Al Palo

30 06 2010

Ich habe an anderer Stelle schon geschildert, wie es mir mit meinem Deutschsein so geht.

Um einmal aufzuzeigen, wie es auch gehen kann: “La argentinidad al palo” von Bersuit Vergarabat, eine der argentinischsten Bands der Welt mit einem der argentinischsten Lieder Argentiniens.

Man kann sich das Lied hier anhören (und -gucken). Leider scheint das mit dem Einbinden nicht mehr zu funktionieren 🙁

Das Lied stellt in seinen fünfeinhalb Minuten ziemlich kompakt vor, was Argentinien eigentlich so ist. Für mich persönlich jedenfalls. Und die Band wahrscheinlich auch. Es hat Groove, Folkloreeinflüsse (besonders das “Schlagzeugsolo” folgt einem hier viel gehörtem Folkloretakt) und viel Rock (con bolas) – Argentinien ist nämlich kaum zu leugnendes Rocker- und Reggaeland. Der rock nacional hat hier nämlich Vergangenheit, die mit den Beatles anfing und heute bis zu den Divididos (u.a.) zurück verfolgbar ist.

Textlich kriegt man einen Überblick über gängige Argentinienklischees geliefert so wie eine Aufzählung der Skandale und eher unschönen Fälle der jüngeren Vergangenheit. So wie Lukas ein Lied gefunden hat, das für ihn den Vibe Buenos Aires’ perfekt einfängt, habe ich in diesem Land mein Argentinien wiedergefunden: Laut, chaotisch, verrockt, arm und reich, unerträglich süß und ungenießbar bitter – aber meistens sympathisch.

Ich bleibe bei meiner Übersetzung mal relativ nah am Original, es wird so schon schwer genug.

La calle más larga,
el río más ancho,
las minas más lindas del mundo…

el dulce de leche,
el gran colectivo,
alpargatas, soda y alfajores…

las huellas digitales,
los dibujos animados,
las jeringas descartables,
la birome…
la transfusión sanguínea,
el seis a cero a perú,
y muchas otras cosas más…

La argentinidad al palo…
la argentinidad al palo…

Gigantes como el obelisco,
campeones de fútbol,
boxeo y hockey.
locatti, barreda,
monzón y cordera
también, matan por amor.

tanos, gallegos, judíos,
criollos, polacos, indios, negros,
cabecitas… pero con pedigree francés
somos de un lugar
santo y profano a la vez,
mixtura de alta combustión

La argentinidad al palo…
la argentinidad al palo…

Diseminados, y en franca expansión,
hoy nos espera el mundo entero,
no es para menos la coronación,
brota el encanto del suelo argento.

¡vamo´…! ¡vamo´…!

¡y no me vengan con cuentos chinos!
que el che, gardel y maradona
son los number one,
como también lo soy yo,
y argentinos
¡gracias a dios!

diarieros:
también videla y el mundial 78
spadone y la leche adulterada
manzano se hizo la cirugía del orto
descuartizan vacas en el norte.
y siguen los nariguetazos en el congreso
galtieri y „los estamos esperando“.
más desnutridos
en el „granero del mundo“.
cayó la fundación padre bufarra.
alfonsín con „la casa está en orden“
„el que apuesta al dólar pierde“,
dijo el ministro.
también menem y su primer inmundo
cavallo y sus lágrimas de cocodrillo.
cinco presidentes en una semana.
encontraron al muñeco de yabrán
con un tiro en la cabeza.
de la rúa con su tímida boludez…

Pero… ¿qué me vienen a coger
a mí con la pija muerta?
¡yo la tengo mucho mas grande que vos!
a los boludos como vos me los cojo
de parado.
cuando vos fuiste,
yo ya fui y vine… ¡cuarenta veces!
¿cómo no querés que los cague,
si son unos boludos de mierda?
¡son todos una manga de garcas!
¡este país está lleno de ladrones!

¿yo?… ¡argentino!

Como el tiro en el corazón
de favaloro.

Del éxtasis a la agonía
oscila nuestro historial.
podemos ser lo mejor, o también lo peor,
con la misma facilidad.

¡al palo! ¡al palo! ¡al palo!

