Alles wird mit Hefe gebacken, was (wie schon erläutert) dazu führt, dass es hier zwar nachgerade schlaraffige Teilchen zu kaufen gibt, die Brotvielfalt sich jedoch arg in Grenzen hält. Ich werde also meine Sauerteigversuche mit Hannes, Erwins kleinem Bruder, fortführen. Hannes entsteht dann aus einer Trockensicherung des Sauerteigs, die ich klugerweise vor ein paar Tagen gemacht habe. Mal sehen, wie das so wird.

In anderen Neuigkeiten: Am Donnerstag fahren wir wie geplant zum Rockbandwettbewerb deutscher Schulen nach Osorno in Chile. Nachdem gestern um 18.40 Uhr zum ersten Mal die gesamte Band zusammen geprobt hat und wir heute erneut vollzählig versammelt waren kann ich behaupten, dass es zumindest keine volle Blamage werden und es voraussichtlich unglaublich viel Spaß machen wird. Ich melde mich dann wieder aus Rockland Chile 😉





There is no spoon.

16 10 2009

Am Montag und Dienstag bin ich umgezogen und wohne jetzt direkt unter Lotte. Bisher hatte Anja hier gewohnt, nun nenne ich sie mein Eigen. Zuerst wollte ich überhaupt nicht hier einziehen; das Zimmer erschien mir düster und unwohnlich und generell i bäh.

Hier fehlt definitiv noch mehr Wandschmuck.

Dann allerdings ging mir meine Hotelabstellkammer mit der Zeit tierisch auf den Sack – aus genau diesen Gründen. Die war nämlich wirklich üärks. Außerdem stellt sich heraus, dass es unglaublich schwierig ist, eine möblierte Wohnung mit Internet zu bekommen, darüber hinaus noch eine für ein ganzes Jahr und dann dazu möglichst nah am Zentrum – ich bin ja immer zu Fuß unterwegs. Außerdem hat es mir Anja ziemlich leicht gemacht, mich hier wohlzufühlen, indem sie ihren halben Hausrat hier liegen ließ, der z.B. aus Räucherstäbchen, schönen(!) Tellern, einer prall gefüllten Essenskammer und einem knallbunten Regenschirm (vergessen) besteht. Nachdem auch das gewisse Mindestmaß an Unordnung herrscht und ich im Chaos all der mir vertrauten Dinge hocke (merkwürdig, wie man so an Dingen hängen kann), fühle ich mich langsam wirklich wohl. War wohl  nur eine Kopfsache. Wie schon Neo erkennen musste: „There is no spoon.“

Dennoch bleibt einiges zu tun:

  • Glühbirnen austauschen
  • Cinch-Kabel für den Fernseher kaufen#
  • Herausfinden, wie man mehr als ein Rinnsal warmes Wasser aus der Leitung bekommt (mal sehen, ob das irgendwelche Auswirkungen auf meine persönliche Hygiene haben wird 😉 )
  • Kleiderhaken in die Wand donnern
  • Töpfe und Pfannen kaufen
  • größere Backform anschaffen
  • Pfefferstreuer kaufen (einen Salzstreuer in Form eines psychedelisch bemalten Schweinchens habe ich bereits gefunden)
  • von Hand spülen lernen
  • Handtücher kaufen
  • frische Bettwäsche einkaufen sowie
  • nicht bis zur letzten Faser durchgelegene Matratzen organisieren
  • Anjas Sojaschnitzel aufessen
  • einen Riegel an die Tür anbringen, die leider nicht mehr richtig ins Schloß fällt

usw. usf.

Was die Matratzen angeht, so hatte ich auch schon im Hotel derbst durchgelegene gehabt. Gerüchten zufolge ist das hier wohl häufig anzutreffen, da Matratzen gemessen an übrigen Kosten für den Haushalt wohl schweinisch teuer sind. Da muss ich mal nachforschen, bevor wir jetzt alle ein falsches Bild der Schlafsituation Argentiniens haben 😛

Wie man erkennen kann, sind die Wänder jedoch noch ein wenig nackig. Daher fordere ich jetzt höflichst jedermann und jederfrau, die des Lesens und Schreibens mächtig ist auf, mir an folgende Adresse was zum Hängen und/oder erfreuen zu senden:

Timon Traub

Las Piedras 666 (Völliger Ernst!)

8400 San Carlos de Bariloche

ARGENTINA

Bitte keine Wertsachen schicken; Briefe aus dem Ausland werden hin und wieder geöffnet, bevor sie ankommen.