Die größte Straße
der breiteste Fluss
die schönsten Mädels der Welt

argentinisches Nutella (und doch so viel mehr)
Luxusreisebusse (man frage jegliche KW-Freiwillige)
Was Soda mit Argentinien zu tun hat konnte mir bisher keiner erklären – wohl aber alfajores

Fingerabdrücke (1) (für den Pass, den Perso etc)
animierte Zeichnungen (hä?)
Einwegspritzen (hä?)
Kugelschreiber (eine “argentinische” Erfindung)
Bluttransfusion (hä?)
6:0 gegen Peru (WM 78)
und so manches mehr

”Argentinität” bis zum Äußersten
argentinisch bis zum Extrem (“al palo” hat je nach Auslegung mehr oder weniger starke schmutzige Anklänge)

Giganten wie der Obelisk
Weltmeister im Fussball
Boxen und Hockey
berühmt-berüchtigte Argentinier:
Locatti ist ein Schauspieler,
Roberto Barreda ein Mörder (2),
Carlos Monzón war von ‘70-‘77 Boxweltmeister,
Gustavo Cordera ist der Sänger von Bersuit.

Italiener, Spanier, Juden, Mestizen, Polen, Indios, Schwarze, das “Proletariat” … aber mit französischem Stammbaum (3)

wir kommen von einem Ort
heilig und sündhaft zugleich
eine hochexplosive Mischung

In der Diaspora (4)

uns erwartet heute die ganze Welt
nicht umsonst gekrönt
der Zauber Argentiniens erblüht.

”Hau rein!” “Let’s go” (ganz besonders typische Anfeuerei beim Fussball etc)

Und erzählt mir keine Ammenmärchen

von wegen Che, Gardel (DER Tangomann überhaupt) und Maradona seien die Nummer eins
das bin nämlich auch ich (Bescheidenheit ist keine typisch argentinische Stärke)
und die Argentinier
Gott sei Dank!

In diesem Teil des Liedes hört man Zeitungsverkäufer Schlagzeilen rufen.

Für eine unvollständige Auflistung der Schlagzeilen bzw. Situationen auf die sie anspielen gucke man sich die Fußnoten an.

Videla und die WM 1978 (5)
Spadone und die gepanschte Milch (6)
Nariguetazos (7)
Galtieri und “Sollen sie nur kommen!” (8)
Mehr Unterernährte in der Kornkammer der Welt (9)

”Wer auf den Dollar setzt verliert” (10)

Cavallo und seine Krokodilstränen (11)

Fünf Präsidenten in einer Woche (12)

De la Rúa und seine bescheuerte Feigheit (13)

”Aber warum wollt ihr mich jetzt mit euren toten Schwänzen ficken?”
Auf eine weitere Übersetzung verzichte ich an dieser Stelle einmal – es genüge die Anmerkung, dass die Argentinier im Schimpfen und sich gegenseitig beleidigen wahrhaft kreativ und sowieso Weltmeister sind. Auch das ist Argentinien.

”Dieses Land ist voller Diebe!” – ein oft gehörter Ausruf – oft im Zusammenhang mit Politikern.

Ich? … Argentinier!

Siehe unten. (14)

Zwischen Ekstase und Leid
verläuft unsere Geschichte.
Wir können die Besten und die Schlechtesten sein – alles mit der gleichen Leichtigkeit.

(1) Hier kenne leider nur halbe Geschichten: Während der Militärdiktatur musste man ZU JEDER ZEIT ausweisbar sein, sprich seinen Perso mitschleppen. Abgesehen davon stand das Tragen langer Haare für Männer unter Strafe. Zurück zum Thema: Teil des Personalausweises war anscheinend und ist wohl auch heute noch ein Daumenabdruck. Da findet man auch gar nichts dran, war schon immer so. Weiß jemand mehr?

(2) Roberto Barreda hat ‘92 seine Frau, Töchter und Schwiegermutter umgebracht, wurde ‘95 lebenslänglich inhaftiert und ist seit ‘08 auf freiem Fuß. Führte damals zu einem großen Skandal, weil es in einigen Städten Graffiti gab, auf denen Barreda gelobt wurde. Der machismo lässt grüßen.

(3) Mit dem Aufkommen der Rinder-, Politiker- und Handelsdynastien entstand in Argentinien eine Ober eine Adelsschicht, die immer Richtung Europa blickte. Europa war Kultur, man selber war zu einem Leben in der Kolonie verdammt. Ganz besonders Paris war das Zentrum der Aufmerksamkeit – man wollte als Adliger um jeden Preis Franzose werden. Nicht umsonst wird daher Buenos Aires gerne mal mit Paris verglichen. Ganz abgesehen davon hat natürlich fast jeder hier einen Richtung Europa weisenden Stammbaum. Ein Blick ins Telefonbuch genügt.

(4) Es ist nicht nur unmöglich, im Ausland keinen Deutschen zu begegnen, nein auch Argentinier gibt es überall: “hay argentinos in todos los lugares” ist eine Tatsache. Das ist allerdings weniger der zweifellos vorhandenen Reiselust geschildert als der Tatsache, dass aufgrund Argentiniens wilder Vergangenheit viele ins Exil geflohen sind und dort erst einmal blieben.

(5) Jorge Rafael Videla war der argentinische De-facto-Diktator zwischen ’76 und ’81 und somit der Hauptverantwortliche eines grausamen Überwachungsregimes, das bis heute sichtbare Spuren im Land hinterlassen hat. Die WM ’78 wurde von ihm zu Propagandazwecken genutzt (ähnlich wie die Olympischen Spiele in Berlin 1936) um von den schlimmen Menschenrechtsverletzungen im Land abzulenken.

(6) Carlos Spadone hat ’91 in seiner Funktion als Gesundheitsminister unter Menem annähernd 2000 Tonnen Milchpulver gekauft, von denen knapp 50 schlecht waren. Das an sich ist ja schon merkwürdig genug … wäre es nicht seine eigene Milchfirma gewesen, von der er das Milchpulver kaufte, hätte es vermutlich niemanden interessiert.

(7) „Nariguetazos“ kommt Nariz (Nase) und bezieht sich auf den angeblich exorbitanten Kokainverbrauch im Kongress.

(8) Leopoldo Galtieri war der de-facto-Diktator nach Videla. Er versuchte von seinen innenpolitischen Problemen abzulenken, indem er die Islas Malvinas (dem Rest der Welt als Falklandinseln bekannt) besetzte. Schliesslich gehören die nach argentinischer Auffassung zum argentinischen Staatsgebiet. Nun saßen also die argentinischen Soldaten auf den frisch eroberten Malvinas, Argentinien freute sich aufgrund des Gebietszuwachses und keiner dachte im Traum daran, dass Margaret Thatcher sich dazu entscheiden würde in den Krieg zu ziehen. Nun kann man sich denken, dass die britischen Soldaten besser ausgestattet und ausgebildet waren als die teilweise aus 18jährigen „Freiwilligen“ bestehende argentinische Streitkraft. Galtieri war jedoch davon überzeugt, dass man mit denen schon fertig werden würde: „Die sollen nur kommen!“ (les estamos esperando). Ein paar Monate später waren insgesamt 650 argentinische Soldaten gefallen, die Inseln wieder in britischen Händen und Galtieri im Gefängnis

(9) „el granero del mundo“ – „die Kornkammer der Welt“. Wie kann es sein, so die Bedeutung des Textes, dass es noch immer Unterernährte in einem landwirtschaftlich derart reichen Land wie Argentinien gibt?

(10) „el que apuesta al dólar pierde“ – „wer auf den Dollar setzt verliert.“ Anfang der Neunziger gab es in Argentinien eine Hyperinflation, die den Peso von Tag zu Tag weiter entwertete. Dies veranlasste viele Leute dazu, sich von ihrem Lohn, der in Bar in Peso ausgezahlt wurde (wenn überhaupt), sofort und umgehends Dollar zu kaufen, bevor der Peso noch weniger wert war. Dies führte natürlich dazu, dass der Peso noch weniger wert war und so weiter und so fort. Die Regierung versuchte die Menschen dazu zu bringen, doch Vernunft anzunehmen und mit Pesos zu bezahlen, denn „wer auf den Dollar setzt, verliert“. Dies geschah letzten Endes erst, als der Peso per Regierungsdekret 1:1 an den Dollar gebunden wurde. Was dann wiederum starken Anteil an der Wirtschaftskrise 2001 hatte.

(11) Domingo Cavallo war Wirtschaftsminister unter de la Rúa. Die Krokodilstränen („lágrimas de cocodrilo“), die im Lied angesprochen werden, beziehen sich darauf, dass Cavallo weinend im Fernsehen zu sehen war. Das kam so: Vertreter von Renterorganisationen sprachen bei ihm vor und baten um eine Rentenerhöhung, den von der Rente allein konnte niemand leben. Leider musste er ablehnen, aber die Misere der Renter und seine Ohnmacht setzten ihm so zu, dass er besagte Krokodilstränen vergoss. Wovon sich die Hungernden natürlich auch nichts kaufen konnten.