Blick ins Zimmer mit freundlich stimmender Unordnung

Auf den Bildern sieht man übrigens meine bescheidene Behausung (ist klar) sowie die Experimentalbackwerkstatt, die ich mir eingerichtet habe (und für die ich von Lotte immer schmachtende Blicke zugeworfen bekomm, wenn ich ankündige, wieder zu backen). Das hat damit zu tun, dass wir Deutschen ja unglaublich brotverwöhnt sind. Entweder ich habs auf meinen bisherigen Reisen immer verpasst oder es gibt tatsächlich nur wenige Flecken auf dieser Erde, wo man richtig ordentliches Brot bekommt. Oder die deutsche Definition eines „gescheiten Brotes“ ist sehr seltsam. Sei es wie es sei, mit dem hier käuflichen Brot findet man keine Freunde. Entweder es ist Toast (wobei es eine gigantische Auswahl an den verschiedensten Sorten – auch viel Vollkorn – gibt), oder es handelt sich um Baguette. Eine Randerscheinung stellt der Vollkornkonditor am Fuße des Berges hier dar, der auch normales Brot backt. Das allerdings ist ein wenig fad. Sobald ich hier einen leckeren Bäcker finde, melde ich mich wieder. Worauf sich die Argentinier allerdings vorzüglich verstehen, ist die Herstellung von facturas, kleinen (zumeist Hefe-)Teilchen, die süß und unwiderstehlich sind.

Helga, eine der Lehrerinnen bei uns, verstand unser Geklage jedenfalls vollauf und gab mir ein Rezept für Roggenmischbrot auf den Weg – dieses habe ich bereits veröffentlicht und nach einigen Durchläufen noch ein wenig nach Gusto abgeändert.

Backe backe Brot: Hefe, Vollkornmehl, Apfelessig, Sonnenblumenkerne, Haferflocken, 3kg Roggenmehl und mehr Vollkornmehl. Auf der Heizung steht Erwin, der Sauerteig. Irgendwo versteckt sich auch noch ein wenig weißes Mehl.

Derart auf den Geschmack des Backens gekommen (und von Lottes träumerischen Blicken angespornt) entsann ich mich meiner Mama, die großer Sauerteigfan ist. Nach ein bisschen Recherche und Erinnerungen an Aussprüche unserer Ernährungsberaterin stellte ich fest, dass das doch gar nicht sooo schwierig sein könnte.

So also kam Eines zum Anderen und ich setzte mir einen Sauerteig an. Der riecht zwar merkwürdig, aber Forumsberichten nach zu Folge ist „merkwürdig“ viel besser als „schlecht“. Alles Teil des Gärungs- und Verhefungsprozesses. Wer jemals einen Herrmann oder ähnliche Späße herangezüchtet hat, kennt das Prinzip eines Sauerteigs bereits.

Das (noch) mit vielen kahlen weißen Wänden ausgestattete Badezimmer. Hier bist DU gefragt!

Roggenmehl und Wasser in eine Schüssel geben, umrühren, warm stellen, warten. Dann immer brav füttern. Heute (nach 3 Tagen) habe ich nach meiner Rückkehr in mein Häuschen auch artig gefüttert und drei Stunden später (als ich grade dabei war, mein Hefe-Roggenbrot anzumischen) drohte der Sauerteig über den Rand der Schüssel zu treten, da sich das Volumen etwa verdoppelt hatte. Kurz entschlossen entschied ich mich zur Entschärfung der Situation ein wenig Sauerteig ins Roggenbrot reinzugießen. Mehr Triebkraft könnte ja nicht schaden, dachte ich.

Dachte ich.

In der Backform sah auch alles aus wie die Male davor; der Teig füllte die Form bis an den Rand aus und innerhalb von 5 Minuten ging er auch nicht mehr wirklich auf; höchstens noch ein paar Millimeter.

Nach fünf Minuten im Ofen allerdings hatte ich den Salat: Der Teig war aus der Form förmlich herausgeschossen und hatte 50% der Höhe der Form zusätzlich nach oben gewonnen.

Das fertige Ergebnis ist optisch sehr skurril, ich verspreche mir jedoch lecker lecker mjam mjam. Angeschnitten wird erst morgen, wenn es ausgekühlt ist. Lotte werde ich ihren Teil vermutlich einfach vor die Tür legen, damit sie mich nicht vor Begeisterung übers Treppengeländer nach unten schubst oder so. Quatsch, alles nur Spaß 😉

Ich bin bestimmt der einzige Bekloppte, der seinen Bloglesern aus 12500 Kilometern Entfernung derart detailliert übers Brotbacken berichtet.

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