(12) Zur Zeit der schlimmen Wirtschaftskrise 2001 hatte Argentinien fünf Präsidenten in einer Woche. Schließlich wurde dann Duhalde gewählt – der knapp fünf Monate im Amt blieb.

(13) Präsident Fernando de la Rúa zeichnet sich im Gedächtnis vieler Argentinier vor allem durch seine zauderhaftes Verhalten und seine Zögerlichkeit aus.

(14) Die Fundación de Favaloro sollte jedem bekannt sein, der in Argentinien mal ab und an Wasser in Flaschen kauft. Auf diesen prangt nämlich oft ein Logo der selbigen. René Favaloro war Herzchirurg von Weltrang, bekannt unter anderem für die erste Bypass-Operation der Welt. Er war sehr beliebt, nicht zuletzt aufgrund seiner Stiftung (fundación), die Forschung und Austausch für Mediziner ermöglicht und kostengünstige Operationen für Arme anbietet. Als der Stiftung im Zuge der Wirtschaftskrise 2000-2001 das Geld auszugehen drohte, bat er die Regierung um Hilfe. Diese jedoch ließ nichts von sich vernehmen. Entmutigt beging er Selbstmord („un tiro en el corazón de Favaloro“ – „ein Schuss ins Herz von Favaloro“).

Trotz der vielen Beispiele für das was schief läuft in diesem Land (weswegen auch nicht wenige Argentinier davon überzeugt sind, in einem país de mierda zu leben) beinhaltet das Lied ein klares Bekenntnis: Yo, Argentino!

Man kann eben seine Herkunft, seine Kultur niemals gänzlich leugnen. So sehr wir das auch manchmal versuchen.

Können die anderen Argentinien-Freiwilligen meine Verbundenheit zu diesem Lied irgendwie nachfühlen? Generell – bei Ergänzungen und Kritik immer die Kommentarfunktion nutzen damit alle was davon haben.

Eine Geschichts- und Popkulturlektion in fünf Minuten. Beileibe nicht vollständig (wobei ganz ehrlich – jedes Land entzieht sich dem Versuch, es objektiv abzubilden), aber für einen guten Eindruck reicht es. Wer zieht jetzt die Analogie zu den Prinzen?





100 Days of Summer

20 03 2010

warens dann doch nicht ganz. 30 Tage (fast) ununterbrochener Sonnenschein, begleitet von den schönsten, tollsten und besten Praktikanten der Welt, die zusätzlich noch Sonne in unsere vorher so tristen Leben brachten, waren durchaus eine willkommene Abwechslung, denn heute ist ganz klar wieder einer dieser Tage, von denen es in Bariloche zuviele gibt. Pünktlich zum Frühlingsanfang teilt der Herbst allen mit, dass er hier bald die Herrschaft übernehmen wird. Es ist grau, regnet und regnet und ja, regnen tuts auch.

Wie dem auch sei, ich hab wieder was zu erzählen, und zwar eigentlich viel zu viel. Deshalb lasse ich für den ersten Teil der Geschichte großzügig unsere Praktikanten zu Wort kommen. Deshalb zitiere ich jetzt hier aus ihrem sehr empfehlenswerten Chaosblog mit selbstverständlich vorausgesetzter Genehmigung die Geschichte von Schwarzpfote und Bert:

Wir waren um halb zwei mit Timon verabredet um eine kleine Wanderung zu einen Fluss mit Wasserfall zu unternehmen und je nach Wetterlage darin zu schwimmen. Da uns bis dahin noch ein bisschen Zeit zur Verfügung stand, beschlossen wir wieder einmal unsere Wohnung zu säubern und diese auf Hochglanz zu bringen…Ab Punkt halb 2 warteten wir also auf Timon an der verabredeten Bushaltestelle, doch Timon kam, so wie sich das für einen echten Argentinier gehört, um 2. Da aber eh kein Busfahrplan existiert und man einfach an der Bushaltestelle wartet bis bzw. ob überhaupt ein Bus kommt war dies auch ziemlich egal. Um viertel 3 kam dann schließlich ein Bus mit der Nummer 20 der zumindest laut Anzeige in die richtige Richtung fahren sollte, wobei man sich darauf nicht unbedingt verlassen kann. Timon versuchte während der Busfahrt, dem Fahrer zu erklären wo er uns rauslassen sollte, doch der war gerade mit telefonieren und rauchen beschäftigt und scherte sich somit nicht viel um den Deutschen hinter ihm. Da Timon auch nur vom Hörensagen wusste wo wir ungefähr hinmussten, betätigte er irgendwann auf Verdacht den roten Bus-Stop-Knopf, was in deutschen Bussen soviel bedeutet wie, dass der Bus an der nächsten Bushaltestelle anhält. In argentinischen Bussen wiederum wird das Stop eher wörtlich interpretiert, was ein sofortiges stoppen der Fahrt als Konsequenz hat. Bushaltestellen als solche sind ja generell völlig überbewertet. Also ließen wir uns nichts anmerken und taten so, als ob wir tatsächlich an dieser Stelle, an der sich weit und breit kein Haus oder sonstige als Ziel unserer Reise auszumachende Sehenswürdigkeiten befanden, aussteigen wollten und machten uns in

Auf der Suche nach dem richtigen Weg.

Busrichtung auf den Weg in der Hoffnung irgendwann in der nächsten Stunde auf einem Feldweg zu treffen, der dann nach 2 Kilometern tatsächlich auch am Horizont erschien. Wir glauben es ist an dieser Stelle überflüssig zu erwähnen, dass wir uns diesen Weg hätten ersparen können, da der Bus genau diese Strecke gefahren ist. Doch wie das so oft im Leben ist, hatte der vermeintliche Nachteil, dann doch einen sehr positiven Nebeneffekt. Und nein, dieser lag nicht darin, dass es Marc im Kampf gegen die überflüssigen Kilos nur gut getan hat ein paar Schritte mehr zu tun als nötig, sondern darin, dass wir unseren treuen Weggefährten des heutigen Tags kennen lernten: Schwarzpfote. Wir liefen also entlang der endlosen Straße, als plötzlich ein schwarzer Hund neben uns erschien und der, da es ihm gerade wohl etwas langweilig war, sich entschied uns zu folgen, was an sich nichts besonderes in Bariloche ist, da Bariloche mehr Hunde als Einwohner hat und man ständig und überall von Hunden umgeben ist. Meistens ist auch nicht klar ob die Hunde einen Besitzer haben oder nicht, aber das kümmert hier eigentlich niemanden. Jedenfalls wanderten wir an die 5 Kilometer auf einer der vielen Schotterstraßen entlang immer auf der Suchte nach dem Fluss. Schwarzpfote, den Marc in einem Anfall seines grenzenlosen Einfallsreichtums so getauft hatte, folgte uns den kompletten Weg beziehungsweise kundschaftete den Weg für uns aus. Wie kreativ dieser Einfall den Hund Schwarzpfote zu nennen tatsächlich war, stellt man erst bei genauerer Betrachtung von Schwarzpfote fest. Es handelte sich nämlich um einen  komplett schwarzen Hund. Nachdem wir einen Pick Up-Fahrer nach dem Weg gefragt hatten und dieser uns anbot mitzufahren da der Fluss genau in seiner Richtung lag, stiegen wir natürlich ohne zu zögern auf die Ladefläche. Wen wir dabei allerdings nicht bedachten war Schwarzpfote. Dieser war natürlich völlig entsetzt von unserem Vorhaben und rannte dem Auto deshalb so schnell er konnte hinterher. Da wir mit dem Auto jedoch fast 2 Kilometer zurücklegten verloren wir den süßen Kerl leider irgendwann aus den Augen. Es sollte vielleicht noch erwähnt werden, dass es sich bei Schwarzpfote um einen sehr sonderbaren Zeitgenossen handelte, er konnte weder bellen, fiepen, knurren oder überhaupt irgendeinen Laut von sich geben, wir hatten auch nicht wirklich das Gefühl als ob er auf irgendein rufen oder pfeifen unsererseits reagiert. Von daher lautete die Diagnose der Hundexperten Buchstor und von Kirchbach eindeutig: Schwarzpfote war taub-stumm, anders

Wildlebendes Schulmaskottchen: muticia

konnten wir uns das merkwürdige Verhalten des sonst so liebenswürdigen Begleiter nicht erklären. Am Fluss angekommen, begannen wir uns immer trauriger und schlechter zu fühlen, da wir unseren treuen Freund einfach so zurückgelassen hatten. Als sich gerade ein paar Tränen in unseren Augen sammelten, tauchte am Horizont plötzlich ein schwarzer Punkt auf und um die letzte Kurve kam ein schwarzes Etwas gerannt und wedelte mit dem Schwanz, Schwarzpfote das alte Kämpferherz hatte nicht aufgegeben und war zurück! Wir fielen uns in die Arme bzw. Beine und ließen erst nach geraumer Zeit wieder von uns. An dieser Stelle sollte man vielleicht noch erwähnen, dass wir Schwarzpfote nie die Aussicht auf etwas zu essen oder ähnlichem gestellt haben, wir rätseln bis heute was der Auslöser dafür war, derartige Strapazen auf sich zu nehmen nur um in unserer Nähe zu sein. Andererseits mussten wir uns auch eingestehen, dass es schon verdammt cool ist sich in unserer Gesellschaft zu befinden und mit uns gesehen zu werden, so dass wir dann doch wieder ein wenig Verständnis für diese bizarre Situation aufbringen konnten.

Flussbett mit Hund

Nachdem die Freude über das unverhoffte Wiedersehen abgeklungen war und Schwarzpfote seinen Durst im Fluss gestillt hatte machten wir uns auf die Suche nach einer Stelle im Fluss, die zum baden geeignet war. Es muss dazu gesagt werden, dass die Sonne an diesem Tag hinter dicken Wolken verborgen blieb und es auch sonst nicht gerade heiß war. Als wir schließlich eine gute Stelle zum Jumpen gefunden hatten, hatte uns aufgrund des Fingertests die Lust verlassen. Im Vergleich zu diesem Fluss fühlt man sich im Nahuel Huapi wie in den heißen Quellen von Hveravellir. Als wir schon frustriert den Heimweg antreten wollten, überlegten Marc und Timon es sich nochmals anders und fassten den selbstmörderischen Entschluss doch zu springen, lediglich der zu sehr von der Vernunft getriebene Niklas lehnte dankend ab und bot sich als Fotograf an. Da die beiden augrund ihres stark erhöhten Körperfettwertes (eine andere Erklärung dafür kann es nicht geben) den Sprung ins kühle Nass dann doch recht unbeschadet überstanden hatten, machten wir uns auf den Heimweg, waren wir doch abends zum Fußballspielen mit Alexis und seinen Kumpels verabredet. Also packten wir unsere Sachen zusammen und marschierten los. Kaum zu glauben aber wahr, den Rückweg traten wir zu fünft an, Schwarzpfote hatte am Fluss einen zweiten scheinbar herrenlosen Hund aufgetrieben der sich unserer Pilgergruppe anschloss. Beim Versuch Marcs Namenwahl für unseren neuen Gefährten zu toppen scheiterte Timon leider kläglich, trotz allem setzte sich mangels besserer Vorschläge schließlich der Name „Bert“ durch. Bert war im Vergleich zu Schwarzpfote jedoch eine Nervensäge der übelsten Sorte, da er ständig durch Bellen oder dumm im Weg rumstehen unseren Unmut auf sich zog. Auch die Attacken auf Schwarzpfote trugen nicht unbedingt dazu bei, dass wir den zu allem übel noch recht unattraktiven Hund nicht wirklich in unser Herz schlossen. Trotz allem begleitete uns Bert den kompletten Weg zurück zur Bushaltestelle. Hier war jedoch allen klar das eine Trennung stattfinden musste. Schwarzpfote kuschelte sich noch einmal mit aller Liebe an uns und sagte so auf Wiedersehen. Am liebsten hätten wir Schwarzpfote natürlich mitgenommen, doch wir wussten nicht genau über die Bestimmung im Flugzeug bescheid und Herr Buchstor Senior hätte Marc wohl einen Kopf kürzer gemacht, wenn er mit einem Hund als Mitbringsel zu Hause erschienen wäre. So kam es wie es kommen musste, wir betraten den Bus und trauten uns kaum aus dem Fenster zu sehen, ahnten wir doch was uns für ein Anblick erwarten sollte: Schwarzpfote rannte, so weit ihn seine Füße tragen konnten, dem Bus hinterher. Wir waren zu Tränen gerührt… Schwarzpfote, you stay in our heart, we love you!

Praktikanten und Rudel

Aber das ist natürlich nicht alles.

Berichtenswert ist ansonsten auch noch unsere große Zufriedenheit mit unserer Arbeit und Einsatzstelle, denn im Moment gibt es kaum etwas, über das wir uns beschweren könnten – von selbst verursachten Luxusproblemen (die tiefgekühlte Pizza passt nicht in meinen Ofen) und der immer noch offenen Studien- bzw. Berufswahl. Wir bleiben auch ganz geschäftig indem wir zum Beispiel am Donnerstag die zweiten Klassen auf Wandertag begleitet haben. Mit dem Bus ging es raus in die Wildnis und dann wurde ein Spaziergang von etwa einem Kilometer eingelegt. Dass dies für Zweitklässler eine abstrakt weite Entfernung ist, dürfte jedem klar sein. Jeder der Begleitpersonen kriegte nun seinen persönlichen Sack Flöhe zugewiesen und so hatte ich für die nächsten fünf Stunden darauf zu achten, dass sich die zwölf Schüler der orangen Gruppe nicht an Disteln, Steinen, liegengelassenem Abfall, sich selbst und Ameisen oder anderen gefährlichen Tieren verletzten. Was sich leichter anhört als es ist:

„Hey, was ist da vorne los? Auseinander!“ – „Es ist ja nicht meine Schuld, dass ich ihn geschlagen habe!“

Wer so bestechend argumentiert hat natürlich auch kein Problem schnurstracks aufgrund meiner vorangegangenen Warnung in ein pieksiges Klettenfeld zu marschieren oder die Pinkelpause ausgerechnet an dem Busch einzulegen, unter dessen Blätterdach grade ein Mitschüler Zuflucht vorm Regen sucht. Hachja. Good Times.

Was andere Neuigkeiten angeht kann ich vermelden, dass ich nun endlich von mir behaupten kann mal eine unserer Diskos hier aufgesucht zu haben. Eigentlich wollten wir nun mit unseren Praktikanten bechern gehen, die dann irgendwie Fußballkumpels wiedertrafen, die wiederum andere Jungs kannten und so landeten wir dann zuerst in insgesamt drei Bars mit anschließendem Besuch der Dusk, besagter Disko halt. Ich ziehe drei Lehren aus dieser Nacht:

  1. Wenn ich blond und weiblich wäre, würde ich mir entweder a) ein Dutzend wohlüberlegte Alibis zurechtlegen, mit der ich beim mit Sicherheit auftretenden Bedarf unerwünschte Casanovas abfertigen kann b) ein richtig dickes Fell zulegen um alles eiskalt abblitzen zu lassen (präferierte Methode der Latinas) c) mir die Haare färben.
  2. Die Musik in den Diskotheken ist so laut, damit die Leute alle schnell taub werden und dann, wenn sie die Musik nicht mehr hören, ihren Aufenthalt genießen können.
  3. Am Mittwoch gibts asado, also Gegrilltes! Marc und Niklas haben solange mit ihren persönlichen Fußballkünsten angegeben bis der Fehdehandschuh hingeworfen wurde: Gewinnen wir die Partie am Mittwoch, kriegen wir eine Kuh von ihnen gebraten, verlieren wir hingegen, kommen wir für die Kost auf. Da meine Stärken eher in nicht-fußballerischen Gegenden liegen, frage ich mich zum Einen wie in aller Welt ich da reingeraten bin und zum Anderen, wo ich eine Kuh herkriege. Wir werden sehen.

Soweit von mir, viva Perón und so.

Am Ende grüßt der Pelikan noch alle, die ihn kennen.





Momentaufnahmen #4

10 10 2009

Ich sitz grad auf dem Parkplatz hier bei meinem Hotel weil der W-Lan-Empfang dort einfach besser ist (bzw überhaupt ist) und alles ist mucksmäuschenstill, die Blätter rascheln, nichts bewegt sich.

Auf einmal schallt es aus allen Apartments (außer meinem):

„Goooooooooooooool!!!!! Goooool!! Yeaaaaaah!“

Das Vorurteil, das Argentinier samt und sonders fußballverrückt sind, scheint sich zu bestätigen. Sogar die kleinen Kinder kreischen mit.








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